ÜBERSICHTSARTIKEL 266 Die Problematik ist in der Gegenwart angekommen Bakterielle Resistenz: Beginn der postantibiotischen Ära Kathrin Herzog a und Martin Krause b Kantonsspital Münsterlingen; a Mikrobiologie, b Medizinische Klinik Quintessenz •Bakterielle Resistenz hat zur Folge, dass der antibakterielle Effekt eines Antibiotikums während einer Infektion ausbleibt. Die Resistenzhäufigkeit hat bei vielen pathogenen Bakterien in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. •Der intensive Antibiotikagebrauch in der Humanmedizin, Tiermedizin © National Institutes of Health (NIH) und Lebensmittelindustrie hat zur Folge, dass resistente Einzelbakterien selektioniert werden. Antibiotika beschleunigen dadurch das Tempo der Resistenzentwicklung und erhöhen die Populationen resistenter Bakterien. Die hohe Reisetätigkeit führt zusätzlich zu einer raschen geografischen Verbreitung. •Resistenz ist heute nicht nur ein Problem in der Spitalmedizin, sondern auch im Praxisalltag. Die Auswahl wirksamer Antibiotika für Hautinfektionen, Harnwegsinfektionen und Pneumonien ist kleiner geworden. •Es gibt keine Zweifel, dass die globale Resistenzentwicklung gebremst werden muss. Dies scheint nur mit einem länderübergreifenden, konzertierten Handeln auf Stufe von Ärzteschaft, Pharma- und Lebensmittelindustrie, Politik und Patienten möglich. Einführung Zusätzlich ist der Verlauf erschwert durch die Nebenwirkungen der Antibiotika selbst. Besonders gravie- Antibiotika haben unzähligen Menschen das Leben rend wird die Lage bei Infektionen, die nur mit Anti- gerettet. Es wirkt deshalb fast zynisch, dass ihr Ein- biotika abheilen können. Dazu gehören Endokarditis, satz durch zunehmende Resistenzbildung der Bakte- Meningitis und Fieber bei Agranulozytose. rien ihre eigene Wirkung wieder zunichtemacht. Die Resistenzentwicklung gegen Antibiotika ist ein globales Problem geworden. Allerdings wird dieses Was heisst «Resistenz»? Problem in vielen Teilen der Welt noch nicht mit je- Im Klinikalltag bedeutet Resistenz, dass der antibak- ner Ernsthaftigkeit wahrgenommen, die von Infek- terielle Effekt eines Antibiotikums bei einer Infek- tiologen und Mikrobiologen gefordert wird. tion ausbleibt. Dieser Effekt kann dadurch entstehen, Die Konsequenz der Resistenzentwicklung ist ein- dass das Antibiotikum den Wirkort nicht in genügen- fach vorauszusehen. Die Antibiotikaauswahl zur The- der Konzentration erreicht. Bei einer Meningitis, En- rapie bakterieller Infektionen wird kleiner oder sogar dokarditis, Prostatitis oder Osteomyelitis zum Beispiel nur noch auf eine Antibiotikaklasse reduziert. Im Ex- gelangen Antibiotika nur erschwert ins infizierte Ge- tremfall ist gar kein Antibiotikum mehr wirksam. webe. Die Antibiotika müssen deshalb bei diesen In- Eine Infektion nimmt dann einen natürlichen Ver- fektionen hochdosiert und über lange Zeit verabreicht lauf, wie wenn gar keine Therapie eingeleitet worden werden. wäre: Fieber und der schlechte Allgemeinzustand per- Als klinische Resistenz im klassischen Sinn wird aber sistieren bei einer Pneumonie, die Dysurie bei einer das resistente Verhalten von Bakterien verstanden, die Zystitis klingt nur langsam ab und das Magenulkus trotz genügend hohen Antibiotika-Konzentrationen rezidiviert kurz nach einer Helicobacter-Eradikation. am Infektionsort überleben oder weiterwachsen. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(12):266–270 ÜBERSICHTSARTIKEL 267 Dies kann im Mikrobiologielabor mit einer Resistenz- mechanismen ermöglicht und sichert damit deren testung vorausgesagt werden. Bei der Testung werden Verbreitung in verschiedenen Bakterienspezies. die Konzentrationen verschiedener Antibiotika ge- Resistenz ist also ein Phänomen, das schon in der prä- messen, unter welchen das isolierte Bakterium im antibiotischen Zeit existierte und durch die Mutations- Wachstum gehemmt oder abgetötet wird. Für die aktivität im bakteriellen Genom und der Verbreitung ­Interpretation der Ergebnisse werden die Resultate in in der Bakterienwelt immer präsent sein wird. Beziehung zu den am Infektionsort erreichten Antibiotikakonzentrationen gesetzt. Diese klinischen Resistenz durch häufigen Antibiotikagebrauch? Grenzwerte sind in den Richtlinien von EUCAST (Eu- Welche Rolle spielt dabei nun der Antibiotikagebrauch ropean Committee on Antimicrobial Susceptibility in der Medizin? Antibiotika wirken als Promotoren Testing) und CLSI (Clinical and Laboratory Standards der Resistenz. Sie selektionieren die anfänglich spär- Institute, USA) festgelegt, die auf der Normdosierung, lich vorhandenen, resistenten Einzelbakterien her- Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Anti- aus. Diese «geniessen» den Vorteil, dass sie sich unge- biotika basieren. Je höher die Anzahl nicht wirksa- hemmt weiter teilen können und die ursprüngliche mer Antibiotika ist, umso kleiner ist die Auswahl für Bakterienpopulation «überwachsen». Die Anzahl re- eine Therapie. Von einer gemeinsamen europäischen sistenter Bakterien auf der Haut, in der Nase oder im und amerikanischen Arbeitsgruppe sind drei ver- Darm steigt. Wenn eine Infektion durch diese Bakte- schiedene Schweregrade der Resistenz vorgeschlagen rien ausgelöst wird, sind Antibiotika von Beginn an worden [1]. Wenn ein Bakterium gegen drei Antibio- ohne Effekt. tikaklassen resistent ist (z.B. Penicilline, Chinolone Bisher wurde der Fokus nur auf den Antibiotikaver- und Clindamycin), liegt eine «Multiresistenz» vor brauch in der Humanmedizin gerichtet und der Ver- (multidrug-resistant, MDR). «Extensiv resistent» (ex- wendung in der Tierwelt kaum Beachtung geschenkt – tensively drug-resistant, XDR) ist ein Erreger dann, zu Unrecht, wie sich in diversen Untersuchungen wenn nur noch ein oder zwei Antibiotikaklassen wirk- heute zeigt. Der Antibiotikaverbrauch ist in der Tier- sam sind. Wenn schliesslich gar kein Antibiotikum zucht deutlich höher als in der Humanmedizin. Wäh- mehr eingesetzt werden kann, besteht eine «Pan­ rend in den USA letztes Jahr für Menschen pro Jahr resistenz» (pandrug-resistant, PDR) (Tab. 1). 3 Millionen Kilogramm Antibiotika verkauft wurden, sind für Tiere 13 Millionen Kilogramm eingesetzt worden [2]. Am häufigsten werden Antibiotika in der Wie entstehen Resistenzen? Zucht als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt, vor Grundsätzlich wird die breite Verwendung von Antibio- allem in der Mast von Schweinen und Geflügel. Schon tika in der Humanmedizin für die Resistenzentwick- lange ist bekannt, dass sich in solchen Mastproduk­ lung verantwortlich gemacht. Dies ist nur teilweise tionen zahlreiche Populationen resistenter Bakterien wahr. Bereits vor vier Millionen Jahren existierten ausbreiten können. Ob diese bakteriellen Resistenzen Bakterien, die zahlreiche Antibiotikaresistenz-Gene im Tierreich wirklich in der humanen Bakterienwelt trugen, sogar gegen moderne Antibiotika, die im wieder auffindbar sind, wird bestritten. «Der Weg ­L abor erst vor kurzem synthetisiert wurden [2]. Des zwischen Bauernhof und Esstisch ist lang», wird von Weiteren führt die natürliche Mutationsrate einer Exponenten der Fleischindustrie immer wieder be- Bakterienpopulation dazu, dass einzelne Bakterien tont; er ist jedoch viel kürzer, als bisher angenom- «spontan» resistent werden. Je schneller sie sich teilen men. Die Spur resistenter Erreger lässt sich mühelos und je schlechter die Qualität ihres Mutations-Repara- vom Schlachthof zum Metzger