Rektumkarzinom: Die Rolle der MRT für die - GI

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Rektumkarzinom: Die Rolle der MRT für die präoperative Definition
des therapeutischen Vorgehens
C. Rödel
Klinik für Strahlentherapie und Onkologie, Goethe-Universität Frankfurt
1) Indikation
zur
präoperativen
Radiotherapie/Radiochemotherapie
des
Rektumkarzinoms auf Grundlage der klinischen T- und N-Kategorie
S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Aktualisierung 2008:
„Im UICC-Stadium I (T1-2 N0) ist eine perioperative Therapie nicht indiziert. Im
UICC-Stadium II (T3-4 N0) und III (T1-4 N+) ist die neoadjuvante Radio- oder
Radiochemotherapie indiziert.“
Als bildgebende Staging-Maßnahmen stehen die Endosonographie, die Multislice-CT
sowie die Dünnschicht-MRT (mit Body-Array-Spule) zur Verfügung. Die Eindringtiefe
von Tumoren in die Darmwandschichten des Rektums (insbesondere Differenzierung
von T1- versus T2-Tumoren), kann am besten mit Hilfe der Endosonographie
beurteilt werden. Eine Metaanalyse von 90 Arbeiten fand eine Spezifität der
Endosonographie für die Erkennung der Muscularis propria-Infiltration (T2) zwischen
80-90%, die damit signifikant höher lag als die der MRT (52-82%).1 Die Sensititivität
für die Detektion eines T3-Tumors lag in dieser Analyse für die Endosonographie bei
88-92%, für die MRT bei 74-87%. Die Endosonographie kommt daher insbesondere
zur Planung eingeschränkter Operationstechniken (lokale Exzision bei low-risk T1Tumoren)
sowie
zur
Indikationsstellung
der
neoadjuvanten
Radio-
oder
Radiochemotherapie ab einer T-Kategorie von T3 zum Einsatz. Die MRT mit
Endorektal-Spule hat eine mit der Endosonograhie vergleichbare Genauigkeit bei der
Beurteilung der T-Kategorie (71-91%), hat sich aber nicht als Routineverfahren
durchgesetzt. Als Limitationen der CT müssen die fehlende Differenzierbarkeit der
Wandschichten, die fehlende Darstellung der mesorektalen Faszie sowie die
fehlende Genauigkeit in der Detektion von Tumorinfiltration in umgebende Organe
genannte werden. Inwiefern moderne Multislice-CT-Scanner mit der Möglichkeit der
multiplanaren Rekonstruktion in der Lage sind, diese Limitationen aufzuheben, ist
Gegenstand der Forschung. Bezüglich der Detektion von Lymphknoten-Metastasen
(nach Kriterien der Größe, Form, Kontur und Signalverhalten) ist keine der
genannten Stagingmethoden ausreichend verlässlich, was auch durch die hohe
Frequenz von Mikrometastasen in normal großen Lymphknoten beim Rektumkarziom
bedingt ist. Möglicherweise kann die Genauigkeit der MRT bezüglich der N-Kategorie
durch den Einsatz von supermagnetischen Eisenoxid-Kontrastmittel (USPIO)
verbessert werden.
Als Problem jeder neoadjuvanten Therapie muß das potentielle „Overstaging“ und
die daraus resultierende „Überbehandlung“ von Patienten gewertet werden, bei
denen fälschlicherweise ein wanddurchsetzender (T3) oder lymphknotenpositiver
Tumor (N+) diagnostiziert wurde. Nach den Ergebnissen der CAO/ARO/AIO-94Studie liegt das Risiko für eine solches „Overstaging“ bei 18%.2 Der Stellenwert der
Strahlentherapie
des
Rektumkarzinoms
im
oberen
Drittel
(12-16
cm
ab
Anokutanlinie) wird kontrovers diskutiert. Es kann eine adjuvante Therapie wie beim
Kolonkarzinom
oder
eine
perioperative
Radio(chemo-)therapie
wie
beim
Rektumkarzinom durchgeführt werden.
