Parteien - Uni

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[Parteien und ihre Allmacht]
M 01 — Parteien - wichtig für die Demokratie
Ohne Parteien kann es keine funktionierende Demokratie geben. Nur sie garantieren, dass der einfache
Bürger überhaupt in der großen Politik ein Mitspracherecht hat. Sie erst ermöglichen dem Bürger eine
tatsächliche Wahl zwischen unterschiedlichen Alternativen, bei der er seinem politischen Willen Ausdruck
verleihen kann, also tatsächlich „mitreden“ kann.
Insofern sind die Parteien wesentlich für die Herrschaft
des Volkes und erfüllen hier wichtige Funktionen. Erst
sie garantieren, dass Politiker bei der Übernahme von
Ämtern keine unkundigen „Anfänger“, sondern durch
ihre Arbeit in den Parteien zu professionellen und sachkundigen Experten herangereift sind.
Die innerparteiliche Demokratie sorgt dafür, dass bei
der Auswahl dieser Personen nur die „Besten“ zum
Zuge kommen.
Die Vielfalt der Parteien und der Parteienstreit, der
sichtbar wird an den Auseinandersetzungen zwischen
Regierung und Opposition, sind nur Anzeichen einer
sachgemäßen Auseinandersetzung in der Bevölkerung
um die „richtige“ Politik. Die Parteien „repräsentieren“
dabei die Meinung des Volkes in großen Teilen und
verhindern somit, dass nicht jede Einzelmeinung im
Volk Bestandteil des politischen Auseinandersetzungsprozesses wird und Demokratie sich so selbst blokkiert.
(André Luciga - Autorentext)
M 02 — Parteien - ein Störfaktor
Die Parteien haben sich längst zu einem eigenständigen
Gebilde entwickelt, welches von den Sorgen und
Nöten des Bürgers so weit entfernt ist, wie die Erde
zur Sonne. Völlig undurchschaubare und schwammig
ausgedrückte Formulierungen in Programmen und
Reden der repräsentierenden Politiker machen deutlich, dass es eine eigentliche (Aus-)Wahl gar nicht gibt,
sondern lediglich eine Rechnung mit mehreren Unbekannten. Nicht einmal für das auf Ortsverbandsebene
aktive Parteimitglied sind die Entscheidungen seiner
„Führungsmannschaft“ nachvollziehbar. Nur einige
Wenige haben in den Parteien das Sagen, ihre Vorzüge
liegen dabei nicht etwa in ihrer Sachkenntnis, sondern
in der Kunst, hinter vorgehaltener Hand Fäden zu
ziehen und so an Posten und Gelder zu gelangen.
Der große Parteienstreit findet dabei nur noch für die
Medien statt und insbesondere natürlich vor Wahlen.
Kein Wunder, dass der engagierte Bürger sich eher
in Bürgerinitiativen wiederfindet, statt als Wähler
oder „Parteivolk“ undurchschaubaren Entscheidungsapparaten gegenüberzustehen. Überhaupt sollten nicht
alle
politischen
Entscheidungen
über
den
„Zwischenhändler“ Partei erfolgen, sondern einfache
Fragestellungen von den Bürgern direkt selbst entschieden werden. Solche Ansätze wurden ja teilweise
in einigen Ländern und Gemeinden rechtlich verbrieft.
Erst dann wäre wieder Durchsichtigkeit und Transparenz in der politischen Willensbildung gegeben. Erst
dann würde das Volk seine Herrschaft im eigentlichen
Sinne ausführen und so getroffene Entscheidungen
auch akzeptieren.
(André Luciga - Autorentext)
Arbeitshinweise für M1 und M2:
Welchem Text würdest du dich anschließen? Begründe deine Meinung schriftlich.
M 03 — Hitler: „... Die Parteien werden vergehen ...“
Ich habe vor ein paar Stunden erst die Wahlvorschläge
gelesen, z.B. in Hessen-Nassau: Vierunddreißig Parteien! Die Arbeiterschaft ihre eigene Partei, und zwar
nicht eine, das wäre zu wenig, es müssen gleich drei,
vier sein. Das Bürgertum, da es noch intelligenter ist,
braucht daher noch mehr Parteien. Der Mittelstand muß
seine Partei haben, die Wirtschaft ihre Partei, der Landmann auch die eigene Partei, und zwar auch gleich drei,
vier. Und die Herren Hausbesitzer müssen ihre besonderen Interessen politischer Art, weltanschaulicher Art,
auch durch eine Partei vertreten lassen: und die Herren
Mieter natürlich können da nicht zurückbleiben! Und
die Katholiken auch eine eigene Partei und die Protestanten eine Partei und die Bayern eine Partei und die
Thüringer eine Partei und die Württemberger noch eine
besondere Spezialpartei usw.: vierunddreißig in einem
Ländchen!
