Bakterielle Resistenz: Beginn der postantibiotischen Ära

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Die Problematik ist in der Gegenwart angekommen
Bakterielle Resistenz:
Beginn der postantibiotischen Ära
Kathrin Herzog a und Martin Krause b
Kantonsspital Münsterlingen; a Mikrobiologie, b Medizinische Klinik
Quintessenz
•Bakterielle Resistenz hat zur Folge, dass der antibakterielle Effekt eines
Antibiotikums während einer Infektion ausbleibt. Die Resistenzhäufigkeit
hat bei vielen pathogenen Bakterien in den letzten Jahrzehnten stetig
zugenommen.
•Der intensive Antibiotikagebrauch in der Humanmedizin, Tiermedizin
© National Institutes of Health (NIH)
und Lebensmittelindustrie hat zur Folge, dass resistente Einzelbakterien
selektioniert werden. Antibiotika beschleunigen dadurch das Tempo
der Resistenzentwicklung und erhöhen die Populationen resistenter
Bakterien. Die hohe Reisetätigkeit führt zusätzlich zu einer raschen geografischen Verbreitung.
•Resistenz ist heute nicht nur ein Problem in der Spitalmedizin, sondern
auch im Praxisalltag. Die Auswahl wirksamer Antibiotika für Hautinfektionen, Harnwegsinfektionen und Pneumonien ist kleiner geworden.
•Es gibt keine Zweifel, dass die globale Resistenzentwicklung gebremst
werden muss. Dies scheint nur mit einem länderübergreifenden, konzertierten Handeln auf Stufe von Ärzteschaft, Pharma- und Lebensmittelindustrie, Politik und Patienten möglich.
Einführung
Zusätzlich ist der Verlauf erschwert durch die Nebenwirkungen der Antibiotika selbst. Besonders gravie-
Antibiotika haben unzähligen Menschen das Leben
rend wird die Lage bei Infektionen, die nur mit Anti-
gerettet. Es wirkt deshalb fast zynisch, dass ihr Ein-
biotika abheilen können. Dazu gehören Endokarditis,
satz durch zunehmende Resistenzbildung der Bakte-
Meningitis und Fieber bei Agranulozytose.
rien ihre eigene Wirkung wieder zunichtemacht.
Die Resistenzentwicklung gegen Antibiotika ist ein
globales Problem geworden. Allerdings wird dieses
Was heisst «Resistenz»?
Problem in vielen Teilen der Welt noch nicht mit je-
Im Klinikalltag bedeutet Resistenz, dass der antibak-
ner Ernsthaftigkeit wahrgenommen, die von Infek-
terielle Effekt eines Antibiotikums bei einer Infek-
tiologen und Mikrobiologen gefordert wird.
tion ausbleibt. Dieser Effekt kann dadurch entstehen,
Die Konsequenz der Resistenzentwicklung ist ein-
dass das Antibiotikum den Wirkort nicht in genügen-
fach vorauszusehen. Die Antibiotikaauswahl zur The-
der Konzentration erreicht. Bei einer Meningitis, En-
rapie bakterieller Infektionen wird kleiner oder sogar
dokarditis, Prostatitis oder Osteomyelitis zum Beispiel
nur noch auf eine Antibiotikaklasse reduziert. Im Ex-
gelangen Antibiotika nur erschwert ins infizierte Ge-
tremfall ist gar kein Antibiotikum mehr wirksam.
webe. Die Antibiotika müssen deshalb bei diesen In-
Eine Infektion nimmt dann einen natürlichen Ver-
fektionen hochdosiert und über lange Zeit verabreicht
lauf, wie wenn gar keine Therapie eingeleitet worden
werden.
wäre: Fieber und der schlechte Allgemeinzustand per-
Als klinische Resistenz im klassischen Sinn wird aber
sistieren bei einer Pneumonie, die Dysurie bei einer
das resistente Verhalten von Bakterien verstanden, die
Zystitis klingt nur langsam ab und das Magenulkus
trotz genügend hohen Antibiotika-Konzentrationen
rezidiviert kurz nach einer Helicobacter-Eradikation.
am Infektionsort überleben oder weiterwachsen.