2) Selektive
Indikation
zur
präoperativen
RT/RCT
auf
Grundlage
der
Tumorbeziehung zur mesorektalen Faszie und zur Höhenlokalisation des
Tumors
Patienten, bei denen Tumorgewebe bis 1 mm oder weniger vom zirkumferentiellen
Resektionsrand (circumferential resection margin, CRM) entfernt ist oder letzteren
befallen oder durchbrochen hat, haben auch nach optimierter Chirurgie mit totaler
Mesorektumentfernung
ein
wesentlich
höheres
Lokalrezidivrisiko.3
Histopathologische Untersuchungen an pT3-Tumoren zeigen außerdem ein höheres
Lokalrezidivrisiko, wenn der Tumor mehr als 5 mm in das perirektale Fettgewebe
infiltriert (pT3a/b vs. pT3c/d).4 Für tiefliegende Tumoren an oder unter dem
Levatoransatz, die jenseits der Muscularis propria infiltrieren, besteht ebenfalls ein
deutlich erhöhtes Lokalrezidivrisiko. Die hoch auflösende Dünnschicht-MRT (mit
Body-Array-Spule) erlaubt mit hoher Genauigkeit die Darstellung der mesorektalen
Faszie, den Abstand des Tumors vom Rand des Mesorektums sowie dessen
Eindringtiefe ins mesorektale Fettgewebe.5,6 Einzelne Studiengruppen und Zentren
schränken
die
Indikation
zu
einer
präoperativen
Radiotherapie
oder
Radiochemotherapie – auch im Hinblick auf das oben beschrieben Risiko des
Overstagings und die mit der Radiotherapie assoziierten akuten und chronischen
Nebenwirkungen - auf Patienten mit Tumoren ein, die
1) auf Grundlage der MRT die Fascia mesorectalis erreichen oder 1mm oder
weniger von ihr entfernt sind,
2) unter den Levatorenansatz reichen und dort jenseits der Muscularis propria
infiltrieren,
3) fixiert oder adhärend fraglich R0-resektabel (T4 mit Infiltration von
Nachbarorganen) erscheinen.7,8
Nach diesem Konzept wird also die Indikation zur neoadjuvanten Therapie nicht
primär nach der T- und/oder N-Kategorie, sondern durch den im MRT bestimmten
Abstand des Primärtumors (oder von Lymphknoten) von der mesorektalen Faszie
bestimmt. Patienten mit intraoperativer Tumorperforation oder Schnitt durch den
Tumor und solche, bei denen die histopathologische Aufarbeitung eine inkomplette
Mesorektumresektion oder einen CRM+-Status ergibt, werden einer adjuvante
Radiochemotherapie zugeführt. Voraussetzungen dieses Konzeptes sind die
Verfügbarkeit
einer
hochauflösenden
Dünnschicht-MRT
sowie
die
laufende
Qualitätssicherung der MRT und der chirurgischen Qualität der Mesorektumexzision
durch den Pathologen. Erste klinische Erfahrungen zeigen, dass bei Anwendung
dieser MRT-Selektionskriterien der Anteil von Patienten, die eine präoperative
RT/RCT erhalten, (nur noch) in einer Größenordnung von 35%-40% liegt, und dass
die Rate an histopathologisch bestätigten CRM-negativen Tumoren nach alleiniger
Chirurgie mehr als 95% beträgt.9,10
3) Limitationen der MRT-basierten Differentialindikation zur neoadjuvanten
RT/RCT
•
Falsch negative MRT-Befunde, also ein prädizierter CRM-negativ-Status bei
histopathologisch gefundenem CRM+, treten etwa bei 5% - 10% auf.7
•
Nach den aktuellsten Daten der multizentrischen britischen MRC CR07-Studie
mit prospektiver Evaluation der TME-Qualität konnte nur in 53% der Patienten
eine komplette Mesorektumresektion erreicht werden, 34% zeigten eine intra-
mesorektale Exzision, 13% Defekte bis zur Muskularis propria der
Darmwand.11
•
Der Lymphknoten-Status ist ein unabhängiger Prognosefaktor für das
Lokalrezidivrisiko (z.B. Lokalrezidivrate in der holländischen TME-Studie 21%
im Stadium III nach alleiniger TME. Eine multivariate Analyse der 5 großen,
aktuellsten europäischen Studien zur Behandlung des Rektumkarzinoms zeigt
ein relatives Risiko für das Auftreten eines Lokalrezidives von 2.27 bei pN+
versus pN0, p<0.001).12 Der LK-Status ist präoperativ aber auch im MRT nicht
ausreichend sicher zu bestimmen und geht somit nicht in das selektive
Konzept ein. Mehr als 30% der Patienten zeigen postoperativ ein UICCStadium III.
