TORCH – Serologie Heute noch aktuell? Dr. med. Daniela Huzly Institut für Virologie Universitätsklinikum Freiburg [email protected] TORCH ToRCH Begriff 1971 eingeführt um auf einige symptomatische Ähnlichkeiten (beim Neugeborenen) bekannter kongenitaler Infektionen hinzuweisen Toxoplasmose, Rubella, CMV, HSV Low birthweight, Frühgeburtlichkeit, Mikrozephalie/Hydrozephalus, zerebr. Verkalkungen, Chorioretinitis, Katarakt, Mikrophtalmie, Purpura, Ikterus, Anämie In der Folge verwendet als Acronym für kongenitale Infektionen Führte zum unreflektierten serologischen Screening bei Schwangeren und Neugeborenen ohne Blick auf spezifische Symptome „Wir müssen TORCH ausschließen“ Missverständnis: TORCH Gedanke war nie als serologisches Screening gedacht Zahlreiche Publikationen über Kosten und fehlenden Nutzen von TORCHScreening und breitem InfektionsScreening The Lancet; Vol335,1990 -Editorial Fallbericht 1 32-jährige Erstgravida entwickelt in der 36. SSW fieberhaften Infekt mit erosiver Mucositis und Ösophagitis, wird per sectio entbunden TORCH Serologie bei der Mutter „unauffällig“ Säugling entwickelt am 3. Tag p.p. Fieber, ansteigende Leberwerte, Verlegung in Uniklinik TORCH – Serologie „unauffällig“ V.a. bakterielle Sepsis, Antibiose Zustand des Kindes rapide schlechter, Leberausfall, Eintrübung, Tod am 9. Tag p.p. Fallbericht - Auflösung Obduktion: hämorrhagische Pneumonie, Leber nekrotisch, in den Leberzellen zahlreiche Einschlüsse Leberbiopsie wird in Virologie geschickt: HSV-1-PCR deutlich positiv Retrospektiv: Im Serum, das für TORCH Serologie eingesandt wurde, positive HSV-1-PCR Fallbericht - Hintergrund Primärinfektion HSV-1 der Mutter Bei Primärinfektion mit HSV IgG (und IgM) lange negativ, keine IgG-Übertragung an Kind möglich – Serodiagnose nicht möglich Übertragung der Infektion wahrscheinlich durch Blut-Blut-Kontakt im Laufe der Geburt Frühzeitige Therapie von Mutter und Kind hätte wahrscheinlich Erkrankung und Tod des Kindes verhindert Das Problem „Torch-Panel“ (von Testherstellern so angeboten) wird unreflektiert angefordert Toxoplasmose-IgG/IgM Rubella-IgG/IgM HSV-IgG/IgM CMV-IgG/IgM Zusätzlich oft: Lues-Antikörper, ParvoB19-IgG/IgM, VZV-IgG/IgM und Hep. B+C Serologie, HIV Weitere Diagnostik für diese Erreger wird unterlassen (wird ja abgeklärt…) Warum ist das serologische Screening ungeeignet? Wann und wie sollten Sie nach diesen Erregern fahnden? TORCH HSV-Infektion des Neugeborenen Herpes genitalis: bei Primärinfektion (seltener bei Reaktivierung) in der Spätschwangerschaft perinatale Übertragung Herpes labialis: Primärinfektion der Mutter in der Spätschwangerschaft, perinatale Übertragung postnatale Übertragung durch Kontaktpersonen auf ungeschütztes Kind (Mutter seronegativ) in den ersten 2 Lebenwochen HSV-Infektion des Neugeborenen Symptombeginn ab 3. Tag p.p. Beginn mit uncharakteristischen Symptomen (Reizbarkeit, Trinkschwäche) 10-50% ohne Hauteffloreszenzen, häufig erst spät auftretende Effloreszenzen Progredienz, viszerale Aussaat, ZNS Letalität ohne Therapie >70%, mit 5-20% Hepatitis, Pneumonitis, Enzephalitis, Thrombopenie, DIC, Blutungen HSV - Probleme Primärer Herpes genitalis kann asymptomatisch verlaufen Symptome beim Kind nicht wegweisend Fallbericht 2 Zwillingsgeborenes (35.SSW) ab 7. Lebenstag Trinkschwäche, zunehmend apathisch, aufgeblähtes Abdomen In der Aufnahmenacht beginnend respiratorische Probleme, Atemunterstützung Labor zunächst normal, dann am 5. Tag Anstieg Leukozyten, CRP, Beginn Antibiose, mikrobiologische und virologische Diagnostik aus NPS (respiratorische Erreger) Bei Ansteigen der Leberwerte und