Wenn wir nun endliche analytische Geometrie betreiben wollen, muss natürlich der zu Grunde liegende Zahl- bzw. Rechenbereich eine endliche Menge sein. Gibt es dafür geeignete Rechenbereiche? Die einfachsten und bekanntesten endlichen „Rechenbereiche“ sind die Restklassenringe (Rm, ⊕, ⊗) modulo einer natürlichen Zahl m. Wir wollen an einem einfachen Beispiel testen, ob diese für unsere Zwecke tauglich sind. Wir versuchen, ob der Restklassenring modulo 6, also (R6, + , *) geeignet ist. [Da keine Verwechslungsgefahr besteht, werden wir für die Restklassen aus drucktechnischen Gründen auf den Überstrich verzichten und die Reste selbst notieren. Ebenso verwenden wir die gewöhnlichen Zeichen für die Addition und Multiplikation für die Restklassenverknüpfungen.] Wir betrachten die beiden folgenden Geraden mit den Koeffiziententripeln (1; 3; 2) bzw. (3; 1; 4), also mit den Gleichungen x + 3y + 2 = 0 (1) 3x + y + 4 = 0 (2) Folgende Paare (x; y) erfüllen die erste Gleichung (überprüfen Sie durch Einsetzen): (1; 1), (1; 3), (1; 5), (4; 0), (4; 2) und (4; 4). Folgende Paare (x; y) erfüllen die zweite Gleichung (überprüfen Sie durch Einsetzen): (0; 2), (1; 5), (2; 2), (3; 5), (4; 2) und (5; 5). Wir haben demnach folgende Situation vor uns: Obwohl die beiden „Geraden“ zwei Punkte gemeinsam haben, sind sie nicht gleich. Das widerspricht unserem Axiom A1 einer affinen Inzidenzebene und der Rechenbereich (R6, +, *) ist für unsere Zwecke ungeeignet. Das Gleichungssystem mit den zwei linearen Gleichungen x + 3y + 2 = 0 bzw. 3x + y + 4 = 0 besitzt im Restklassenring mod 6 genau zwei verschiedene Lösungen. Das aber würde bedeuten, dass zwei verschiedene, nicht zueinander parallele Geraden zwei gemeinsame Punkte hätten, und das würde unserem Axiom A1 widersprechen. Der Restklassenring modulo 6 eignet sich also nicht für affine analytische Geometrie. Nur solche Rechenbereiche, in denen zwei unabhängige lineare Gleichungen genau eine Lösung besitzen, kommen für unsere Zwecke in Frage. Dies ist jedoch in Restklassenringen mit Primzahlmoduln der Fall, denn diese bilden sogar algebraische Körper. Die reellen Zahlen z. B., mit denen wir die wohlbekannte analytische Geometrie der reellen Ebene betreiben, bilden einen Zahlkörper. Wir wollen nun endliche Rechenbereiche, die die Eigenschaften eines Körpers haben, bereitstellen, mit deren Hilfe wir dann endliche analytische Geometrie betreiben können. Es wird sich zeigen, dass jede Koordinatenebene über einem Körper genau die drei Axiome A1 bis A3 einer affinen Inzidenzebene erfüllt und wir auch auf diesem Weg zur Struktur endlicher affiner Inzidenzebenen gelangen.