Die Selektion zur präoperativen RT/RCT für Patienten mit MRT-Status CRM+
bedingt,
dass
bei
histopathologischer
Aufarbeitung
des
Resektates
und
Identifizierung der oben genannten Lokalrezidiv-Risikofaktoren (zu denen auch die
pN-Kategorie gehört!) nach primärer Operation in einem nicht unerheblichen
Prozentsatz die Indikation zur postoperativen RCT zu stellen ist (CRM+: 5-10%,
intramesorektale und intramurale Exzision 30-40%, pN+:30-40%). Die postoperative
RCT ist jedoch signifikant weniger effektiv und deutlich toxischer als die präoperative
RCT!
Ein weiterer Kritikpunkt an dem vorgestellten selektiven RT-Konzept richtet sich
gegen dessen implizierter Schlussfolgerung, dass Patienten, bei denen ein CRMnegativer Befund durch alleinige Operation erreicht werden kann, von einer
zusätzlichen RT nicht profitieren würden. Daten der holländischen TME-Studie sowie
der britischen MRC-CR07-Studie belegen jedoch gerade das Gegenteil. Zwar
bestätigen auch diese beiden Studien in beeindruckender Weise die prognostische
Bedeutung des CRM-Status und der TME-Qualität für das Lokalrezidivrisiko.
Allerdings konnte gerade bei den Patienten mit CRM-negativen Tumoren (TMEStudie) und solchen mit perfekter TME (MRC-Studie) durch die zusätzlich
präoperative RT eine weitere signifikante Verbesserung der lokalen Kontrolle erreicht
werden.11,13
4) Schlussfolgerung:
In den aktualisierten Leitlinien zum kolorektalen Karzinom 2008 wird die Indikation
zur präoperativen RT/RCT weiter auf Grundlage der T- und N-Kategorie gestellt. Die
Endosonograhie ist die Methode der Wahl, um frühe Tumoren im UICC-Stadium I zu
detektieren und der sofortigen Operation zuzuführen. Da insbesondere die
Sensitivität und Spezifität der Beurteilung des Lymphknotenbefalls für alle StagingMaßnahmen (Endosonographie, Multisclice-CT, MRT) limitiert ist, wird bei T1/2Tumoren mit bildgebend fraglichen N+ als Option auch die primäre Operation (mit
ggf. adjuvanter Radiochemotherapie, falls die histopathologische Aufarbeitung einen
pT3/4- oder pN+Tumor ergibt) als sinnvoll erachtet. Die MRT erlaubt aufgrund ihrer
hervorragenden Weichgewebsauflösung die Visualisierung der mesorektalen Faszie
mit entsprechender
Lagebeziehung des Tumors zu dieser Faszie. Die MRT-
Untersuchung ist daher für die weitere Therapieentscheidung zielführend, wenn
zwischen einer präoperativen Kurzzeitbestrahlung (also nicht: keiner neoadjuvanten
Therapie!) und einer Radiochemotherapie bei Tumoren mit Ausbreitung bis nahe des
zirkumferentiellen Resektionsrandes gewählt werden soll. Bei letzterer Situation soll
die neoadjuvante Therapie nämlich obligat als Langzeit-RCT und nicht als
Kurzzeittherapie erfolgen. Der Verzicht auf eine präoperative RT/RCT bei im MRT
CRM-negativen Tumoren stellt ein Verfahren dar, das in Studien weiter geprüft
werden muss.
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