Molekulargenetische Diagnostik und genetische Beratung

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Originalarbeit
Molekulargenetische Diagnostik und genetische
Beratung bei vererbten neurologischen Krankheiten
■
M. Hergersberg
Institut für Medizinische Genetik der Universität Zürich
Summary
Hergersberg M. [Molecular genetic diagnosis and
genetic counselling of inherited neurological diseases.] Schweiz Arch Neurol Psychiatr 2001;152:
138–42.
The Mendelian inheritance of diseases caused by
mutations in a single gene (monogenic diseases)
has been known for more than a hundred years.
Approximately fifty years ago the nature of a gene
as a piece of DNA encoding the information for the
amino acid sequence of a protein was recognised.
During the last twenty-five years many of the genes
changed (mutated) in monogenically inherited
diseases have been identified. This information
contributes to the understanding of the pathogenesis of neurological diseases and disease susceptibility. At the moment, the interest is focussed
on the increased possibilities for diagnostic and
prognostic purposes, and on the genetic counselling
problems arising in the case of non-treatable inherited diseases. There is the hope, however, that
this new knowledge will also be translated into
new therapeutic strategies.
Keywords: mutation; allele; polymorphism;
mutation analysis; linkage analysis
Während der letzten 25 Jahre wurden viele Gene
identifiziert, deren Veränderung (Mutation) den
monogenen Erkrankungen zugrunde liegt. Aus
diesen Informationen entsteht ein vollständigeres Verständnis der Pathogenese neurologischer
Krankheiten und Erkrankungsrisiken.Aktuell stehen die verbesserten diagnostischen und prognostischen Möglichkeiten im Vordergrund sowie die
Beratungsprobleme, die diese Erkenntnisse bei
nicht behandelbaren Krankheiten mit sich bringen.
Es besteht aber die Hoffnung, dass sich hieraus
innovative therapeutische Ansätze ergeben.
Schlüsselwörter: Mutation; Allel; Polymorphismus; Mutationsanalyse; Kopplungsanalyse
Monogen und polygen vererbte Erkrankungen
Die Ursachen aller Krankheiten und Eigenschaften eines Organismus enthalten einen unterschiedlich grossen genetischen Anteil. Abbildung 1 illustriert das weite Spektrum von (fast) vollständig
genetisch verursachten Krankheiten wie der Muskeldystrophie Duchenne bis zum (fast) vollständig
durch Umweltfaktoren bestimmten Skorbut. Die
Abbildung 1
Zusammenfassung
Schematische Darstellung des unterschiedlich grossen
genetischen Einflusses auf einige ausgewählte Krankheiten
(nach [11]).
Seit etwa hundert Jahren ist bekannt, dass die
Vererbung von Krankheiten, die auf Mutationen
in einem Gen zurückgehen (monogene Erbkrankheiten), den Mendelschen Vererbungsregeln gehorcht. Seit etwa fünfzig Jahren weiss man, dass
ein Gen ein Abschnitt auf der DNA ist, der die
Information zur Bildung eines Proteins enthält.
Korrespondenz:
Dr. Mar tin Hergersberg
Institut für Medizinische Genetik
Universität Zürich
Rämistrasse 74
CH-8001 Zürich
e-mail: [email protected]
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Tatsache, dass genetische Faktoren bei der Krankheitsentstehung wichtig sind, erlaubt aber nicht
ohne weiteres die Identifikation der entsprechenden Gene. Dies gilt in besonderem Mass für Krankheiten, bei deren Entstehung sowohl genetische
als auch Umweltfaktoren beteiligt sind (multifaktorielle oder komplexe Erkrankungen). Dabei
kann der genetische Anteil aus bestimmten Varianten (Allelen) eines Gens oder durch das Zusammenwirken der Allele vieler Gene bestehen.
Entsprechend wird eine mehr oder weniger grosse
Anfälligkeit für eine Krankheit vererbt, etwa gegenüber Umwelteinflüssen (Suszeptibilität). Im
Gegensatz zu monogenetischen Krankheiten war
die molekulargenetische Suche nach den Ursachen
komplex vererbter Eigenschaften bisher relativ
erfolglos.
