Dr. Vladimir Lazić Dr. Robert Kucharczyk Mathematisches Institut Universität Bonn Übungen zur Vorlesung EINFÜHRUNG IN DIE GEOMETRIE UND TOPOLOGIE Sommersemester 2015 Serie 1 Abgabe bis Mittwoch, 15. April 2015. Im Folgenden seien Teilmengen von Rn immer mit der von der Standard-Topologie auf Rn ererbten Unterraumtopologie ausgestattet, falls nichts anderes explizit gefordert ist. Aufgabe 1 (10 = 5×2 Punkte). Im Folgenden sind Paare (X, Y ) mit einem topologischen Raum X und einer Teilmenge Y ⊆ X gegeben. Geben Sie jeweils (mit Begründung) an, ob Y offen in X ist, und ob Y abgeschlossen in X ist. (a) X = R und Y = {2n | n ∈ Z}; (b) X = R r {0} und Y wie in (a); (c) X = R2 und Y = {(x, y) ∈ R2 | 0 ≤ x < y}; (d) X = R2 und Y = {(x, y) ∈ R2 | x3 + y 3 < 1}; √ (e) X = Q mit der Unterraumtopologie von X ⊂ R, und Y = {x ∈ Q | x < 2}.1 Aufgabe 2 (10 = 5 + 3 + 2 Punkte). In dieser Aufgabe geht es um die Existenz oder Nichtexistenz von Homöomorphismen. (a) Betrachten Sie die folgenden drei topologischen Räume: X1 = R2 , X2 = {(x, y) ∈ R2 | 0 < x < 1 und 0 < y < 1}, X3 = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 < 1}. Wählen Sie zwei verschiedene unter diesen drei Räumen aus, sagen wir, Xi und Xj , und konstruieren Sie einen Homöomorphismus f : Xi → Xj . (b) Zeigen Sie, dass R r {0} und R2 r {0} nicht homöomorph sind.2 (c) Folgern Sie aus (b), dass R und R2 nicht homöomorph sind. Anmerkung. Der Satz von der Invarianz der Dimension“ (L. E. J. Brouwer, 1911) ” enthält als Spezialfall folgende Aussage: Rm und Rn sind nur dann homöomorph, wenn m = n gilt. √ Hier dürfen Sie ohne Beweis benutzen, dass 2 irrational ist. 2 Hinweis: Unter den Eigenschaften topologischer Räume, die Sie bereits kennen, gibt es eine, die von einem der Räume erfüllt ist, vom anderen Raum aber nicht. 1 Aufgabe 3 (10 = 3+2+2+3 Punkte). Wir definieren einen topologischen Raum (X, T ) wie folgt: Es sei X = (Rr{0})∪{a, b} mit a, b ∈ / R und a 6= b. Offene Teilmengen können auf zwei Weisen entstehen: ◦ Wenn U ⊆ R offen ist, 0 ∈ U gilt und V ⊆ {a, b} eine beliebige Teilmenge ist, dann ist (U r {0}) ∪ V ∈ T . ◦ Wenn U ⊆ R offen ist und 0 ∈ / U gilt, dann ist U ∈ T . Ferner sei jede offene Teilmenge von X von einem dieser beiden Typen. Zeigen Sie: (a) T ist eine Topologie auf X. (b) Jeder Punkt x ∈ X hat eine Umgebung, die homöomorph zum offenen Intervall (0, 1) ⊂ R ist. (c) (X, T ) ist kein Hausdorff-Raum. (d) Sei f : X → R eine stetige Abbildung. Dann gilt f (a) = f (b). Aufgabe 4 (10 = 2 + 2 + 2 + 4 Punkte). In dieser Aufgabe betrachten wir eine seltsame Topologie T auf der Menge Z der ganzen Zahlen. Zunächst erinnern wir uns an die folgenden Definitionen aus der elementaren Zahlentheorie: ◦ Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl p > 1, die nur durch 1 und sich selbst teilbar ist. ◦ Eine (beiderseits unendliche) arithmetische Progression ist eine Menge der Form def Ba,n = {x ∈ Z | x ≡ a mod n} = {a + kn | k ∈ Z} mit a ∈ Z und n ∈ N = {1, 2, 3, . . .}. Zeigen Sie nun: (a) Der Durchschnitt zweier arithmetischer Progressionen ist entweder leer, oder er enthält eine arithmetische Progression. Die Menge def B = {Ba,n | a ∈ Z und n ∈ N} ist daher die Basis einer eindeutigen Topologie T auf Z. (b) Jede arithmetische Progression Ba,n ∈ B ist offen und abgeschlossen in (Z, T ). (c) Es gilt [ B0,p = Z r {1, −1}. p Primzahl (d) Schließen Sie aus diesen Beobachtungen durch einen Widerspruchsbeweis, dass es unendlich viele Primzahlen gibt.3 Anmerkung. Diese Topologie nennt man die pro-endliche Topologie; sie lässt sich allgemeiner auf Gruppen definieren und besitzt viele Anwendungen. Der Beweis für die Unendlichkeit der Primzahlen, den Sie in dieser Aufgabe ausarbeiten sollen, wurde 1955 von Hillel Fürstenberg veröffentlicht. Der erste Beweis dieses Satzes stammt wohl von Euklid von Alexandria, der um 300 vor Christus gelebt hat; aufgrund seiner zentralen Bedeutung wurde im Laufe der Jahrhunderte eine große Anzahl von Beweisen gesammelt, die auf teils recht unterschiedlichen Ideen beruhen. Fürstenbergs Beweis ist sicher einer der überraschendsten. 3 Hinweis: Angenommen, es gäbe nur endlich viele. Dann wäre {1, −1} ⊂ Z offen. Das ist aber unmöglich ...