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Dies kann im Mikrobiologielabor mit einer Resistenz-
mechanismen ermöglicht und sichert damit deren
testung vorausgesagt werden. Bei der Testung werden
Verbreitung in verschiedenen Bakterienspezies.
die Konzentrationen verschiedener Antibiotika ge-
Resistenz ist also ein Phänomen, das schon in der prä-
messen, unter welchen das isolierte Bakterium im
antibiotischen Zeit existierte und durch die Mutations-
Wachstum gehemmt oder abgetötet wird. Für die
aktivität im bakteriellen Genom und der Verbreitung
­Interpretation der Ergebnisse werden die Resultate in
in der Bakterienwelt immer präsent sein wird.
Beziehung zu den am Infektionsort erreichten Antibiotikakonzentrationen gesetzt. Diese klinischen
Resistenz durch häufigen Antibiotikagebrauch?
Grenzwerte sind in den Richtlinien von EUCAST (Eu-
Welche Rolle spielt dabei nun der Antibiotikagebrauch
ropean Committee on Antimicrobial Susceptibility
in der Medizin? Antibiotika wirken als Promotoren
Testing) und CLSI (Clinical and Laboratory Standards
der Resistenz. Sie selektionieren die anfänglich spär-
Institute, USA) festgelegt, die auf der Normdosierung,
lich vorhandenen, resistenten Einzelbakterien her-
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Anti-
aus. Diese «geniessen» den Vorteil, dass sie sich unge-
biotika basieren. Je höher die Anzahl nicht wirksa-
hemmt weiter teilen können und die ursprüngliche
mer Antibiotika ist, umso kleiner ist die Auswahl für
Bakterienpopulation «überwachsen». Die Anzahl re-
eine Therapie. Von einer gemeinsamen europäischen
sistenter Bakterien auf der Haut, in der Nase oder im
und amerikanischen Arbeitsgruppe sind drei ver-
Darm steigt. Wenn eine Infektion durch diese Bakte-
schiedene Schweregrade der Resistenz vorgeschlagen
rien ausgelöst wird, sind Antibiotika von Beginn an
worden [1]. Wenn ein Bakterium gegen drei Antibio-
ohne Effekt.
tikaklassen resistent ist (z.B. Penicilline, Chinolone
Bisher wurde der Fokus nur auf den Antibiotikaver-
und Clindamycin), liegt eine «Multiresistenz» vor
brauch in der Humanmedizin gerichtet und der Ver-
(multidrug-resistant, MDR). «Extensiv resistent» (ex-
wendung in der Tierwelt kaum Beachtung geschenkt –
tensively drug-resistant, XDR) ist ein Erreger dann,
zu Unrecht, wie sich in diversen Untersuchungen
wenn nur noch ein oder zwei Antibiotikaklassen wirk-
heute zeigt. Der Antibiotikaverbrauch ist in der Tier-
sam sind. Wenn schliesslich gar kein Antibiotikum
zucht deutlich höher als in der Humanmedizin. Wäh-
mehr eingesetzt werden kann, besteht eine «Pan­
rend in den USA letztes Jahr für Menschen pro Jahr
resistenz» (pandrug-resistant, PDR) (Tab. 1).
3 Millionen Kilogramm Antibiotika verkauft wurden,
sind für Tiere 13 Millionen Kilogramm eingesetzt
worden [2]. Am häufigsten werden Antibiotika in der
Wie entstehen Resistenzen?
Zucht als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt, vor
Grundsätzlich wird die breite Verwendung von Antibio-
allem in der Mast von Schweinen und Geflügel. Schon
tika in der Humanmedizin für die Resistenzentwick-
lange ist bekannt, dass sich in solchen Mastproduk­
lung verantwortlich gemacht. Dies ist nur teilweise
tionen zahlreiche Populationen resistenter Bakterien
wahr. Bereits vor vier Millionen Jahren existierten
ausbreiten können. Ob diese bakteriellen Resistenzen
Bakterien, die zahlreiche Antibiotikaresistenz-Gene
im Tierreich wirklich in der humanen Bakterienwelt
trugen, sogar gegen moderne Antibiotika, die im
wieder auffindbar sind, wird bestritten. «Der Weg
­L abor erst vor kurzem synthetisiert wurden [2]. Des
zwischen Bauernhof und Esstisch ist lang», wird von
Weiteren führt die natürliche Mutationsrate einer
Exponenten der Fleischindustrie immer wieder be-
Bakterienpopulation dazu, dass einzelne Bakterien
tont; er ist jedoch viel kürzer, als bisher angenom-
«spontan» resistent werden. Je schneller sie sich teilen
men. Die Spur resistenter Erreger lässt sich mühelos
und je schlechter die Qualität ihres Mutations-Repara-
vom Schlachthof zum Metzger und nach Hause in die
turapparates ist, desto häufiger entstehen Mutationen.
