39. Wissenschaftliche Fortbildungstagung der österreichischen Apothekerkammer Rheumatologie MYOPATHIEN UND MYALGIEN Saalfelden Landesklinikum St.Pölten Schmerzambulanz 8. März 2006 Margot Glatz [email protected] Gleichgewicht Aufgaben der Muskulatur zusammen mit osseoligamentärem System Bewegung Schutz Stabilität Muskulatur Muskelbündel Feinstruktur der Muskelfaser Muskelfaser Myofibrille keine eigenen Nozizeptoren Sarkomer mit Myofilamenten Motorische Einheit: Nerv und die dazugehörende Muskelfaser Aufbau Physiologie Energiegewinnung II II Nerv Myosin Z-Bände Z-Bände Aktin Muskel kontrahiert Aktin Normale Muskelentspannung Muskel gedehnt nach Jerusalem 1 Symptome der Muskelerkrankungen Befindlichkeitsstörung Abgeschlagenheit Erschöpfung Myopathie Myalgie Schmerz Krampf Fascikulation Parese Plegie Atrophie Spastik Myotonie Dystonie Dysbalance Myogelose MIM Maligne Hyperthermie Fibromyalgie Polymyalgia rheumatica Myofasziale Schmerzsyndrome Myopathologische Syndrome Erkrankungen von Muskeln durch Entzündung oder Überbeanspruchung in einzelnen Muskeln oder gesamte Muskulatur betreffend • Myopathisches • Myositisches • Neurogenes Gewebssyndrom 2 Myopathie Definition: Degeneratives Gewebssyndrom ICD 10: angeboren arzneimittelinduziert durch Alkohol endokrin myotubulär primär toxisch Medikamenten -induzierte Myopathie MIM G72.0 Auslöser Steroide Fibrate/Statine Antivirale Substanzen Immunsupressiva Colchizin Orale Antidiabetika Zytostatika Medikamenten -induzierte Myopathie MIM G72.0 •Prävalenz 7-60% Steroid-Myopathie •dosisabhängig •Symptome: fatique, Myalgie, Krampi •klinisch: proximale Paresen und Atrophien •Verlauf gutartig Befindlichkeitsstörung Abgeschlagenheit Erschöpfung •selten Rhabdomyolyse = braune Harnverfärbung 3 Medikamenten -induzierte Myopathie MIM G72.0 •Prävalenz: 0,1- 0,5% •Vorkommen: am Beginn oder spät Statin-Myopathie •Symptome: Myalgie, Krampi, Muskelsteifigkeit, Paresen •klinisch: proximale Paresen und Atrophien •selten Nekrosen, Rhabdomyolyse möglich Befindlichkeitsstörung Abgeschlagenheit Erschöpfung Medikamenten -induzierte Myopathie MIM G72.0 •häufiger als Interaktion mit Medikamenten: Fibraten, Amiodarone, Cyclosporin, Antibiotyka, Antimykotika, Niacin •Pathogenese: Akkumulation von Amiodaron und Metaboliten im Muskel •Vorkommen: am Beginn oder spät Amiodaron-Myopathie •Symptome: Myalgie, proximale Paresen •klinisch: proximale Paresen und Atrophien •kann einer Polymyositis ähneln •bildet sich meistens nach Absetzen zurück Befindlichkeitsstörung Abgeschlagenheit Erschöpfung Anästhesiologie und Myopathie Anästhesie AN - LA Auslöser Narkosemittel: Propofol Lokalanästhetika Ketamin Genetische Mutation + Triggersubstanzen = Maligne Hyperthermie Intensivmedizin Critical-ill-Myopathie 4 •gestörte Balance zwischen Wärmeproduktion und Abkühlung Maligne Hyperthermie •Hypermetabolismus der Skelettmuskulatur •rasch progrediente Muskelrigidität •exzessive Rhabdomyolyse •Hyperkaliämie •genetische Mutation am Chromosom 19q • Triggersubstanzen: Halogenierte Inhalationasnarkotika Depolarisierende Muskelrelaxantien= Succinylcholin •Häufig tödlich verlaufend Maligne Hyperthermie Screening der Angehörigen obligat Schmerzhafte Myopathien Akuter Verlauf mit / oder ohne Rhabdomyolse chronischer Verlauf - Schmerzen selten •Autosomal dominant vererbbar •Diagnosesicherung durch Muskelbiopsie •Therapie: Ausschluss der Triggersubstanzen •Medikamentös: Dantrolen i.V. 2,5-10mg/kg nur i.V. Hemmung der Calciumfreisetzung medikamentös: Statine, Interferone toxisch: Alkohol, Rauschgifte Stoffwechselstörungen des Muskels belastungsabhängige Myalgien endokrine Myopathien hereditäre Muskeldystrophien "Es tut mir alles weh!" 5 MIM Statin/Fibrat Myopathie Myalgie Krampf Atrophie Steroid Myopathie Atrophie Antivirale Substanzen Myalgie Atrophie Myalgie Atrophie Amiodaron immunogene Myositiden Polymyositis PM Muskelkraft EMG Parese myopathisch Dermatomyositis DM Einschlusskörpermyositis IBM Muskelenzyme Myositis interstitielle Myositis Myalgie noduläre Herdmyositis akute Polymyositis chronische Polymyositis Parese Atrophie 6 entzündliche Myopathien Virale Infektionen Influenza Bornholmerkrankung Bakterielle Infektionen Parasitäre Infektionen Befindlichkeitsstörung Abgeschlagenheit Erschöpfung auch als unspezifischer Begleitsymptom In der Tiefe im Muskel liegende Schmerzen aus dem Muskelparenchym langsam leitende unmyelinisierte IV C-Fasern Myalgien aus den Faszien und Sehnen Schmerzen in den Sehnenansätzen und Muskel-Sehnen-Übergängen Myalgie Muskelschmerz Ursachen: schnell leitende myelinisierte alpha delta-Fasern langsam leitende unmyelinisierte IV C-Fasern Erkrankungen von Muskulatur und Faszie - entzündliche Muskel- und allg. Krankeiten - schmerzhafte Myopathien Muskelerkrankungen myofasziales Schmerzsyndrom mit dem Leitsymptom Schmerz: - Fibromyalgie Läsionen benachbarter Strukturen •Muskelüberanstrengung - degenerative Skeletterkrankungen •Muskelverletzungen - Osteoporose - Knochenmetastasen •Muskelkrampf - und andere •Ischämieschmerz - Kompartmentsyndrom Affektionen des zentralen und peripheren •Infektiöse Myositis Nervensystems •Myopathien verschiedener Genese - Spastik •Neurogen bedingte Muskelschmerzen - Rigor - Myotonie •Fibromyalgie Somatisierte Depression •Myofasziale Schmerzsyndrome 7 Muskelschmerz Hautschmerz •reißender, krampfender, drückender Charakter •schlecht lokalisierbar •Triggerpunkte •Übertragungsschmerz •vegetative Begleiterscheinungen •affektiv schlecht zu ertragen •stärkere deszendierende Hemmung •lokale Infiltration wirksam •stechender, brennender, schneidender Charakter •gut lokalisierbar •keine Übertragung •affektiv besser erträglich •Allodynie •geringere deszendierende Hemmung •lokale Infiltration unwirksam FMS Fibromyalgiesyndrom ICD-10 79 ca. 2%-3% der Bevölkerung 6% der Patienten in der Allgemeinpraxis, 20% in den Rheumakliniken Prävalenz 3,4% : 0,5%, Frauen: Männer progressiver Anstieg im Alter Röntgenologische, laborchemische und klinische neuroorthopädische Diagnostik ohne fassbare Pathologie Symptomkonstellation konstant Primäre/ sekundäre FM SchmerzDiagnose generalisierung Fibromyalgie Erste Schmerzen Befragung Schmerzfrei Lokalisierte Schmerzen 10,4 Jahre Generalisierte Schmerzen 5,4 Jahre 1,5 Jahre Zeitachse der Schmerzgeneralisierung und Diagnoseerstellung Müller, Hartmann, Eich Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleisten Schmerz 2000 8 Symptome Generalisierter Schmerz /widespread pain/ Schlafstörungen Befindlichkeitsstörungen Stimmungsschwankungen Erschöpfung und Tagesmüdigkeit Generalisierte Hypervigilanz Kognitive Auffälligkeiten Vegetative Störungen Weitere assoziierte Symptome • • • • • • • • • ACR-Kriterien des Fibromyalgiesyndroms -Seit