Kapitalmarktausblick KW 22 22. Mai 2015 Metzler: Japan ohne Inflation? Rückschlag bei Erreichen des Inflationsziels von 2 % Merklicher Rückgang der Inflation in Japan im April zu erwarten Japan gilt als Vorreiter einer extrem lockeren Geldpolitik Die japanische Zentralbank verfolgt derzeit eine extrem expansive Ausrichtung der Geldpolitik – was daran ablesbar ist, dass sich die Bilanz der japanischen Zentralbank seit 2012 verdoppelt hat. Von vielen Finanzmarktteilnehmern wird Japan dabei als ein Vorreiter für andere Volkswirtschaften gesehen, da sich die japanische Zentralbank mit ihrem Wertpapierkaufprogramm nahezu am Limit des Möglichen bewegt. Sollte sich trotz der aggressiven Liquiditätsmaßnahmen in Japan die Inflation nicht nennenswert beschleunigen, könnte das auch ein Signal für die Europäische Zentralbank (EZB) sein, dass sie ihr Inflationsziel auf absehbare Zeit nur schwer wird erreichen können. Konsumentenpreisindex in % ggü. Vj. 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 -2,0 1990 2000 2005 2010 2015 Nichtsdestotrotz ist die niedrige Inflation in Japan vor dem Hintergrund überraschend, dass viele traditionelle Inflationsfrühindikatoren eigentlich eine steigende Tendenz signalisieren. So dürfte die Arbeitslosenquote (Freitag) im April mit 3,3 % auf den niedrigsten Stand seit 1997 gefallen sein. Bisher gibt es jedoch trotz Verbesserungen am Arbeitsmarkt keine Anzeichen für eine Erholung der Basislöhne, die schon seit 2009 mehr oder weniger stagnieren. Zentralbankbilanz in lokaler Währung (31.1.2007 = 100) 350 BoJ 300 250 200 EZB 100 Die fallende Arbeitslosenquote konnte bisher nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Löhne beitragen 50 0 2007 1995 Quellen: Thomson Reuters Datastream, Bloomberg; Stand 15.3.2015 Aggressive Expansion der Bilanz der japanischen Zentralbank 150 Prognose für April 2015: 0,7 % -3,0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Index der Basislöhne und Arbeitslosenquote in % 2015 120 Lohnniveau Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 30.4.2015 Arbeitslosenquote 2,5 (in umgekehrter Reihenfolge) 3,0 115 Das Ziel der Bank von Japan ist es, die Inflationsrate auf einem Wert von 2 % zu etablieren – mit einer Verbesserung der Finanzierungsbedingungen, Vermögenseffekten und einem psychologischen Effekt auf die Inflationserwartungen. Im April wird die japanische Zentralbank jedoch sehr wahrscheinlich einen schmerzlichen Rückschlag aufgrund eines Rückgangs der Inflation (Freitag) von 2,3 % im März auf nur noch 0,7 % im April erlitten haben. Der Hauptgrund dafür ist eher technischer Natur, da der Effekt der Mehrwertsteuererhöhung vom April vergangenen Jahres auf die Inflationsrate entfällt. 3,5 110 4,0 105 4,5 5,0 100 5,5 95 1996 6,0 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Quelle: Thomson Reuters Datastream, Bloomberg; Stand: 15.3.2015 Auch ist die gesamtwirtschaftliche Produktionslücke (Output Gap) nach Berechnungen der OECD derzeit geschlossen, sodass es fundamental keinen Abwärts- 1 Kapitalmarktausblick KW 22 22. Mai 2015 intakt, sodass sich die Konjunkturdaten sukzessive wieder verbessern dürften. Den Auftakt dürften dabei die Auftragseingänge (Dienstag) und die Neubauverkäufe (Dienstag) machen. druck mehr auf die Preise geben sollte – zumal sich die Konjunkturindikatoren zuletzt merklich verbessert haben: Geschäftsklimaindex (Mittwoch) und Industrieproduktion (Freitag). Eine Konjunkturerholung sollte eigentlich mit steigenden gesamtwirtschaftlichen Auslastungsraten einhergehen. Sollte die Prognose einer nennenswerten Wachstumsbeschleunigung im zweiten Halbjahr eintreten, dürfte die Arbeitslosenquote weiter fallen und die Kapazitätsauslastung steigen. In diesem Fall signalisiert unser Prognosemodell einen US-Leitzins