Da jede Zelle von jedem autosomalen Gen
zwei Allele enthält, ist das Genprodukt des nicht
mutierten Allels häufig ausreichend für eine normale Funktion, und nur bei Mutationen in beiden
Allelen kommt es zu einer Erkrankung. Ein solcher autosomal-rezessiver Erbgang findet sich
zum Beispiel bei verschiedenen Formen der
spinalen Muskelatrophie (SMA) oder der Gliedergürtel-Muskeldystrophie (LGMD). Für den
autosomal-rezessiven Erbgang ist es demnach
charakteristisch, dass klinisch unauffällige Eltern
betroffene Kinder haben. Von dieser Regel gibt
es jedoch zahlreiche Ausnahmen, da autosomaldominant oder X-chromosomal vererbte Krankheiten auch als Folge von Neumutationen auftreten können.
Wenn eine Mutation die Funktion des Genproduktes so verändert, dass dessen physiologische
Funktion nicht durch das zweite, nichtmutierte
Gen kompensiert werden kann, wird die Krankheit
durch die Vererbung des mutierten Allels von
nur einem Elternteil weitergegeben, welcher in
der Regel ebenfalls von der Erkrankung betroffen
ist. Dadurch resultiert ein autosomal-dominanter
Erbgang, wie etwa bei der Muskeldystrophie
vom Typ Steinert oder der Huntington-Krankheit.
Während beide Geschlechter bei autosomal-rezessiv und autosomal-dominant vererbten Krankheiten gleich häufig betroffen sind, sind beim X-chromosomalen Erbgang fast nur Männer betroffen,
beispielsweise bei der X-chromosomal vererbten
Muskeldystrophie Becker-Duchenne.
Einführung und Übersicht in die Humangenetik im allgemeinen und neurogenetische Erkrankungen im besonderen findet sich in der angegebenen Literatur [1–3]. Eine sehr breit angelegte
Zusammenfassung humangenetischer Informationen im Internet ist die OMIM-Datenbank (Online
Mendelian Inheritance in Men [4, 5]).
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Allelische und genetische Heterogenität
Verschiedene Mutationen in demselben Gen
können zu unterschiedlichen Phänotypen führen
(allelische Heterogenität). So können unterschiedliche Mutationen des Dystrophin-Gens in einem
milden Phänotyp einer Muskeldystrophie (Typ
Becker) oder in einem schweren Phänotyp (Typ
Duchenne) resultieren. In einzelnen Familien mit
X-chromosomal vererbter Kardiomyopathie wurden ebenfalls Mutationen im Dystrophin-Gen
nachgewiesen. Pathogenetisch unterscheiden sich
die verschiedenen Mutationen vor allem durch die
noch gebildete Proteinmenge. Je weniger normal
funktionierendes Dystrophin gebildet wird, um so
schwerer ist der Krankheitsverlauf. Dieser Zusammenhang findet sich auch bei zahlreichen autosomal-rezessiv vererbten Krankheiten wie zum
Beispiel der spinalen Muskelatrophie.
Ein weiteres Beispiel für allelische Heterogenität – oder multiple Allelie – sind die verschiedenen Mutationen im CACNL1A4-Gen, welches
die Erbinformation für eine Untereinheit eines
spannungsabhängigen Kalzium-Kanals enthält.
CACNL1A4-Mutationen, die zu einem Aminosäureaustausch führen (Missense-Mutationen),
liegen der familiären hemiplegischen Migräne
zugrunde. Mutationen, die die Proteinbildung
verhindern (Nonsense-Mutationen), resultieren in
episodischer Ataxie Typ 2. Eine instabile TripletRepeat-Expansionsmutation des CACNL1A4Gens bedingt die spinozerebelläre Ataxie Typ 6
(SCA6). Alle diese Krankheiten werden autosomal dominant vererbt, sind klinisch sehr verschieden und gehen auf verschiedene Mutationen
im selben Gen zurück.
Umgekehrt können Mutationen in verschiedenen Genen phänotypisch sehr ähnliche Erkrankungen verursachen (genetische Heterogenität).
So sind für die Gliedergürtel-Muskeldystrophie
mindestens 13 verschiedene chromosomale Lokalisationen beschrieben, wobei erst neun mutierte
Gene bekannt sind. Da es auch eine klinische Überschneidung mit der Muskeldystrophie Duchenne
und anderen Muskeldystrophien gibt, ist eine
genaue Diagnose bei einer genetischen Heterogenität in diesem Ausmass oft erst durch eine
interdisziplinäre Analyse von Neurologen, Neuropathologen und Genetikern zu stellen. Einen
Überblick über die Vielzahl identifizierter Mutationen in zahlreichen Krankheitsgenen findet sich
in der Human Gene Mutation Database (HGMD
[6]).