Und das in einer Zeit, in der die größten Aufgaben
dastehen, die nur gelöst werden können, wenn die
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ganze Kraft der Nation zusammengerissen wird!
[...]
Ich habe mir ein Ziel gestellt: nämlich die dreißig
Parteien aus Deutschland hinauszufegen! (Bravo,
Händeklatschen). [...]
Vor diesen dreißig Parteien gab es ein deutsches Volk,
und die Parteien werden vergehen und nach ihnen wird
bleiben wieder unser Volk. Und wir wollen nicht sein
eine Vertretung eines Berufes, einer Klasse, eines Standes, einer Konfession oder eines Landes, sondern wir
wollen den Deutschen so weit erziehen, daß vor allem
alle begreifen müssen, daß es kein Leben gibt ohne
Recht und daß es kein Recht gibt ohne Macht und
keine Macht ohne Kraft und daß jede Kraft im eigenen
Volk sitzen muß.
(Aus: Hitler in Eberswalde, 27.7.1932; Mitschrift aus dem
NSDAP-Wahlkampffilm zur Reichstagswahl 1932, Staatliche
Landesbildstelle Hamburg, NR. 3203027.)
[Parteien und ihre Allmacht]
M 05 — Maßnahmen
M 04 — Fristlose Entlassung
Das Landesarbeitsamt Karlsruhe fällte im Juli 1934
folgende grundsätzliche Entscheidung: „Durch Entfernung vor Beginn des Singens des Deutschland- und
des Horst-Wessel-Liedes aus den Geschäftsräumen
und durch die Nichtteilnahme an gemeinschaftlichen
Aufmärschen, Feiern und sonstigen Veranstaltungen
der Belegschaft stellt sich ein Arbeitnehmer bewusst
außerhalb der Volksgemeinschaft und zeigt hierdurch
seine staatsfeindliche Einstellung. Dadurch wird die
fristlose Entlassung gerechtfertigt.“
(Berichte der Exil SPD - Sopade 1935, S. 352)
„Der Volksgenosse P. muß als nicht nationalsozialistisch zuverlässig angesehen werden. Er hält keine Zeitung. Wie mehrere Parteigenossen bestätigen, kauft er
weder Plaketten, noch grüßt er mit dem „Deutschen
Gruß“. An „W.H.W.“ (Winterhilfswerk)-Sammeltagen
(auch Eintopf) ist das Haus verschlossen. Den Gruß
„Heil Hitler“ beantwortet er mit „Guten Tag“ unter
Abnehmen seines Hutes . . . Selbst an hohen nationalsozialistischen Feiertagen zeigt er keine Flagge. Von
der Empörung der Nachbarn und deren Verlangen auf
Einschreitung habe ich mich überzeugt . . . Ich bitte,
Maßnahmen zu ergreifen, daß P. empfindlich merkt,
daß er sich nicht dauernd gegen die Volksgemeinschaft
stellen kann.“
(Zitiert nach: Inge Marßolek, René Ott: Bremen im 3. Reich.
Anpassung - Widerstand - Verfolgung, Bremen 1986, S.
170f.)
M 06 — Eine Frau in Schutzhaft
Die Geheime Staatspolizei begründet 1934: „Der
Schutzhäftling, Grete Dankwart, geb. Pieper, geb. am
16.12.1888 zu Löbau, Berlin, Straßmannstr. 4 b wohnhaft, wurde festgenommen, weil er am 25.11.1934
die Gräber der Rosa Luxemburg und des Karl Liebknecht auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde
mit Blumen geschmückt hat. Er hat dadurch auch
äußerlich seine Sympathie zum Kommunismus ... zum
Ausdruck gebracht und sich bewußt in Gegensatz
zu der heutigen Staatsform und zur nationalsozialistischen Weltanschauung gestellt. Sein Verhalten und
seine Handlungsweise sind geeignet, die Öffentlichkeit
zu beunruhigen. Das Geheime Staatspolizeiamt hat ...
