Analysis I Ru diger W. Braun Wintersemester 2015 Inhaltsverzeichnis 1 Mengen und Abbildungen 5 2 Die reellen Zahlen 7 2.1 Korperaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Anordnungsaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Vollstandigkeitsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 8 9 3 Natürliche Zahlen und vollständige Induktion 11 4 Folgen und ihre Grenzwerte 13 5 Reihen 17 5.1 5.2 5.3 5.4 Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Injektive, surjektive und bijektive Abbildungen Dezimaldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . Absolut konvergente Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 19 19 20 6 Stetige Funktionen 21 7 Die komplexen Zahlen 24 8 Elementare Funktionen 27 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 9 Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die allgemeine Potenzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landau-Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 28 28 28 30 31 31 Differenzierbarkeit 32 10 Der Mittelwertsatz 35 11 Integralrechnung 39 12 Gleichmäßige Konvergenz von Funktionenfolgen 46 2 Inhaltsverzeichnis 13 Potenzreihen 48 14 Integrale rationaler Funktionen 51 15 Taylor-Reihen 53 16 Uneigentliche Integrale 57 17 Die Gammafunktion 59 3 1 Mengen und Abbildungen 1.1 Definition. Eine Menge ist eine Zusammenfassung verschiedener Elemente zu einem Ganzen. Es muss prinzipiell entscheidbar sein, ob ein Element zu einer Menge gehort. Man kann hier sehr viel formaler werden. Das interessiert aber keinen Analytiker. 1.2 Notation. Es gibt zwei Methoden, Mengen hinzuschreiben: (a) Durch Aufzahlung M1 = {1, 5, 17}, M2 = {2, 4, 6, 8, . . . }. (b) Durch Angabe einer charakterisierenden Eigenschaft: M3 = {n | n gerade}, M4 = {p | p und 2p − 1 Primzahlen}. (c) Wichtige Mengen, deren Existenz wir a priori hinnehmen: (i) N = {1, 2, 3, . . . } die naturlichen Zahlen, (ii) N0 = {0, 1, 2, 3, . . . }, (iii) Z = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . . } die ganzen Zahlen, (iv) Q = { qp | p ∈ Z, q ∈ N} die rationalen Zahlen, (v) R die reellen Zahlen. Eine genauere Beschreibung der reellen Zahlen folgt spater. 1.3 Definition. Eine Menge A ist Teilmenge einer Menge B, wenn jedes Element von A aich Element von B ist. Man schreibt A ⊆ B. 1.4 Beispiel. N ⊆ N0 ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R. Von den beiden Mengen {1, 2} und {2, 3} ist keine Teilmenge der anderen. 1.5 Bemerkung. Zwei Mengen A und B sind genau dann gleich, wenn A ⊆ B und B ⊆ A. 1.6 Definition. Die Menge, die gar kein Element enthalt, heit mit ∅ bezeichnet. leere Menge. Sie wird 1.7 Definition. Seien M1 und M2 zwei Mengen. Dann sind die folgenden Verkn upfungen erklart: (a) M1 ∪ M2 = {x | x ∈ M1 oder x ∈ M2 } (Vereinigung), 5 1 Mengen und Abbildungen (b) M1 ∩ M2 = {x | x ∈ M1 und x ∈ M2 } (Durchschnitt), (c) M1 \ M2 = {x | x ∈ M1 und x ∈/ M2 } (Dierenz), (d) M1 4M2 = (M1 \ M2 ) ∪ (M2 \ M1 ) (symmetrische Dierenz). 1.8 Beispiel. N0 = N ∪ {0}, N ∩ {0} = ∅, ∅4M = M fur jede Menge M. 1.9 Bemerkung. Kommutativgesetz, Assoziativgesetz und Distributivgesetz fur Mengen. Die Beweise aller dieser Aussagen beruhen auf den Gesetzen der Logik. Ich fuhre sie nicht vor, weil sie bereits im Vorkurs gemacht wurden. 1.10 Definition. Sei X eine Menge. Die Menge P(X) = {M | M ⊆ X} heit Potenzmenge von X. 1.11 Beispiel. X = {1, 2, 3}, dann hat P(X) die folgenden acht Elemente: . . . . P(∅) = {∅}. Diese Menge ist nicht leer. 1.12 Definition. Seien X, Y Mengen. Die Menge X×Y = {(x, y) | x ∈ X und y ∈ Y} heit kartesisches Produkt der Mengen X und Y . Die Elemente von X × Y heien Paare. 1.13 Beispiel. Fur X = {1, 2, 3} schreibe ich X2 hin. Diese Menge hat neun Elemente. 1.14 Definition. Gegeben seien Menge X und Y . Eine Abbildung f : X → Y besteht aus dem Denitionsbereich X, dem Zielbereich Y und einer Vorschrift, die jedem Element aus X genau ein Element y = f(x) aus Y zuordnet. Eine Frage ist, ob zwei Abbildungen, die denselben Denitionsbereich und dieselbe Vorschrift besitzen, als gleich anzusehen sind. Algebraiker sind da steng und sagen \nein". Das ist auch der Inhalt der Denition. Analytiker sind oft geneigt, unterschiedliche Zielbereiche zu ignorieren. 1.15 Definition. Sei f : X → Y eine Abbildung, seien M ⊆ X und N ⊆ Y . (a) f(M) = {f(x) | x ∈ M} heit Bild von M unter f. (b) f−1 (N) = {x | f(x) ∈ N} heit Urbild von N unter f. (c) Fur y ∈ Y schreibt man haug f−1 (y) anstatt f−1 ({y}). 1.16 Beispiel. X = {1, 2, 3}, Y = {1, 2, 3, . . . , 10}, f : X → Y , f(x) = x2 , A = {1, 2}, B = {1, 2, 3, 4}. Dann f(A) = {1, 4}, f−1 (B) = {1, 2} und f−1 (5) = ∅. 1.17 Definition. Seien f : X → Y und g : Y → Z zwei Abbildungen. Die ist deniert als g ◦ f : X → Z, g ◦ f(x) = g(f(x)). 1.18 Beispiel. 6 f : N → N, f(x) = x2 . Dann f ◦ f(3) = 81. Verknupfung 2 Die reellen Zahlen Die reellen Zahlen sind eine Menge R zusammen mit zwei Rechenvorschriften, die je zwei Elementen x, y ∈ R ein Element x + y ∈ R und ein Element x · y ∈ R zuordnen, und einer Vergleichsrelation >, so dass die in den nachsten drei Unterabschnitten angegebenen Axiome erfullt sind. 2.1 Körperaxiome (a) (Kommutativgesetze) x + y = y + x und x · y = y · x fur alle x, y ∈ R. (b) (Assoziativgesetze) (x + y) + z = x + (y + z) und (x · y) · z = x · (y · z) fur alle x, y, z ∈ R. (c) (Null und Eins) Es gibt Elemente 0, 1 ∈ R mit 0 6= 1 und 0 + x = x und 1 · x = x fur alle x ∈ R. (d) (Inverses Element der Addition) Zu jedem x ∈ R gibt es ein y ∈ R mit x+y = 0. Es zeigt sich, dass y eindeutig bestimmt ist; man bezeichnet es mit −x. (e) (Inverses Element der Multiplikation) Zu jedem x ∈ R \ {0} gibt es eine Zahl z ∈ R mit x · z = 1. Es zeigt sich, dass z eindeutig bestimmt ist. Man schreibt z = x−1 oder z = x1 . (f) (Distributivgesetz) x · (y + z) = x · y + x · z fur alle x, y, z ∈ R. 2.1 Satz. Das Nullelement ist eindeutig. 2.2 Satz. Das Einselement ist eindeutig. 2.3 Satz. Das additiv Inverse und das multiplikativ Inverse sind eindeutig. Beweis. Zur Abwechslung fur die Multiplikation. Sei Elemente mit x · w = 1 = z · w. Dann x 6= 0 und seien w, z ∈ R w = 1 · w = w · 1 = w · (x · z) = (w · x) · z = (x · w) · z = 1 · z = z. 2.4 Satz. 0 · x = 0 fur alle x ∈ R. Daraus folgt dann 7 2 Die reellen Zahlen 2.5 Satz. (−1) · x = −x. 2.6 Satz. F ur −1 −1 (x ) = x. jedes x ∈ R gilt −(−x) = x. Fur jedes x ∈ R \ {0} gelten x−1 6= 0 und 2.7 Satz (Nullteilerfreiheit). Wenn x · y = 0, dann x = 0 oder y = 0. Arithmetische Beziehungen, die man durch bloes Ausrechnen nachweist, wie etwa die binomischen Formeln, werden in der Vorlesung nicht noch einmal bewiesen. 2.2 Anordnungsaxiome Es gibt eine Teilmenge P von R, welche die beiden folgenden Axiome erfullt: (a) (Trichotomie) Fur jedes x ∈ R gilt genau eine der drei folgenden Moglichkeiten x ∈ P, x = 0 oder − x ∈ P (b) (Abgeschlossenheit bezuglich Addition und Multiplikation) Sind x und y in P, dann auch x + y und x · y. Statt x ∈ P schreibt man x > 0, statt −x ∈ P schreibt man x < 0. Ferner schreibt man x < y, falls y − x > 0, und x ≤ y, falls x < y oder x = y. Analog deniert man > und ≥. Falls x > 0, so heit x positiv, falls x < 0, so heit x negativ. 2.8 Satz. Seien x, y > 0, u, v < 0 und z ∈ R. Dann gelten (a) xy > 0, (b) uv > 0, (c) xu < 0, (d) z2 ≥ 0 , (e) z2 > 0, (f) 1 > 0, (g) x−1 > 0, (h) u−1 < 0. 2.9 Satz. Falls x < y und z ∈ R beliebig, so gilt x + z < y + z. 2.10 Satz. 8 vorausgesetzt z 6= 0, (a) Falls x < y und z > 0, so gilt xz < yz. 2.3 Vollstandigkeitsaxiom (b) Falls x < y und z < 0, so gilt xz > yz. Ist 0 < x < y, so gilt x2 < y2 . Sind umgekehrt x und y beide positiv und ist x2 < y2 , so folgt x < y. 2.11 Satz. 2.12 Definition. F ur x ∈ R deniert man den Absolutbetrag als x, falls x ≥ 0, |x| = −x, falls x < 0. 2.13 Satz. Sind x, y ∈ R, so gilt |x · y| = |x||y|. Beispiel. Man bestimme alle x ∈ R mit |3x − 6| = |8 − x|. Es gibt zwei Falle: Im ersten Fall lautet die Gleichung 3x − 6 = 8 − x, ihre Losung ist x = 27 , im zweiten lautet sie 3x − 6 = −(8 − x) mit der Losung x = x − 1. Die beiden Losungen der Gleichung sind x = 72 und x = −1. 2.14 Satz (Dreiecksungleichung). Sind x, y ∈ R, so gilt |x + y| ≤ |x| + |y|. 2.3 Vollständigkeitsaxiom 2.15 Satz. Es gibt kein x ∈ Q mit x2 = 2. 2.16 Definition. Sei M ⊆ R. Dann heit M nach oben beschr ankt, wenn es ein c ∈ R gibt mit x ≤ c fur alle x ∈ M. Jedes c mit dieser Eigenschaft heit obere Schranke von M. M heit nach unten beschr ankt, wenn es ein d ∈ R gibt mit x ≥ d fur alle x ∈ M. Jedes d mit dieser Eigenschaft heit untere Schranke von M. M heit beschr ankt, wenn es nach oben und unten beschrankt ist. 2.17 Beispiel. ist c = 3 2 M = {x ∈ R | x2 ≤ 2}. Dann ist M beschrankt. Eine obere Schranke und eine untere Schranke ist − 23 . 2.18 Definition. Sei M ⊆ R. Wenn es ein c ∈ M gibt, welches obere Schranke von M ist, so bezeichnet man c als das Maximum von M, in Zeichen c = max M. In diesem Fall ist c das grote Element von M. Wenn M ein kleinstes Element hat, so bezeichnet man es als Minimum und schreibt min M dafur. 2.19 Definition. Sei M ⊆ R. Wenn es eine kleinste obere Schranke von M gibt, dann bezeichnet man sie als Supremum von M, in Zeichen sup M. Wenn es eine grote untere Schranke gibt, so bezeichnet man sie als Inmum von M, in Zeichen inf M. Beispiel. Sei M = 1 − n1 | n ∈ N . Dann ist M nach oben und unten beschrankt und besitzt kein Maximum. Ferner: sup M = 1 und inf M = min M = 0. 9 2 Die reellen Zahlen 2.20 Satz. M ⊆ R (a) c = sup M. (b) c sei nach oben beschrankt. Fur c ∈ R sind aquivalent: ist obere Schranke von von M. (c) Fur alle x ∈ M x > c − . gilt M x ≤ c und kein d < c und fur jedes ist ebenfalls obere Schranke > 0 existiert ein x ∈ M mit 2.21 Vollständigkeitsaxiom. Jede nicht-leere, nach oben beschrankte Teilmenge von R besitzt in R ein Supremum. Zwei verschiedene Methoden, die reellen Zahlen aus den rationalen zu konstruieren, ndet man in x15 des Buchs von Kaballo. 2.22 Bemerkung. M ⊆ R sei nach oben beschrankt. M besitzt genau dann ein Maximum, wenn sup M ∈ M. In diesem Fall max M = sup M. Die analoge Aussage fur das Minimum gilt ebenfalls. Zu jedem a > 0 existiert genau ein b > 0 mit b√2 = a. Dieses b heit Quadratwurzel von a, in Zeichen b = a. 2.23 Satz. 2.24 Definition. F ur a, b ∈ R mit a ≤ b denieren wir die folgenden Intervalle: [a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b} ]a, b] = {x ∈ R | a < x ≤ b} [a, b[ = {x ∈ R | a ≤ x < b} ]a, b[ = {x ∈ R | a < x < b} [a, ∞[ = {x ∈ R | a ≤ x} ]a, ∞[ = {x ∈ R | a < x}. ]−∞, b] = {x ∈ R | x ≤ b} ]−∞, b[ = {x ∈ R | x < b} 2.25 Beispiel. {x ∈ R | x − x2 ≤ 0} = ]−∞, 0] ∪ [1, ∞[. Es ist namlich x − x2 = x(1 − x) genau dann ≤ 0, wenn einer der Faktoren ≥ 0 und der andere ≤ 0 ist. 10 3 Natürliche Zahlen und vollständige Induktion 3.1 Definition. Eine Teilmenge N von reellen Zahlen heit induktiv, wenn die folgenden beiden Bedingungen erfullt sind: (a) 1 ∈ N, (b) wenn n ∈ N, dann auch n + 1 ∈ N. R selbst ist induktiv. Der Durchschnitt induktiver Mengen ist induktiv. Daher gibt es eine kleinste induktive Teilmenge von R. Es handelt sich um die Menge der naturlichen Zahlen. Das Zeichen dafur ist N. 3.2 Prinzip der vollständigen Induktion. F ur jedes n ∈ N sei eine Aussage A(n) gegeben. Wenn es gelingt, die folgenden beiden Dinge zu zeigen, dann gilt A(n) fur alle n: (a) A(1) gilt, (b) wenn A(n) gilt, dann auch A(n + 1). 3.3 Definition. Sei X eine Menge und sei f ur jedes n ∈ N ein Element an ∈ X gegeben. Dann bezeichnet man die Aufzahlung dieser an als Folge, in Zeichen (an )n∈N oder (a1 , a2 , a3 , . . . ). Folgen werden haug rekursiv deniert. Man deniert dazu a1 und gibt eine Regel an, wie aus an das Folgenglied an+1 berechnet wird. Alternativ kann man an+1 auch aus a1 , . . . , an berechnen. 3.4 Beispiel. (a) Fakultat: a0 = 1, an+1 = (n + 1) · an . Das deniert n! = an . (b) Fibonacci-Folge: a1 = 1, a2 = 1, an+1 = an + an−1 fur n ≥ 2. (c) Summenzeichen: Gegeben sei eine Folge (an )n∈N : 1 X aj = a 1 , j=1 n+1 X aj = an+1 + j=1 n X aj . j=1 (d) Produktzeichen: Gegeben sei eine Folge (an )n∈N : 1 Y j=1 aj = a1 , n+1 Y j=1 aj = an+1 · n Y aj . j=1 11 3 Naturliche Zahlen und vollstandige Induktion 3.5 Satz (Bernoulli-Ungleichung). Sei h > −1. Fur alle n ∈ N gilt (1 + h)n ≥ 1 + nh. Beweis. mit vollstandiger Induktion: Induktionsanfang n = 1: (1 + h)1 = 1 + 1 · h. Induktionsschluss: Die Aussage sei richtig fur n, dann mussen wir sie fur n + 1 herleiten: (1 + h)n+1 = (1 + h) · (1 + h)n ≥ (1 + h) · (1 + nh) = 1 + h + nh + h2 ≥ 1 + (n + 1)h. 3.6 Satz (Archimedisches Axiom). 3.7 Satz (Eudoxos). 12 Ist a ∈ R, so existiert ein n ∈ N mit n > a. Zu jedem b > 0 existiert ein n ∈ N mit 1 n < b. 4 Folgen und ihre Grenzwerte 4.1 Satz (Arithmetische und geometrische Progression). (a) n X j= j=1 : n(n + 1) . 2 (b) Fur jedes q ∈ R mit q 6= 1 gilt n X j=0 qj = 1 − qn+1 . 1−q 4.2 Definition. F ur n, k ∈ N0 mit k ≤ n deniert man den durch ! n! n = . k k!(n − k)! 4.3 Satz. Binomialkoefzienten Fur k, n ∈ N0 mit k ≤ n gilt n+1 k ! = ! n + k ! n . k−1 Insbesondere sind alle Binomialkoefzienten ganz. 4.4 Satz (Binomischer Lehrsatz). Fur n ∈ N0 und x, y ∈ R gilt ! n X n (x + y)n = xk yn−k . k k=0 4.5 Definition. Die Folge (an )n∈N ist schrankt ist. beschrankt, wenn die Menge {an | n ∈ N} be- 4.6 Beispiel. (a) Fur jedes a 6= 0 ist die Folge (a · n)n∈N unbeschrankt. (b) Fur jedes q ∈ [−1, 1] ist die Folge (qn )n∈N nach unten beschrankt durch −1 und nach oben durch 1. (c) Fur jedes q ∈ ]−1, 1[ ist die Folge (nqn )n∈N beschrankt. (d) Fur jedes q ∈ ]−1, 1[ ist die Folge (n2 qn )n∈N beschrankt. 13 4 Folgen und ihre Grenzwerte 4.7 Definition. Sei (an )n∈N eine Folge reeller Zahlen, und sei b ∈ R. Die Folge heit konvergent gegen b, falls gilt: Zu jedem > 0 existiert ein N ∈ N, so dass fur alle n ≥ N gilt |an −b| < . Man sagt dann, b sei der Grenzwert der Folge, und schreibt b = limn→∞ an oder an → b. Eine Folge heit divergent, wenn sie keinen Grenzwert besitzt. n+1 4.8 Beispiel. limn→∞ 2n+3 . Da wir noch keine Rechenregeln fur Grenzwerte haben, beweisen wir die Konvergenz zu Fu. Sei > 0 beliebig vorgegeben. Wahle N ∈ N so gro, dass N1 < 4. Dann gilt fur jedes n ≥ N = 1 2 n+1 2n + 2 − (2n + 3) 1 1 1 = ≤ < . 2n + 3 − 2 = 4n + 6 4n + 6 4N 4.9 Satz. Eine Folge besitzt hochstens einen Grenzwert. 4.10 Satz. Jede konvergente Folge ist beschrankt. 4.11 Satz (Sandwichsatz). F ur jedes n ∈ N gelte an ≤ bn ≤ cn . Wenn die Folgen (an )n∈N und (cn )n∈N gegen denselben Grenzwert L konvergieren, dann limn→∞ bn = L. 4.12 Beispiel. (a) limn→∞ n1 = 0. (b) Sei q ∈ R. (i) Falls |q| < 1, so gilt lim qn = 0. (ii) Falls |q| > 1, so divergiert die Folge (qn )n∈N . (iii) limn→∞ 1n = 1. (iv) Die Folge ((−1)n )n∈N divergiert. 4.13 Bemerkung. Eine Folge (an )n∈N mit limn→∞ an = 0 heit Nullfolge. 4.14 Satz (Rechenregeln). und limn→∞ bn = b. Seien (an )n∈N und (bn )n∈N Folgen mit limn→∞ an = a (a) limn→∞ (an + bn ) = a + b. (b) limn→∞ (an − bn ) = a − b. (c) limn→∞ an bn = ab. (d) Ist b 6= 0, dann bn 6= 0 a a lim n = . n→∞ bn b 14 mit hochstens endlich vielen Ausnahmen und 4.15 Beispiel. Sei q ∈ ]−1, 1[. Dann limn→∞ nqn = 0 und limn→∞ n2 qn = 0. Beispiel. lim 1− n→∞ n 4 n2 1+ +3 n 4 = lim n→∞ n2 1 n − 41 n2 1 + = 1 +1 n 4 3 n2 lim 1 n = lim n→∞ 1 n→∞ n − 1 4 1 + 3 lim − 14 1+ 1 + 14 n 3 n2 1 1 n→∞ n + 4 1 2 n→∞ n lim =− 1 . 16 4.16 Satz. Seien (an )n∈N und (bn )n∈N konvergente Folgen mit limn→∞ an = a limn→∞ bn = b und an ≤ bn fur fast alle n ∈ N. Dann a ≤ b. und 4.17 Definition. Eine Folge (an )n∈N heit monoton wachsend, wenn an ≤ an+1 f ur alle n ∈ N. Sie heit streng monoton wachsend, wenn an < an+1 fur alle n ∈ N. Analog deniert man (streng) monoton fallend. Ist (an )n∈N monoton wachsend und beschrankt, so konvergiert die Folge und es gilt limn→∞ an = sup{an | n ∈ N}. 4.18 Satz. 4.19 Beispiel. Sei an+1 = 2an − xa2n x > 0. Wahle ein beliebiges a1 ∈ ]0, 1/x[ und deniere rekursiv . Dann gilt lim an = 1/x. Beweis. Wir zeigen mit vollstandiger Induktion fur jedes n ∈ N 0 < an ≤ an+1 ≤ 1/x. Dann folgt die Existenz eines Grenzwerts b aus dem vorigen Satz. Aus den Rechenregeln fur Grenzwerte folgt b = 2b − xb2 . Also b = 0 oder 1 = 2 − xb. Der erste Fall scheidet aus, denn b ≥ a1 > 0 wegen der Monotonie. Also b = 1/x. 4.20 Definition. Sei (nk )k∈N eine streng monoton wachsende Folge in N. Ist ferner (an )n∈N eine Folge, so ist (ank )k∈N = (an1 , an2 , . . . ) eine Teilfolge von (an )n∈N . Beispiel. Sei an = (−1)n , und sei nk = 2k. Dann (an k )k∈N = (1)k∈N . Jede Teilfolge einer beschrankten Folge ist beschrankt und jede Teilfolge einer konvergenten Folge ist konvergent. 4.21 Satz. 4.22 Theorem (Satz von Bolzano-Weierstra). eine konvergente Teilfolge. Jede beschrankte Folge in R besitzt 4.23 Definition. Eine Folge (an )n∈N heit Cauchy-Folge, wenn es zu jedem > 0 ein N ∈ N gibt, so dass |an − am | < f ur alle n, m ≥ N. 4.24 Theorem (Konvergenzkriterium von Cauchy). aquivalent: Fur eine Folge (an )n∈N in R sind 15 4 Folgen und ihre Grenzwerte (a) (an )n∈N ist konvergent. (b) (an )n∈N ist eine Cauchy-Folge. 4.25 Beispiele. (a) Die Folge ((−1)n )n∈N konvergiert nicht, denn fur jedes n gilt |(−1)n+1 − (−1)n | = 2. P (b) Fur n ∈ N sei an = nj=0 j!1 . Dann konvergiert die Folge (an )n∈N . 16 5 Reihen 5.1 Konvergenz P 5.1 Definition. Sei (an )n∈N eine Folge in R und sei sn = nj=1 aj . Wenn die Folge (sn )n∈N P P∞ konvergiert, dann sagt man, dass die Reihe ∞ j=1 aj konvergiert und schreibt Pj=1 aj fur ihren Grenzwert. Wenn (sn )n∈N divergiert, so sagt man, dass die Reihe ∞ j=1 aj divergiert. P Die Zahlen sn heien Partialsummen von ∞ j=1 aj . 5.2 Satz. Wenn P∞ j=1 aj konvergiert, dann ist (an )n∈N eine Nullfolge. Die Umkehrung gilt i. a. nicht. 5.3 Konvention. Wir setzen x0 = 1 f ur alle x ∈ R, also auch fur x = 0. P n ur |q| ≥ 1. 5.4 Beispiel. Sei q ∈ R. Die geometrische Reihe ∞ n=0 q divergiert f Ansonsten gilt ∞ X qn = n=0 1 fur |q| < 1. 1−q P∞ 1 5.5 Beispiel. Die harmonische Reihe P 1 5.6 Beispiel. ∞ n=1 n(n+1) = 1. n=1 n divergiert. 5.7 Satz (Konvergenzkriterium von Leibniz). Sei (bn )n∈N eine monoton fallende P∞ n Nullfolge. Dann konvergiert n=1 (−1) bn . Pm Genauer: Sei sm = n=1 (−1)n bn die m-te Partialsumme. Dann ist (s2k )k∈N monoton fallend und (s2k−1 )k∈N monoton wachsend. Beide Folgen konvergieren P∞ gegen n=1 (−1)n bn . P∞ (−1)n−1 5.8 Beispiel. Die Reihe n=1 n konvergiert. Genauer gilt beispielweise 1 1 5 X (−1)n−1 1 1 1 7 + = ≥ ≥1− + − = . 2 3 6 n 2 3 4 12 n=1 ∞ 1− Wir werden spater sehen, dass der Grenzwert gleich dem naturlichen Logarithmus von 2 ist. 5.9 Definition. Eine Reihe giert. P∞ n=1 an heit absolut konvergent, wenn P∞ n=1 |an | konver- 17 5 Reihen 5.10 Satz. Absolut konvergente Reihen sind konvergent. 5.11 Bemerkung. Wenn P∞ P∞ P∞ a absolut konvergiert, dann a n n n=1 n=1 ≤ n=1 |an |. 5.12 Satz (Majorantenkriterium). Seien (an )n∈N und (cn )n∈N Folgen mit |an | ≤ cn P P∞ fur alle n ∈ N. Wenn ∞ c konvergiert, dann konvergiert n n=1 n=1 an absolut. P 5.13 Bemerkung. (a) Man bezeichnet dann ∞ n=1 cn als konvergente Majorante P∞ von n=1 an . (b) Eine Umformulierung des Majorantenkriteriums liefert: Wenn |an | ≤ cn fur P P jedes n und ∞ an divergiert, dann divergiert auch ∞ n=1 n=1 cn . In diesem Falle P∞ bezeichnet man n=1 an als divergente Minorante. 5.14 Beispiel. (a) Fur jedes k ∈ N mit k ≥ 2 konvergiert die Reihe (b) P∞ n n=1 n2 +5 P∞ 1 n=1 nk . divergiert. Fur n ≥ 3 gilt namlich n2 n n 1 ≥ = . 2 +5 2n 2n Daher ist die Halfte der harmonischen Reihe eine divergente Minorante. 5.15 Satz (Quotientenkriterium). Es gebe ein N ∈ N und ein q ∈ R mit q < 1, so P | dass an 6= 0 und |a|an+1 ≤ q f ur alle n ≥ N. Dann ist ∞ n=1 an absolut konvergent. n| P ur fast alle n und so dass 5.16 Korollar. Es sei ∞ n=1 eine Reihe, so dass an 6= 0 f |an+1 | limn→∞ |an | =: q existiert. (a) Falls q < 1, so konvergiert die Reihe absolut. (b) Falls q > 1, so divergiert die Reihe. 5.17 Beispiel. (a) Im Fall q = 1 sind feinere Untersuchungen notwendig. Zu dieP sem Fall gehoren sowohl die harmonische Reihe als auch die Reihe (b) Die Reihe P∞ n4 n=1 4n konvergiert. Es gilt namlich (n+1)4 4n+1 n4 4n 5.18 Definition. Die = n+1 n 4 1 1 → < 1. 4 4 Exponentialfunktion ist deniert durch exp(x) = ∞ X xn n=0 n! fur alle x ∈ R. Das Quotientenkriterium zeigt, dass diese Reihe in der Tat konvergiert. 18 ∞ 1 n=1 n2 . 5.2 Injektive, surjektive und bijektive Abbildungen 5.2 Injektive, surjektive und bijektive Abbildungen 5.19 Definition. Eine Abbildung f : X → Y ist injektiv, wenn es zu jedem y ∈ Y hochstens ein x ∈ X mit f(x) = y gibt. Sie heit surjektiv, wenn es zu jedem y ∈ Y mindestens ein x ∈ X mit f(x) = y gibt. Sie heit bijektiv, wenn es zu jedem y ∈ Y genau ein x ∈ X mit f(x) = y gibt. 5.20 Bemerkung. Sei f : X → Y eine Abbildung. Setze W = {f(x) | x ∈ X} und deniere eine neue Abbildung g : X → W mit derselben Vorschrift g(x) = f(x) fur alle x ∈ X. Dann ist g surjektiv. 5.21 Beispiel. Die Quadratfunktion q : R → R, x 7→ x2 , ist weder injektiv noch surjektiv, die Nullabbildung 0 : R → R, x 7→ 0, auch nicht. Die Identitat id : R → R, x 7→ x, ist bijektiv. Wir werden spater sehen, dass die Exponentialfunktion exp : R → R injektiv, aber nicht surjektiv ist. 5.22 Definition. Es sei f : X → Y bijektiv mit Graph G = {(x, f(x) | x ∈ X}. Setze H = {(y, x) | (x, y) ∈ G}. Dann ist H ebenfalls Graph einer Abbildung. Sie heit Umkehrabbildung von f, man schreibt f−1 . Die Umkehrabbildung ist dadurch bestimmt, dass f−1 (y) = x genau dann gilt, wenn f(x) = y. 5.23 Beispiel. f : [0, ∞[ → [0, ∞[, x 7→ x2 . Wir haben bereits gesehen, dass f bijektiv √ ist. Die Umkehrabbildung f−1 ist die Wurzelfunktion f−1 : [0, ∞[ → [0, ∞[, x 7→ x. 5.24 Satz. Es seien f : X → Y und g : Y → X zwei Abbildungen mit g ◦ f = idX f ◦ g = idY . Dann sind f und g bijektiv, und es gelten g = f−1 und f = g−1 . und 5.25 Beispiel. Seien f, g : N → N gegeben durch f(n) = n + 1 und g(n) = n − 1, 1, n ≥ 2, n = 1. Dann g ◦ f = idN , aber weder f noch g sind bijektiv. 5.3 Dezimaldarstellung 5.26 Bemerkung. Ist (cn )n∈N eine Folge in {0, 1, . . . , 9} = Z, so konvergiert die Reihe P∞ cn 10−n gegen eine Zahl in [0, 1]. P Zum Beispiel ist ϕ(1, 6, 6, . . . ) = 101 + ∞ n=2 6 1 1 6 1 15 1 = 10 1 + 9 = 10 · 9 = 6 . 100 1−1/10 n=1 5.27 Lemma. 6 10n = 1 10 + 6 100 P∞ n=0 1 n 10 = 1 10 + Ist X die Menge aller Folgen in Z und deniert man ϕ : X → [0, 1], (cn )n∈N 7→ ∞ X cn 10−n , n=1 so ist ϕ surjektiv. 19 5 Reihen 5.28 Bemerkung. Ist n ∈ N und c = (c1 , . . . , cn , 9, 9, 9, . . . ) mit cn < 9, so gilt ϕ(c) = ϕ(c1 , . . . , cn−1 , 1 + cn , 0, 0, 0, . . . ). Sei Y = {(cn )n∈N man eine Bijektion 5.29 Satz. ∈ X | fur unendlich viele n ist cn 6= 9}, dann erhalt ψ : Y → [0, 1[, (cn )n∈N 7→ ϕ((cn )n∈N ). 5.4 Absolut konvergente Reihen 5.30 Beispiel. Umordnung 1 2 − 12 + 13 − 13 + 14 − 14 ± . . . ist konvergent und hat die Summe 0. Die 1 1 1 1 1 1 1 1 1 − + ... + + − + + ··· + + + ··· + 2 |3 {z 4} 2 |5 {z 8} |9 16 {z } 3 ≥ 21 ≥ 12 ≥ 12 P ist divergent. Man kann zeigen: Wenn die Reihe ∞ n=1 an konvergiert, aber nicht absolut konvergiert, dann gibt es zu jedem r ∈ R eine Permutation σ von N, so dass P∞ n=1 aσ(n) = r. Das ist Aufgabe 32.6 aus dem Buch von Kaballo. P∞ Reihe und σ 5.31 Satz (Umordnungssatz). Sei n=1 an eine absolut konvergente P∞ eine Bijektion von N auf sich. Setze bn = aσ(n) . Dann ist n=1 bn absolut konP∞ P∞ vergent und n=1 bn = n=1 an . P∞ P 5.32 Satz (Cauchy-Produkt). Seien ∞ n=0 bn absolut konvergent, und n=0 an und sei cn = Dann ist die Reihe P∞ n=0 n X ak · bn−k . k=0 cn absolut konvergent, und es gilt ∞ X n=0 cn = X ∞ n=0 X ∞ an · bn . n=0 5.33 Satz (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion). Fur alle x, y ∈ R gilt exp(x + y) = exp(x) · exp(y). 5.34 Korollar. 20 Fur alle x ∈ R gilt exp(−x) = 1/ exp(x) und speziell exp(x) > 0. 6 Stetige Funktionen 6.1 Definition. Sei I ⊆ R ein Intervall, sei f : I → R eine Funktion, und sei x0 ∈ I. Dann heit f stetig in x0 , wenn es zu jedem > 0 ein δ > 0 gibt, so dass gilt: Ist x ∈ I und |x − x0 | < δ, dann |f(x) − f(x0 )| < . Eine Funktion heit stetig, wenn sie in jedem Punkt ihres Denitionsbereichs stetig ist. 6.2 Bemerkung. Das Zeichen \∀x ∈ X" bedeutet \fur alle x ∈ X" und das Zeichen \∃y ∈ Y " bedeutet \es gibt ein y ∈ Y ". f : I → R stetig in x0 ∈ I, falls ∀ > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ I : |x − x0 | < δ ⇒ |f(x) − f(x0 )| < . Entsprechend ist f unstetig in x0 , wenn ∃ > 0 ∀δ > 0 ∃x ∈ I : |x − x0 | < δ und |f(x) − f(x0 )| ≥ . 6.3 Beispiel. (a) f : R → R, x 7→ x2 ist stetig. (b) Konstante Funktionen sind stetig. (c) Deniere f : R → R durch f(x) = 0, x ≤ 0, 1, x > 0. Dann ist f unstetig in x0 = 0. 6.4 Definition. Sei I ⊆ R ein Intervall, sei a ∈ I und sei f : I\{a} → R eine Funktion. Wir schreiben limx→a f(x) = b, wenn fur jede Folge (xn )n∈N in I \ {a} mit limn→∞ xn = a die Aussage limn→∞ f(xn ) = b gilt. Sei I ⊆ R ein Intervall, sei f : I → R eine Funktion, und sei a ∈ I. Dann sind aquivalent: 6.5 Satz. (a) f ist stetig in a. (b) limx→a f(x) = f(a). Sei I ⊆ R ein Intervall und seien auch die folgenden Funktionen stetig in a: 6.6 Satz. f, g : I → R stetig in x0 . Dann sind 21 6 Stetige Funktionen (a) f+g mit (f + g)(x) = f(x) + g(x). (b) f−g und f · g, die ebenfalls punktweise deniert sind. (c) Falls g(a) 6= 0, so ist auch f/g stetig in a. 6.7 Definition. Eine Funktion der Form p : R → R, x 7→ Polynom. Pn k=0 ak xk , ak ∈ R, heit Sind p, q zwei Polynome, wobei q nicht das Nullpolynom ist, und ist D = {x ∈ R | q(x) 6= 0}, so bezeichnet man die Funktion f : D → R, x 7→ p(x) q(x) als gebrochen-rationale Funktion. 6.8 Bemerkung. Wegen Satz 6.6 sind Polynome und gebrochen-rationale Funktionen stetig auf ihrem Denitionsbereich. 6.9 Satz. N n N+1 X x exp(x) − ≤ 2 |x| n! (N + 1)! N 2 falls |x| ≤ 1 + . n=0 Damit kann man die Eulersche Zahl e = exp(1) so genau ausrechnen, wie man mochte: e = 2.7182818285 . . . . 6.10 Satz. Die Exponentialfunktion ist stetig. 6.11 Satz. Seien I, J ⊆ R Intervalle in x0 ∈ I und g stetig in f(x0 ), so und f : I → J, g : J → R Funktionen. Ist f stetig ist g ◦ f stetig in x0 . 6.12 Beispiel. Die Funktion f : R → R, x 7→ exp(−x2 ), ist stetig. Ihr Graph ist die Gausche Glockenkurve. 6.13 Definition. Intervalle der Form [a, b] mit reellen Zahlen a < b heien 6.14 Theorem (Nullstellensatz von Bolzano). Es seien a, b ∈ R, und R eine stetige Funktion mit f(a) < 0 und f(b) > 0. Dann gibt mit f(c) = 0. 6.15 Korollar (Zwischenwertsatz). zwischen f(a) und f(b) an. 6.16 Satz. es sei f : [a, b] → es ein c ∈ ]a, b[ Sei f : [a, b] → R stetig. Dann nimmt f alle Werte Sei I ein Intervall und f : I → R stetig. Dann ist f(I) ein Intervall. Man beachte, dass auch einpunktige Mengen Intervalle sind. 22 kompakt. Sei I = [a, b] ein kompaktes Intervall und sei f : I → R eine stetige Funktion. Dann nimmt f auf I ihr Maximum und ihr Minimum an, d. h. es gibt c, d ∈ I, so dass f(c) = max{f(x) | a ≤ x ≤ b} und f(d) = min{f(x) | a ≤ x ≤ b}. 6.17 Satz. 6.18 Definition. Sei D ⊆ R und f : D → R eine Funktion. Wenn f ur alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt, dass f(x1 ) ≤ f(x2 ), dann heit f monoton wachsend. Wenn sogar immer f(x1 ) < f(x2 ) gilt, dann heit f streng monoton wachsend. Entsprechend erklart man (streng) monoton fallend. 6.19 Bemerkung. Sei I ⊆ R ein Intervall und f : I → R stetig und streng monoton wachsend. Wegen Korollar 6.16 ist f(I) = J ein Intervall. Dann ist f : I → J bijektiv und besitzt daher eine Umkehrfunktion f−1 : J → I. Die Umkehrfunktion f−1 ist streng monoton wachsend. Die analogen Aussagen gelten fur streng monoton fallendes f. Die Umkehrfunktion einer auf einem Intervall erklarten stetigen, streng monotonen Funktion ist stetig. 6.20 Satz. 6.21 Beispiel. (a) Ist n eine ungerade naturliche Zahl, so ist die Abbildung f : R → R, x 7→ xn , streng monoton wachsend und stetig. Wegen des Zwischenwertsatzes ist sie auch bijektiv. Sie besitzt also eine stetige Umkehrfunktion f−1 : R → R, √ x 7→ n x. (b) Ist n eine gerade naturliche Zahl, so ist die Abbildung f : [0, ∞[ → [0, ∞[, x 7→ xn , streng monoton wachsend und stetig. Sie ist ebenfalls bijektiv. Sie √ besitzt also eine stetige Umkehrfunktion f−1 : [0, ∞[ → [0, ∞[, x 7→ n x. 6.22 Bezeichnung. F ur h > 0 gilt exp(h) = 1 + h + ∞ X hn n=2 n! > 1 + h, (6.1) also exp(x + h) = exp(x) exp(h) > exp(x) fur jedes x ∈ R. Daher ist die Exponentialfunction streng monoton wachsend. Die Abschatzung (6.1) zeigt auch, dass exp(R) nach oben unbeschrankt ist. Wegen exp(−x) = exp1(x) folgt, dass exp(R) = ]0, ∞[. Die Exponentialfunktion besitzt also eine stetige Inverse, die man als naturlichen Logarithmus bezeichnet und als log(x) schreibt. 23 7 Die komplexen Zahlen 7.1 Definition. Auf R2 = R × R deniert man eine Addition und eine Multiplikation durch (x, y) + (u, v) = (x + u, y + v) (x, y) · (u, v) = (xu − yv, xv + yu). 7.2 Satz. Diese Rechenoperationen erfullen die Korperaxiome. 7.3 Bemerkung. (a) Die Abbildung f : R → R2 , x 7→ (x, 0), ist injektiv und mit den Rechenoperationen vertraglich. Man versteht daher R als Teilkorper von R2 mit den Operationen aus 7.1 und schreibt fur (x, 0) einfach wieder x. (b) Man setzt i = (0, 1). Dann i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1. Ferner gilt fur y ∈ R, dass iy = (0, 1) · (y, 0) = (0, y). Also (x, y) = (x, 0) + (0, y) = x + iy. Wir werden in Zukunft die Schreibweise x + iy benutzen. Dann lauten die Rechenregeln (x + iy) + (u + iv) = (x + u) + (y + v)i, (x + iy)(u + iv) = (xu − yv) + (xv + uy)i. 7.4 Bezeichnung. Man bezeichnet R2 , versehen mit diesen Rechenregeln, als den Korper C der komplexen Zahlen. Fur z = x + iy mit x, y ∈ R bezeichnet man x als Realteil und y als Imaginarteil von z. Man schreibt x = Re(z) und y = Im(z). 7.5 Definition. Ist z = x + iy ∈ C mit x, y ∈ R, so heit z = x − iy die zu z komplexe Zahl. 7.6 Beispiel. (a) i = −i. (b) 1 x − iy x − iy . = = 2 x + iy (x + iy)(x − iy) x + y2 (c) (1 + i)2 = 1 + 2i + i2 = 2i, also 24 1 i √ +√ 2 2 2 = i und 1 i √ +√ 2 2 8 = 1. konjugiert √ √ √ √ √ (d) (1+ 3i)2 = −2+2 3i, also (1+ 3i)3 = 2(−1+ 3i)(1+ 3i) = 2(−1−3) = −8. Also √ !6 1 i 3 + 2 2 7.7 Satz. = 1. Fur z, w ∈ C gelten (a) z = z, (b) z + w = z + w, (c) z · w = z · w, (d) Re z = 12 (z + z) und Im z = 2i1 (z − z), (e) zz ∈ R mit zz ≥ 0. 7.8 Definition. Der Absolutbetrag von z ∈ C ist deniert als |z| := p √ zz = x2 + y2 , wobei x = Re z und y = Im z. Fur reelles x stimmt diese Denition von |x| mit der aus 2.12 uberein. 7.9 Satz. Fur z, w ∈ C gelten (a) |zw| = |z||w|, (b) |z| = |z|. (c) (Dreiecksungleichung) |z + w| ≤ |z| + |w|. (d) ||z| − |w|| ≤ |z − w|. Daher bezeichnet man |z − w| als den Abstand der komplexen Zahlen z und w. Wer einen Abstandsbegri hat, der hat auch einen Konvergenzbegri. 7.10 Definition. Es sei (zn )n∈N eine Folge in C, und es sei z0 ∈ C. Die Folge (zn )n∈N konvergiert gegen z0 , wenn es zu jedem > 0 ein N ∈ N gibt, so dass |zn − z0 | < fur alle n ≥ N. Man schreibt in diesem Fall limn→∞ zn = z0 . Es sei (zn )n∈N eine Folge in C. Die Folge ist genau dann konvergent, wenn die reellen Folgen (Re(zn ))n∈N und (Im(zn ))n∈N konvergieren. In diesem Fall gilt 7.11 Satz. lim zn = lim Re(zn ) + i lim Im(zn ). n→∞ n→∞ n→∞ Daraus sieht man, dass die Rechenregeln 4.14 auch fur komplexe Folgen gelten. 25 7 Die komplexen Zahlen 7.12 Satz (Cauchy-Kriterium). Sei (zn )n∈N eine Folge in C. Dann sind aquivalent: (a) Die Folge konvergiert. (b) Zu jedem > 0 existiert ein N ∈ N, so dass fur alle n, m ≥ N gilt |zn −zm | < . Pn 7.13 Definition. Es sei (an )n∈N eine Folge in C, und es sei sn = j=1 aj die n-te P∞ Partialsumme. Man sagt, dass die Reihe n=1 an konvergiert, wenn die Folge (sn )n∈N P konvergiert. In diesem Fall ist limn→∞ sn = ∞ n=1 an der Reihenwert. P∞ P Die Reihe n=1 aj heit absolut konvergent, wenn die Reihe n→∞ |an | konver- giert. Majorantenkriterium, Quotientenkriterium, Umordnungssatz und der Satz uber das Cauchy-Produkt gelten auch fur komplexe Reihen. 7.14 Satz. 7.15 Definition. Die komplexe Exponentialfunktion ist durch dieselbe Reihe deniert wie die reelle: exp(z) = ∞ X zn n=0 n! . Die Abschatzung aus Satz 6.9 gilt auch uber den komplexen Zahlen. Der Korper C ist nicht angeordnet. Beweise, welche die Monotonie verwenden, ubertragen sich daher nicht. Beispielsweise werden wir sehen, dass die komplexe Exponentialfunktion nicht injektiv ist. 7.16 Definition. Es seien D ⊆ C und f : D → C eine Funktion. (a) f heit stetig in z0 ∈ D, wenn es zu jedem > 0 ein δ > 0 gibt, so dass fur alle z ∈ D mit |z − z0 | < δ gilt |f(z) − f(z0 )| < . Ferner heit f stetig, wenn f in jedem Punkt ihres Denitionsbereichs stetig ist. (b) Es gilt limz→z0 f(z) = w, wenn fur jede Folge (zn )n∈N in D\{z0 } mit limn→∞ zn = z0 gilt limn→∞ f(zn ) = w. 7.17 Satz. Es sei f : D → C und es sei z0 ∈ D. Dann sind aquivalent: (a) f ist stetig in z0 . (b) limz→z 0 f(z) = f(z0 ). Die Rechenregeln fur stetige Funktionen (Satze 6.6 und 6.11) gelten auch fur komplexe Funktionen. Insbesondere sind Polynome stetig auf ganz C und gebrochen rationale Funktionen sind auf ihrem Denitionsbereich stetig. Die Exponentialfunktion exp : C → C ist stetig. 7.18 Satz. 26 8 Elementare Funktionen (a) Es sei (xn )n∈N eine Folge in R. Wir schreiben limn→∞ xn = ∞, wenn es zu jedem C ∈ R ein N ∈ N gibt, so dass xn > C fur alle n ≥ N. Wir schreiben limn→∞ xn = −∞, wenn es zu jedem C ∈ R ein N ∈ N gibt, so dass xn < C f ur alle n ≥ N. 8.1 Definition. (b) Es sei D ⊆ R nach oben unbeschrankt, und es sei f : D → R. Fur a ∈ R oder a = ±∞ schreiben wir limx→∞ f(x) = a, wenn f ur jede Folge (xn )n∈N in D mit limn→∞ xn = ∞ gilt, dass limn→∞ f(xn ) = a. Analog fur −∞. Achtung: Es gibt unbeschrankte Folgen (xn )n∈N , fur die weder limn→∞ xn = ∞ noch limn→∞ xn = −∞ gilt. 8.1 Exponentialfunktion 8.2 Satz (Eigenschaften der reellen Exponentialfunktion). exp(x) > 0. (a) Fur jedes x∈R ist (b) exp : R → R ist streng monoton wachsend. (c) exp(R) = ]0, ∞[. (d) Fur jedes m ∈ N gilt lim exp(x) x→∞ xm =∞ 8.3 Satz (Eigenschaften der komplexen Exponentialfunktion). C gilt exp(z + w) = exp(z) exp(w). (a) Fur alle z, w ∈ (b) Fur jedes z ∈ C ist exp(z) 6= 0 und exp(−z) = 1 . exp(z) (c) Fur jedes z ∈ C ist exp(z) = exp(z). (d) Fur jedes x ∈ R ist |exp(ix)| = 1. 27 8 Elementare Funktionen 8.2 Der Logarithmus Den naturlichen Logarithmus hatten wir in 6.22 deniert und mit log abgekurzt. (a) Der naturliche Logarithmus ist stetig und streng monoton wachsend. 8.4 Satz. (b) Fur x ∈ R ist log(exp(x)) = x, fur x > 0 ist exp(log(x)) = x. (c) log(]0, ∞[) = R. (d) Fur x, y > 0 ist log(xy) = log(x) + log(y). (e) log(1) = 0, log(e) = 1. (f) Fur x > 0 ist log(1/x) = − log(x). (g) limx→∞ log(x) = ∞ und limx&0 log(x) = −∞. (h) x→∞ lim log x x = 0. 8.3 Die allgemeine Potenzfunktion 8.5 Definition. F ur a > 0 und z ∈ C denieren wir az = exp(z log a). 8.6 Bemerkung. (a) Man uberlegt sich leicht, dass diese Denition mit den bereits bestehenden Spezialfallen an , a−1 und a1/n kompatibel ist. (b) Es gilt speziell ez = exp(z). 8.7 Satz. (a) Fur a > 0 und x, y ∈ R gilt (ax )y = axy . (b) Fur a > 0 und z, w ∈ C gilt az+w = az aw . (c) Fur a, b > 0 und z ∈ C gilt (ab)z = az bz . (d) Fur a > 0 und z ∈ C gilt 1 z a = a−z . 8.4 Trigonometrische Funktionen 8.8 Definition. F ur z ∈ C bezeichnet sin(z) = 1 iz cos(z) = 2 (e + e−iz ) den Cosinus von z. 8.9 Satz. − e−iz ) den Sinus von z und (a) Fur alle x ∈ R gelten cos(x) = Re(exp(ix)) und sin(x) = Im(exp(ix)). (b) Sinus und Cosinus sind stetig. 28 1 (eiz 2i 8.4 Trigonometrische Funktionen (c) Fur alle z ∈ C gilt eiz = cos(z) + i sin(z) (Eulersche Formel). (d) Fur alle z ∈ C gelten cos(−z) = cos(z) und sin(−z) = − sin(z). (e) Fur jedes z ∈ C gilt der trigonometrische Pythagoras: sin(z)2 + cos(z)2 = 1. 8.10 Satz. Fur alle z ∈ C gelten cos z = ∞ X (−1)n n=0 8.11 Satz (Additionstheoreme). z2n , (2n)! sin z = ∞ X (−1)n n=0 z2n+1 . (2n + 1)! Fur z, w ∈ C gelten sin(z + w) = sin(z) cos(w) + cos(z) sin(w) cos(z + w) = cos(z) cos(w) − sin(z) sin(w). Speziell gelten sin(2z) = 2 sin(z) cos(z) und cos(2z) = cos(z)2 −sin(z)2 = 2 cos(z)2 −1. 8.12 Lemma. Fur z, w ∈ C gilt 8.13 Beispiel. Leibniz 1− w−z z+w cos w − cos z = −2 sin sin . 2 2 √ Fur 0 ≤ x ≤ 12 erhalten wir aus dem Konvergenzkriterium von x2 x4 x2 ≤ cos x ≤ 1 − + , 2 2 24 x− x3 x3 x5 ≤ sin x ≤ x − + . 6 6 120 Speziell gilt cos(2) ≤ 1 − 2 + 23 = − 13 . Aus dem Zwischenwertsatz folgt, dass der Cosinus im Intervall ]0, 2[ mindestens eine Nullstelle besitzt. Das folgende Lemma zeigt die Eindeutigkeit dieser Nullstelle. 8.14 Lemma. fallend. Die Cosinusfunktion ist auf dem Intervall 8.15 Definition. Die Kreiszahl π ist dadurch deniert, dass im Intervall ]0, 2[ ist. 8.16 Satz. (a) exp i π2 = i. (b) eiπ = −1. (c) e2πi = 1. 8.17 Satz. (a) Fur alle z ∈ C gelten sin z+ π 2 = cos z π 2 [0, 2] streng monoton die Nullstelle des Cosinus und cos z+ π 2 = − sin z. 29 8 Elementare Funktionen (b) Fur alle z ∈ C gelten sin(z + π) = − sin z und cos(z + π) = − cos z. (c) Sinus und Cosinus sind periodisch mit Periode 2π. Das bedeutet, dass fur alle z ∈ C die Aussagen sin(z + 2π) = sin z und cos(z + 2π) = cos z gelten. π|k∈Z . (d) {x ∈ R | cos x = 0} = (e) {x ∈ R | sin x = 0} = {kπ | k ∈ Z}. k+ 1 2 8.18 Bemerkung. Wir kennen nun unter anderem die folgenden speziellen Werte der trigonometrischen Funktionen 0 π 6 sin x 0 1 2 x cos x 1 8.19 Definition. F ur x ∈ R \ π 4 1 2 √ 1 2 k+ 3 1 2 √ √ 1 2 π 3 2 2 1 2 √ 3 1 2 π 2 π 2π 1 0 0 0 −1 1 π | k ∈ Z deniert man tan x = sin x . cos x Fur x ∈ R \ {kπ | k ∈ Z} deniert man cot x = cos x . sin x 8.5 Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen (a) Die Funktion cos ist auf dem Intervall [0, π] streng monoton fallend und bildet es bijektiv auf [−1, 1] ab. Ihre Umkehrfunktion ist 8.20 Satz. arccos : [−1, 1] → [0, π]. (b) Die Funktion sin ist auf dem Intervall [− π2 , π2 ] streng monoton wachsend und bildet es bijektiv auf [−1, 1] ab. Ihre Umkehrfunktion ist h π πi . 2 2 arcsin : [−1, 1] → − , (c) Die Funktion tan ist auf dem Intervall ]− π2 , π2 [ streng monoton wachsend und bildet es bijektiv auf R ab. Ihre Umkehrfunktion ist i π πh . 2 2 arctan : R → − , 30 8.6 Polarkoordinaten 8.6 Polarkoordinaten 8.21 Bemerkung. (a) Fur alle z ∈ C gilt exp(z + 2πi) = exp(z). Man sagt: \exp hat die Periode 2πi." (b) Ist x ∈ R, so gilt exp(ix) = 1 genau dann, wenn x = 2kπ fur ein k ∈ Z. 8.22 Lemma (Polarkoordinaten). Ist z ∈ C, so existieren ϕ ∈ ]−π, π] und r ≥ 0 mit z = reiϕ . 8.23 Bemerkung. (a) Fur z 6= 0 werden die Polarkoordinaten wie folgt bestimmt arctan π 2, r = |z|, falls Re z > 0, falls Re z = 0 und Im z > 0, Im z ϕ(z) = arctan Re z + π, falls Re z < 0 und Im z ≥ 0, − π2 , falls Re z = 0 und Im z < 0, z arctan Im Re z − π, falls Re z < 0 und Im z < 0. Im z Re z , (b) exp(C) = C \ {0}. 8.7 Landau-Symbole Die Landau-Symbole bezeichnen keine Funktionen. 8.24 Definition. Man schreibt f(x) = o(g(x)), falls x → a, f(x) =0 x→a g(x) lim und f(x) = O(g(x)), x → a, falls gf in einer Umgebung von a nach oben beschrankt ist. Unter einer Umgebung verstehen wir ein Intervall der Form ]a − , a + [, wenn a ∈ R, der Form ] 1 , ∞[, wenn a = ∞, bzw. der Form ]−∞, − 1 , wenn a = −∞, wobei in allen Fallen > 0. 8.25 Beispiel. (a) Fur jedes n ∈ N gilt xn = o(exp(x)), x → ∞. (b) |log x| = o( x1 ), x → 0. (c) |cos x| = O(1), x → ∞. 8.26 Beispiel. π 1 − arctan x = O 2 x und π 1 =O − arctan x , x 2 x → ∞. 31 9 Differenzierbarkeit 9.1 Definition. D ⊆ R heit oen, wenn D Vereinigung von oenen Intervallen ist. 9.2 Definition. Sei D ⊆ R oen, sei f : D → R eine Funktion, und sei x0 ∈ D. Falls lim x→x0 f(x) − f(x0 ) =: f 0 (x0 ) x − x0 existiert (in R), dann sagt man, f sei in x0 dierenzierbar. In diesem Fall bezeichnet man f 0 (x0 ) als Ableitung von f in x0 . Ist f in jedem Punkt von D dierenzierbar, so heit f dierenzierbar in D. Falls der Grenzwert f(x) − f(x0 ) lim x→x 0 x>x0 x − x0 existiert, so bezeichnet man ihn als rechtsseitige Ableitung. Analog deniert man die linksseitige Ableitung. Bemerkung. Je nach Kontext schreibt man auch df dx oder f_ fur die Ableitung. Es seien D ⊆ R oen, f : D → R eine Funktion und x0 ∈ D. Dann ist f genau dann dierenzierbar in x0 , wenn es eine in x0 stetige Funktion ϕ : D → R gibt mit 9.3 Satz. f(x) − f(x0 ) = (x − x0 )ϕ(x) fur alle x ∈ D. In diesem Fall gilt ϕ(x0 ) = f 0 (x0 ). 9.4 Satz. Wenn f in x0 dierenzierbar ist, dann ist f in x0 stetig. Eine Funktion f ist genau dann dierenzierbar in x0 , wenn die rechtsund die linksseitige Ableitung in x0 existieren und ubereinstimmen. 9.5 Lemma. 9.6 Beispiel. (a) Es sei f : R → R die konstante Funktion f(x) = c fur alle x ∈ R. Dann ist f dierenzierbar mit f 0 = 0. (b) Es sei f : R → R deniert durch f(x) = x fur alle x ∈ R. Dann ist f dierenzierbar mit f 0 = 1. (c) exp 0 = exp. (d) cos 0 = − sin. 32 (e) Die Formel sin 0 = cos zeigen wir in Beispiel 9.10. 9.7 Satz (Rechenregeln). (a) f+g Sei D ⊆ R oen, seien f, g : D → R dierenzierbar. ist dierenzierbar mit (f + g) 0 = f 0 + g 0 . (b) (Produktregel) fg ist dierenzierbar mit (fg) 0 = f 0 g + g 0 f. (c) Ist c ∈ R, so ist cf dierenzierbar mit (cf) 0 = cf 0 . (d) Ist g(x) 6= 0 fur alle x ∈ D, so ist f g dierenzierbar mit 0 f f 0g − g 0f = . g g2 P n 9.8 Korollar. Polynome sind dierenzierbar. Genauer gilt f u r p(x) = m n=0 an x , P dass p 0 (x) = mn=1 an nxn−1 . Gebrochen rationale Funktionen sind uberall dort dierenzierbar, wo sie deniert sind. 9.9 Satz (Kettenregel). Seien D, E ⊆ R oen und f : D → E und g : E → R Funktionen. Ist f dierenzierbar in x0 ∈ D und g dierenzierbar in f(x0 ), dann ist g ◦ f dierenzierbar in x0 , und es gilt (g ◦ f) 0 (x0 ) = g 0 (f(x0 ))f 0 (x0 ). 9.10 Beispiel. (a) sin 0 = cos, denn sin x = − cos(x+ π2 ). Daher sin 0 x = sin(x+ π2 ) = cos x. (b) tan 0 (x) = 1 cos2 x = 1 + tan2 x. Sei D ⊆ R ein oenes Intervall und f : D → R stetig und streng monoton. Sei x0 ∈ D, sei f in x0 dierenzierbar mit f 0 (x0 ) 6= 0. Sei g die Umkehrfunktion von f. Dann ist g in y0 = f(x0 ) dierenzierbar und 9.11 Satz. g 0 (y0 ) = 1 f 0 (g(y0 )) . 9.12 Beispiel. (a) log 0 (y) = y1 . √ √ (b) Die Ableitung von 3 y ist 3 √31y2 , denn 3 y ist die Umkehrfunktion von f : x 7→ x3 . Man beachte, dass die Voraussetzungen des Satzes in x = 0 nicht erfullt sind. 9.13 Satz. n 1 lim 1 + = e. n→∞ n 9.14 Beispiel. (a) arctan 0 (y) = 1 . 1 + y2 33 9 Dierenzierbarkeit (b) arcsin 0 (y) = p 1 1 − y2 Beweis. Setze arcsin(y) ∈ fur −1 < y < 1. f(x) = sin(x) und g(y) = arcsin(y). F ur y ∈ ]−1, 1[ gelten und cos(arcsin(y)) > 0. ]− π2 , π2 [ arcsin 0 (y) = 1 1 =p . cos(arcsin(y)) 1 − y2 9.15 Definition. Sei D ⊆ R oen. Ist f dierenzierbar in D und f 0 dierenzierbar in x0 ∈ D, so heit f zweimal dierenzierbar in x0 . Man schreibt dann f 00 (x0 ). Analog deniert man f 000 . Wenn das nicht reicht, geht man zu folgender Notation uber: 0 f(0) = f, f(1) = f 0 , f(2) = f 00 , . . . , f(n+1) = f(n) , . . . 9.16 Beispiel. Fur fest gewahltes exp(α log(x)). Dann f 0 (x) = αxα−1 , 34 α ∈ R deniere f : ]0, ∞[ → R, x 7→ xα = f 00 (x) = α(α − 1)xα−2 , f 000 (x) = α(α − 1)(α − 2)xα−3 . 10 Der Mittelwertsatz 10.1 Definition. Sei D ⊆ R, sei f : D → R eine Funktion, und sei x0 ∈ D. Wir sagen, dass f in x0 ein (globales) Maximum hat, wenn f keinen groeren Funktionswert als f(x0 ) annimmt. In diesem Fall bezeichnet man x0 als Maximalstelle. Analog deniert man Minima und Minimalstellen. Beispiel. Der Cosinus hat in jedem Punkt der Form 2kπ, k ∈ Z, eine Maximalstelle. Das Maximum ist 1. 10.2 Definition. Sei D ⊆ R, sei f : D → R, und sei x0 ∈ D. Wir sagen, dass f in x0 ein lokales Maximum hat, wenn es ein > 0 gibt, so dass gilt: ist x ∈ D mit |x − x0 | < , so ist f(x) ≤ f(x0 ). In diesem Fall bezeichnet man x0 als lokale Maximalstelle. Wenn sogar gilt: ist x ∈ D mit 0 < |x − x0 | < , so ist f(x) < f(x0 ), dann ist x0 eine strikte lokale Maximalstelle. Analoge Denitionen gelten fur Minima und Extrema. 10.3 Satz. Sei f : ]a, b[ → R eine Funktion. Sei x0 ∈ ]a, b[ eine lokale Extremalstelle von f. Falls f in x0 dierenzierbar ist, so gilt f 0 (x0 ) = 0. 10.4 Definition. Sei D ⊆ R oen und f : D → R dierenzierbar. Falls f 0 (x0 ) = 0, so heit x0 kritische Stelle von f. Beispiel. Die Umkehrung von Satz 10.3 gilt nicht. Beispielsweise besitzt f : R → R, x 7→ x3 , in x0 = 0 eine kritische Stelle. Es sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion, die auf ]a, b[ dierenzierbar ist. Falls f(a) = f(b), so gibt es ein x ∈ ]a, b[ mit f 0 (x) = 0. 10.5 Satz (Satz von Rolle). 10.6 Theorem (Mittelwertsatz). Es sei f : [a, b] → R eine stetige ]a, b[ dierenzierbar ist. Dann gibt es ein x ∈ ]a, b[ mit f 0 (x) = 10.7 Satz. Sei f : ]a, b[ → R ist f konstant. Funktion, die auf f(b) − f(a) . b−a dierenzierbar mit f 0 (x) = 0 fur alle x ∈ ]a, b[. Dann 35 10 Der Mittelwertsatz Sei f : [a, b] → R stetig und auf ]a, b[ dierenzierbar. Dann gilt: (a) Falls f 0 (x) > 0 fur alle x ∈ ]a, b[, so ist f streng monoton wachsend. 10.8 Satz. (b) f ist genau dann monoton wachsend, wenn f 0 (x) ≥ 0 fur alle x ∈ ]a, b[. Beispiel. f : R → R, x 7→ x3 , ist streng monoton wachsend. Trotzdem besitzt f 0 eine Nullstelle im Ursprung. Sei f : ]a, b[ → R zweimal dierenzierbar und sei x0 ∈ ]a, b[ ein kritischer Punkt von f. Falls f 00 (x0 ) > 0, so besitzt f in x0 ein striktes lokales Minimum. Falls f 00 (x0 ) < 0, so besitzt f in x0 ein striktes lokales Maximum. Beispiel. (a) √f : R →√R, x 7→ x cos(x) . Dann f 0 (x) = cos(x) − xsin(x). Wegen 10.9 Satz. f0 π 4 = 1 2 2 − π4 12 2 > 0 und f 0 le x0 . Dort gilt π 2 = − π2 < 0 besitzt f 0 in π π , 4 2 eine Nullstel- f 00 (x0 ) = −2 sin(x0 ) − x cos(x0 ) < 0 Also besitzt f in x0 ein striktes lokales Maximum. (b) Die Funktion f : R → R, x 7→ x4 , besitzt in x0 = 0 ein striktes lokales Minimum (welches sogar global ist). Es gilt aber f 00 (0) = 0. Daher liefert Satz 10.9 kein notwendiges Kriterium. (c) Betrachte die Funktion f : R → R, x 2 + x sin 1 , x x 7→ 2 0, x 6= 0, sonst. Auf Blatt 9 wird gezeigt werden, dass f in ganz R dierenzierbar ist mit f 0 (0) = 12 und dass f 0 unstetig im Ursprung ist. Ich zeige hier, dass es keine Umgebung von 0 gibt, in der f monoton wachst. Wir nehmen als Widerspruchsannahme an, dass es ein > 0 gibt, so dass f in ]0, [ 1 monoton wachst. Dann gibt es ein k ∈ Z mit 2kπ < . Wegen π2 < 2 kann k so gro gewahlt werden, dass 4k(4 − π) − π > 0. Setze x1 = 1 2k + 12 π und x2 = 1 . 2kπ Dann x1 < x2 und f(x1 ) = 1 1 + 2 , (4k + 1)π 2k + 12 π2 f(x2 ) = 1 . 4kπ Es gilt f(x1 ) − f(x2 ) = 36 4 1 4kπ(4k + 1) + 16k − π(4k + 1)2 1 + − = . (4k + 1)π (4k + 1)2 π2 4kπ 4k(4k + 1)2 π2 Wir berechnen den Zahler 16k2 π + 4kπ + 16k − 16k2 π − 8kπ − π = 4k(4 − π) − π > 0. Also f(x1 ) > f(x2 ). Damit ist gezeigt, dass f auf ]0, [ nicht monoton wachst. Dem Graphen in Abbildung 10.1 kann man das nicht ansehen. 0.045 0.040 0.035 0.030 0.025 0.020 0.015 0.010 0.005 0.000 0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10 0.12 Abbildung 10.1: Graph der Funktion aus Beispiel 10.9(c) 10.10 Satz (Verallgemeinerter Mittelwertsatz). Seien f, g : [a, b] → R ]a, b[ dierenzierbar. Dann existiert x ∈ ]a, b[ mit stetig und in (f(b) − f(a))g 0 (x) = (g(b) − g(a))f 0 (x). 10.11 Satz (1. Regel von de l'H^opital). Die Funktionen f und g seien dierenzierbar auf dem Intervall ]a, b[, es sei g 0 (x) 6= 0 fur alle x, und es gelte x→a lim f(x) = 0 = lim g(x). Falls x→a x>a f 0 (x) lim x→a g 0 (x) x>a werte stimmen uberein. x>a existiert, so existiert auch f(x) lim , x→a g(x) x>a und beide Grenz- 10.12 Satz (2. Regel von de l'H^opital). Die Funktionen f und g seien dierenzierbar auf dem Intervall ]a, b[, es sei g 0 (x) 6= 0 fur alle x, und es gelte x→a lim g(x) = ∞. f 0 (x) lim x→a g 0 (x) x>a x>a f(x) lim , x→a g(x) x>a Falls existiert, so existiert auch und beide Grenzwerte stimmen uberein. 10.13 Bemerkung. Die Varianten der ersten und zweiten Regel von de l'H^opital fur x % b und x → ±∞ gelten ebenfalls. Die Regeln gelten auerdem fur den Fall 0 lim gf 0(x) = ±∞. (x) 37 10 Der Mittelwertsatz 1 1 10.14 Beispiel. (a) lim − x→1 x − 1 log x 1 − 1 −1 =− . lim 1 x21 = lim x→1 x→1 x + 1 2 + x2 x (b) lim x (π − 2 arctan x) = lim x→∞ 1 −1 log(x) − x + 1 x = lim = x→1 (x − 1) log x x→1 log(x) + x−1 x = lim π − 2 arctan x x→∞ 1 x −2 1+x2 x→∞ − 12 x = lim 2x2 = 2. x→∞ 1 + x2 = lim Dieses Beispiel verscharft die Aussage von Beispiel 8.26. 10.15 Definition. Sei I ⊆ R ein Intervall. Eine Funktion f : I → R heit fur jede Wahl von c, x, d ∈ I mit c < x < d gilt f(x) ≤ f(c) + f heit konvex, wenn f(d) − f(c) (x − c). d−c konkav, wenn −f konvex ist. 10.16 Beispiel. Die Betragsfunktion ist konvex. 10.17 Definition. M ⊆ R2 heit konvex, wenn zu je zwei Punkten P, Q ∈ M die Verbindungsstrecke von P und Q in M liegt. 10.18 Bemerkung. konvex ist. f : I → R ist genau dann konvex, wenn {(x, y) | x ∈ I, y ≥ f(x)} 10.19 Satz. f : [a, b] → R sind aquivalent sei stetig und auf (a) f ist konvex, (b) f0 (c) f 00 (x) ≥ 0 38 ist monoton wachsend, fur alle x ∈ ]a, b[. ]a, b[ zweimal dierenzierbar. Dann 11 Integralrechnung 11.1 Definition. Seien a, b ∈ R mit a < b. Sei f : [a, b] → R eine Funktion. Falls es x0 , x1 , . . . , xn ∈ R gibt mit a = x0 < x1 < · · · < xn = b, so dass f auf den Intervallen ]xk−1 , xk [, k = 1, . . . , n, konstant ist, so heit f Treppenfunktion. Mit T [a, b] bezeichnen wir die Menge aller Treppenfunktionen auf [a, b]. 11.2 Bemerkung. Sind f, g ∈ T [a, b] und c ∈ R, so sind auch cf und f + g in T [a, b]. Daher ist T [a, b] ein Untervektorraum des R-Vektorraums aller Abbildungen von [a, b] nach R. 11.3 Definition. Ist f ∈ T [a, b], ist a = x0 < x1 < · · · < xn = b und f konstant auf ]xk−1 , xk [ mit dem Wert ck , so deniert man Zb f(x)dx = a n X ck · (xk − xk−1 ). k=1 11.4 Bemerkung. (a) Sind f, g ∈ T [a, b] und c ∈ R, so gelten Zb Zb cf(x)dx = c f(x)dx und a Daher ist Zb g(x)dx. f(x)dx + (f(x) + g(x))dx = a a a Zb Zb a Zb T [a, b] → R, f 7→ f(x)dx, a eine R-lineare Abbildung. (b) Sind f, g ∈ T [a, b] mit f ≤ g, also f(x) ≤ g(x) fur alle x ∈ [a, b], so gilt Zb Zb f(x)dx ≤ g(x)dx. a a 11.5 Definition. Sei f : [a, b] → R eine beschrankte Funktion. Dann denieren wir Ober- und Unterintegral von f wie folgt: Zb ∗ a Zb ∗ a f(x)dx = inf Z b a ψ(x)dx ψ ∈ T [a, b], ψ ≥ f , Z b f(x)dx = sup a ϕ(x)dx ϕ ∈ T [a, b], ϕ ≤ f . 39 11 Integralrechnung 11.6 Definition. Sei f : [a, b] → R eine beschrankte Funktion. Sie heit RiemannZb ∗ Zb integrierbar, wenn f(x)dx = f(x)dx. Den gemeinsamen Wert bezeichnet man mit Rb a a f(x)dx und nennt ihn das 11.7 Satz (Riemann-Kriterium). ∗ a (bestimmte) Integral von f uber [a, b]. Fur eine Funktion f : [a, b] → R sind gleichwertig: (a) f ist Riemann-integrierbar. (b) Zu jedem > 0 gibt es Treppenfunktionen ϕ, ψ ∈ T [a, b], so dass ϕ ≤ f ≤ ψ und Zb (ψ(x) − ϕ(x))dx < . a (c) Es gibt Folgen (ϕn )n∈N und (ψn )n∈N in T [a, b], so dass fur jedes n ∈ N gilt ϕn ≤ f ≤ ψn und Z lim b n→∞ a Rb (ψn (x) − ϕn (x))dx = 0. Fur je zwei Folgen R a f(x)dx = limn→∞ (ϕn )n∈N und (ψn )n∈N b ψ (x)dx. a n wie in (c) gilt limn→∞ Rb a ϕn (x)dx = 11.8 Beispiel. Mit vollstandiger Induktion zeigt man n X k2 = k=1 n3 n2 n + + . 3 2 6 Damit zeigt man, dass die Funktion f : [0, 1] → R, x 7→Rx2 , Riemann-integrierbar ist, indem man das Riemann-Kriterium uberpruft. Es gilt 01 x2 dx = 13 . 11.9 Satz. gelten Es seien f, g : [a, b] → R Riemann-integrierbar, und es sei c ∈ R. Dann (a) cf (b) f+g Rb cf(x)dx = c a f(x)dx. R R R mit ab (f + g)(x)dx = ab f(x)dx + ab g(x)dx. ist Riemann-integrierbar mit ist Riemann-integrierbar Rb a 11.10 Bezeichnung. F ur eine Funktion f : D → R denieren wir Funktionen f+ , f− : D → R durch f(x), falls f(x) ≥ 0, −f(x), falls f(x) ≤ 0, f+ (x) = f− (x) = 0, sonst, 0, sonst. Dann gelten f = f+ − f− und |f| = f+ + f− . 11.11 Satz. 40 Fur Riemann-integrierbare Funktionen f, g : [a, b] → R gelten: (a) f+ und f− sind Riemann-integrierbar. (b) |f| ist Riemann-integrierbar, und es gilt Z b Zb f(x)dx ≤ |f(x)|dx ≤ M(b − a), a a wenn M = sup{|f(x)| | a ≤ x ≤ b}. (c) max(f, g) und min(f, g) sind Riemann-integrierbar. Fur Riemann-integrierbare Funktionen f, g : [a, b] → R gelten: 11.12 Satz. (a) f2 ist Riemann-integrierbar. (b) f·g ist Riemann-integrierbar. Satz 11.12 macht keine Aussage uber den Wert des Integrals. 11.13 Bezeichnung. Es sei f : D → W eine Abbildung. Es sei E ⊆ D. Die Einschrankung von f auf E ist diejenige Abbildung auf E, welche dieselbe Abbildungsvorschrift wie f besitzt. In Zeichen: f|E : E → W, x 7→ f(x). Es seien a < b < c. Eine Funktion f : [a, c] → R ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn f|[a,b] und f[b,c] beide Riemann-integrierbar sind. In diesem Fall gilt Z Z Z 11.14 Satz. c b c 11.15 Bezeichnung. Man setzt Ra a b a f(x)dx = 0 und f ur a < b Za Zb f(x)dx = − b 11.16 Satz. f(x)dx. f(x)dx + f(x)dx = a f(x)dx. a Jede monotone Funktion f : [a, b] → R ist Riemann-integrierbar. 11.17 Definition. Sei D ⊆ R und f : D → R eine Funktion. Sie heit gleichm aig stetig, wenn es zu jedem > 0 ein δ > 0 gibt, so dass fur alle x, y ∈ D mit |x − y| < δ gilt |f(x) − f(y)| < . 11.18 Beispiel. f : ]0, ∞[ → R, x 7→ x1 , ist nicht gleichmaig stetig. Jede auf einem kompakten Intervall [a, b] stetige Funktion ist gleichmaig stetig. 11.19 Satz. 11.20 Satz. Jede stetige Funktion f : [a, b] → R ist Riemann-integrierbar. 41 11 Integralrechnung Sei I Deniert man 11.21 Satz. ⊆ R ein oenes Intervall, sei F stetig, und sei c ∈ I. Zx F : I → R, so ist f: I → R dierenzierbar mit x 7→ f(t)dt, c F 0 = f. 11.22 Definition. Sei I ⊆ R ein oenes Intervall, und sei f : I → R. Eine dierenzierbare Funktion F : I → R heit Stammfunktion oder unbestimmtes Integral von f, wenn F 0 = f. 11.23RBemerkung. (a) Ist f(x)dx. F eine Stammfunktion zu f, so schreibt man F(x) = (b) Zwei Stammfunktionen unterscheiden sich lediglich durch eine Konstante. 11.24 Theorem (Hauptsatz der Dierential- und Integralrechnung). Sei I ⊆ R ein oenes Intervall, sei f : I → R stetig und sei F eine Stammfunktion von f. Dann gilt fur alle a, b ∈ I Z b f(x)dx = F(b) − F(a). a Bezeichnung. Schreibweise b F(x) = F(b) − F(a). a 11.25 Beispiel. (a) F(x) = 31 x3 ist eine Stammfunktion f ur f(x) = x2 . Also 1 Z1 1 3 1 2 x dx = x = . 3 0 3 0 (b) F(x) = log|x| ist eine Stammfunktion fur f(x) = x1 . Also Z −e −e2 −e 1 dx = log|x| = log(e) − log(e2 ) = −1. x −e2 11.26 Satz (Partielle Integration). Sei I ⊆ R ein oenes Intervall, seien f, g : I → R dierenzierbar und f 0 , g 0 stetig. Dann Zb Zb 0 f(x)g (x)dx = f(b)g(b) − f(a)g(a) − f 0 (x)g(x)dx. a 11.27 Beispiel. (a) (b) R R a xex dx = ex (x − 1). log(x)dx = x log(x) − x. 11.28 Satz (Substitutionsregel). Seien I, J ⊆ R oene Intervalle, sei f : I → R stetig und sei ϕ : J → I dierenzierbar mit stetiger Ableitung. Dann gilt fur a, b ∈ J Zb Z ϕ(b) 0 f(ϕ(t)) ϕ (t) dt = f(x)dx. a 42 ϕ(a) 11.29 Beispiel. (a) Zb a 1 f(2t)dt = 2 Z 2b f(x)dx. 2a (b) (Logarithmisches Integral) Ist ϕ : I → R \ {0} dierenzierbar mit stetiger Ableitung, so gilt Z 0 ϕ (x) dx = log |ϕ(x)|. ϕ(x) (c) R tan x dx = − log |cos x|. 11.30 Satz (Partialbruchzerlegung). Es seien P und Q komplexe Polynome. Das Q Polynom Q besitze eine Zerlegung in Linearfaktoren der Form Q(z) = α rj=1 (z− zj )mj mit α, z1 , . . . , zr ∈ C und m1 , . . . , mr ∈ N. Dann gibt es ein komplexes Polynom T und Zahlen cj,k ∈ C, so dass X X cj,k P(z) = T (z) + . k Q(z) (z − z j) j=1 k=1 r mj Das Polynom T und die Zahlen cj,k sind eindeutig bestimmt. 11.31 Bemerkung. (a) Wenn zj ∈ / R ein zm Q ein reelles Polynom ist, dann gibt es zu jedem mit zm = zj . Wenn dann auch noch P reell ist, dann cm,k = cj,k . Man fasst dann wie folgt zusammen cj,k cj,k + . k (z − zj ) (z − zj )k Das ist eine reelle Funktion. (b) In der Praxis bestimmt man T durch Division mit Rest und anschlieend die cj,k durch Koefzientenvergleich. (c) Auf diese Weise sind alle rationalen Funktionen integrierbar. Details ndet man in x 28 des Buchs von Kaballo. x2 +1 11.32 Beispiel. Bestimme die Stammfunktion von f(x) = xx33−x−2x2 +x+1 2 +x = 1 + x3 −2x2 +x . Zerlege Q(z) = z3 − 2z2 + z in Linearfaktoren. Q(z) = z(z − 1)2 . Ansatz z2 + 1 a b c = + + 3 2 z − 2z + z z z − 1 (z − 1)2 a(z − 1)2 + bz(z − 1) + cz = z(z − 1)2 z2 (a + b) + z(−2a − b + c) + a = . z(z − 1)2 43 11 Integralrechnung Wir erhalten das Gleichungssystem a+b=1 −2a − b + c = 0 a=1 Die Losung ist a = 1, b = 0, c = 2. Also z2 + 1 1 2 = + . 3 2 z − 2z + z z (z − 1)2 Wir integrieren einzeln: Z 1 dx = log |x| x Beim zweiten Integral substituieren wir t = x − 1. Z Z 2 2 dx = 2t−2 dt = −2t−1 = − . 2 (x − 1) x−1 Also Z x3 − x2 + x + 1 2 = x + log |x| − . 3 2 x − 2x + x x−1 11.33 Bemerkung. Aus Kapitel 8 erhalten wir Tabelle 11.1 von Grundintegralen. Z f(x) xn , n ∈ N0 x−n , n ∈ N \ {1} xα , α ∈ R \ {−1} f(x)dx xn+1 n+1 x−n+1 −n + 1 xα+1 α+1 x∈R x 6= 0 x>0 1 x ex log|x| x 6= 0 ex sin x cos x − cos x sin x x∈R x∈R x∈R 1 1 + x2 1 √ 1 − x2 arctan x x∈R arcsin x |x| < 1 Tabelle 11.1: Tabelle von Grundintegralen 44 11.34 Beispiel. Der Flacheninhalt des Einheitskreises betragt π. Beweis. Der Flacheninhalt des Einheitskreises ist gleich 2 stituieren x = sin(t) R1 √ −1 1 − x2 dx. Wir sub- Zπ q Zπ Z1 p 2 2 2 2 cos2 (t)dt. 1 − x dx = 1 − sin (t) cos(t)dt = −1 −π 2 −π 2 Nun integrieren wir partiell Zπ 2 −π 2 Zπ Zπ π 2 2 2 cos(t) cos(t)dt = cos(t) sin(t) π − (− sin(t)) sin(t)dt = sin2 (t)dt −2 Zπ −π 2 2 = R π2 −π 2 2 1dt − −π 2 Diese Gleichung kann man nach π . 2 Zπ −π 2 −π 2 cos (t)dt = π − 2 cos2 (t)dt auflosen und erhalt Zπ 2 −π 2 R π2 −π 2 cos2 (t)dt. cos2 (t)dt = 45 12 Gleichmäßige Konvergenz von Funktionenfolgen 12.1 Definition. Es sei D Menge. F ur jedes n ∈ N sei eine Funktion fn : D → R gegeben. Ist f : D → R eine Funktion mit limn→∞ fn (x) = f(x) fur alle x ∈ D, so sagt man, dass die Funktionenfolge (fn )n∈N punktweise gegen f konvergiert. 12.2 Definition. Es sei D eine Menge und es seien fn : D → R, n ∈ N, und f : D → R Funktionen. Die Funktionenfolge (fn )n∈N konvergiert gleichmaig gegen f, wenn es zu jedem > 0 ein N ∈ N gibt, so dass fur alle x ∈ D und alle n ≥ N gilt, dass |fn (x) − f(x)| < . Diese beiden Denitionen gelten genauso, wenn man R durch C ersetzt. 12.3 Beispiel. Fur n ∈ N sei fn : [0, 1] → R, x 7→ xn . Dann konvergiert (fn )n∈N punktweise. Obwohl alle fn stetig sind, ist die Grenzfunktion unstetig. Sei D ⊆ R und sei (fn )n∈N eine gleichmaig konvergente Folge stetiger Funktionen fn : D → R. Dann ist die Grenzfunktion stetig. Gilt auch fur komplexes D und/oder komplexe Zielmenge. 12.4 Satz. 12.5 Satz. F ur jedes n ∈ N sei fn : [a, b] → R eine stetige (fn )n∈N konvergiere gleichm aig gegen f. Dann Zb Zb lim fn (x)dx = f(x)dx. n→∞ a Funktion. Die Folge a Bemerkung. Aufgabe 3 von Blatt 10 zeigt, dass die Aussage von Satz 12.5 nicht mehr gilt, wenn gleichmaige Konvergenz durch punktweise Konvergenz ersetzt wird. Fur n ∈ N sei fn : ]a, b[ → R dierenzierbar und fn0 : ]a, b[ → R sei stetig. Die Folge (fn )n∈N konvergiere punktweise gegen die Funktion f : ]a, b[ → R und die Folge (fn0 )n∈N sei gleichmaig konvergent. Dann ist f dierenzierbar und 12.6 Satz. f 0 (x) = lim fn0 (x) n→∞ fur alle x ∈ ]a, b[. 12.7 Beispiel. Deniere fn : R → R, x 7→ n1 sin(nx). Dann konvergiert die Funktio- nenfolge (fn )n∈N gleichmaig gegen die Nullfunktion. Es gilt fn0 (x) = cos(nx). Diese Folge konvergiert noch nicht einmal punktweise, wie man durch Einsetzen von x = π sieht. 46 12.8 Definition. Sei D eine Menge. F ur jedes k ∈ N sei fk eine in D denierte FunkPn P tion. Fur n ∈ N sei sn (x) = k=1 fk (x) die Partialsumme. Die Reihe ∞ k=1 fk heit gleichmaig konvergent, wenn die Folge (sn )n∈N gleichmaig konvergiert. Eine gleichmaig konvergente Reihe stetiger Funktionen hat eine stetige Summe. 12.9 Korollar. 12.10 Satz. Sei D jedes k ∈ N gebe eine Menge. Fur jedes k ∈ N sei fk : D → R eine Funktion. Fur P∞ es ein ak ≥ 0P , so dass |fk (x)| ≤ ak fur alle x ∈ D. Falls k=1 ak konvergiert, so ist die Reihe ∞ aig konvergent. k=1 fk gleichm 12.11 Beispiel. Die Exponentialreihe und die Reihen von sin und cos konvergieren gleichmaig auf jedem kompakten Intervall. 47 13 Potenzreihen 13.1 Definition. Unter einer Form komplexen Potenzreihe verstehen wir eine Funktion der z 7→ ∞ X cn (z − a)n , n=0 wobei a, c0 , c1 , . . . feste komplexe Zahlen sind. Der Denitionsbereich dieser Funktion ist die Menge aller komplexen z, fur die die Reihe konvergiert. 13.2 Beispiel. Fur n ∈ N0 wird eine Funktion Jn : C → C deniert durch Jn (z) = ∞ z n X 2 j=0 (−1)j z 2j X (−1)j z2j+n . = 2j+n j!(n + j)! 2 j!(n + j)!2 j=0 ∞ Diese Funktion ist die Besselfunktion zur Ordnung n. 13.3 Definition. F ur a ∈ C und r ≥ 0 sei Br (a) = {z ∈ C | |z − a| < r} und Br (a) = {z ∈ C | |z − a| ≤ r}. Ferner sei B∞ (a) = C und B∞ (a) = C. 13.4 Satz. Sei a ∈ C und sei (cn )n∈N0 eine Folge in C. Sei z1 ∈ C so, dass die Reihe P∞ cn (z1 − a)n konvergiert. Ist 0 ≤ ρ < |z1 − a|, so konvergiert die Potenzreihe Pn=0 ∞ n aig auf Bρ (a). n=0 cn (z − a) absolut und gleichm P∞ 13.5 Definition. Sei n=0 cn (z − a)n eine Potenzreihe. Dann deniert man ihren Kon- vergenzradius als ∞ X r = sup |z − a| | cn (z − a)n ist konvergent . n=0 Dabei sind r = 0 und r = ∞ zugelassen. Wegen des Satzes 13.4 ist r = ∞ gleichbedeutend damit, dass die Potenzreihe auf ganz C konvergiert. Beispiel. Der Konvergenzradius der Besselfunktion Jn ist ∞. Eine konvergente Majo rante der Reihe konvergiert. 13.6 Satz. gelten: 48 Sei P∞ r (−1)j j=0 j!(n+j)! x 2j 2 ist namlich die Reihe P∞ 1 j=0 j! der Konvergenzradius der Potenzreihe x 2j 2 , die gegen exp P∞ n=0 cn (z − a)n . x2 4 Dann (a) Die Potenzreihe konvergiert absolut auf Br (a). (b) Ist 0 < ρ < r, so konvergiert sie gleichmaig auf Bρ (a). (c) Fur jedes z ∈ C \ Br (a) divergiert die Potenzreihe. Sei P∞ eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r. Sie deniert auf Br (a) eine stetige Funktion. 13.7 Korollar. cn (z − a)n P∞ cn (z − a)n eine Potenzreihe. Ist cn 6= 0 f ur fast alle n und cn existiert r = limn→∞ cn+1 , so ist r der Konvergenzradius der Potenzreihe. P zn 13.9 Beispiel. (a) Die Exponentialreihe ∞ n=0 n! hat den Konvergenzradius ∞. P n (b) Die geometrische Reihe ∞ n=0 z konvergiert genau dann, wenn |z| < 1. Sie hat daher den Konvergenzradius 1. P n (c) Die Reihe ∞ n=0 n!z hat den Konvergenzradius 0. 13.8 Satz. Sei n=0 n=0 13.10 Definition. Sei (an )n∈N eine nach oben beschrankte, reelle Folge. F ur N ∈ N setze bN = sup{an | n ≥ N}. Die Folge (bN )N∈N ist monoton fallend und beschrankt, besitzt also einen Grenzwert `. Man bezeichnet ` als den Limes superior von (an )n∈N , i. Z. lim sup an = lim sup an . n→∞ N→∞ n≥N Ist (an )n∈N nach unten beschrankt, so bezeichnet man lim inf an = lim inf an n→∞ N→∞ n≥N als ihren Limes inferior. Der Limes superior einer nach oben unbeschrankten Folge ist ∞, der Limes inferior einer nach unten unbeschrankten Folge ist −∞. 13.11 Bemerkung. (a) Wenn (an )n∈N konvergiert, dann stimmen limn→∞ an , lim supn→∞ an und lim inf n→∞ an uberein. (b) Wenn an = (−1)n bn fur eine konvergente Folge (bn ) mit b = limn→∞ bn > 0, dann lim supn→∞ an = b und lim inf n→∞ an = −b. 13.12 Satz (Hadamard). dius r. Dann 13.13 Beispiel. dius 1. Sei P∞ n=0 cn (z − a)n eine Potenzreihe mit Konvergenzra- p 1 = lim sup n |cn |. r n→∞ P α n (a) Sei α ∈ R. Die Reihe ∞ n=1 n (z − a) hat den KonvergenzraP ∞ 1 n (b) Die Exponenentialreihe n=0 n! z hat bekanntlich den Konvergenzradius ∞. √ Also lim supn→∞ n n! = ∞. Das folgt ebenfalls aus Aufgabe 4 von Blatt 3. 49 13 Potenzreihen (c) Betrachte n+1 ∞ X 1 f(z) = − z4n . 2 n=0 Dann s r 1 14 + 4n n+1 1 1 1 4n 4 1 = lim sup = lim = . n→∞ r 2 2 2 n→∞ √ Der Konvergenzradius betragt 4 2. P n 13.14 Definition. Eine Potenzreihe ∞ n=0 cn (z − a) heit reell, wenn a sowie alle cn reell sind. 13.15 Satz. Sei f(x) = dius r > 0. (a) Auf P∞ n=0 ]a − r, a + r[ 0 cn (x − a)n eine reelle Potenzreihe mit Konvergenzra- ist die Funktion f beliebig oft dierenzierbar und es gilt f (x) = ∞ X ncn (x − a)n−1 falls a − r < x < a + r. n=1 (b) Fur jedes n ∈ N0 gilt cn = 1 (n) f (a). n! 13.16 Beispiel. Die Besselfunktion Jn erfullt die Dierentialgleichung x2 Jn00 (x) + xJn0 (x) + (x2 − n2 )Jn (x) = 0. 50 14 Integrale rationaler Funktionen In diesem Abschnitt liefere ich eine ausfuhrlichere Untersuchung von Integralen rationaler Funktionen nach. Wir integrieren eine rationale Funktion QP mit reellen Polynomen P und Q. Wir gehen davon aus, dass der Zahlergrad echt kleiner als der Nennergrad ist. Dies kann durch Division mit Rest erreicht werden. 14.1 Bemerkung. Die Zerlegung des Nenners in komplexe Linearfaktoren sei nun Q(z) = α r Y (z − zj )mj j=1 mit paarweise verschiedenen zj . Der allgemeine Fall wird im Buch von Kaballo behandelt. Wir beschranken uns hier auf den Spezialfall, dass mj = 1 fur alle j mit zj ∈/ R. Wenn zj = xj + iyj mit xj , yj ∈ R und yj 6= 0 eine Nullstelle von Q ist, dann kann man in der Partialbruchzerlegung die Terme von zj und zj wie folgt zusammenfassen cj x − cj zj + cj x − cj zj cj cj 2(Re cj )x − 2 Re(cj zj ) z − zj + z − zj = (x − xj − iyj )(x − xj + iyj ) = . (x − xj )2 + y2j Wenn die Nullstellen so angeordnet sind, dass z1 , . . . , zs ∈ R und zs+1 , . . . , zt ∈ C mit Im zj > 0, j = s + 1, . . . , t, dann hat die reelle Partialbruchzerlegung in dem untersuchten Spezialfall die Gestalt mj s X t X X cj,k cj x + dj P(x) = + . k Q(x) (z − zj ) (x − xj )2 + y2j j=1 k=1 j=s+1 14.2 Bemerkung. Um die Stammfunktion von mit a, b, xj , yj ∈ R, yj 6= 0, zu berechnen, bestimmt man zuerst A, B ∈ R, so dass ax + b = 2A(x − xj ) + B. Dann Z ax+b (x−xj )2 +y2j Z Z ax + b 2(x − xj ) 1 dx = A dx + B dx. 2 2 (x − xj )2 + yj (x − xj )2 + yj (x − xj )2 + y2j Das erste Integral ist logarithmisch. Beim zweiten substitiert man t = Z 1 1 dx = 2 2 2 (x − xj ) + yj yj Z x−xj yj 1 2 +1 1 dx = yj Z t2 x−xj yj und erhalt 1 1 dt = arctan t +1 yj = 1 x − xj arctan . yj yj 51 14 Integrale rationaler Funktionen 14.3 Beispiel. Bestimme Division mit Rest ergibt Z x5 + 16 dx. x4 − 16 x5 + 16 16x + 16 = x + . x4 − 16 x4 − 16 Die Zerlegung des Nenners in Linearfaktoren ist x4 −16 = (x−2)(x+2)(x−2i)(x+2i). Der Ansatz fur die reelle Partialbruchzerlegung ist also a b cx + d 16x + 16 = + + 2 . 4 x − 16 x−2 x+2 x +4 Die Gleichung 16x + 16 = a(x + 2)(x2 + 4) + b(x − 2)(x2 + 4) + (cx + d)(x − 2)(x + 2) = x3 (a + b + c) + x2 (2a − 2b + d) + x(4a + 4b − 4c) + 8a − 8b − 4d fuhrt via Koefzientenvergleich auf das lineare Gleichungssystem a+b+c=0 2a − 2b + d = 0 4a + 4b − 4c = 16 8a − 8b − 4d = 16. Es besitzt die eindeutige bestimmte Losung a = 32 , b = 12 , c = −2, d = −2. Also 3 1 1 1 2x + 2 x5 + 16 =x+ + − 2 . 4 x − 16 2 x−2 2 x−1 x +4 Nur die Bestimmung der Stammfunktion des letzten Teils birgt Probleme Z Z Z 1 2x 2 1 2 dx dx + dx = log x + 4 + 2 2 2 x x +4 x +4 2 + 1 2 Z 1 x = log x2 + 4 + 2 dt = log x2 + 4 + arctan t = log x2 + 4 + arctan . t +1 2 2x + 2 dx = x2 + 4 Z Insgesamt Z 52 x5 + 16 1 3 1 x dx = x2 + log|x − 2| + log|x + 2| − log x2 + 4 − arctan . 4 x − 16 2 2 2 2 15 Taylor-Reihen 15.1 Definition. Sei I ein oenes Intervall, f : I → R eine Funktion und n ∈ N. Man sagt, f sei n-mal stetig dierenzierbar oder von der Klasse Cn , wenn f n-mal dierenzierbar und f(n) stetig ist. Wenn f stetig ist, sagt man, f sei von der Klasse C0 . Wenn f beliebig oft dierenzierbar ist, sagt man, f sei von der Klasse C∞ . Man schreibt dann f ∈ Cn (I) bzw. f ∈ C∞ (I). 15.2 Satz (Taylor-Formel). Sei I ein oenes Intervall se Cn+1 fur ein n ∈ N0 . Sind a, x ∈ I, so gilt f(x) = n X f(k) (a) k! k=0 und f : I → R von der Klas- (x − a)k + Rn+1 (x), wobei Z 1 x Rn+1 (x) = (x − t)n f(n+1) (t)dt. n! a P (k) Bezeichnung. Die Polynome nk=0 f k!(a) (x − a)k heien Taylor-Polynome. 15.3 Korollar (Cauchysches Restglied). Unter existiert ein ξ zwischen a und x, so dass Rn+1 (x) = den Voraussetzungen von Satz 15.2 f(n+1) (ξ) (x − a)(x − ξ)n . n! 15.4 Korollar (Restgliedformel von Lagrange). Unter 15.2 existiert ein ξ zwischen a und x, so dass Rn+1 (x) = 15.5 Beispiel. den Voraussetzungen von Satz f(n+1) (ξ) (x − a)n+1 . (n + 1)! f = exp, a = 0. Dann f(n) (a) = 1 f ur alle n. Also exp(x) = n X xk k=0 k! + Rn+1 (x), wobei (a) (Cauchy-Restglied) Rn+1 (x) = fur ein ξ zwischen 0 und x. exp(ξ) n! x(x − ξ)n 53 15 Taylor-Reihen (b) (Lagrange-Restglied) Rn+1 (x) = exp(ξ) (n + 1)! xn+1 fur ein (anderes) ξ zwischen 0 und x. 15.6 Beispiel. Bestimme x − sin(x) . x→0 x(1 − cos x) lim Wir brauchen die Taylorentwicklung des Sinus bis n = 3 und die des Cosinus bis n = 2. 1 sin x = x − x3 + R4 (x), 6 wo R4 (x) = und 24 x4 , 1 2 cos x = 1 − x2 + S3 (x), wo S3 (x) = Also sin ξ sin η 6 x3 . ξ 4 1 3 x − sin x x − sin(x) 24 = 61 = sin η x(1 − cos x) x( 2 x2 − 6 x3 ) 1 6 1 2 − − sin ξ 24 x 6 x sin η → 1 3 fur x → 0, denn sin ξ und sin η gehen beide gegen 0, wenn x → 0. 15.7 Definition. Sei I ein oenes Intervall, sei f : I → R eine Funktion. Sie heit reellanalytisch, wenn es zu jedem a ∈ I ein r > 0 und c0 , c1 , · · · ∈ R gibt mit ]a−r, a+r[ ⊆ I und ∞ X f(x) = cn (x − a)n f ur alle x ∈ ]a − r, a + r[. n=0 In diesem Fall bezeichnet man die Reihe als Taylorreihe von f im Punkt a. 15.8 Bemerkung. Jede reell-analytische Funktion ist von der Klasse C∞ . Es gibt aber Funktionen von der Klasse C∞ , die nicht reell-analytisch sind. Ein Beispiel ist f : R → R, exp − x1 , fur x > 0, x 7→ 0, fur x ≤ 0. Beweis. Es wird gezeigt: Die angegebene Funktion f ist nicht Null, aber alle ihre Taylorpolynome sind Null. 54 15.9 Beispiel. (a) Fur x ∈ ]−1, 1[ gilt 1 d X n X n−1 X d 1 = = x = nx = (n + 1)xn . (1 − x)2 dx 1 − x dx n=0 n=1 n=0 ∞ ∞ ∞ Dieses Ergebnis hatten wir in Aufgabe 2 von Blatt 5 aus dem Cauchy-Produkt hergeleitet. (b) Fur x ∈ ]−1, 1[ gilt log(1 + x) = ∞ X (−1) n+1 x n n=1 Insbesondere gilt log 2 = ∞ X (−1)n+1 n n=1 n (15.1) . . Beweis. Um aus (15.1) die Formel fur log 2 herzuleiten, muss noch die Stetig- keit der Funktion g : [0, 1] → R, x 7→ ∞ X (−1)n+1 n=1 xn , n gezeigt werden. Die Konvergenz der Reihe erhalten wir mit dem Leibniz-Kriterium. Fasst man jeweils zwei Glieder zusammen, so bekommt man X ∞ 2j−1 ∞ X x x2j g(x) = − = fj (x), 2j − 1 2j j=1 j=1 wobei fj (x) = x2j−1 (2j − (2j − 1)x) ≥ 0. 2j(2j − 1) Wegen fj0 (x) = x2j−2 − x2j−1 = x2j−2 (1 − x) > 0 gilt fur jedes j 0 ≤ fj (x) ≤ fj (1) = 1 . 2j(2j − 1) Wegen des Majorantenkriteriums 12.10 konvergiert daher die Reihe gleichmaig auf [0, 1] gegen eine stetige Funktion. (c) Fur −1 < x < 1 gilt ∞ X x2n+1 arctan x = (−1)n . 2n + 1 n=0 55 15 Taylor-Reihen Bemerkung. Man kann zeigen, dass die Reihe auch fur x = ±1 gegen arctan x kon- vergiert (Abelscher Grenzwertsatz)1 Insbesondere gilt π X 1 = . (−1)n 4 2n + 1 n=0 ∞ Diese Formel liefert eine Methode, um π auszurechnen. Es ist aber vorzuziehen, die Formel arctan √13 = π6 zu verwenden und den Arcustangens in √13 zu entwickeln. Das fuhrt zu der viel schneller konvergenten Reihe n ∞ √ X 1 −1 π=2 3 . 3 2n + 1 n=0 1 Anstelle der Verwendung des Abelschen Grenzwertsatzes kann man auch wie in (b) des vorigen Beispiels argumentiern. 56 16 Uneigentliche Integrale 16.1 Definition. (a) Seien a, b ∈ R mit a < b und sei f : ]a, b] → R f ur jedes t ∈ ]a, b[ Rb auf [t, b] Riemann-integrierbar. Wenn limt&a t f(x)dx in R existiert, so schreibt R man ab f(x)dx fur den Grenzwert und sagt, dass das uneigentliche Integral Rb f(x)dx konvergiert. a (b) Die Funktion Rf : ]−∞, b] → R sei fur alle t < b auf [t, b] Riemann-integrierbar. Rb b Falls limt→−∞ t f(x)dx existiert, so schreibt man −∞ f(x)dx fur den Grenzwert Rb und sagt, dass das uneigentliche Integral −∞ f(x)dx konvergiert. (c) In den Fallen (a) und (b) sagt man, das Integral sei uneigentlich im linken Endpunkt. Analog behandelt man Integrale, die uneigentlich im rechten Endpunkt sind. (d) Ist das Integral uneigentlich in beiden Endpunkten, so wahlt man ein c zwischen den Endpunkten und deniert Zb Zc Zb f(x)dx, f(x)dx + f(x)dx = c a a vorausgesetzt, beide Integrale existieren. 16.2 Beispiel. (a) Z∞ e−x dx = 1. 0 (b) Fur c ≥ 1 divergiert das uneigentliche Integral es. In diesem Fall gilt Z1 0 dx 1 = c x 1−c R1 dx 0 xc und fur c < 1 konvergiert falls c < 1. Sei f : [a, ∞[R → R fur jedes t > a auf [a, t] Riemannintegrierbar. Genau dann konvergiert a∞ f(x)dx, wenn es zu jedem > 0 ein M > a gibt, so dass 16.3 Satz (Cauchy-Kriterium). Z t f(x)dx < s fur alle s, t ≥ M. Die Analoga fur die anderen uneigentlichen Integrale gelten ebenfalls. 57 16 Uneigentliche Integrale 16.4 Beispiel. R∞ sin x 0 x dx konvergiert. Rb f(x)dx ein uneigentliches Integral. Man sagt, dass es absolut Rab konvergiert, wenn a |f(x)|dx konvergiert. Rb 16.6 Satz. Sei a f(x)dx ein uneigentliches Integral. Wenn es absolut konvergiert, 16.5 Definition. Sei dann konvergiert es. 16.7 Beispiel. Das Integral R∞ sin x 0 x dx konvergiert nicht absolut. 16.8 Satz (Majorantenkriterium). Die Funktionen f, g : [a, ∞[ → R seien f ur jedes b > a auf [a, b] Riemann-integrierbar, und es gelte |g(x)| ≤ f(x) f ur alle x ≥ a. R∞ R∞ Wenn a f(x)dx konvergiert, dann konvergiert a g(x)dx absolut. Die Analoga fur die anderen uneigentlichen Integrale gelten ebenfalls. 16.9 Beispiel. (a) Das uneigentliche Integral R∞ Wir werden in der Analysis III sehen, dass exp(−x2 )dx konvergiert absolut. −∞ R∞ −∞ √ exp(−x2 )dx = π. (b) Fur jedes x > 0 konvergiert das uneigentliche Integral Z∞ tx−1 e−t dt =: Γ (x) 0 absolut. 16.10 Satz (Integralkriterium f ur Reihen). Es sei f : [1, ∞[ → R eine monoton lenden Funktion mit f(x) ≥ 0 fur alle x ≥ 1. Dann sind aquivalent: (a) ∞ X f(n) fal- konvergiert. n=1 (b) Z∞ f(x)dx 1 konvergiert. 16.11 Bemerkung. (a) Einen Zusammenhang zwischen den Werten von R und (b) 58 P∞ ∞ 1 1 n=1 ns f(x)dx liefert die Euler-Maclaurinsche Formel. konvergiert genau fur s > 1. P∞ n=1 f(n) 17 Die Gammafunktion 17.1 Definition. Die Gamma-Funktion ist deniert durch Γ : ]0, ∞[ → R, Z∞ Γ (x) = tx−1 e−t dt. 0 Die Konvergenz dieses uneigentlichen Integrals hatten wir schon in Beispiel 16.9 gesehen. Mit partieller Integration beweist man: 17.2 Satz. Fur x > 0 gilt Γ (x + 1) = xΓ (x). 17.3 Korollar. Fur n ∈ N gilt Γ (n) = (n − 1)!. 17.4 Bemerkung. Den Graph der Gamma-Funktion zeigt Abbildung 17.1. Gamma-Funktion 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 Abbildung 17.1: Graph der Gamma-Funktion 17.5 Satz (Mittelwertsatz der Integralrechnung). Seien f, ϕ : [a, b] → R tionen mit ϕ ≥ 0 . Dann existiert ξ ∈ [a, b] mit Zb Zb f(x)ϕ(x)dx = f(ξ) a stetige Funk- ϕ(x)dx. a 59 17 Die Gammafunktion 17.6 Satz (Trapez-Regel). Sei I ⊆ R ein oenes Intervall mit [0, 1] ⊆ I und sei f ∈ C2 (I). Dann existiert ein ξ ∈ [0, 1], so dass Z1 1 1 f(x)dx = (f(0) + f(1)) − f 00 (ξ). 2 12 0 R∞ √ Bemerkung. Wenn wir die Beziehung −∞ exp(−x2 )dx = π vorerst glauben, dann folgt 17.7 Satz. Z∞ Z∞ Z∞ √ 1 2 −y2 −1/2 −t e−y dy = π. e dy = t e dt = 2 = Γ 2 −∞ 0 0 Fur m ∈ N0 setzen wir Zπ 2 Am := sin(x)m dx. 0 Dann A0 = π2 , A1 = 1, und fur n ∈ N gelten π Y 2j − 1 = 2 j=1 2j n A2n A2n+1 = n Y j=1 2j . 2j + 1 17.8 Satz (Wallissches Produkt). ∞ N Y π Y 4n2 4n2 = = lim . 2−1 2−1 N→∞ 2 4n 4n n=1 n=1 17.9 Lemma. Setzt man β1 (x) = x − bxc − 12 , so gilt fur n ∈ N Zn β1 (x) 1 log(n!) = n + log(n) − n + 1 + dx. 2 x 1 17.10 Definition. a = (an )n∈N und b = (bn )n∈N seien zwei Folgen positiver Zahlen. Man sagt, sie seien asymptotisch gleich, wenn lim n→∞ an = 1. bn In diesem Fall schreibt man a ∼ b. 17.11 Satz (Stirlingsche Formel). n! ∼ n n √ 2πn . e 17.12 Bemerkung. Man kann diesen Beweis noch etwas verfeinern und sieht dann fur n > 1 n n n n √ √ 1 2πn ≤ n! ≤ 2πn exp . e e 12(n − 1) Das wird beispielsweise im Buch von Kaballo vorgerechnet. 60