und nach Hause in die turapparates ist, desto häufiger entstehen Mutationen. Küche und auf den Esstisch zurückverfolgen [3, 4]. Die Übertragung von Resistenzgenen in der Bakterienwelt wird durch verschiedene raffinierte Transfer­ Wie gross ist das Problem? Verschiedene internationale und nationale Organi­ Tabelle 1: Schweregrade der Resistenz (gemäss [1]). sationen mahnen seit Jahren mit zunehmendem Schweregrad Druck, dass uns die bakterielle Resistenzentwicklung Kürzel Anzahl Antibiotikaklassen Nicht mehr wirksam Noch wirksam überrollen wird. Am World Economic Forum 2013 in Multiresistenz (multidrug-resistant) MDR >3 >2 Davos wurde die Resistenzentwicklung als das aktuell Extensive Resistenz (extensively drug-resistant) XDR – 1–2 grösste Risiko der Menschengesundheit gewertet [2]. Panresistenz (pandrug-resistant) PDR alle 0 SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(12):266–270 Auch in den politischen Gremien verschiedener Länder findet das Thema zunehmend Beachtung. ÜBERSICHTSARTIKEL 268 Mancher Leser wird sich an dieser Stelle fragen, warum Klebsiella sp.-Stämme übertragen wurde. Auf diesem er bisher keine oder nur selten Begegnungen mit ernst- Plasmid wird ein Enzym kodiert, das zahlreiche haften Resistenzproblemen hatte, weder als Patient β-Laktam-Antibiotika spaltet. Es wird mit ESBL (ex- noch als klinisch tätiger Arzt. Wird hier Hysterie ge- tended spectrum β-lactamase) abgekürzt. Früher wa- schürt, und sind die Prognosen doch nicht so pessi- ren ESBL-produzierende Enterobacteriaceae ein selte- mistisch? nes Problem von Intensivstationen. Heute werden E. Im Folgenden werden die Resistenzprobleme anhand coli und Klebsiella sp. mit ESBL nicht nur in allen Spi- von drei häufigen Infektionen des Praxisalltags tälern und Langzeitinstitutionen isoliert, auch in der ­d iskutiert. Dabei wird auch die Resistenzhäufigkeit ambulanten Medizin sind sie weit verbreitet. In Eu- in der Schweiz aufgeführt. Seit 2008 steht mit dem ropa ist die Häufigkeit in den letzten zehn Jahren um Schweizerischen Zentrum für Antibiotikaresistenzen das Drei- bis Fünffache angestiegen und erreicht in (www.anresis.ch) eine helvetische Datenbank zur einzelnen Ländern bis zu 25%. In der Schweiz liegt sie Verfügung, welche die nationalen Resistenzzahlen noch unter 10%. Bei ESBL-Erregern sind alle Penicil- erfasst, basierend auf den Meldungen aus 22 Spital- line und die meisten Cephalosporine unwirksam. und Privatlaboratorien [5]. In über der Hälfte der Fälle besteht auch eine Kreuzresistenz mit Fluorochinolonen und Cotrimoxazol. Hautinfektionen Wirksam sind noch Carbapeneme und alte, etwas in Staphylococcus aureus ist der häufigste Erreger von Vergessenheit geratene Antibiotika wie Fosfomycin Hautabszessen, Furunkeln und Karbunkeln. Er besitzt und Nitrofurantoin. Bei schweren Infektionen ist die eine hohe Virulenz und kann sich lokal oder syste- Mortalität im Vergleich zu Nicht-ESBL-Erregern deut- misch rasch ausbreiten. Vier Jahre nachdem Penicillin lich erhöht. erfolgreich gegen S. aureus eingesetzt worden war, Neben diesen ESBL-Stämmen beschäftigen neu auch wurde erstmals von Resistenzen berichtet. Grund die Carbapenemase-bildenden Bakterien-Stämme war die Aufnahme eines Plasmids, das ein Enzym zur (z.B. NDM-1 = New Delhi Metallo-β-Laktamase) die In- Penicillinspaltung kodiert. Heute sind in der Schweiz fektiologie- und Mikrobiologiewelt. Das Enzym und weltweit >75% der S. aureus-Bakterien Penicillin- macht die letzte, gut wirksame Carbapenem-Antibio- resistent. Diese Resistenz schien durch Penicillinase- tikaklasse unwirksam, so dass Reserveantibiotika mit feste Penicilline wie Methicillin oder Flucloxacillin starken Nebenwirkungen (z.B. Colistin) eingesetzt