Schutzhaft bis auf weiteres angeordnet.“
(Zitiert nach: Hanna Elling: Frauen im deutschen Widerstand 1933-1945, Frankfurt a.M. 1978, S. 26)
Arbeitshinweise zu M3 bis M6
Welcher Vergehen gegen die „Volksgemeinschaft“ machen sich die in den Quellen genannten Personen schuldig?
Welche Eigenschaften muß man als Angehöriger der „Volksgemeinschaft“ haben?
Für wie wirklichkeitsnah hältst Du die Vorstellung von einer „Volksgemeinschaft“, in der alle Menschen gleiche
Interessen haben?
M 07 — Prinzipien der Demokratie
„Zu den grundlegenden Prinzipien dieser freiheitlich-demokratischen Ordnung [der Bundesrepublik
Deutschland] sind mindestens zu rechnen: die Achtung
vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit
auf Leben und freie Entfaltung, der Volkssouveränität,
die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die
Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung
und Ausübung einer Opposition.“
(Aus: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 2,
Tübingen 1952, S. 13)
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Arbeitshinweise
Warum sieht das Bundesverfassungsgericht das Mehrparteienprinzip als Voraussetzung für eine Demokratie an?
Denke bei deiner Begründung an die nationalsozialistische Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“.
Erläutere in eigenen Worten Artikel 21 des Grundgesetzes und begründe, warum dadurch den Parteien in
Deutschland eine herausgehobene Stellung zukommt.
[Parteien und ihre Allmacht]
M 09 — „Ist
ja Gottseidank nur
einmal in vier Jahren“
M 08 — Artikel 21, 1 Grundgesetz
„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre
innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich
Rechenschaft geben.“
(Artikel 21, 1 Grundgesetz)
(aus: Schwäbisches Tageblatt Tübingen, 4.10.1980)
M 10 — Repräsentative Demokratie
In einem großen Staat kann das Volk nicht direkt,
das heißt unmittelbar, herrschen. Das Volk wählt deshalb Vertreter, man sagt auch Repräsentanten, in ein
Parlament. Diese Volksvertreter beschließen stellvertretend für das Volk die Gesetze und kontrollieren,
das heißt beaufsichtigen, die Regierung. (...) Von einer
repräsentativen Demokratie spricht man, wenn die
Volksvertreter frei sind, nach eigenem Urteil politisch
zu entscheiden. Ihre Wähler haben keine Möglichkeit
sie abzuberufen oder ihnen Weisungen zu erteilen.
Die Abgeordneten können sogar die Partei verlassen,
als deren Mitglieder sie sich um einen Sitz im Parla-
ment beworben haben und doch behalten sie den Sitz
bis zur nächsten Wahl. Der Sinn dieser Regelung ist
den einzelnen Abgeordneten im Parlament möglichst
unabhängig zu machen. Nur dann, so glauben die
Anhänger der repräsentantiven Demokratie, sind die
Mitglieder eines Parlaments frei und stark genug um
die Regierung zu kontrollieren.
(Aus: H. Kammer, E. Bartsch: Jugendlexikon Politik. 800 einfache Antworten auf schwierige Fragen. Hamburg 1994, S.
168 f.)
M 11 — Schaubild „Repräsentative Demokratie“
Parlament
entsenden
Repr sentanten
Partei-A
Partei-B
Partei-C
Partei-D
stellt
Kandidat(inn)en
auf
stellt
Kandidat(inn)en
auf
stellt
Kandidat(inn)en
auf
stellt
Kandidat(inn)en
auf
Wahl
Volk
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[Parteien und ihre Allmacht]
M 12 — Wahlen = Entscheidung des Volkes?
Parteien und Bürger haben sich weitestgehend voneinander entfernt. Dies ist nicht zuletzt auf die
Wahlhandlung zurückzuführen. Ursprünglich war die
Wahl als königliches Recht des Wählers gedacht,
in einer repräsentativen Demokratie über „seine“
Repräsentanten, die als Kandidaten von den Parteien
aufgestellt wurden, zu entscheiden. Doch kann der
Wähler sich tatsächlich jemanden aussuchen? Nein.