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Direkte und indirekte Mutationsanalyse
Ist die Nukleotidsequenz eines bei einer Erbkrankheit mutierten Gens bekannt, kann bei
Patienten und Anlageträgern die Mutation in
diesem Gen direkt identifiziert werden (direkte
Diagnostik, Mutationsdiagnostik; Abb. 2, unterer
Bildabschnitt). Ist das Gen unbekannt, aber die
Lokalisation des Gens im Genom bekannt oder ist
die Mutation in einem Gen unbekannt, kann die
Vererbung der genomischen Region, die die unbekannte Mutation enthält, in einer Familie verfolgt
werden (indirekte Diagnostik, Kopplungsanalyse;
Abb. 2, oberer Bildabschnitt). Das für eine diagnostische Fragestellung am besten geeignete Vorgehen hängt von mehreren Faktoren ab: der gene-
Abbildung 2
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Durchführung einer indirekten Kopplungsanalyse (a) und
einer direkten Mutationsanalyse (b) einer X-chromosomal
vererbten Erkrankung. Im oberen Teil Stammbaum der untersuchten Familie, im unteren Teil die schematische Darstellung der elektrophoretischen Auftrennungen bei der indirekten Mikrosatellitenanalyse (Mitte) und der Mutationsanalyse
durch Restriktionsverdau (unten). Die PCR-Produkte sind
durch Balken angedeutet. Auf der linken Seite des Stammbaums ist schematisch die Durchführung einer pränatalen
Diagnose dargestellt (Rautensymbol; Pfeil). Alle dargestellten Resultate zeigen, dass das ungeborene Kind nicht
das mutier te Allel geerbt hat, welches beim Indexpatienten
(schwarzes Stammbaumsymbol) gefunden wird. Allerdings
zeigen die Resultate auch eine leichte Verunreinigung der
untersuchten DNA mit mütterlicher DNA (offene Balken in
den Abbildungen der Elektrophoreseresultate). Auf der
rechten Seite des Stammbaums wird eine Über trägerinnendiagnose dargestellt. Die Schwester des Indexpatienten
hat ein Genträgerinnen-Risiko von 50%. Hier wird gefunden,
dass die Probandin Trägerin der Mutation ist (Doppelpfeil).
Die drei verschiedenen Allele des polymorphen Mikrosatelliten sind mit 1 bis 3 bezeichnet. Auch hier geben die unteren
Abschnitte die Elektrophoresegele wieder, mit denen die
Reaktionsprodukte nachgewiesen werden (nach [12]).
tischen Heterogenität der untersuchten Krankheit,
der Familienanamnese und der Genauigkeit, mit
der die klinisch-pathologische Diagnose gestellt
werden kann.
Drei methodische Prinzipien bilden die Grundlage der meisten humangenetischen Untersuchungen auf DNA-Ebene:
1. Vervielfältigung von DNA-Fragmenten durch
die Polymerase-Kettenreaktion (PCR).
2. Auftrennung von DNA-Fragmenten im elektrischen Feld aufgrund ihrer elektrischen Ladung
und anderer Parameter wie Grösse oder dreidimensionale Struktur (Elektrophorese).
3. Bindung von zwei einzelsträngigen DNA-Sequenzen nach dem Prinzip der Basenpaarung
(Hybridisierung).
Direkte Diagnostik
Eine direkte molekulargenetische Diagnostik kann
mit der DNA einer einzelnen Person durchgeführt
werden. Die amplifizierte DNA von Teilen eines
Gens wird nach Änderungen ihres physikalischen
und/oder biochemischen Verhaltens untersucht.
Eine Anzahl von Methoden eignet sich für den
Nachweis schon bekannter Mutationen.
Sequenzanalyse: Der Beweis für das Vorliegen
einer Punktmutation oder einer nur wenige Basenpaare umfassenden Genmutation wird durch eine
Bestimmung der veränderten DNA-Sequenz erbracht.
Diagnostischer Restriktionsverdau: Häufig wird
durch eine Mutation die charakteristische Erkennungssequenz eines Restriktionsenzyms entweder
zerstört oder neu geschaffen. Nach der PCR-Amplifikation der zu untersuchenden Sequenz kann
mit einem Verdau des PCR-Produktes durch ein
entsprechendes Restriktionsenzym und anschliessender Gelelektrophorese das Vorliegen oder das
Nicht-Vorliegen der Mutation gezeigt werden.