mindestens 3 Monaten bestehende F. Wolfe et al.1990 - ausgedehnte Schmerzen, d.h. in der linken,in der rechten Körperseite, oberhalb und unterhalb der Taille, - im Bereich des Achsenskeletts Der Schmerz muss bei mind. 11 der 18 definierten Tender-points bei einem Druck durch Fingerpalpation von bis zu 4 kg auslösbar sein FSM Diagnosekriterien nach Müller und Lautenschläger + Vegetative Symptome •kalte Akren •trockener Mund •Hyperhidrosis •Dermographismus •lage- und lagewechselabhängiger Schwindel •respiratorische Arrhythmie •Tremor Funktionelle Störungen •Schlafstörung •gastrointestinale Beschwerden •Globusgefühl •funktionelle Atembeschwerden •Par(Dys-)Ästhesien •funktionelle kardiale Beschwerden •Dysurie und/oder Dysmenorrhö + Mindestens je 3 der angeführten Störungen 9 Differenzialdiagnose Tender points / Trigger points TENDER POINTS Stellen mit erniedrigter Schmerzschwelle Druckschmerzhaftigkeit in tiefen Geweben lokalisiert Keine lokale Behandlung LA wirksam Keine histologische Veränderungen MYOFSZIALE TRIGGERPUNKTE Palpable Muskelverhärtung Jump signs- unwillkürliche Ausweichbewegung Twitch response- lokale Zuckungsreaktion Übertragungschmerz vom reproduzierbaren Muster Triggerpunkte können lokal LA behandelt werden Taut bands Der typische Patient Vorkommen Beschwerden Aussehen Schmerzen Dysästhesien Vegetative Symptome •eine Frau mittleren Alters tut mir alles weh!" • müde, angespannt und erregt • diffus, tief, dumpf-klopfend, stechend • in den Extremitäten Schlafstörung und Depressivität •"Es Allgemeine Abweichungen geringere körperliche Fitness als dem Alter entsprechend bei Belastung in der Muskulatur weniger Durchblutung Muskelstärke entspricht ca. 50% der normalen Population negative Korrelation zwischen der Anzahl der tender points und der isokinetischen Muskelstärke 10 Psychosoziale Faktoren • • • • • Psychosoziale Belastungen und aktuelle oder frühere psychische Probleme Sensorische Hypervigilanz – Störung der Filterwirkung Negative Kindheitsbelastungen Kompensationsmechanismen bei niedrigem Selbstwertgefühl Maladaptive Krankheitsbewältigung Resignation Nach Wolfe, Bennentt und Ecker-Egle Psychische Komorbiditäten Parker &Wright, 1997; Stevens et al 1995 • Hudson et al 1985; • Arnold et al 2000 Ahles et al 1991; Burkhardt et al 1994; Van Houdenhove Onghena 1997 • Mehr depressive Syndrome in Vergleich zur Allgemeinbevölkerung Erhöhte Rate depressiver Störungen bei Erstgradangehörigen Höhere Rate depressiver Störungen im Vergleich zur rheumathoiden Arthritis Endokrine Dysfunktion Hyperaktivität - der Hypophysen -Nebennieren aufgehobener zirkadianer Rhythmus Depressivität? - mangelnder Anstieg des Kortisols unter körperlichen Belastung - erniedrigter Kortisolspiegel ohne Belastung - reduzierte ACTH Freisetzung nach CRH Gabe - Supression der Kortisolfreisetzung nach Dexamethasongabe Achse Pathogenische Bedeutung oder ein Epiphänomen? Kortisolspiegel abends erhöht Nach Weigent und Mit. 11 Endokrine Dysfunktion Dysfunktion der Hypothalamus-Hypophysen- Störung der Konversion vom freien Thyroxin /fT4/ in freies Schildrüsen-Achse Trijodothyronin /fT3/ niedriges TSH Schwäche und Adynamie? Pathogenische Bedeutung oder ein Epiphänomen? Nach Weigent und Mit. Stress Timpl et al 1998, Dauernde überschießende Antwort auf Stressreize " sickness behaviour" endokrine Dysfunktionen psychische Störungen