Risiko- vs. Schutzfaktoren in der Entwicklung

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Risiko- vs. Schutzfaktoren
in der Entwicklung
Vorlesung „Psychische Stö
Störungen“
rungen“
Prof. Dr. Ralph Viehhauser
Risikoerhö
Risikoerhöhende vs. –mildernde Bedingungen
Kindbezogene Bedingungen: z.B. genetische
Disposition.
Umgebungsbezogene Bedingungen: z.B.
sozioö
sozioökonomische Faktoren.
Proximale Faktoren: z.B. ein bestrafender
Erziehungsstil
Distale Faktoren: z.B. Wohngegend.
Vulnerabilitä
Vulnerabilität
Begriff Vulnerabilitä
Vulnerabilität: Verletzbarkeit, Anfä
Anfälligkeit
einer Person.
Primä
Primäre V.:
V.: von Geburt an.
Sekundä
Sekundäre V.:
V.: in der Auseinandersetzung mit der
Umwelt erworben.
Spezifische V.: für spezifische psychische Stö
Störung
Allgemeine V.: als unspezifisch erhö
erhöhtes Risiko
1
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
(entwicklungspsychologisch betrachtet)
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
(am Beispiel „drogeninduzierte Psychose“)
Psychose
S
D
V
V
5
6
S
D
Schwelle
V
V
Normaler
psychischer
Zustand
7
8
D
S
D
S
V
V
V
V
1
2
3
4
Beispiele fü
für risikoerhö
risikoerhöhende Bedingungen
Biologische Bedingungen und Bedingungen auf Seiten
des Kindes (pr
(prää-, periperi- und postnatale Faktoren)
Bedingungen, die die ElternEltern-KindKind-Interaktion
beeinflussen
Familiä
Familiäre und soziale Bedingungen
Kritische Lebensereignisse, Belastungen, Stress
(Traumatisierungen)
2
Biologische Bedingungen und
Bedingungen auf Seiten des Kindes
Prä
Pränatal: z.B. negatives mü
mütterliches
Ernä
Ernährungsverhalten, Substanzkonsum
Perinatal: z.B. Sauerstoffmangel, niedriges
Geburtsgewicht
Postnatal: Hirnentzü
Hirnentzündungen, schwieriges
Temperament des Kindes
Bedingungen, die die ElternEltern-KindKindInteraktion beeinflussen
Negatives Pflegeverhalten der Bezugspersonen (z.B.
i.S.
i.S. einer Vernachlä
Vernachlässigung)
Psychische Stö
Störung der Eltern:
Eltern: können v.a.
v.a. zu
Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung fü
führen
Qualitä
Qualität der Bindung: Feinfü
Feinfühliges vs. die kindlichen
Bedü
Bedürfnisse missachtendes, elterliches Verhalten
Familiä
Familiäre und soziale Bedingungen
Konflikte, Streitigkeiten, Scheidung
Trennungserlebnisse
Erziehungsverhalten
Gewalt und Misshandlung
niedriger sozioö
sozioökonomischer Status, Bildungsstand
3
Kritische Lebensereignisse, Belastungen,
Stress (Traumatisierung)
Der Eintritt bestimmter Lebensereignisse (z.B. TrennungsTrennungserlebnisse)
erlebnisse) als auch die Anhä
Anhäufung verschiedener EreignisEreignisse in kurzer Zeitspanne kann u.U.
u.U. fü
für Individuen so belasbelastend sein, dass normale Bewä
Bewältigungsmö
ltigungsmöglichkeiten nicht
mehr ausreichen.
Als Folge kö
können emotionale Spannungszustä
Spannungszustände
auftreten, die den Ausbruch psychischer Stö
Störungen
begü
begünstigen.
Risikofaktor ist nicht gleich Risikofaktor
Zu berü
berücksichtigen ist z.B.:
die Intensitä
Intensität und
das zeitliche Andauern einer risikoerhö
risikoerhöhenden
Bedingung,
ob risikoerhö
risikoerhöhende Bedingungen einzeln oder kumulativ
auftreten,
die Abfolge im Auftreten risikoerhö
risikoerhöhender Bedingungen
und deren Wechselwirkung in Abhä
Abhängigkeit von der
psychosozialen Entwicklung des Kindes.