Diese Analyse ist im unteren Teil der Abbildung 2
schematisch illustriert. In diesem Beispiel ist
durch die Mutation eine neue Schnittstelle für ein
Restriktionsenzym entstanden. Die beiden kleineren Fragmente, die durch den Restriktionsverdau
entstehen, zeigen nach gelelektrophoretischer
Trennung somit das Vorliegen der Mutation an.
Im linken Teil der Abbildung ist die Untersuchung
einer Familie im Rahmen einer pränatalen Diagnose für eine X-chromosomal vererbte Erkrankung dargestellt.
Allel-spezifische Oligonukleotid-Hybridisierung (ASO): Bei dieser weit verbreiteten Analysemethode bekannter Mutationen kann durch Automatisierung und Miniaturisierung die Zahl der auf
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einem kleinen Filter oder einem Chip fixierten
Proben auf viele tausend erhöht werden (Oligonukleotide oder amplifizierte DNA-Proben; DNAChips). Verschiedene Formen dieses Ansatzes
werden in der molekularbiologischen Diagnostik
in Zukunft vermutlich eine wichtige Rolle spielen.
Indirekte Diagnostik
Im Gegensatz zur direkten DNA-Analyse muss
bei der indirekten DNA-Analyse immer DNA
von mehreren betroffenen und nicht-betroffenen
Familienangehörigen untersucht werden. Mit der
Kopplungsanalyse (Linkage Analysis) wird in einer
Familie die Vererbung von DNA-Polymorphismen
untersucht, von denen angenommen wird, dass
sie in der Nähe des unbekannten Gens liegen.
Bei unbekanntem Genort kann mit dieser Methode auch die chromosomale Lokalisation einer
Erkrankung gesucht werden (Whole Genome
Screen). Am häufigsten werden dafür sogenannte
Mikrosatelliten verwendet, kurze DNA-Sequenzen der Erbsubstanz, welche Wiederholungen
desselben DNA-Sequenzmotivs wie Dinukleotide
(z.B. CA), Trinukleotide (z.B. CAG) oder Tetranukleotide aufweisen. Durch unterschiedliche
Wiederholungen des einfachen Sequenzmotivs
können verschiedene Allele entstehen (z.B. 6 CA
auf einem Chromosom und 8 CA auf dem anderen
Chromosom, also ein Grössenunterschied von vier
Basenpaaren). Die Genorte, welche die Mikrosatelliten beinhalten, werden mit PCR amplifiziert.
Unterschiedliche Sequenzwiederholungen führen
dabei zu verschieden grossen PCR-Produkten,
welche durch Gelelektrophorese aufgetrennt werden können (Abb. 2 oben). Viel häufiger als
Mikrosatelliten-Polymorphismen sind jedoch Austausche einzelner Basenpaare (Single Nucleotide
Polymorphism, SNP), von denen im Rahmen des
«Human Genome»-Projektes über 1,5 Millionen
identifiziert und lokalisiert wurden. Da die Untersuchung dieser Polymorphismen besser zu automatisieren ist als die Untersuchung von Mikrosatelliten, werden sie in den nächsten Jahren die
Kopplungsanalyse stark verändern. In molekularbiologischer Perspektive ist zudem jede Punktmutation ein SNP, so dass die direkte und die indirekte DNA-Diagnostik methodisch vereinheitlicht
und automatisiert werden könnte.
Die Grenzen genetischer Aussagemöglichkeiten
Zur Zeit werden diagnostische Mutationsanalysen
in über 500 Genen durchgeführt [7–9].Trotzdem ist
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eine Mutationsanalyse auch bei bekanntem Gen
nicht immer möglich oder führt nicht zur Identifikation der Mutation(en). Die Gründe dafür liegen
zum Teil in der Komplexität der untersuchten
Gene. Das Dystrophin-Gen ist zum Beispiel in
79 Abschnitten (Exone) auf über 2,5 Millionen
Basenpaare DNA verteilt. Zur Identifikation einer
Punktmutation müssten mehr als 14 000 Basenpaare untersucht werden, was der Suche nach
einer Nadel im Heuhaufen gleichkommt und
eine entsprechend lange Zeit beanspruchen
würde. Bei genetisch heterogenen Krankheiten
wie der erwähnten Gliedergürtel-Muskeldystrophie ist die Analyse der zahlreichen in Frage
kommenden Gene ebenfalls nicht praktikabel.
