Elementare Zahlentheorie — 3. ¨Ubung

Werbung
Prof. Dr. Jörn Steuding, Pascal Stumpf
Institut für Mathematik, Universität Würzburg
7. November 2016
Elementare Zahlentheorie — 3. Übung
Aufgabe 1. [5 × 2 Punkte] Beweisen oder widerlegen Sie die folgenden Aussagen:
(i) Zwischen zwei ganzen Zahlen liegen nur endlich viele rationale Zahlen.
(ii) Zwischen zwei rationalen Zahlen
liegen
nur endlich
viele ganze Zahlen.
(iii) Für n ∈ N ist die Summe n0 + n1 + . . . + nn genau n mal durch 2 teilbar.
(iv) Die Menge {1, 2, . . . , 6} besitzt mehr vier- als zweielementige Teilmengen.
(v) Es gibt unendlich viele natürliche Zahlen, die jeweils mindestens viermal im
Pascalschen Dreieck auftauchen.
Aufgabe 2. [10 Punkte] Die Anzahl der Elemente einer endlichen Menge X wird
mit ♯(X) bezeichnet. Es sei M eine endliche Menge und 2M sei ihre Potenzmenge.
(Beispiele hierzu wurden in der dritten Übungsaufgabe des ersten Blattes thematisiert!)
Beweisen Sie
♯ 2M = 2 ♯(M) .
Hinweis: Entfernen Sie ein Element x aus der Menge M , so hat jede Teilmenge
N ⊂ M die Eigenschaft, entweder a) das Element x zu besitzen oder b) das Element
x nicht zu besitzen. Wie viele Teilmengen gibt es, die a) bzw. b) genügen?
Aufgabe 3. [5 × 2 Punkte] Der Calkin–Wilf-Baum ist ein Baum“ , welcher aus
”
der Wurzel ab = 11 durch Iteration von
a
a+b
a
7→
,
b
a+b
b
hevorgeht. Die Brüche in der n-ten Zeile bilden die n-te Generation“. Das folgende
”
Bild zeigt die ersten vier Generationen des Baumes:
1
3
1
4
✝✝
tt
tt
tt
✽✽
4
3
1
2
✐✐
✐✐✐✐
✐
✐
✐
✐✐✐✐
❏❏
❏❏
❏❏
3
2 ✽
✽
✝
✝
3
5
5
2
1
1
❯❯❯❯
❯❯❯❯
❯❯❯❯
❯
t
tt
tt
t
2
3 ✽
✽
✝
✝
2
5
5
3
2
1
❏❏
❏❏
❏❏
3
4
✝✝
3
1
✽✽
4
1
(i) Fügen Sie dem Baum noch zwei weitere Generationen hinzu. Treten die
13
Brüche 13
8 bzw. 15 auf ? Wo befinden sich die natürlichen Zahlen n und wo
die Stammbrüche n1 ?
(ii) Wie viele Brüche bilden die n-te Generation? Begründen Sie, warum mit ab
auch der reziproke Bruch ab in derselben Generation auftritt!
(iii) Die Länge des Bruchs ab ist definiert als ℓ( ab ) = a + b. Ergänzen Sie Ihren
Calkin–Wilf-Baum, indem Sie den Elementen der ersten vier Generationen
die jeweilige Länge zuordnen. Was beobachten Sie?
(iv) Angenommen, es gäbe eine positive rationale Zahl xy , die nicht im Calkin–
Wilf-Baum auftritt. Zeigen Sie, dass es dann auch eine positive rationale
Zahl gibt, die ebenfalls nicht im Calkin–Wilf-Baum erscheint und dabei eine
Länge < x + y = ℓ( xy ) hätte.
(v) Beweisen Sie unter Zuhilfenahme der letzten beiden Teilaufgaben, dass jede
positive rationale Zahl im Calkin–Wilf-Baum auftritt!
Übungsblätter werden immer montags in der Vorlesung ausgegeben; sie stehen auch online
auf der homepage https://www.mathematik.uni-wuerzburg.de/∼steuding/elemzahltheo2016.htm zur
Verfügung (wie auch die Folien). Bearbeitete Übungsblätter müssen in Gruppen von maximal
drei Studierenden im Raum 00.105 des BSZ im Briefkasten Elementare Zahlentheorie bis 12 Uhr
am Mittwoch der darauffolgenden Woche abgegeben werden. Für die Klausurzulassung sind 50% der
Übungspunkte (jeweils 30 pro Blatt) nötig.
Viel Spaß!
2
Lösungshinweis zu Aufgabe 1:
Die Aussage (i) ist nicht wahr, denn durchläuft n alle unendlich vielen natürlichen
Zahlen größer als 1, so durchläuft 1/n gleichzeitig unendlich viele verschiedene immer
kleinere rationale Zahlen, die alle zwischen den beiden ganzen Zahlen 0 und 1 liegen.