Risikomildernde Bedingungen
Risikomildernde Bedingungen werden auch als
Schutzfaktoren (bzw. protektive Faktoren) bezeichnet.
Begriff „Resilienz“
Resilienz“ (=Widerstandsfä
(=Widerstandsfähigkeit): die
Fähigkeit eines Kindes, relativ unbeschadet mit den
Folgen beispielsweise belastender Lebensumstä
Lebensumstände
umgehen und Bewä
Bewältigungskompetenzen entwickeln zu
können.
4
Beispiele fü
für risikomildernde
Faktoren im KindesKindes- und Jugendalter
Kindbezogene Faktoren (unspezifisch; unabhä
unabhängig von
aversiven Umstä
Umständen)
Resilienzfaktoren (als die Fä
Fähigkeit des Kindes
erfolgreich vorhandene Belastungen zu bewä
bewältigen)
Schutzfaktoren innerhalb der Familie
Schutzfaktoren innerhalb des sozialen Umfeldes
Kindbezogene Faktoren
Positives Temperament (flexibel, aktiv, offen)
Niedrige Emotionalitä
Emotionalität, hohe Impulskontrolle
Überdurchschnittliche Intelligenz
Spezielle Talente und Interesse an Hobbys
Resilienzfaktoren
Positives Sozialverhalten
Positives Selbstwertgefü
Selbstwertgefühl und SelbstwirksamkeitsSelbstwirksamkeitsüberzeugungen
Aktives Bewä
Bewältigungsverhalten
Selbsthilfefertigkeiten
5
Schutzfaktoren innerhalb der Familie
Stabile emotionale Beziehung zu (mindestens) einer
Bezugsperson
Offenes, unterstü
unterstützendes Erziehungsklima
Familiä
Familiärer Zusammenhalt, unterstü
unterstützende Geschwister
Modelle positiven Bewä
Bewältigungsverhaltens
Schutzfaktoren innerhalb des
sozialen Umfeldes
Soziale Unterstü
Unterstützung
Positive Freundschaftsbeziehungen
Positive Gleichaltrigenbeziehungen
Positive Schulerfahrungen
Beispielhafter Entwicklungsverlauf von sich
aufschaukelnden risikomildernden Bedingungen
6
Entwicklung als Serie miteinander
verwobener Kompetenzen
Die Kompetenzen einer Entwicklungsperiode, die die Anpassung
eines Menschen an die Umwelt verbessern, bereiten die KompetenKompetenzen der nä
nächsten Periode vor. Somit fö
fördert die frü
frühe Anpassung
die spä
spätere Anpassung.
Ähnliches gilt fü
für die Entwicklung von abweichendem Erleben und
Verhalten. Frü
Frühe Fehlanpassungen kö
können bei neu anstehenden
Entwicklungsaufgaben zu weiteren problematischen
Fehlanpassungen fü
führen. Sich in dieser Weise zunehmend
aufschaukelnde Kompetenzdefizite bilden dann mö
möglicherweise die
Grundlage fü
für die Entwicklung einer psychischen Stö
Störung.
Bindungstypen
Mit Hilfe des „Fremde SituationSituation-Tests“
Tests“ konnten
unterschiedliche Bindungstypen bei einjä
einjährigen
Kindern ermittelt werden:
sichere Bindung (52%),
unsicherunsicher-vermeidende Bindung (35%)
unsicherunsicher-ambivalente Bindung (8%),
desorientiertdesorientiert-desorganisierte Bindung (5%).
7
Folgen verunglü
verunglückter
Bindungserfahrungen
Es lassen sich 3 Arten der Deprivation von
Bindung unterscheiden:
quantitativ ungenü
ungenügende Interaktion
Diskontinuitä
Diskontinuität in der Interaktion
(Trennungserlebnisse)
qualitativ gestö
gestörte Interaktion
Folgen von quantitativ
ungenü
ungenügender Interaktion
Betrifft sowohl Kinder, die aufgrund ihrer Unterbringung in
Heimen oder Pflegestä
Pflegestätten über quantitativ ungenü
ungenügende
Interaktionsangebote verfü
verfügen, als auch Kinder, die eine
Bindungsfigur zur Verfü
Verfügung haben, aber nicht in ausreichenausreichendem Ausmaß
Ausmaß.