Ebenfalls wenig Hilfe bietet die molekulargenetische Diagnostik zur Zeit bei komplexen, multifaktoriellen oder polygenen Krankheiten. Die
Entwicklungen im Bereich der Mutationsdetektion und der DNA-Chips werden dieses Missverhältnis in den nächsten Jahren möglicherweise
ändern.
Genetische Beratung, informierte Zustimmung
und pränatale Diagnostik
Einer molekularbiologischen oder zytogenetischen Abklärung muss immer eine genetische
Beratung vorangehen. Der Berater vermittelt der
Familie Informationen über den Verlauf der spezifischen Erbkrankheit, über Spektrum und Bürde,
Erfahrungen aus der eigenen Praxis und von betroffenen Familien sowie über die zur Verfügung
stehenden therapeutischen Möglichkeiten und
Grenzen. Darüber hinaus kann ein Kontakt zu
Selbsthilfegruppen und Familien mit Kindern mit
der entsprechenden Krankheit vermittelt werden.
Erstes Ziel der genetischen Beratung ist eine
Erweiterung der Entscheidungsbasis der Familie
durch Vermittlung des Wissens über möglichst viele
Aspekte des Erbleidens.
Bei monogen vererbten Krankheiten mit
bekanntem Vererbungsmodus und ursächlichen
Genen kann den betroffenen Familien häufig eine
pränatale Diagnose angeboten werden. Wenn eine
Familie eine pränatale Diagnose wünscht, sollten
Familienabklärung, genetische Beratung und Mutationsidentifikation vor Eintreten einer Schwangerschaft stattfinden, um eine möglichst rasche
Durchführung der pränatalen Diagnose zu gewährleisten. Die Durchführung einer pränatalen Diagnose ist in Abbildung 2 schematisch dargestellt.
Dabei wird mit Hilfe der direkten und indirekten
Mutationsanalyse die Mutation in der fetalen DNA
nachgewiesen oder ausgeschlossen und gleichzei-
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tig eine eventuelle Kontamination der kindlichen
DNA mit mütterlicher DNA ausgeschlossen oder
abgeschätzt.
Vor jeder DNA-Untersuchung muss das schriftliche Einverständnis der untersuchten Person und
bei Minderjährigen dasjenige der Erziehungsberechtigten vorliegen. Insbesondere die diagnostische Abklärung asymptomatischer Mutationsträger sowie eine geplante pränatale Diagnostik
bedarf einer gründlichen genetischen Beratung,
vor allem bei Krankheiten mit späten Erkrankungsbeginn. Bei Fehlen des schriftlichen Einverständnisses der untersuchten Person oder Minderjährigkeit bei präsymptomatischer Abklärung soll
keine genetische Abklärung durchgeführt werden.
Die Praxis der genetischen Diagnostik wird in
der Schweiz demnächst durch ein entsprechendes
Gesetz geregelt werden [10].
Literatur
1
Passarge E. Atlas der Genetik.
Stuttgar t: Thieme Verlag; 1994.
2
Witkowski R, Prokop O, Ullrich E. Lexikon der Syndrome
und Fehlbildungen. Ursachen, Genetik und Risiken.
Fünfte Auflage.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag; 1999.
3
Riess O, Schöls L, Hrsg. Neurogenetik – Molekulargenetische Diagnostik neurologischer Erkrankungen.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag; 1999.
4
http://www3.ncbi.nlm.nih.gov/Omim/
5
http://www.neuro.wustl.edu/neuromuscular/
6
http://www.uwcm.ac.uk/uwcm/mg/hgmd0.html
7
http://www.bvmedgen.de/qs/aktumole.html
8
http://www.eddnal.com/
9
http://www.medgen.unizh.ch
10 http://www.ofj.admin.ch/themen/genomanalyse/intro-d.
htm
11 Müller HJ, Gelzer J. Präsymptomatische medizinischgenetische Diagnostik in der Schweiz.
Schweiz Ärztezeitung 1996;77:1910–5.
Danksagungen: Herrn Professor A. Schinzel danke
ich für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Herrn
Professor Hj. Müller, Basel, danke ich für die Genehmigung,
die Abbildung 1 aus [11] wiedergeben zu dürfen.
142
12 Hergersberg M. Pränatale und Genträger-Diagnostik
angeborener Immundefekte. In: Wahn U, Seger U,
Wahn V, Hrsg. Pädiatrische Allergologie und Immunologie.
Dritte Auflage.
München: Urban und Fischer; 1999. S. 387–400.
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