Allgemeiner können wir zwischen zwei verschiedenen rationalen Zahlen a < b zum
Beispiel deren ebenfalls noch rationales arithmetisches Mittel (a + b)/2 finden, da
a = (a + a)/2 < (a + b)/2 < (b + b)/2 = b ,
und wir sagen auch die Menge Q der rationalen Zahlen liegt dicht“ in der Menge R
”
der reellen Zahlen. Anders verhalten sich unsere ganzen Zahlen, die als Teilmenge der
rationalen Zahlen sogar so dünn“ verteilt sind, dass wir auf einmal von aufeinander”
folgenden ganzen Zahlen sprechen können, die sich genau um den diskreten Abstand
1 unterscheiden. Wählen wir nun rationale Zahlen a 6 b aus, dann existieren auf alle
Fälle höchstens (b − a)/1 + 1 ganze Zahlen zwischen ihnen, was (ii) bestätigt.
Bei (iii) kann uns ein eher kombinatorischer
Blick auf die Summe helfen. Jeder der
n + 1 Binomialkoeffizienten nr mit 0 6 r 6 n zählt jeweils genau alle r elementigen
Teilmengen einer Menge mit insgesamt n Elementen für uns, und da umgekehrt jede
ihrer Teilmengen
genau
eine der möglichen Mächtigkeiten von 0 bis n hat, entspricht
die Summe n0 + n1 + . . . + nn gerade der Anzahl aller ihrer Teilmengen. Für diese
Anzahl haben wir uns schon überlegt (und werden es in der nächsten Aufgabe sogar
induktiv beweisen), dass sie 2n beträgt, und daher genau n mal durch 2 teilbar ist.
Obwohl wir 4 > 2 haben, können uns die Binomialkoeffizienten verraten, dass die
Menge {1, 2, . . . , 6} sowohl
6!
6
6!
6·5·4·3·2·1
6·5
=
=
=
=
= 15
2
2! · (6 − 2)!
2! · 4!
2·1·4·3·2·1
2·1
zweielementige als auch
6!
6·5·4·3·2·1
6·5
6!
6
=
=
=
= 15
=
4! · (6 − 4)!
4! · 2!
4·3·2·1·2·1
2·1
4
vierelementige Teilmengen besitzt, womit (iv) widerlegt ist.
Die Aussage (v) ist wieder richtig. Dabei unterstützt uns die Symmetrie
n!
n
n!
n
=
=
=
r
r! · (n − r)!
(n − r)! · r!
n−r
für n ∈ N und 0 6 r 6 n, die wir auch rein kombinatorisch einsehen können, denn zu
jeder r elementigen Teilmenge einer Menge mit insgesamt n Elementen gehört immer
genau eine komplementäre Teilmenge, die aus den n − r anderen Elementen besteht,
und umgekehrt.
Nun sehen wir für jedes (der unendlich vielen) n > 5, dass der Wert
cn = n2 > n wirklich mindestens viermal im Pascalschen Dreieck auftritt, da
n
cn
n
cn
,
cn =
=
=
und cn =
cn − 1
1
2
n−2
wobei sich je zwei der vier angegebenen Binomialkoeffizienten an mindestens einem
ihrer beiden Einträge unterscheiden (beachte auch 2 < n − 2 wegen n > 5).
Lösungshinweis zu Aufgabe 2: Wir führen den Beweis durch eine vollständige
Induktion nach n := ♯(M ).
Induktionsanfang n = 0: Im Falle M = ∅ ist ♯(M ) = 0 und 2M = {∅}, womit
♯(2M ) = 1 = 20 = 2 ♯(M) .
Induktionsschritt n 7→ n + 1: Unsere Induktionsannahme ist, dass die Potenzmenge
einer n-elementigen Menge genau 2n Elementen hat. Sei nun M eine beliebige Menge
mit n + 1 Elementen und x ein Element von M . Die Teilmengen N von M zerfallen
in zwei disjunkte Klassen von Mengen, nämlich
• a) Teilmengen N , die x enthalten, bzw.
3
• b) Teilmengen N , die x nicht enthalten.
Die Teilmengen N von M im Falle a) vermindert um das Element x bilden nun die
Potenzmenge der n-elementigen Menge M ′ := M \ x, also ist die Anzahl der Mengen
′
in a) nach Induktionsannahme ♯(2M ) = 2n . Die Teilmengen N von M im Fall b) sind
tatsächlich genau die Elemente der Potenzmenge von M ′ = M \ {x}, womit wiederum
nach Induktionsannahme deren Anzahl gleich 2n ist. Somit ergibt sich für die Anzahl
der Elemente der Potenzmenge 2M von M durch Summation der Fälle a) und b) also
2n + 2n = 2n+1 viele Elemente, was die Induktion abschließt.