Er trifft seine Auswahl letztendlich nur zwischen einigen wenigen Personen, die ihm von den Parteien vorgeschlagen werden. Innerhalb der Parteien ist also
letztendlich das wesentliche Geschäft der Kandidatenaufstellung längst vollzogen und zwar ohne die Beteiligung des Wählers. Es ist also ein Trugschluss zu
glauben, der Wähler träfe mit dem Ankreuzen eine
tatsächliche Entscheidung. Mehr noch: Der Wähler
kann von seinem königlichen Recht nur alle vier Jahre
Gebrauch machen. Nur zu diesem Zeitpunkt wird er
von den Parteien „hofiert“, entweder mittels Feuerzeugen und Kugelschreibern, die er an den beliebten
Wahlkampfständen erhält, oder tatsächlicher „Wahlgeschenke“. So hat die SPD 1998 die Erhöhung des
Kindergeldes klar in den Vordergrund ihres Bundestagswahlkampfes gestellt, für kinderreiche Familien
lag es nahe, die in Aussicht gestellte Erhöhung mit
dem Kreuz an der richtigen Stelle einzuheimsen. Doch
auch andere Parteien „ködern“ vor Wahlkämpfen ihre
Wählerschaft mit geeigneten „Bonbons“. Nach dem
Wahltag kann aber alles wieder Makulatur sein: Die
Regierung ist auf vier Jahre gewählt, der König verliert seinen Hofstaat und gehört nur noch zum regierten
Volk.
(Autorentext)
Arbeitshinweise zu M9 bis M12
Versuche, mit Hilfe des Textes und des Schaubildes die Elemente der repräsentativen Demokratie zu erklären!
Welche Antwort auf die Fragestellung in der Überschrift (Wahlen = Entscheidung?) gibt Text M 12?
Interpretiere die Karikatur unter Berücksichtigung von M 12!
M 13 — Mitwirkung in den Gebietsverbänden
Aus einem Interview mit einem Parteimitglied
WE: Herr Hartmann, wie würden Sie als langjähriges
Parteimitglied den Lesern unseres „WOCHENECHOS“
die Mitwirkung der Mitglieder Ihrer Partei auf den verschiedenen Ebenen erklären?
Hartmann: Zuerst muß der Leser wissen, daß die
gebietsmäßige Gliederung unserer Partei nach dem
Parteiengesetz weit ausgebaut sein muß, daß den einzelnen Mitgliedern eine angemessene Mitwirkung an
der Willensbildung der Partei möglich ist.
WE: Können Sie für die gebietsmäßige Gliederung und
die Mitwirkung auf diesen Ebenen Beispiele nennen?
Hartmann: Gerne; die Grundlage für die Mitwirkung
in unserer Partei sind die Ortsverbände. Sie bestehen
aus den Mitgliedern einer Gemeinde, also eines Dorfes
oder eines Stadtbezirkes einer Großstadt. Auf den
hier stattfindenden Mitgliederversammlungen können
die Parteimitglieder direkt ihren Ortsvorstand wählen.
Bei der Kandidatenaufstellung für Wahlen zu unserem
Stadtrat können alle Parteimitglieder auf einer Versammlung in einer sogenannten „Urwahl“ über den
Direktkandidaten unserer Partei abstimmen.
WE: Herr Hartmann, ist es nicht eher so, daß den Versammlungen meistens vom Ortsvorstand oder von den
Stadträten ihrer Partei bereits vorbereitete Beschlüsse
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nur noch der Form wegen zur Zustimmung vorgelegt
werden?
Hartmann: Durchsaus nicht, denn sind innerhalb unseres Stadtrates politische Entscheidungen, wie z.B. die
Zulassung weiterer Spielhallen zu fällen, so werden in
den Mitgliederversammlungen hierzu Empfehlungen
oder Resolutionen erarbeitet und darüber abgestimmt.
WE: Erläutern Sie doch bitte weiter, was auf der
nächsten Gebietsebene geschieht.
Hartmann: Die übergeordneten regionalen Gliederungen sind die Kreisverbände. Hier wird der Vorstand
von einer Kreisdelegiertenversammlung gewählt. Wir
können hierauf insofern Einfluß nehmen, indem wir
nur solche Mitglieder als Delegierte wählen und dorthin entsenden, die unsere Interessen wirkungsvoll vertreten. Die Mitwirkung der Parteimitglieder ist also hier
„repräsentativ“, d.h. über den Delegierten. Die Mitwirkung des Ortsverbandes kann durch Anträge erfolgen,
die der Kreisdelegiertenversammlung zur Zustimmung
und Weiterleitung vorgelegt werden. Umfaßt das Gebiet
des Kreisverbandes gleichzeitig auch einen Wahlkreis
für Landtags- und Budestagswahlen, so wählen die
Delegierten dieses Kreisverbandes auch den Direktkandidaten hierfür. Ebenfalls wählt die Kreisdelegiertenversammlung diejenigen Delegierten, die den
Kreisverband auf der nächsthöheren Ebene, dem Landesverband - z.B. auf dem Landesparteitag - vertreten
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die politische Mitwirkung der Orts- und Kreisverbände
endgültig entschieden wird, oder?
sollen.
WE: Moment Herr Hartmann, das hieße doch, daß eine
Mitwirkung des Ortsverbandes nach der Wahl dieser
Delegierten vorbei ist?
Hartmann: Für den einzelnen Ortsverband schon, aber
für ihre Gesamtheit nicht. Sie müssen bedenken, daß
jeder Delegierte sich für sein Handeln vor den Mitgliedern des Ortsverbandes verantworten muß, die ihm
durch ihre Wahl das Vertrauen geschenkt haben. Zur
Mitwirkung auf der Landesebene müssen Sie wissen,
daß die Delegierten hier nicht nur ihren Landesvorstand wählen, sondern daß sie z.B. auch über Kandidaten der Parteiliste für Landtags- und Bundestagswahlen
abstimmen. Für die innerparteiliche Mitwirkung ist die
Landesebene auch wichtig, weil hier über Anträge entschieden wird, die von den unteren Parteiebenen eingebracht worden sind und die dem Bundesparteitag, also
unserer höchsten regionalen Ebene, zur Abstimmung
vorgelegt werden sollen. Die Delegierten auf der Landesebene haben dadurch einen großen Einfluß auf die
innerparteiliche Mitwirkung und Willensbildung.
WE: Das bedeutet also, Herr Hartmann, daß hier über
Hartmann: Nein, ganz und gar nicht, denn jede regionale Ebene kann dem Bundesparteitag auch direkt
Anträge zur Abstimmung vorlegen. Allerdings wachsen die Chancen eines Antrages, wenn er von allen
Ebenen befürwortet und vom Landesverband dem Bundesparteitag vorgelegt wird. Dies wird noch dadurch
unterstützt, weil die Delegierten auf dem Landesparteitag auch aus ihren eigenen Reihen wiederum die Delegierten für den Bundesparteitag auswählen. Hier wird
die politische Richtung unserer Partei festgelegt. Denn
ein Antrag, der dort nach Diskussion und Abstimmung Parteibeschluß wird, ist bindende Politik für
meine Partei. Der von den Delegierten des Parteitages
gewählte Bundesvorstand muß sich hieran halten. Mitwirkung ist für mich in unserer Partei also nicht nur ein
Schlagwort, sondern durchgängig auf allen Parteiebenen möglich.
WE: Herr Hartmann, wir bedanken uns für das
Gespräch.
(Aus: Politik ... betrifft uns, Nr. 6/1987, S. 13)
M 14 — Schaubild zur innerparteilichen Demokratie
Innerparteiliche Demokratie
Bundesebene
entsendet Delegierte
entsendet Delegierte
entsendet Delegierte
Arbeitshinweise zu M13 und M14
Fülle die leeren Kästchen mit Hilfe des Textes M 13 aus.
Von welcher Ebene geht letztendlich der Willensbildungsprozess aus?
Was soll das Symbol des Dreiecks verdeutlichen?
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Länderebene
Kreisebene
Ortsebene
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M 15 — Situation in Fuhlenbrock
Die langjährigen Parteimitglieder Sauber und Rein
haben heute ein besonderes Anliegen in der Mitgliederversammlung ihrer Partei XY: Sie wollen den geplanten
Bau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) im Stadtteil Fuhlenbrock verhindern.
Da ein Tagesordnungspunkt auf der Mitgliederversammlung die Stellungnahme der Partei zu diesem
Bau vorsieht, erwarten Sauber und Rein hier eine
ausführliche Auseinandersetzung, in der sie ihre Argumente vorbringen können.
Sie sind sich ihrer Sache sicher, da auch ca. 12 andere
Mitglieder der Partei sich mit ihrer Forderung soli-
darisch erklärt haben. Lediglich vom Vorsitzenden
ist bekannt, dass dieser für den Bau plädiert. Aber
schließlich hat in der Versammlung jedes Mitglied gleiche Stimme.
Darüber hinaus sind die meisten Fuhlenbrocker Bürger,
so hört man auf den Straßen, gegen die MVA.
Zur Versammlung finden sich 19 von den 180 Mitgliedern ein.
Meldung im Lokalteil des nächsten Tages:
„Partei XY fast einstimmig für den Bau der MVA“
(fiktiver Fall, Autorentext von André Luciga)
M 16 — Aus einer Mitgliederversammlung der Partei xy, Ortsverband
Fuhlenbrock
- eine fiktive Beschreibung
Mitwirkende:
Versammlungsleiter und stellvertretender Vorsitzender,
Struve ; Parteivorsitzender, Müller;
stellvertretende Vorsitzende, Schulz
Pressesprecherin, Reinhard ; 14 andere Mitglieder der
Partei, darunter Sauber und Rein
Struve: Nun zum Tagesordnungspunkt 3: Haltung des
Ortsvereins zum Bau der Müllverbrennungsanlage. Das
Wort hat zunächst der Parteivorsitzende.
Müller: Liebe Mitglieder. Der Bau der MVA hat für
unseren Ortsteil ungeheure wirtschaftliche Bedeutung,
sind doch hiermit letztendlich Arbeitsplätze verbunden,
und zwar nicht nur im Werk selbst, sondern auch bei
den Dienstleistungsbetrieben rund um das Werk, wie
z.B. bei den Handwerkern. Da wir hier in Fuhlenbrock
als Stadtteil Bottrops eine sehr hohe Arbeitslosenquote
haben, sehe ich es als Pflicht unseres Ortsvereins an,
dieses Vorhaben zu unterstützen.
Sauber: Aber Moment mal. Der Bau dieser Anlage
hat schließlich auch seine negativen Seiten für unseren
Stadtteil. Ich denke da in erster Linie an die zusätzliche
Belastung unseres Ortsteils mit Abgasen. Das vorgesehene Grundstück war vorher außerdem für den Bau
einer Sportanlage vorgesehen, so hatten wir es vor zwei
Jahren in einer Empfehlung an den Rat beschlossen.
Dies würde auch Arbeitsplätze bedeuten. Ich würde
sagen, wir sollten erst einmal diskutieren, ob wir dem
Bau überhaupt zustimmen.
Schulz: Dafür spricht aber, daß in Aussicht gestellt
wurde, den Bau einer MVA gerade jetzt mit Mitteln zu
fördern, die der Stadt und insbesondere Fuhlenbrock
sonst nicht zustehen.
Reinhard: Außerdem sind bereits in Sachen Vermessung und Bauplanung durch die Stadt Vorarbeiten
erfolgt. Diese Vorplanungen wären umsonst, würden
wir dem Bau der Anlage nicht zustimmen.
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Rein: Aber, Sauber hat doch recht, wir haben in der
Partei immer auch den Umweltschutz als Gesichtspunkt unserer Arbeit für den Ortsteil vorangestellt. Gilt
das nicht mehr?
Müller: Diese Bedenken kann ich direkt zerstreuen,
meine Damen und Herren, die Messungen an einem
vergleichbaren Werk in Recklinghausen haben völlig
unproblematische Emissionswerte ergeben. Die Zahlen
wurden dem Vorstand letzte Woche bekanntgegeben.
Reinhard: Diese Zahlen haben wir auch an die Presse
weitergegeben, die hat sie in der gestrigen Lokalausgabe veröffentlicht. Einige Mitglieder im Raum nicken
hierauf zustimmend.
Sauber leise zu Rein: Ob es nicht auch andere Zahlen
gibt, kann keiner überprüfen. Die andere Frage wäre,
ob diese dann weitergegeben würden.
Schulz: Ein Sportplatz kann ohnehin auf dem freien
Platz nicht mehr gebaut werden. Der Rat hat vor drei
Monaten beschlossen, die Ausgaben für Neuinvestitionen im Sportbereich nicht mehr auszudehnen.
Rein leise zu Sauber: Wußtest du hiervon? Warum
hören wir erst jetzt davon.
Laut zur Versammlung: Man könnte ja noch andere
Möglichkeiten erwägen, den freien Platz zu bebauen,
hier hört es sich so an, als muß es eine MVA sein. Man
könnte auf der nächsten Versammlung darüber diskutieren.
