Ursachen und Auslöser Durchblutungsstörungen des Gehirns und Epilepsie Durchblutungsstörungen des Gehirns Altersepilepsien Bei Durchblutungsstörungen des Gehirns spielen in erster Linie Durchblutungsstörungen des Gehirns sind im höheren Lebensalter mit Abstand am häufigsten. Epilepsien mit einem Beginn im höheren Lebensalter werden kurz auch als Altersepilepsien bezeichnet (siehe epi-info „Was sind Besonderheiten einer Epilepsie im höheren Lebensalter?“). Etwa die Hälfte aller Altersepilepsien wird ursächlich auf Durchblutungsstörungen des Gehirns zurückgeführt. Daneben sind noch Hirntumore und so genannte degenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit von Bedeutung. Bei bis zur Hälfte der Betroffenen lässt sich allerdings keine eindeutige Ursache nachweisen. Durchblutungsstörungen des Gehirns können aber auch bei jüngeren Menschen und selbst schon bei Neugeborenen (z.B. aufgrund eines kindlichen Schlaganfalles im Rahmen der Geburt) Ursache einer Epilepsie sein. Schlaganfälle als akute Durchblutungsstörungen eine Rolle. Sie führen je nach Art, Ort und Ausmass zu verschiedenartigen Störungen, die neben epileptischen Anfällen z.B. auch die Beweglichkeit, die Sprache oder das Sehen betreffen können. Hirninfarkt Die wichtigsten Schlaganfallformen sind Ischämien (= Minderdurchblutungen), die analog zu Herzinfarkten auch Hirninfarkte genannt werden, daneben Blutungen in das Gehirn und so genannte Subarachnoidalblutungen. Zerebrale Ischämie bedeutet Mangeldurchblutung des Gehirns und ist der Oberbegriff für alle Durchblutungsstörungen, bei denen es zu einer vorübergehend oder dauerhaft verminderten Blutversorgung kommt. Die Durchblutungsstörungen können Teile oder auch das ganze Hirn betreffen. Zerebrale Ischämien mit vorübergehenden Beschwerden werden bei einer Dauer bis zu 24 Stunden transitorische ischämische Attacken (TIA) genannt. Ischämien mit bleibenden Folgen sind Hirninfarkte. Hirnblutung Eine Hirnblutung ist eine Blutung in das Innere des Gehirns. Blutungen werden im medizinischen Sprachgebrauch auch Hämatome oder Hämorrhagien genannt. Sie haben im Vergleich zu den anderen Schlaganfallformen meist einen ungünstigeren Verlauf. Blutungsquelle sind bei „hypertonen Massenblutungen“ in der Tiefe des Gehirns durch hohen Blutdruck veränderte Arterien und bei "Angiomblutungen" Gefässmissbildungen innerhalb des Gehirns. Daneben gibt es Einblutungen in Tumore oder Blutungen bei Gerinnungsstörungen. Subarachnoidalblutung Eine Subarachnoidalblutung (SAB) ist eine Blutung in den schmalen Raum zwischen der weichen Hirnhaut und der Gehirnoberfläche, also nicht in das Gehirn selbst. Die Vorsilbe „Sub-“ heisst „unter“, und die Arachnoidea ist ein Teil der weichen Hirnhaut. Allerdings kann es bei Subarachnoidalblutungen vorkommen, dass sich Blut von der Oberfläche in das weiche Gehirngewebe „hineinwühlt“ oder dass es im Verlauf zu zusätzlichen Hirninfarkten kommt. Andere Formen Bei anderweitig nicht ohne weiteres zu erklärenden Beschwerden wie z.B. Schwindel oder eine Fallneigung besonders älterer Menschen werden ursächlich oft chronische Durchblutungsstörungen angenommen. Es wird zum Beispiel von Verkalkung, Arterio- oder Zerebralsklerose oder zerebrovaskulärer Insuffizienz gesprochen. Im höheren Lebensalter wird auch solchen Störungen die Verursachung von Epilepsien zugeschrieben. Anfallsformen und Besonderheiten Da die meisten Durchblutungsstörungen nur Teile des Gehirns betreffen, handelt es sich bei den damit in Zusammenhang stehenden Anfällen in der Regel um so genannte fokale oder sich daraus entwickelnde, sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle (siehe epi-info „Häufige Anfallsformen bei Jugendlichen und Erwachsenen“). Die Angaben zur Anfallsbeschreibung sind allerdings gerade bei älteren Menschen oft unzureichend, weil sie zum Beispiel allein leben oder weniger dramatische Anfallsformen lange Zeit überhaupt nicht ernst nehmen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Durchblutungsstörung und Epilepsie Ein grosser Teil der durch einen Schlaganfall bedingten epileptischen Anfälle tritt in den ersten drei Tagen bzw. in der ersten Woche danach auf und entspricht damit akuten Gelegenheitsanfällen (siehe epi-info „Was sind Gelegenheitsanfälle?