von 3 bis 4 % bis Ende 2016. Wie stark die Fed den Leitzins im kommenden Jahr anhebt, wird davon abhängen, ob sie sich eher an der offiziellen Arbeitslosenquote U3 oder an der breiten Arbeitslosenquote U6 orientiert. Eine tendenziell steigende gesamtwirtschaftliche Auslastung spricht für steigende Inflationsraten Produktionslücke in % des BIP (Output Gap) 6,0 4,0 2,0 0,0 -2,0 Federal Reserve: Zurückhaltung im Jahr 2015, aber dafür aggressive Leitzinserhöhungen im Jahr 2016 erwartet -4,0 in % (Kapazitätsauslastung, Inflation und Arbeitslosenquote) 10 -6,0 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 Prognosemodell auf Basis: Offizielle Arbeitslosenquote U3 Arbeitslosenquote U6 2014 Quellen: Thomson Reuters Datastream, Bloomberg; Stand: 31.12.2014 5 Derzeit erscheint folgende Erklärung am wahrscheinlichsten: Die Mehrwertsteuererhöhung, ausgelöst durch die Rezession im vergangenen Jahr, hat den Inflationsprozess in Japan nur temporär unterbrochen, der grundsätzliche Aufwärtstrend der Inflation ist jedoch weiter intakt. Sollte sich die Einschätzung als richtig erweisen, ist 2016 mit einer Inflationsrate von über 1,5 % zu rechnen. Sollte die Inflation 2016 jedoch immer noch unter 1,0 % verharren, wäre dies ein Signal dafür, dass die Geldpolitik der Bank von Japan weitestgehend impotent ist. 0 Federal Funds Rate -5 -10 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 31.4.2015 Das Prognosemodell stützt damit unsere These, dass die Fed in diesem Jahr eher vorsichtig und zögerlich agieren wird, im nächsten Jahr jedoch deutlich stärker den Leitzins anheben dürfte als erwartet. US-Wirtschaft auf dem Weg der Besserung Die zweite Quartalsschätzung des BIP (Freitag) dürfte eine Revision des Wirtschaftswachstums auf -1,0 % im ersten Quartal mit sich bringen. Eine Studie der USNotenbank zeigte jedoch kürzlich, dass es noch erhebliche saisonale Muster in den eigentlich saisonbereinigten BIP-Daten gibt. Eine zweite saisonale Bereinigung würde demnach ein Wirtschaftswachstum von etwa 1,8 % im ersten Quartal ergeben und damit eher im Einklang mit den monatlichen Konjunkturdaten stehen. Ein kritischer Blick auf das EZB-Wertpapierkaufprogramm Eine Folge des Wertpapierkaufprogramms der EZB von 60 Mrd. EUR pro Monat sind Renditeniveaus von europäischen Staatsanleihen, die trotz des jüngsten Renditeanstiegs immer noch jeglichen Bezug zu den fundamentalen Realitäten verloren haben. Der bisher einzig erkennbare Nutzen der EZB-Maßnahmen ist ein schwächerer Euro-Wechselkurs, der zweifellos positive Konjunktureffekte haben wird. Der Aufschwung in der Eurozone wird jedoch teuer erkauft, da Versicherungen massiv unter der Niedrigzinspolitik leiden und die Banken aufgrund einer flachen Renditestrukturkurve kaum mehr Erträge aus der Fristentransformation erzielen können. Darüber hinaus steigt der Barwert der zukünftigen Pensionsverpflichtungen, sodass viele Unterneh- Zuletzt enttäuschten jedoch auch die monatlichen Konjunkturdaten und signalisierten damit ein schwaches Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal von derzeit unter 1,0 %. Grundsätzlich sind jedoch die Aufschwungtendenzen in der amerikanischen Wirtschaft 2 Kapitalmarktausblick KW 22 22. Mai 2015 noch durch den Rückgang der Energiepreise, den schwachen Euro und nachlassende Sparanstrengungen der Mitgliedsstaaten befeuert wird, wie auch der Geschäftsklimaindex der EU-Kommission (Donnerstag) auf einem Niveau von über 100 bestätigen wird. Damit steigt auch der für die Eurozone angemessene Leitzins in Richtung 3,0 %. Unser Prognosemodell errechnet für den EZB-Leitzins auf Basis der Kreditvergabe, der Kapazitätsauslastung sowie des realen BIP-Wachstums einen Leitzins von 1,0 % bis Ende 2016. men gezwungen sind, auf Investitionsausgaben zu