Küche und auf den Esstisch zurückverfolgen [3, 4].
Die Übertragung von Resistenzgenen in der Bakterienwelt wird durch verschiedene raffinierte Transfer­
Wie gross ist das Problem?
Verschiedene internationale und nationale Organi­
Tabelle 1: Schweregrade der Resistenz (gemäss [1]).
sationen mahnen seit Jahren mit zunehmendem
Schweregrad
Druck, dass uns die bakterielle Resistenzentwicklung
Kürzel
Anzahl Antibiotikaklassen
Nicht mehr wirksam Noch wirksam
überrollen wird. Am World Economic Forum 2013 in
Multiresistenz (multidrug-resistant)
MDR
>3
>2
Davos wurde die Resistenzentwicklung als das aktuell
Extensive Resistenz
(extensively drug-resistant)
XDR
–
1–2
grösste Risiko der Menschengesundheit gewertet [2].
Panresistenz (pandrug-resistant)
PDR
alle
0
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Auch in den politischen Gremien verschiedener Länder findet das Thema zunehmend Beachtung.
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Mancher Leser wird sich an dieser Stelle fragen, warum
Klebsiella sp.-Stämme übertragen wurde. Auf diesem
er bisher keine oder nur selten Begegnungen mit ernst-
Plasmid wird ein Enzym kodiert, das zahlreiche
haften Resistenzproblemen hatte, weder als Patient
β-Laktam-Antibiotika spaltet. Es wird mit ESBL (ex-
noch als klinisch tätiger Arzt. Wird hier Hysterie ge-
tended spectrum β-lactamase) abgekürzt. Früher wa-
schürt, und sind die Prognosen doch nicht so pessi-
ren ESBL-produzierende Enterobacteriaceae ein selte-
mistisch?
nes Problem von Intensivstationen. Heute werden E.
Im Folgenden werden die Resistenzprobleme anhand
coli und Klebsiella sp. mit ESBL nicht nur in allen Spi-
von drei häufigen Infektionen des Praxisalltags
tälern und Langzeitinstitutionen isoliert, auch in der
­d iskutiert. Dabei wird auch die Resistenzhäufigkeit
ambulanten Medizin sind sie weit verbreitet. In Eu-
in der Schweiz aufgeführt. Seit 2008 steht mit dem
ropa ist die Häufigkeit in den letzten zehn Jahren um
Schweizerischen Zentrum für Antibiotikaresistenzen
das Drei- bis Fünffache angestiegen und erreicht in
(www.anresis.ch) eine helvetische Datenbank zur
einzelnen Ländern bis zu 25%. In der Schweiz liegt sie
Verfügung, welche die nationalen Resistenzzahlen
noch unter 10%. Bei ESBL-Erregern sind alle Penicil-
erfasst, basierend auf den Meldungen aus 22 Spital-
line und die meisten Cephalosporine unwirksam.
und Privatlaboratorien [5].
In über der Hälfte der Fälle besteht auch eine Kreuzresistenz mit Fluorochinolonen und Cotrimoxazol.
Hautinfektionen
Wirksam sind noch Carbapeneme und alte, etwas in
Staphylococcus aureus ist der häufigste Erreger von
Vergessenheit geratene Antibiotika wie Fosfomycin
Hautabszessen, Furunkeln und Karbunkeln. Er besitzt
und Nitrofurantoin. Bei schweren Infektionen ist die
eine hohe Virulenz und kann sich lokal oder syste-
Mortalität im Vergleich zu Nicht-ESBL-Erregern deut-
misch rasch ausbreiten. Vier Jahre nachdem Penicillin
lich erhöht.
erfolgreich gegen S. aureus eingesetzt worden war,
Neben diesen ESBL-Stämmen beschäftigen neu auch
wurde erstmals von Resistenzen berichtet. Grund
die Carbapenemase-bildenden Bakterien-Stämme
war die Aufnahme eines Plasmids, das ein Enzym zur
(z.B. NDM-1 = New Delhi Metallo-β-Laktamase) die In-
Penicillinspaltung kodiert. Heute sind in der Schweiz
fektiologie- und Mikrobiologiewelt. Das Enzym
und weltweit >75% der S. aureus-Bakterien Penicillin-
macht die letzte, gut wirksame Carbapenem-Antibio-
resistent. Diese Resistenz schien durch Penicillinase-
tikaklasse unwirksam, so dass Reserveantibiotika mit
feste Penicilline wie Methicillin oder Flucloxacillin
starken Nebenwirkungen (z.B. Colistin) eingesetzt wer-
überwunden, doch bereits fünf Jahre später isolierte
den müssen. Die rasche Verbreitung dieser Stämme
man S. aureus-Stämme, die ihre Bindungsstelle für
über Nord- und Südamerika, Europa, Nahost und In-
Methicillin in der Zellwand verändert hatten. Dies
dien lässt sich heute relativ einfach nachverfolgen [6].