Lösungshinweis zu Aufgabe 3:
Zu (i): Die fünfte Generation ist (von links nach rechts gelistet):
1 5
4 7
, ,
, ,
5 4
7 3
und die sechste ist
6
1
6
,
5
5
,
9
9
,
4
4
,
11
11
,
7
7
,
10
10
,
3
3
,
11
11
,
8
3 8
, ,
8 5
8
,
13
13
,
5
5 7
, ,
7 2
5
,
12
12
,
7
2 7
, ,
7 5
7
,
9
9
,
2
2
,
9
5 8
, ,
8 3
9
,
7
7
,
12
3 7
, ,
7 4
12
,
5
5
,
13
4 5
, ,
5 1
13
,
8
8
,
11
11
,
3
3
,
10
10
,
7
7
,
13
Es tritt 13
8 in der sechsten Generation auf, aber 15 (bislang noch nicht). Das erste
Element der n-ten Generation ist n1 und das letzte ist n1 (wie sich leicht mit Induktion
zeigen ließe).
Zu (ii): Die Anzahl der Elemente der n-ten Generation ist 2n−1 , wie man per
Induktion sieht: Die erste Generation besteht aus 11 als einzigem Element. Die dem
a
, a+b
Baum zugrundeliegende Konstruktionsvorschrift ab 7→ a+b
b produziert aus einem
Element der n-ten Generation zwei Elemente der n + 1-ten Generation (und diese
sind alle verschieden), womit sich die Anzahl der Elemente von einer Generation zur
nächsten verdoppeln.
Die Konstruktionsvorschrift bewirkt, dass mit jedem ab auch sein Reziprokes ab im
Baum auftritt. Tatsächlich entstehen alle derartigen Pärchen aus ebensolchen Pärchen
bzw. anders formuliert, aus den reziproken Brüchen 21 und 21 ergeben sich sämtliche
Einträge des Baumes außer 11 durch dieselben Additionen von Zähler oder Nenner
zum Nenner oder Zähler.
Zu (iii): Die Länge der Elemente der ersten vier Generationen des Baumes:
❤❤❤ 2 ❱❱❱❱❱❱❱
❱❱❱❱
❤❤❤❤
❤
❤
❤
❱
❤❤
3
◆
♣♣ 3 ◆◆◆◆◆
♣♣ ◆◆◆◆
♣
♣
♣
♣
◆
◆
♣♣
♣♣
4❂
5❂
5❂
4❂
❂
❂
❂
✂
✂
✂
✂✂ ❂
✂
✂
✂
5
7
8
7
7
8
7
5
Es ist zu beobachten, dass die Länge unter der Konstruktionsvorschrift zunimmt:
ℓ( ab ) = a + b
7→
a
ℓ( a+b
) = 2a + b ,
ℓ( a+b
b ) = a + 2b.
Zu (iv): Angenommen, es e gäbe eine positive rationale Zahl xy , die nicht im Calkin–
Wilf-Baum auftritt. Ist diese Zahl größer 1, so würde ebenfalls x−y
nicht auftreten
y
x−y+y
x
(da dieser Bruch unter der Konstruktionsvorschrift auf
= y in der folgenden
y
x
Generation abgebildet würde). Ist hingegen xy kleiner 1, so träte auch y−x
nicht
x
x
auf (denn die Konstruktionsvorschrift lieferte hierzu y−x+x = y in der nächsten
Generation). Dabei gilt für die Länge dieser Vorgänger“
”
x
x
)
=
x
<
x
+
y
=
ℓ(
)
und
ℓ( y−x
) = y < x + y = ℓ( xy ),
ℓ( x−y
y
y
wie auch in (iii) beobachtet.
11
11
,
4
4
,
9
9
,
5
5
,
6
6
,
1
.
4
Zu (v): Sei nun
n
N = ℓ( xy ) :
x
y
o
∈ Q+ ist kein Element des Baumes ⊂ N.
Nun besitzt N nach Satz 2.3 aufgrund der Wohlordnung von N entweder ein kleinstes
Element oder N ist leer. Angenommen, N wäre nicht-leer und etwa xy ein positiver
und gekürzter Bruch mit minimaler Länge, der nicht im Baum auftritt. Nach (iv)
träte dann auch eine positive rationale Zahl mit kleinerer Länge nicht im Baum auf,
der gewünschte Widerspruch. Also ist N = ∅, womit jeder positive gekürzte Bruch im
Baum vorkommt.
Herunterladen