wer- überwunden, doch bereits fünf Jahre später isolierte den müssen. Die rasche Verbreitung dieser Stämme man S. aureus-Stämme, die ihre Bindungsstelle für über Nord- und Südamerika, Europa, Nahost und In- Methicillin in der Zellwand verändert hatten. Dies dien lässt sich heute relativ einfach nachverfolgen [6]. führte zur Unwirksamkeit von Methicillin (MRSA = Methicillin-resistenter S. aureus) und somit auch zur Pneumonien Resistenz gegen sämtliche Betalaktam-Antibiotika. Pneumonien konnten lange Zeit bedenkenlos empi- In Europa sind zwischen 20 und 50% der S. aureus- risch mit β-Laktam-Antibiotika oder Makroliden be- Isolate Methicillin-resistent. In der Schweiz sind es handelt werden. Mit diesen zwei Antibiotikaklassen durchschnittlich 10%, wobei in den westlichen Kan- waren Infektionen mit dem häufigsten bakteriellen tonen die Häufigkeit wesentlich höher ist. Die Präva- Erreger von Pneumonien, Streptococcus pneumoniae, lenz hat in den letzten drei Jahren leicht abgenommen. gut behandelt. Bereits vor 40 Jahren wurden aber in Gegen MRSA ist Vancomycin – ein Glykopeptid – Südafrika Penicillin-resistente Pneumokokken bei wirksam, das nur parenteral verabreicht werden kindlicher Meningitis isoliert, was klar machte, dass kann. Vor rund zehn Jahren fand sich schliesslich der auch Streptococcus pneumoniae Resistenzprobleme erste Vancomycin-resistente S. aureus-Stamm (VRSA), bereiten wird. Gegen Makrolide besteht heute welt- der bis heute weltweit jedoch nur vereinzelt isoliert weit eine Resistenz in 25% der Isolate. Aktuell sind in worden ist. der Schweiz 6% der Pneumokokken intermediär und 3% vollständig resistent gegen Penicillin, 16% resis- Harnwegsinfektionen tent gegen Makrolide, 14% gegen Tetrazykline, 12% Escherichia coli und Klebsiella species sind die häufigs- gegen Clindamycin, und 11% gegen Cotrimoxazol. Er- ten Erreger von Harnwegsinfektionen. Bei beiden freulicherweise sind diese Zahlen in den letzten Jah- Bakterien ist in den letzten Jahren eine besorgnis­ ren stabil oder sogar etwas rückläufig. Bei neueren erregende Resistenzzunahme beobachtet worden. Fluorochinolonen beträgt die Resistenzprävalenz Ursächlich ist ein Plasmid, das von anderen gramne- noch <2%, weshalb diese Klasse heute in zahlreichen gativen Stäbchenbakterien im Darm auf E. coli- und Richtlinien erste Wahl ist. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(12):266–270 ÜBERSICHTSARTIKEL 269 Aus diesen drei Beispielen lassen sich verschiedene Was heisst «korrekt»? bedeutende Schlüsse ziehen: Die Resistenzproblematik Grundsätzlich sollten Antibiotika in hoher Dosierung ist nicht ein Thema der Zukunft, sie ist schon da. Sie und kurzfristig eingenommen werden. Unterdosier­te ist nicht eine isolierte Entwicklung in fernen Regio- Antibiotika fördern den Selektionseffekt und damit nen und Ländern, sondern besteht auch in der die Resistenzbildung. Unterdosierung entsteht da- Schweiz. Sie ist lange nicht mehr «nur» ein Problem durch, dass Interaktionen die Wirkung mindern oder in Spitälern oder Intensivstationen, sondern auch im die Dosen unregelmässig eingenommen und/oder Praxisalltag (MRSA und ESBL-Bakterien). Die Resis- vergessen werden. Letzteres kommt insbesondere tenzen nehmen quantitativ über die Jahre und Jahr- dann vor, wenn Patienten ihre eigenen Antibiotika­ zehnte allmählich zu, allerdings ist die Häufigkeit reserven anlegen und ihren Einsatz selbst bestimmen. Schwankungen unterworfen. Die Zahl gut wirksamer Antibiotika sollten über möglichst kurze Zeit ver- Antibiotika bei Infektionen nimmt allmählich ab – schrieben werden. Je kürzer die Zeit ist, in der Bakte- im Spital und in der Praxis. Und Infektionen, die mit rien mit Antibiotika Kontakt haben, desto kleiner ist Reserveantibiotika behandelt werden müssen, haben die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzförderung. schlechtere Prognosen. Leider ist für die wenigsten Infektionen die notwen- Brisant ist die rasche geografische Verbreitung von dige Therapiedauer in Studien untersucht worden. Resistenz. Dass resistente Erreger innert Tagen oder Erste Ansätze existieren, die bei Pneumonien er- Wochen auf verschiedenen Kontinenten verbreitet staunlicherweise zeigen, dass Therapien über drei werden, ist mit unserer intensiven Reisetätigkeit zu Tage gleich wirksam sind wie über sieben bis zehn erklären. Der resistente Erreger fliegt gewissermassen Tage. im Handgepäck mit. Die Rückführung von Patienten aus fernen Spitälern birgt immer die Gefahr, dass Was heisst «restriktiv»? ­Resistenzprobleme anderer Kontinente und Länder Mehrfach konnte in epidemiologischen Studien ge- plötzlich die eigenen werden. Dies gilt auch, wenn zeigt werden, dass eine Einschränkung des Antibio­ der resistente Erreger nur als Kolonist mitgereist ist. tikagebrauchs auf klare Indikationen die Resistenz- Das jüngste Beispiel der Carbapenemase-bildenden häufigkeit reduziert. Es ist keine Neuigkeit, dass Klebsiella pneumoniae-Stämme zeugt von der raschen Antibiotika in der Humanmedizin viel zu häufig bei globalen Streuung [6]. viralen Infektionen oder ohne korrekte Indikation Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die Zeit gekommen verschrieben werden. Bei Angina, Otitis, Sinusitis, ist, diese Entwicklung zu bremsen und zu steuern. Sie Bronchitis, Diarrhoe und Fieber sind grundsätzlich gerät sonst ausser Kontrolle. Einzelne Pessimisten keine Antibiotika indiziert. Es wirkt paradox, dass in glauben, dies sei schon heute geschehen. der Humanmedizin gerade für diese Infektionen rund die Hälfte der Antibiotika verschrieben wird. Was kann man gegen Resistenzen tun? Warum schaffen wir Ärzte es nicht, konsequent zu sein? Warum leisten wir Ärzte nicht unseren Beitrag Kann die globale Resistenzentwicklung gebremst wer- zur Bremsung der Resistenz? Gewohnheit, Zeitman- den? Dies scheint nur mit einem vereinten, Kontinent- gel, hohes CRP, Sicherheitsdenken sowie Patienten­ übergreifenden Gesamtkonzept möglich, welches erwartungen und -forderungen sind die häufigsten Handeln auf Stufe von Ärzteschaft, Pharma- und Le- Erklärungen. bensmittelindustrie, Politik und Patienten erfordert. Die Steuerung und Kontrolle des Antibiotikage- Es bestehen zahlreiche Ideen und Strategien, wie Infek- brauchs wird in Zukunft sowohl für die Ärzteschaft tionen in der aktuellen «Antibiotika-Resistenzkrise» als auch für die Patienten eine grosse Herausforde- zukünftig unter Kontrolle gehalten werden könnten rung sein. Viel Widerstand und Emotionen werden [2, 7]. Allerdings steckt die konkrete Umsetzung noch einer solchen Steuerung entgegentreten, wie auch in den Anfängen oder ist nur eine Vision. immer sie in praxi realisiert wird. 1. Gesteuerter Antibiotikagebrauch 2. Reduzierter Antibiotikaverbrauch in der Tierzucht Der Antibiotikagebrauch in der Humanmedizin muss gesteuert werden. In erster Linie geht es darum, die Der Antibiotikaverbrauch in der Tierzucht muss redu- Wirksamkeit der aktuellen Antibiotika zu erhalten. ziert werden. Während in der Schweiz klare Einschrän- Nur mit korrektem und restriktivem Antibiotika­ kungen gelten, ist dies in anderen Ländern kaum gere- gebrauch lassen sich Selektion und Transmission der gelt. In Dänemark konnte der Antibiotikaverbrauch in Resistenz bremsen. der Schweinezucht durch ein gemeinsames Konzept SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(12):266–270 ÜBERSICHTSARTIKEL 270 von Produzenten, Politikern und anderen Interessens­ vermindert werden. Jüngstes und einfachstes Beispiel trägern um 60% gesenkt werden, ohne dass der pro- hierzu ist der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheu- phezeite Einbruch der Produktivität eintraf [8]. Dies matika statt Antibiotika bei unkomplizierten Harn- ist in den USA nicht der Fall, wo der hohe Verbrauch wegsinfektionen: Der Heilungsprozess, die Symptome in der Tierzucht unverändert weiter anhält, trotz der und die Prognose sind gleich wie mit einer Antibio­ von der FDA (Food and Drug Administration) erlasse- tikatherapie. Auch die Verhinderung der Nahrungs- nen Einschränkungen. zufuhr zu den Bakterien im Infektionsherd (Aushungern) wäre eine interessante Methode. Schliesslich 3. Entwicklung neuer Antibiotika könnten Probiotika noch gezielter und raffinierter Wir brauchen neue Antibiotika. Die Antibiotikama- eingesetzt werden, um den pathogenen Erregern schinerie der pharmazeutischen Industrie, die wäh- eine Konkurrenz zu bieten. rend vieler Jahre auf Augenhöhe mit der Resistenzentwicklung war, ist zwischenzeitlich fast zum Stillstand gekommen. Der Anreiz für die Pharmaindustrie, neue Antibiotika zu entwickeln, ist aus pekuniären Literatur Immerhin werden zurzeit 39 neue Antibiotika in kli- 1 Magiorakos A P, Srinivasan A, Carey R B, Carmeli Y, Falagas M E, Giske CG, et. al., Multidrug-resistant, extensively drug-resistant and pandrug-resistant bacteria: an international expert proposal for interim standard definitions for acquired resistance. Clin Microbiol Infect. 2012; 18(3):268–81. 2 Spellberg B., Bartlett J., Gilbert DN.: The future of antibiotics and resistance, N Engl J Med 2013;;;368: 299–302. 3 Mole B.: Farming up trouble. Nature 2013; 499:398–400. 4 Abgottspon H., Stephan R., Bagutti C., Brodmann P., Hächler H., Zurfluh K.: Characteristics of extended spectrum cephalosporin resistant Escherichia coli isolated from Swiss and imported poultry meat. 2013. Journal of Food Protection. (im Druck). 5 BAG-Bulletin 26 Juni 2014 S. 446–448. 6 Mckenna M.: The last resort. Nature 2013; 499: 394–396. 7 Nathan C. and Cars O.: Antibiotic resistance –problems, progress and prospects. N Engl J Med 2014; 371:1761–63. 8 Aarestrup F. Sustainable farming: get pigs out off antibiotics. Nature 2012:486:465–466. 9 Pucci MJ., Page MGP, Bush K.: Cautious optimism for the anti­ bacterial pipeline. Microbe 2014; 9:147–152. 10 Henry B., Neill D., Becker K., Gore S., Bricio-Moreno L., et al. Engineered liposomes sequester bacterial exotoxins and protect from severe invasive infections in mice. Nature Biotechnology, 2.11.2014, doi:10.1038/nbt.3037. neuartigen Wirkmechanismen sind in Testung [7, 9]. 4. Entwicklung innovativer, Resistenz-­ unabhängiger Therapien Wir brauchen innovative «indirekte antibakterielle» Therapien, die unabhängig von der Resistenz eines Keims funktionieren. Beispielsweise lassen sich bakterielle Toxine mit Liposomen abfangen, womit die Virulenz der Bakterien inaktiviert werden kann [10]. In anderen Forschungsansätzen wird versucht, das Prof. Dr. med. Martin Krause Immunsystem mit monoklonalen Antikörpern oder Medizinische Klinik mittels Aktivierung von infundierten Phagozyten Kantonsspital Münsterlingen, gegen Infektionen zu unterstützen. Alternativ könnte Spital TG AG CH-8596 Münsterlingen martin.krause[at]stgag.ch Die Autoren M.K. und K.H. haben keine Interessenkonflikte, welche für diese Arbeit relevant sind. Gründen bescheiden. Dies stimmt jedoch nicht ganz. nischen Studien überprüft. Auch Antibiotika mit Korrespondenz: Finanzierung / Interessenkonflikte auch der entzündliche Stimulus, der bei Infektionen den Gewebeschaden verursacht, durch Anti-Zytokine SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(12):266–270