führte zur Unwirksamkeit von Methicillin (MRSA =
Methicillin-resistenter S. aureus) und somit auch zur
Pneumonien
Resistenz gegen sämtliche Betalaktam-Antibiotika.
Pneumonien konnten lange Zeit bedenkenlos empi-
In Europa sind zwischen 20 und 50% der S. aureus-
risch mit β-Laktam-Antibiotika oder Makroliden be-
Isolate Methicillin-resistent. In der Schweiz sind es
handelt werden. Mit diesen zwei Antibiotikaklassen
durchschnittlich 10%, wobei in den westlichen Kan-
waren Infektionen mit dem häufigsten bakteriellen
tonen die Häufigkeit wesentlich höher ist. Die Präva-
Erreger von Pneumonien, Streptococcus pneumoniae,
lenz hat in den letzten drei Jahren leicht abgenommen.
gut behandelt. Bereits vor 40 Jahren wurden aber in
Gegen MRSA ist Vancomycin – ein Glykopeptid –
Südafrika Penicillin-resistente Pneumokokken bei
wirksam, das nur parenteral verabreicht werden
kindlicher Meningitis isoliert, was klar machte, dass
kann. Vor rund zehn Jahren fand sich schliesslich der
auch Streptococcus pneumoniae Resistenzprobleme
erste Vancomycin-resistente S. aureus-Stamm (VRSA),
bereiten wird. Gegen Makrolide besteht heute welt-
der bis heute weltweit jedoch nur vereinzelt isoliert
weit eine Resistenz in 25% der Isolate. Aktuell sind in
worden ist.
der Schweiz 6% der Pneumokokken intermediär und
3% vollständig resistent gegen Penicillin, 16% resis-
Harnwegsinfektionen
tent gegen Makrolide, 14% gegen Tetrazykline, 12%
Escherichia coli und Klebsiella species sind die häufigs-
gegen Clindamycin, und 11% gegen Cotrimoxazol. Er-
ten Erreger von Harnwegsinfektionen. Bei beiden
freulicherweise sind diese Zahlen in den letzten Jah-
Bakterien ist in den letzten Jahren eine besorgnis­
ren stabil oder sogar etwas rückläufig. Bei neueren
erregende Resistenzzunahme beobachtet worden.
Fluorochinolonen beträgt die Resistenzprävalenz
Ursächlich ist ein Plasmid, das von anderen gramne-
noch <2%, weshalb diese Klasse heute in zahlreichen
gativen Stäbchenbakterien im Darm auf E. coli- und
Richtlinien erste Wahl ist.
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Aus diesen drei Beispielen lassen sich verschiedene
Was heisst «korrekt»?
bedeutende Schlüsse ziehen: Die Resistenzproblematik
Grundsätzlich sollten Antibiotika in hoher Dosierung
ist nicht ein Thema der Zukunft, sie ist schon da. Sie
und kurzfristig eingenommen werden. Unterdosier­te
ist nicht eine isolierte Entwicklung in fernen Regio-
Antibiotika fördern den Selektionseffekt und damit
nen und Ländern, sondern besteht auch in der
die Resistenzbildung. Unterdosierung entsteht da-
Schweiz. Sie ist lange nicht mehr «nur» ein Problem
durch, dass Interaktionen die Wirkung mindern oder
in Spitälern oder Intensivstationen, sondern auch im
die Dosen unregelmässig eingenommen und/oder
Praxisalltag (MRSA und ESBL-Bakterien). Die Resis-
vergessen werden. Letzteres kommt insbesondere
tenzen nehmen quantitativ über die Jahre und Jahr-
dann vor, wenn Patienten ihre eigenen Antibiotika­
zehnte allmählich zu, allerdings ist die Häufigkeit
reserven anlegen und ihren Einsatz selbst bestimmen.