Neck & Riedel 1994 Die überhöhte Antwort auf Stress spielt eine chronifizierende Rolle Fibromyalgiesyndrom Mechanismen der Chronifizierung Chronische lokalisierte Muskelschmerzen Supraspinale Sensibilisierung Spinale Sensibilisierung Generalisierte MuskelSehnenschmerzen + Mechanische und thermische Allodynie Hyperalgesie 12 Polymyalgia rheumatica PMR 1. beidseitige Schulterschmerzen und/oder 2. beidseitige Steifigkeit (alternativ auch Schmerzen in folgenden Regionen: Nacken, Oberarme, Gesäß, Oberschenkel) 3. morgendliche Steifheit von mehr als einer Stunde, Muskelschwäche 4. beidseitiger Oberarmdruckschmerz Therapie: Glucocortikoide 5. Depression und/oder Gewichtsverlust 6. akuter Krankheitsbeginn 7. Alter über 65 Jahre 8. BSG > 40mm/h, Anämie, Dysproteinämie Drei Kriterien positiv oder ein Kriterium zusammen mit einer Temporalarteriitis Chronischer Rückenschmerz Neurales Steuerungssystem PNS, ZNS Alteration in Struktur und Form Passives System Wirbelsäule Aktives System Rumpfmuskulatur Funktionelle Defizite Überlastung vom Gewebe nach Panjabi 1992 Verminderung von Schutz für Gelenke Stabilitätsdefizit Reaktionsverzögerung der Muskulatur Mangel an Kraft, Ausdauer, Mobilität Koordination Inaktivität Schonung Rückenschmerz nach Mannion et. al. 2001 Triggerpunkte und ihre Aktivierung Direkte Stimuli x TrP •akute Überlastung •Ermüdung durch Überarbeitung •Unterkühlung •direktes Trauma Indirekte Stimuli RM A C E B F •andere TrPs •Herz, Gallenblase und andere innere Erkrankungen •arthritische Gelenke •emotionaller Distress D Schmerzzone A - direkte Stimuli aus den TrPs B - Rückkopplungsschleife C - Übertragungszone D - Einfluß auf die TrPs E - aktivierende Wirkung indirekter Stimuli aus die TrPs Wirkung der TrPs auf die viszerale Funktion nach Travell 13 Muskelschmerz Myofasziale Triggerpunkte Übertragungsschmerz Am Beispiel des M.piriformis Syndroms „Doppelter Teufel“ nach Travell und Simons Schmerz bei Spastik Multiple Sklerose Insult Schädel-Hirn-Trauma Hypoxische Hirnschädigung Querschnitt Stiff-Person-Syndrom Hereditäre Spastische Spinalparalyse 14 Antispastische Therapie Verschiedene Ansatzpunkte- gleiche Wirkung: unspezifische Dämpfung der α−Motorneurone Baclofen oral und intrathekal Tizanidin Benzodiazepine Wirkung Wirkstoff Dosierung oral Anfangsdosis Maximaldosis Antispastische Therapie Tizanidin α 2 Rezeptor-Agonist 6 mg/Tag Bis 36 mg/Tag Tetrazepam Glyzinrezeptor Benzodiazepinrezeptor GABA Rezeptor 25mg/Tag Bis 200 mg/Tag Cave Abhängigkeit Baclofen GABA Derivat 10 mg/Tag bis max.150 mg/Tag 50µg als Bolus Individuell intrathekal Orphenadrin peripherer H1 und H2 Rezeptor Antagonist Anticholinerge Wirkung nur als Zusatz Neodolpasse Norgesic Cannabinoide CB1 und CB2 Rezeptor 0,5 mg/Tag 6 mg/Tag Tolperison Zentrale Blockade der Na+ Kanäle 3x50 bis 3X100 mg/Tag Lokalanästhetika WIRKUNG: reversible Blockade der Na+Kanäle der Nervenfasern Schmerz Periphere Sensibilität spinale Hemmung Motorik spinale Schmerzmodulation reduzierte Schmerzperzeption VERTRETER: Estertyp: Procain, Tetracain, Chloroprocain Amidtyp: Lidocain, Mepivacain, Bupivacain, Ropivacain, Etidocain, Mexitelin 15 ACh BTX SNAP-25 Botulinumtoxin BTX bei Muskelschmerz Synaptischer Spalt •Zervikale Dystonien •Fokale Dystonien •Spannungskopfschmerz •Spastik •Migräne?!!! •Triggerpunkte •Thoracic outlet Syndrom •Temporomandibuläres Syndrom 16