Eine extreme Variante der quantitativ ungenü
ungenügenden Interaktion
stellt die Unterversorgung und Vernachlä
Vernachlässigung des Kindes
dar. In verschiedenen Studien konnte als Folge eine Retardierung
der kö
körperlichen, emotionalen, sozialen, kognitiven und sprachsprachlichen Entwicklung sowie das Auftreten von Verhaltensstö
Verhaltensstörunrungen beobachtet werden.
Folgen von Trennungserlebnissen
(Diskontinuitä
(Diskontinuität der Interaktion)
Das (hä
(häufige) Erlebnis des drohenden Verlustes
von wichtigen Bindungspersonen erhö
erhöht die
Wahrscheinlichkeit fü
für die Entwicklung von
Angststö
Angststörungen,
das Erlebnis des tatsä
tatsächlichen Verlustes die
Wahrscheinlichkeit fü
für die Entwicklung einer
Depression.
8
Folgen einer qualitativ gestö
gestörten Interaktion
Sichere Bindung durch feinfü
feinfühliges Verhalten der Bezugspersonen
UnsicherUnsicher-vermeidende B. als Folge von unresponsiven,
unresponsiven, zurü
zurückckweisenden Bezugspersonen bzw. einer überstimulierenden, nicht
auf die Grenzen des Babys bedachten Fü
Fürsorge
UnsicherUnsicher-ambivalente B. als Folge inkonsistenter Fü
Fürsorge
DesorganisiertDesorganisiert-desorientierte B. als Folge einer in hohem Maß
Maße
unzureichenden Fü
Fürsorge
Unsichere Bindungsmuster erhö
erhöhen die Wahrscheinlichkeit fü
für die
Entwicklung von psychischen Stö
Störungen, eine sichere Bindung stellt
eine wichtige risikomildernde Bedingung dar.
Definition „Kindesmisshandlung“
Kindesmisshandlung“
Als Kindesmisshandlung werden alle Muster der
(vorwiegend elterlichen) Betreuung von Kindern
verstanden, die die Minderjä
Minderjährigen Risiken aussetzen,
einschließ
einschließlich der Zurü
Zurückweisung, der Isolierung, der
Terrorisierung, des Ignorierens oder der KorrumKorrumpierung durch das Fö
Fördern devianten Verhaltens.
Formen der Kindesmisshandlung
Körperliche Misshandlung
Vernachlä
Vernachlässigung
Psychische Misshandlung
Sexueller Missbrauch
9
Folgen kö
körperlicher Misshandlung und
Vernachlä
Vernachlässigung
Insgesamt muss man davon ausgehen, dass chronische
Misshandlungen in der Kindheit ein erhö
erhöhtes Risiko fü
für ein
breites Spektrum an verschiedenen psychischen Stö
Störungen
bergen.
Betroffene zeigen in Untersuchungen geringere Selbstachtung,
höhere Angsterer
Angst- und Depressionswerte, weisen mit größ
größerer
Wahrscheinlichkeit AlkoholAlkohol- und Drogenmissbrauch,
posttraumatische Belastungsstö
Belastungsstörungen, Suizidversuche und
Einweisungen in die Psychiatrie auf sowie ein (ca.) vierfach
höheres Risiko fü
für die Entwicklung von Persö
Persönlichkeitsstö
nlichkeitsstörungen.
Langzeitfolgen von sexuellem Missbrauch
Sexueller Missbrauch kann bei nahezu allen Stö
Störungen als EntstehungsEntstehungsbedingung eine Rolle spielen. Besonders genannt werden:
schwere Stö
Störungen der Persö
Persönlichkeit
Essstö
Essstörungen (v.a
(v.a.. bei Frauen)
Abhä
Abhängigkeit von Substanzen
Depression
Posttraumatische Belastungsstö
Belastungsstörung
interpersonelle Stö
Störungen (Partnerschaftsprobleme, generell
Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen)
Suizid, selbstdestruktives Verhalten sowie
sexuelle Stö
Störungen (in unterschiedlichster Richtung)
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