Schwankungen unterworfen. Die Zahl gut wirksamer
Antibiotika sollten über möglichst kurze Zeit ver-
Antibiotika bei Infektionen nimmt allmählich ab –
schrieben werden. Je kürzer die Zeit ist, in der Bakte-
im Spital und in der Praxis. Und Infektionen, die mit
rien mit Antibiotika Kontakt haben, desto kleiner ist
Reserveantibiotika behandelt werden müssen, haben
die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzförderung.
schlechtere Prognosen.
Leider ist für die wenigsten Infektionen die notwen-
Brisant ist die rasche geografische Verbreitung von
dige Therapiedauer in Studien untersucht worden.
Resistenz. Dass resistente Erreger innert Tagen oder
Erste Ansätze existieren, die bei Pneumonien er-
Wochen auf verschiedenen Kontinenten verbreitet
staunlicherweise zeigen, dass Therapien über drei
werden, ist mit unserer intensiven Reisetätigkeit zu
Tage gleich wirksam sind wie über sieben bis zehn
erklären. Der resistente Erreger fliegt gewissermassen
Tage.
im Handgepäck mit. Die Rückführung von Patienten
aus fernen Spitälern birgt immer die Gefahr, dass
Was heisst «restriktiv»?
­Resistenzprobleme anderer Kontinente und Länder
Mehrfach konnte in epidemiologischen Studien ge-
plötzlich die eigenen werden. Dies gilt auch, wenn
zeigt werden, dass eine Einschränkung des Antibio­
der resistente Erreger nur als Kolonist mitgereist ist.
tikagebrauchs auf klare Indikationen die Resistenz-
Das jüngste Beispiel der Carbapenemase-bildenden
häufigkeit reduziert. Es ist keine Neuigkeit, dass
Klebsiella pneumoniae-Stämme zeugt von der raschen
Antibiotika in der Humanmedizin viel zu häufig bei
globalen Streuung [6].
viralen Infektionen oder ohne korrekte Indikation
Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die Zeit gekommen
verschrieben werden. Bei Angina, Otitis, Sinusitis,
ist, diese Entwicklung zu bremsen und zu steuern. Sie
Bronchitis, Diarrhoe und Fieber sind grundsätzlich
gerät sonst ausser Kontrolle. Einzelne Pessimisten
keine Antibiotika indiziert. Es wirkt paradox, dass in
glauben, dies sei schon heute geschehen.
der Humanmedizin gerade für diese Infektionen
rund die Hälfte der Antibiotika verschrieben wird.
Was kann man gegen Resistenzen tun?
Warum schaffen wir Ärzte es nicht, konsequent zu
sein? Warum leisten wir Ärzte nicht unseren Beitrag
Kann die globale Resistenzentwicklung gebremst wer-
zur Bremsung der Resistenz? Gewohnheit, Zeitman-
den? Dies scheint nur mit einem vereinten, Kontinent-
gel, hohes CRP, Sicherheitsdenken sowie Patienten­
übergreifenden Gesamtkonzept möglich, welches
erwartungen und -forderungen sind die häufigsten
Handeln auf Stufe von Ärzteschaft, Pharma- und Le-
Erklärungen.
bensmittelindustrie, Politik und Patienten erfordert.
Die Steuerung und Kontrolle des Antibiotikage-
Es bestehen zahlreiche Ideen und Strategien, wie Infek-
brauchs wird in Zukunft sowohl für die Ärzteschaft
tionen in der aktuellen «Antibiotika-Resistenzkrise»
als auch für die Patienten eine grosse Herausforde-
zukünftig unter Kontrolle gehalten werden könnten
rung sein. Viel Widerstand und Emotionen werden
[2, 7]. Allerdings steckt die konkrete Umsetzung noch
einer solchen Steuerung entgegentreten, wie auch
in den Anfängen oder ist nur eine Vision.
immer sie in praxi realisiert wird.
1. Gesteuerter Antibiotikagebrauch
2. Reduzierter Antibiotikaverbrauch
in der Tierzucht
Der Antibiotikagebrauch in der Humanmedizin muss
gesteuert werden. In erster Linie geht es darum, die
Der Antibiotikaverbrauch in der Tierzucht muss redu-
Wirksamkeit der aktuellen Antibiotika zu erhalten.
ziert werden. Während in der Schweiz klare Einschrän-
Nur mit korrektem und restriktivem Antibiotika­
kungen gelten, ist dies in anderen Ländern kaum gere-
gebrauch lassen sich Selektion und Transmission der
gelt. In Dänemark konnte der Antibiotikaverbrauch in
Resistenz bremsen.