verzichten, um die Lücke in ihren Pensionsverpflichtungen zu schließen. Die Kommunikation der EZB impliziert zudem eine lang anhaltende Niedrigzinsphase. Die Finanzmarktteilnehmer preisen dementsprechend erst gegen Ende 2019 wieder einen Zinsschritt der EZB auf 0,25 % ein. In diesem Zusammenhang wird oft der Vergleich mit Japan gezogen. In Japan kollabierte damals der nominale Wachstumstrend nach dem Platzen der Blase am Aktien- und Immobilienmarkt zu Beginn der 1990er-Jahre und ebnete damit den Weg zur Nullzinspolitik. Neben dem rückläufigen Bevölkerungswachstum trugen dazu vor allem ein starker Rückgang des Produktivitätswachstums und die Deflation bei. Die Ursache dafür war eine über lange Zeit fehlende Marktbereinigung von überschuldeten Unternehmen und insolventen Banken, was eine Verkrustung der japanischen Wirtschaftsstrukturen zur Folge hatte. In diesem Umfeld verzeichnete das nominale Wirtschaftswachstum einen durchschnittlichen Wert von etwa 0 % seit 1999 und steht damit im fundamentalen Einklang mit der japanischen Nullzinspolitik. Sicherlich ist eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Wirtschaftsräumen, dass Japan nach der Finanzmarktkrise mehr als zwölf Jahre brauchte, um die notwendige Bereinigung der notleidenden Kredite im Bankensystem zu vollziehen, während sich die Eurozone immerhin sieben Jahre Zeit gelassen hat. Erst mit der Prüfung der Aktiva-Qualität (Asset Quality Review) und dem Stresstest im vergangenen Jahr ging die europäische Wirtschaftspolitik die Probleme im europäischen Bankensektor ernsthaft an. Und die positiven Effekte lassen nicht auf sich warten: Schon seit einigen Monaten fallen die Kreditzinsen für Unternehmen in allen Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion, werden die Kreditvergabekriterien gelockert und steigt die Kreditnachfrage. So dürften die Kreditvergabe und die Geldmenge (Freitag) im April erneut merklich gestiegen sein. Vor diesem Hintergrund sollte sich der nominale Wachstumstrend in der Eurozone in den kommenden Quartalen von derzeit etwa 1,0 % auf 3,0 % beschleunigen – zumal die europäische Konjunktur Ein Prognosemodell für den EZB-Leitzins signalisiert die Notwendigkeit von steigenden Zinsen schon im Jahr 2016 in % (Kreditvergabe, Kapazitätsauslastung sowie BIP-Wachstum) 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 Prognosemodell 0,5 0,0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 Refinanzierungssatz Quellen: Thomson Reuters Datastream, Berechnungen Metzler; Stand: 30.4.2015 Auf keinen Fall wird die EZB im kommenden Jahr den Leitzins anheben – das wird wahrscheinlich erst 2017 geschehen. Offensichtlich ist in diesem Umfeld jedoch, dass das Wertpapierkaufprogramm der EZB völlig überdimensioniert ausgefallen ist und dringend einer Anpassung bedarf. Sehr wahrscheinlich wird die EZB erst zu Beginn des kommenden Jahres eine Reduktion des monatlichen Kaufvolumens beschließen und dann das Programm schon vor dem September 2016 beenden. Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht Edgar Walk Chefvolkswirt Metzler Asset Management 3 Kapitalmarktausblick KW 22 22. Mai 2015 Metzler Asset Management Metzler Asset Management GmbH Untermainanlage 1 60329 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 21 04 - 5 32 Telefax (0 69) 21 04 - 11 79 [email protected] www.metzler-fonds.com Rechtliche Hinweise Diese Unterlage der Metzler Asset Management GmbH (nachfolgend zusammen mit den verbundenen Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG „Metzler“ genannt) enthält Informationen, die aus öffentlichen Quellen stammen, die wir für verlässlich halten. Metzler übernimmt jedoch keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Informationen. 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