“). Das Auftreten mehrerer Spätanfälle und damit einer Epilepsie schwankt je nach Studie zwischen 3% und 14%. Oft findet sich nach einem ersten Häufigkeitsgipfel von Anfällen in der ersten Woche (= Frühanfälle) ein zweiter ungefähr einen Monat nach dem Hirninfarkt. In einer grossen wissenschaftlichen Untersuchung zu Durchblutungsstörungen und epileptischen Anfällen aus den USA erlitten von über 1600 Patienten mit Infarkten im Bereich der beiden Grosshirnhemisphären 140 Patienten Anfälle (8,6%). Betroffene mit Anfällen hatten vergleichsweise ausgedehnte Infarkte, Infarkte mit einer Einblutung oder mit Beteiligung der Hirnrinde und nachweisbaren EEG-Veränderungen erlitten. Fast die Hälfte der Anfälle entsprach Alle Rechte beim Verfasser, Dr. med Günter Krämer, Medizinischer Direktor des Schweizerischen Epilepsie-Zentrums Zürich 1 Ursachen und Auslöser Durchblutungsstörungen des Gehirns und Epilepsie akuten Gelegenheitsanfällen bereits am Tag des Schlaganfalls. Innerhalb der ersten Woche nahm die Anfallshäufigkeit ab, zeigte aber nach dem ersten Monat eine erneute Zunahme. Zwölf Monate später beobachtete man einen zweiten Häufigkeitsgipfel. Dass epileptische Anfälle vaskulär-ischämischer Genese einem Schlaganfall Monate oder sogar Jahre vorausgehen sollen, ist nicht allgemein anerkannt. Eine holländische Untersuchung wertete die Daten von rund 5000 mindestens 55-jährigen Einwohnern eines bestimmten Wohnbezirks aus, von denen 65 eine Epilepsie und 39 eine Spätepilepsie mit Beginn nach dem 40. Lebensjahr hatten. Ein Schlaganfall in der Anamnese war sowohl für alle Epilepsiepatienten als auch bei den Spätepilepsien etwa dreimal häufiger als in der Kontrollgruppe, und zusätzlich wurde für die Patienten mit einer Spätepilepsie auch ein erhöhtes Gesamtcholesterin als Risikofaktor errechnet. Um den Einfluss vaskulärer Risikofaktoren auch unabhängig von einem bereits aufgetretenen Schlaganfall zu überprüfen, erfolgte eine zusätzliche Überprüfung der Patienten ohne Schlaganfallanamnese. Auch dann blieb eine erhöhtes Gesamtcholesterin ein eindeutiger Risikofaktor für das Auftreten einer Epilepsie. Welche Untersuchungen? Stets ist eine zerebrale Bildgebung indiziert (siehe epi-info „Bildgebende Untersuchungen bei Epilepsie“). Dabei sollte mindestens eine Computertomographie (CT), besser aber schon als erstes eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden. Ein CT allein kann, zumindest ohne Gabe eines Kontrastmittels, falschnegativ sein. In Zweifelsfällen wie Verdacht auf Verkalkungen kann auch nach einem MRT zusätzlich ein CT erforderlich sein. Spezielle Untersuchungstechniken wie Magnetresonanzangiographie (MRA), Magnetresonanzspektroskopie (MRS), funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), Einzelphotonen-Emissions-Computertomographie (englisch: single photon emission computerized tomography; SPECT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sind nur ausnahmsweise sinnvoll. Das Elektroenzephalogramm (EEG) hilft leider nicht sehr viel, wenn man das Risiko von epileptischen Anfällen nach einem Schlaganfall abschätzen will. Möglicherweise gelingt dies durch Kombination verschiedener Methoden einschliesslich der Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Arterien. So hat sich gezeigt, dass das Ausmass der Verengung dieser Arterien auch für das Anfallsrisiko Bedeutung besitzt. Wann Medikamente? Die Behandlung von vaskulär bedingten epileptischen Anfällen und Epilepsien hängt von verschiedenen Fragen ab. So ist es ein Unterschied, ob ein Patient mit einer bekannten Epilepsie im höheren Lebensalter einen Schlaganfall erleidet oder ob es im Zusammenhang mit einem Schlaganfall erstmals zu Anfällen kommt. In der letztgenannten Situation ist die Einschätzung wichtig, ob es sich um einen einmaligen akuten Gelegenheitsanfall gehandelt hat oder ob mit dem Auftreten weiterer Anfälle gerechnet werden muss. Schlaganfall bei bekannter Epilepsie Unabhängig von der Art eines Schlaganfalls werden die Patienten in aller Regel auf ihrer bestehenden Medikation belassen und allenfalls wird geprüft, ob eine Dosisanpassung erforderlich ist. Erstmalige Anfälle im Rahmen eines Schlaganfalls Überwiegend wird nach einem ersten fokalen Frühanfall wegen der guten Spontanprognose noch keine antiepileptische Behandlungsindikation gestellt bzw. nur eine kurzfristige Gabe empfohlen. Sieht man nach einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall eine Behandlungsindikation, ist ein ausreichender Schutz wegen der parenteralen Applikationsmöglichkeit am schnellsten mit Phenytoin oder Valproat zu erreichen. Bei Anfallsfreiheit kann diese Medikation nach einigen Wochen wieder langsam ausgeschlichen werden. Vorsorglich behandeln? Eine vorsorgliche Behandlung gegen epileptische Anfälle bringt keinen Nutzen, weder bei Hirninfarkten noch bei intrazerebralen Blutungen. Manche Neurochirurgen behandeln Patienten mit einer Sub-arachnoidalblutung (SAB) allerdings auch ohne Frühanfälle prophylaktisch mit Antiepileptika, weil sie das Risiko von Zweitblutungen aufgrund von Anfällen fürchten. Andererseits gibt es aber auch gute Argumente dafür, dass Anfälle keine erhöhte Nachblutungsgefahr bewirken bzw. diese durch Antiepileptika nicht vermindert werden kann. In der Regel kann eine prophylaktische Medikation bei weiterbestehender Anfallsfreiheit schon kurz nach der Operation, spätestens jedoch nach ein bis drei Monaten abgesetzt werden. Alle Rechte beim Verfasser, Dr. med Günter Krämer, Medizinischer Direktor des Schweizerischen Epilepsie-Zentrums Zürich 2