der Schweinezucht durch ein gemeinsames Konzept
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von Produzenten, Politikern und anderen Interessens­
vermindert werden. Jüngstes und einfachstes Beispiel
trägern um 60% gesenkt werden, ohne dass der pro-
hierzu ist der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheu-
phezeite Einbruch der Produktivität eintraf [8]. Dies
matika statt Antibiotika bei unkomplizierten Harn-
ist in den USA nicht der Fall, wo der hohe Verbrauch
wegsinfektionen: Der Heilungsprozess, die Symptome
in der Tierzucht unverändert weiter anhält, trotz der
und die Prognose sind gleich wie mit einer Antibio­
von der FDA (Food and Drug Administration) erlasse-
tikatherapie. Auch die Verhinderung der Nahrungs-
nen Einschränkungen.
zufuhr zu den Bakterien im Infektionsherd (Aushungern) wäre eine interessante Methode. Schliesslich
3. Entwicklung neuer Antibiotika
könnten Probiotika noch gezielter und raffinierter
Wir brauchen neue Antibiotika. Die Antibiotikama-
eingesetzt werden, um den pathogenen Erregern
schinerie der pharmazeutischen Industrie, die wäh-
eine Konkurrenz zu bieten.
rend vieler Jahre auf Augenhöhe mit der Resistenzentwicklung war, ist zwischenzeitlich fast zum Stillstand
gekommen. Der Anreiz für die Pharmaindustrie,
neue Antibiotika zu entwickeln, ist aus pekuniären
Literatur
Immerhin werden zurzeit 39 neue Antibiotika in kli-
  1 Magiorakos A P, Srinivasan A, Carey R B, Carmeli Y, Falagas M E,
Giske CG, et. al., Multidrug-resistant, extensively drug-resistant
and pandrug-resistant bacteria: an international expert proposal
for interim standard definitions for acquired resistance.
Clin Microbiol Infect. 2012; 18(3):268–81.
  2 Spellberg B., Bartlett J., Gilbert DN.: The future of antibiotics and
resistance, N Engl J Med 2013;;;368: 299–302.
  3 Mole B.: Farming up trouble. Nature 2013; 499:398–400.
  4 Abgottspon H., Stephan R., Bagutti C., Brodmann P., Hächler H.,
Zurfluh K.: Characteristics of extended spectrum cephalosporin
resistant Escherichia coli isolated from Swiss and imported
poultry meat. 2013. Journal of Food Protection. (im Druck).
  5 BAG-Bulletin 26 Juni 2014 S. 446–448.
  6 Mckenna M.: The last resort. Nature 2013; 499: 394–396.
  7 Nathan C. and Cars O.: Antibiotic resistance –problems, progress
and prospects. N Engl J Med 2014; 371:1761–63.
  8 Aarestrup F. Sustainable farming: get pigs out off antibiotics.
Nature 2012:486:465–466.
  9 Pucci MJ., Page MGP, Bush K.: Cautious optimism for the anti­
bacterial pipeline. Microbe 2014; 9:147–152.
10 Henry B., Neill D., Becker K., Gore S., Bricio-Moreno L., et al.
Engineered liposomes sequester bacterial exotoxins and protect
from severe invasive infections in mice. Nature Biotechnology,
2.11.2014, doi:10.1038/nbt.3037.
neuartigen Wirkmechanismen sind in Testung [7, 9].
4. Entwicklung innovativer, Resistenz-­
unabhängiger Therapien
Wir brauchen innovative «indirekte antibakterielle»
Therapien, die unabhängig von der Resistenz eines
Keims funktionieren. Beispielsweise lassen sich bakterielle Toxine mit Liposomen abfangen, womit die
Virulenz der Bakterien inaktiviert werden kann [10].
In anderen Forschungsansätzen wird versucht, das
Prof. Dr. med. Martin Krause
Immunsystem mit monoklonalen Antikörpern oder
Medizinische Klinik
mittels Aktivierung von infundierten Phagozyten
Kantonsspital Münsterlingen,
gegen Infektionen zu unterstützen. Alternativ könnte
Spital TG AG
CH-8596 Münsterlingen
martin.krause[at]stgag.ch
Die Autoren M.K. und K.H. haben keine Interessenkonflikte, welche
für diese Arbeit relevant sind.
Gründen bescheiden. Dies stimmt jedoch nicht ganz.
nischen Studien überprüft. Auch Antibiotika mit
Korrespondenz:
Finanzierung / Interessenkonflikte
auch der entzündliche Stimulus, der bei Infektionen
den Gewebeschaden verursacht, durch Anti-Zytokine
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