Metzler: US-Notenbank vor schwerer Entscheidung

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Kapitalmarktausblick KW 31
24. Juli 2015
Metzler: US-Notenbank vor schwerer Entscheidung
Ist die aktuelle Lage vergleichbar mit 1937 oder eher mit 1966?
US-Notenbanksitzung im Fokus
Unternehmen und Konsumenten bedeutet, dass Leitzinserhöhungen die Wirtschaft deutlich stärker bremsen
als unter „normalen“ Umständen.
Die Federal Reserve steht vor einer schwierigen Entscheidung. Soll sie die Finanzmarktteilnehmer auf eine
Leitzinserhöhung schon im September verbal vorbereiten oder doch noch bis Dezember warten? Die Antwort
hängt davon ab, ob das Szenario, in dem sich die USWirtschaft befindet, eher dem von 1937 gleicht oder
dem von 1966. Die US-Wirtschaft glitt 1937 aufgrund
einer viel zu frühen Straffung der Geld- und Fiskalpolitik
in eine zweite Depression, die einen Anstieg der Arbeitslosenquote von etwa 12 % im Jahr 1937 auf knapp
20 % im Jahr darauf zur Folge hatte. Im Gegensatz dazu
wartete die Fed 1966 trotz eines über fünf Jahre dauernden Rückgangs der Arbeitslosenquote viel zu lange
mit Leitzinserhöhungen. Die Folge war eine überraschend schnelle Beschleunigung der Kerninflation im
Jahr 1966 von 1,4 % im Januar auf 3,1 % im Dezember.
Insgesamt spricht das Wirtschaftsumfeld in den USA
für eine Leitzinserhöhung noch in diesem Jahr, wobei
ein Zinsschritt im September ebenso wahrscheinlich ist
wie im Dezember. Darüber hinaus dürfte die Fed den
Leitzins nur sehr vorsichtig und langsam anheben, um
den Effekt der Erhöhungen auf das Wirtschaftswachstum besser abschätzen zu können. Langsame Leitzinserhöhungszyklen belasteten in der Vergangenheit den
US-Aktienmarkt kaum – im Gegensatz zu schnellen
Erhöhungszyklen.
US-Aktienmarkt verkraftet in der Regel einen langsamen
Leitzinserhöhungszyklus besser als einen schnellen
Monat der ersten Leitzinserhöhung = 100
Merkliche Beschleunigung der Inflation ab 1966 infolge
„zu später“ Leitzinserhöhungen
113
107
Arbeitslosenquote und Konsumentenpreisindex* in % ggü. Vj.
6 Kerninflation
Ø Entwicklung des S&P 500 bei
langsamem* Zinserhöhungszyklus
110
Ø Entwicklung des S&P 500 bei
schnellem** Zinserhöhungszyklus
104
Arbeitslosenquote 8
5
7
4
6
3
5
2
4
1
3
0
2
101
98
95
92
89
86
Erste Zinserhöhung
83
-12
-10
-8
-6
-4
-2
Monate vor der Erhöhung
2
4
6
8
Monate nach der Erhöhung
10
12
*
1961
1963
1965
1967
Langsamer Zinserhöhungszyklus beginnt: 25.4.1946, 15.4.1955, 12.9.1958,
17.7.1963 und 31.8.1977
** Schneller Zinserhöhungszyklus beginnt: 20.11.1967, 15.1.1973, 26.9.1980,
4.9.1987, 4.2.1994, 30.6.1999 und 30.6.2004
Quelle: Ned Davis Research
1969
* Ohne Energie- und Lebensmittelpreise
Quelle: Thomson Reuters Datastream, Bloomberg
Daneben werden noch die Auftragseingänge (Montag),
die Immobilienpreise (Dienstag) sowie das Konsumentenvertrauen (Freitag) veröffentlicht.
Der anhaltende Rückgang der Arbeitslosenquote seit
2010 und die einsetzende Wachstumserholung – die
US-Wirtschaft (Donnerstag) dürfte im zweiten Quartal
2015 um etwa 2,5 % zugelegt haben – sprechen eigentlich dafür, dass die aktuelle Situation eher mit 1966
vergleichbar ist. Der große Unterschied zu 1966 liegt
jedoch darin, dass die US-Wirtschaft noch unter den
Nachwirkungen der schweren Wirtschaftskrise von
2008 leidet, die eine grundsätzliche Verhaltensänderung
bei Unternehmen und Konsumenten bewirkt haben
könnte – ihr Sicherheitsbedürfnis dürfte deutlich gestiegen sein. Ein grundsätzlich vorsichtigeres Verhalten der
Wachstumsängste in China
Die Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt, die
massiven Stützungsinterventionen der chinesischen
Regierung am Aktienmarkt sowie merklich fallende
Rohstoffpreise sorgten in dieser Woche für zunehmende Wachstumsängste, zumal der Einkaufsmanagerindex im Juli auf ein 18-Monats-Tief von 48,2 fiel.
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(Montag) und beim Geschäftsklimaindex der EUKommission (Donnerstag).
Die chinesische Wirtschaft ist aufgrund der hohen Verschuldung der Unternehmen und Gebietskörperschaften krisenanfällig, da ein potenziell hohes Niveau an
notleidenden Krediten besteht. In der Vergangenheit
wurden schwere Rezessionen und Finanzmarktkrisen
zumeist durch ausländische Akteure ausgelöst, die
plötzlich keine Kredite mehr vergaben oder sogar ihre
Gelder aus dem Land abzogen – wie in der Asienkrise
oder zuletzt in Portugal, Irland und Spanien. China ist
aufgrund des Leistungsbilanzüberschusses nicht auf
ausländische Kredite angewiesen und hat hohe Devisenreserven. Ein plötzlicher Wachstumseinbruch in
China ist daher sehr unwahrscheinlich. Das Risiko ist
eher, dass die notleidenden Kredite in den Bankbilanzen
versteckt werden wie in Japan in den 1990er-Jahren,
und die Banken aufgrund mangelnder Finanzmittel
neue Wachstumsunternehmen nicht mehr finanzieren
können. Die Wirtschaft würde dann in eine Stagnation
verfallen. Staatliche Konjunkturprogramme können in
diesem Umfeld nur für vorübergehende Wachstumserholungen sorgen.