beginnender Hepatomegalie (6. Tag) Gabe von Aciclovir und erweiterte Diagnostik inklusive Liquorpunktion Im EDTA-Blut 30 Mio Kopien HSV-1-DNA Im NPS vom Vortag ebenfalls HSV-1-DNA nachweisbar Abstrich aus neu aufgetretenen Pusteln (einzeln) an Brust und Naseneingang ebenfalls positiv Epikrise Nach Beginn der Aciclovir-Therapie schnelle Erholung Kind kann nach Beendigung der dreiwöchigen Therapie gesund entlassen werden HSV-IgG von Mutter und Vater negativ Infektionsquelle ? Serologie des Kindes negativ HSV: THERAPIE VOR DIAGNOSTIK ! HSV-PCR aus EDTA-Vollblut, -Plasma oder Serum Ggf. HSV-PCR aus Hautläsionen, Rachenabstrich, Liquor Serologie ungeeignet, späte Serokonversion (auch IgM! ) TORCH Konnatale CMV-Infektion Häufigste intrauterin übertragene Infektion (0,5-2% aller Lebendgeburten infiziert), häufigste Ursache von angeborenen Langzeitschäden http://www.cdc.gov/cmv/trends-stats.html Folgen der intrauterinen CMV-Infektion Frühgeburtlichkeit Asymptomatische Infektion beim Neugeborenen (ca. 90%) 15% entwickeln Spätschäden (SNHL) Symptomatische Infektion (ca. 10%) Low birth weight Hepatosplenomegalie, Exanthem Neurologische Auffälligkeiten Auffälliges Hörscreening Zerebrale Verkalkungen, Retinitis Labor: Thrombopenie, Hepatitis, Bei welchen Neugeborenen sollte eine CMV-Diagnostik durchgeführt werden? Wenn die beschriebenen Symptome der konnatalen CMV-Infektion vorliegen Bei Frühgeborenen Bei Aufnahme in neonatologische Station/Intensivstation Vermeidung nosokomialer Infektionen Nach CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft Diagnose der kongenitalen CMVInfektion CMV-Nachweis in Urin oder Speichel (PCR oder Kurzzeitkultur) Serologie ungeeignet zur Diagnosestellung Nur ca. 20% IgM positiv Bei negativem CMV-IgG (und Geburt nach der 32.SSW) kann eine CMV-Infektion weitestgehend ausgeschlossen werden TORCH Konnatale Toxoplasmose Jährlich ca. 20 Fälle gemeldet Hohe Dunkelziffer Ca. 80% unauffällig bei Geburt Spätschäden 50% Spätschäden bei systemischer oder neurologischer Symptomatik 85-90% Erblindung, mentale Retardierung Symptomatische Infektion Systemische Erkrankung: Hepatitis, Hepatosplenomegalie, Anämie, Exanthem Neurologische Erkrankung: Chorioretinitis, Hydrozephalus, zerebrale Verkalkungen Bei welchen Neugeborenen sollte eine Toxoplasmosediagnostik durchgeführt werden? Bei neurologischen Auffälligkeiten, Hepatitis, Exanthem, Thrombopenie Aber: Diagnostik schwierig Diagnostik der konnatalen Toxoplasmose IgM nur bei ca. 15% der inifizierten Kinder positiv Serologie mit Westernblot (bei positivem IgG) bei Mutter und Kind Unterschiedliche Bandenmuster PCR aus EDTA-Blut, Plazenta, Nabelschnurblut, Liquor LD-Biodiagnostics TORCH Häufigkeit meldepflichtiger konnataler Infektionen Röteln 0,5 HBV 3 Lues 3 Toxo 15,5 HIV 17,5 CMV 35 0 5 10 15 20 25 30 Durchschnittliche Anzahl pro Jahr seit 2006 35 40 Konnatale Röteln In Deutschland 0-1 Fall pro Jahr, Hauptrisiko bei Immigrantinnen Impfanamnese? Immunität zu Beginn der Schwangerschaft? Diagnostik nur in definierten Fällen notwendig Serologie und PCR (Speichel) beim Neugeborenen TORCH Gezielte, symptomorientierte Diagnostik Zusammenfassung Durch ein ungezieltes serologisches Screening werden viele konnatale Infektionen übersehen CMV- und Toxoplasmoseinfektionen sind die häufigsten intrauterinen Infektionen mit Langzeitschäden Beim geringsten V.a. HSV-Infektion muss Aciclovir gegeben werden. Die Diagnose erfolgt durch PCR. Röteln kommen nur noch selten vor und gehören nicht mehr zur Standard-Diagnostik bei V.a. konnatale Infektion Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit