Muskelschmerzen : woran sollte man denken ?

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Quadrimed 2015
M. Sinnreich
Pr. Michael Sinnreich
Neurologie und Departement
Biomedizin
Universitätsspital
Petersgraben 4
4031 Basel
[email protected]
Rev Med Suisse 2015 ; 11 : 319-20
Muskelschmerzen stellen ein unspezifisches Symptom dar, welche verschiedene Ursachen haben kann. So
können Myalgien auf eine intrinsische
Muskelerkrankung hinweisen, Ausdruck
­einer peripher-nervösen Schädigung sein,
bei systemischen, infektassoziierten Er­kran­
kun­gen, rheumatologischen Erkrankungen
oder zentral-nervösen Störungen in Erscheinung treten. Im Folgenden soll unser
Uebersichtsartikel über Muskelschmerzen1
kurz zusammengefasst werden.
muskelkrämpfe
Muskelkrämpfe sind plötzlich einsetzende
schmerzhafte Muskelkontraktionen, welche
auch bei gesunden Menschen auftreten,
oft nach oder während einer körperlichen
Anstrengung, nach Genuss von Stimulantien,
wie z. B. Coffein, oder in Zusammenhang
mit einer Elektrolyt-Verschiebung. Pathologische Krämpfe können bei Intoxikationen
mit Acetylcholinesterasehemmern (z. B.
Organophosphate, Pyridostigmin) oder als
Teil eines Krampf-Faszikulations-Syndroms,
bei neurologischen Erkrankungen, welche
motorische Nervenfasern betreffen (z. B.
Amyotrophe Lateralsklerose, Radikulopa­
thien, Polyneuropathien), auftreten. Krämpfe
können durch Dehnung, gute Hydrierung
und Elektrolytsubstitution behandelt wer­
den. Kalzium- oder Magnesium-Substitution sowie Chinin- Sulfat können Linderung
verschaffen. Helfen diese Massnahmen
nicht, können Membranstabilisatoren oder
Benzo­diazepine verschrieben werden.
myalgien bei myopathien
Toxische und endokrine Myopathien
Hypothyreose
Bis zu 80% aller hypothyreoter Patienten
haben muskuläre Symptome (Myalgien,
Muskelkrämpfe und eine proximale Muskel­
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Muskelschmerzen : woran
sollte man denken ?
schwäche) und die meisten dieser Patienten
weisen eine Erhöhung des Muskelenzyms
Creatin-Kinase (CK) im Serum auf.2
Lipidsenker
10–15% aller Patienten unter Statin-Therapie leiden unter meist milden Myalgien,
fulminante Rhabdomyolysen sind sehr selten.
Als Ätiologie der Statin-Myopathie wird die
Depletion des Isoprenoidpools (Vorläufer
der Cholesterinsynthese) der Muskelzelle
vermutet. Einige Faktoren prädisponieren zu
Statin-induzierten Myopathien : eine bereits
zu Grunde liegende Myopathie, die gege­
benenfalls durch die Statintherapie enttarnt
wird, genetische Polymorphismen in metabo­
lisierenden Enzymen, Medikamenten-Inter­
aktionen (Warfarin, Cyclosporin, Amiodaron,
Azol-Antimykotika, Makrolidantibiotika, Protease-Inhibitoren, Verapamil, Gemfibrozil),
Hypothyreose oder Alkohol-Abusus.3
Bei erträglichen Beschwerden und nur
geringgradiger CK-Erhöhung kann bei gegebener kardiovaskulärer Indikation die
bisherige Statin-Therapie fortgesetzt werden.
Bei hohen CK-Werten und starken Myalgien
kann auf Atorvastatin oder Rosuvastatin
umgestellt werden. Neben den Statinen
können auch andere Substanzen toxische
Myopathiesyndrome auslösen (Tabelle 1).
Metabolische Myopathien
Bei den metabolischen Myopathien sind
eine körperliche Belastungsintoleranz und
Muskelschmerzen die beiden führenden
Symptome. Bei diesen Myopathien handelt
es sich um genetisch determinierte Muskel­
erkrankungen, deren Störung im Energiest­
offwechsel der Muskelzelle liegt.4
Die Patienten beklagen belastungsassoziierte Muskelbeschwerden. Das am häufigsten genannte Symptom ist der «unge­
wöhnlich lang anhaltende Muskelkater», der
sich in Abhängigkeit von der vorliegenden
Störung bereits während oder nach der
­Belastung ausbildet. Die häufigste Glykoge­
nose ist die autosomal rezessiv vererbte
McArdle-Erkrankung (Glykogenose Typ V),
bei der es aufgrund eines Myophosphorylasemangels zu einer Störung im Glykogenabbau kommt, in dessen Folge das im
Muskel gespeicherte Glykogen nicht genügend zu Glukose abgebaut werden kann
und daher dem Muskel zu wenig Energiesubstrat zur Verfügung steht. Es kommt zur
Rhabdomyolyse (mit CK-Werten von mehreren 10 000 U/L), Myalgien und Kontrakturen.
Lipolytische Myopathien
Lipolytische Störungen führen bei län­
gerer körperlicher Belastung zu Besch­
werden, sobald die Lipolyse zur Energiegewinnung einsetzt. Es kommt zu einer
zunehmenden Belastungsintoleranz mit
Mus­kelschmerzen. Laborchemisch findet
sich nach der Belastung ein sehr hoher
CK-Anstieg (mehrere 10 000 U/L) mit Myo­
globinurie. Beschwerden können unter
anderem auch durch Fasten, Höhen- und
Kälteexposition ausgelöst werden.
inflammatorische
myopathien
Inflammatorische Myopathien sind poten­
ziell mit immunmodulierenden Therapien
Tabelle 1. Substanzen, die Myopathien verursachen können
StoffgruppeBeispiele
Alkohol
Verschiedene Alkoholika
Fettsenker
Statine, Fibrate, Ezetimib
Steroide
Dexamethason, Betamethason (fluorierte Steroide)
Antiretrovirale Substanzen
Zidovudin
Immunsuppressiva
Mycophenolat, Cyclosporin
Drogen
Ecstasy, Heroin
AntiarrhythmikaAmiodaron
Antirheumatika
Chloroquin, Colchizin
Psychotrope Substanzen
Neuroleptika, Lithium
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Glykolytische/glykogenolytische
Myopathien
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behandelbar. Bei diesen Myopathien findet
sich in annähernd 90% der Fälle ein erhöhter Serum-CK-Wert.5 Klinisch präsen­tieren
sich die Patienten in der Regel mit subakut
(Wochen-Monate) auftretenden Paresen.
Muskelschmerzen können dabei auftreten,
müssen jedoch nicht. Oftmals treten Muskelschmerzen als Ausdruck von Kompensationsmechanismen bei musku­lärer Dysbalance oder bei paresebedingten Verän­
de­rungen des Gangbildes in Erscheinung.
Bei der Dermatomyositis können Muskel­
schmer­zen Ausdruck einer mikro­angio­pa­
thisch bedingten Durchblutungsstörung
sein. Zu den häufigsten inflammatorischen
Myopathien zählen dabei die Dermato- und
Polymyositis (DM und PM) sowie die Einschlusskörperchenmyositis (IBM). Insbe-
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sondere bei der Dermatomyositis ist eine
Malignomsuche erforderlich, da sich diese
als paraneoplastisches Syndrom manifestieren kann.
muskeldystrophien
Mutationen in Genen, welche strukturelle
muskuläre Proteine kodieren, können zu
Bibliographie
1 Naumann N, Sinnreich M. Muskelschmerz. Info Neurologie & Psychiatrie 2012 ;Vol. 10, Nr. 6.
2 Punzi L, et al. Chronic autoimmune thyroiditis and
rheumatic manifestations. Joint Bone Spine 2004;71:275.
3 Sathasivam S. Statin induced myotoxity. Eur J Intern
Med 2012;23:317-24.
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hereditären Muskelerkrankungen führen.
Stehen histologisch Nekrose, Regeneration
und Vermehrung von Bindegewebe im Vordergrund, so spricht man von Muskeldystrophien. Muskeldystrophien können zu
Muskelschmerzen führen; einerseits durch
eine Fehlbelastung, andererseits durch intrinsische «pseudo-metabolische» Mechanismen.
4 Quinlivan R, Jungbluth H. Myopathic causes of exercise intolerance and rhabdomyolysis. Dev Med Child Neu­
rol 2012;54:886-91.
5 Dimachkie MM, Bahron RJ. Idiopathic inflammatory
myopathies. Semin Neurol 2012;32:227-36.
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