Streichen der Schulden als Lösungsweg aus der Staatsschuldenkrise?
Es klingt verführerisch einfach: Die im Rahmen der
unorthodoxen Geldpolitik von den Zentralbanken gekauften Staatsanleihen könnte man doch einfach abschreiben. Beispielsweise hält die Bank von Japan
Staatsanleihen von mehr als 50 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf ihrer Bilanz.
Abschreibung der Staatsschulden durch die
Zentralbanken?
in % des BIP
250
200
Staatsverschuldung in Japan
150
100
Die Turbulenzen an den Aktienmärkten und die zuletzt
schwachen Konjunkturdaten werden die chinesische
Regierung zweifellos unter Druck setzen, neue geldund fiskalpolitische Maßnahmen zu beschließen. In den
kommenden Monaten dürften sich die Konjunkturdaten
daher wieder moderat verbessern.
50
Bank von Japan: Staatsanleihen in der Bilanz
0
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Bloomberg
Würde die Bank von Japan die Staatsanleihen abschreiben, könnte die Staatsverschuldung von etwa
230 % des BIP im Jahr 2015 auf nur noch 180 % sinken. Das Eigenkapital der Bank von Japan wäre dann
zwar über einen langen Zeitraum negativ, dies hätte
jedoch keinen Einfluss auf die Geldversorgung und
kam in der Vergangenheit auch schon öfter vor. Hält
die Zentralbank die Staatsanleihen permanent in ihrer
Bilanz, hat das den gleichen Effekt, da sie die Zinseinnahmen als Gewinne wieder an den Staat ausschüttet.
Dieser Weg des Schuldenabbaus funktioniert jedoch
nur, solange die Nullzinspolitik anhält.
Europa: Ist die Lage besser als die Stimmung?
Das Wirtschaftsumfeld in der Eurozone mit dem
schwachen Euro, den niedrigen Rohstoffpreisen und
der lockeren Geldpolitik ist derzeit äußerst günstig und
verleiht dem Wachstumsprozess signifikanten Rückenwind. Vor allem die Erholung des Kreditzyklus signalisiert, dass die lockere Geldpolitik der EZB zunehmend in
der Realwirtschaft ankommt, wie die Geldmenge M1
(Montag) und die Kreditvergabe (Montag) im Juni gezeigt haben dürften. Auch dürfte sich der Trend steigender Kerninflationsraten (Freitag) fortgesetzt haben –
und die Kerninflation im Juli auf 0,9 % gestiegen sein.
Die Inflationsrate dürfte aufgrund des gesunkenen Ölpreises dagegen stabil bei 0,2 % geblieben sein.
Sollte aber die Inflation anspringen und Leitzinserhöhungen notwendig werden, wäre nicht viel gewonnen:
Dann nämlich könnten die Zentralbanken die Zinseinnahmen nicht mehr an den Staat abführen, sondern
müssten sie an die Geschäftsbanken weitergeben.
Unabhängig davon, ob eine Zentralbank eine Staatsanleihe direkt von einer Geschäftsbank oder von einem
anderen Finanzmarktteilnehmer kauft – die Transaktion
wird immer über das Bankensystem abgewickelt. Die
Geschäftsbank verkauft also der Zentralbank die Staatsanleihe und erhält dafür eine Gutschrift auf ihrem Konto
Die Grexit-Ängste sowie die Sorgen um ein nachlassendes Wachstum in China könnten die Stimmung der
europäischen Unternehmen trotz der positiven Perspektiven zuletzt eingetrübt haben, wie der überraschende
Rückgang der Einkaufsmanagerindizes zeigt. So besteht
demnach auch Enttäuschungspotenzial beim ifo-Index
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Vor diesem Hintergrund kann eine Zentralbank nur
dann dem Staat die Schuldenlast erleichtern, wenn sie
lang laufende Staatsanleihen mit einer höheren Verzinsung als den Leitzins kauft – also Fristentransformation
betreibt. Weitere Möglichkeiten: Die Zentralbank zwingt
die Banken regulatorisch, die Überschussreserven zu
künstlich niedrigen Zinsen zu halten, was sehr negative
Folgen für die Profitabilität der Banken hätte, oder sie
bezahlt die Zinsen an die Geschäftsbanken und nimmt
so einen weiteren Rückgang des Eigenkapitals in Kauf.
bei der Zentralbank. Die Einlagen der Geschäftsbanken
bei der Zentralbank steigen demnach eins zu eins mit
den Staatsanleihekäufen der Zentralbank. In nahezu
allen entwickelten Volkswirtschaften übersteigen derzeit die Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank den geforderten Betrag an Mindestreserven, sodass die Differenz zwischen Mindestreserve und tatsächlichen Einlagen Überschussreserven sind.
Eine Zentralbank kann in diesem Umfeld den Leitzins
nur dann anheben, wenn sie die Überschussreserven
durch die Zahlung eines Zinses in ihrer Bilanz bindet.
Sonst könnten die Geschäftsbanken die Überschussreserven dazu nutzen, um beispielsweise Geldmarktpapiere zu kaufen – mit dem Effekt, dass das Zinsniveau
an den Finanzmärkten wieder auf null Prozent sinkt.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
Metzler Asset Management
Metzler Asset Management GmbH
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