Struve: Ich muß hier allerdings betonen, daß wir an
diesem Tagesordnungspunkt nicht über Möglichkeiten
der Bebauung diskutieren können, sondern nur über
die MVA selbst und heute eine Entscheidung treffen
müssen. Der Antrag, der hierzu vom Vorstand eingebracht wurde, besagt, den Anlagebau in einer Empfehlung an den Stadtrat positiv zu unterstützen und die
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Planungen voranzutreiben. Da kein Gegenantrag vorliegt, könnten wir direkt zur Abstimmung schreiten,
falls nicht noch Wortmeldungen sind.
Struve: ... 16 dafür, 1 Enthaltung, 2 Gegenstimmen.
Damit ist der Antrag des Vorstands angenommen.
Rein zu Sauber: So geschlossen hat der Vorstand
schon lange nicht mehr argumentiert.
Rein zu Sauber: Ich hab’ die Schnauze voll von Mitgliederversammlungen. Man sollte überlegen, wie man
sich besser vorbereiten könnte.
Sauber sieht achselzuckend Rein an, der in den Saal
schaut. Keine weitere Meldung zum Thema. Es erfolgt
die Abstimmung.
(André Luciga - Autorentext)
Arbeitshinweise zu M15 und M16
Warum setzt sich der Vorstand mit seiner Meinung durch?
Lies auch zwischen den Zeilen!
Wie ist der Willensbildungsprozess in der Partei XY? Vergleiche mit den Ergebnissen der vorherigen Stunde.
M 17 — Szenario nach der Entscheidung
Der Vorstand der Partei xy hat sich für den Bau der
Müllverbrennungsanlage entschieden. Doch auch dem
Vorstand der Partei kommt relativ schnell zu Ohren,
dass ein bedeutender Teil der Mitglieder und wahrscheinlich auch der Wähler gegen den Bau der MVA
sind. Mit der Entscheidung für die MVA hat die Partei
die Mitglieder und Wähler zufriedengestellt, die die
wirtschaftliche Zukunft des Ortsteils und damit verbundenen Arbeitsplatzfragen in den Vordergrund stellen. Sie hat jedoch diejenigen nicht berücksichtigt,
die eher Fragen der Umwelt und der Wohnqualität
als wichtig betrachten. Dabei hat die Partei in ihrem
Grundsatzprogramm immer betont, sich der Probleme
aller Bevölkerungsteile anzunehmen und nicht nur eine
Partei einer bestimmten Überzeugung zu sein. Schon
bald stehen jedoch Wahlen an.
Arbeitshinweise
Welche Probleme könnte die Entscheidung für die
MVA für die Partei xy aufwerfen?
Wie könnte die Partei die Probleme aus Frage 1 dennoch lösen, um ihrem Anspruch gerecht zu werden,
sich aller Überzeugungen anzunehmen?
(André Luciga - Autorentext)
M 18 — Volksparteien
Die großen Parteien, doch mittlerweile selbst Grüne
und PDS, können als Volksparteien bezeichnet werden,
da sie sich prinzipiell an alle Bürger wenden und
sich nicht als ausschließliche Interessenvertretung einer
Klasse, einer Schicht oder auch nur einer größeren
Gruppe verstehen. Letztendlich hat dies auch wahltaktische Gründe: Erst als Volkspartei mobilisiert man ein
großes Wählerpotential. Dabei gibt es natürlich nach
wie vor Unterschiede in der sozialen Zusammensetzung der einzelnen Parteien. Man kann heute kaum
noch von einem typischen Parteiwähler sprechen, so
wie man einst den katholischen Bauern eindeutig
der CDU, den klassenbewußten Arbeiter der SPD
als Parteiwähler zuordnen konnte. Das Ansprechen
aller Bevölkerungsgruppen wirft für die Volksparteien
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jedoch auch Probleme auf: Sie können sich nicht mehr
eindeutig profilieren, das heißt, eindeutige Entscheidungen in bestimmte Richtungen treffen, wenn sie
andere Richtungen damit verprellen. Parteiprogramme
oder Stellungnahmen zu bestimmten Themen weichen
häufig eindeutigen Festlegungen aus, vielmehr werden
vielsagende Formulierungen gefunden, die jedoch
Wähler und Mitglieder, die eindeutige Aussagen ihrer
Partei erwarten, zunehmend verstören. Vielmehr noch:
Der allgemeine Parteiverdruss könnte teilweise damit
erklärbar sein, dass sich der Einzelne durch die konturlose Politik der Volksparteien nicht mehr vertreten
fühlt.
(André Luciga - Autorentext)
[Parteien und ihre Allmacht]
M 19 — Karikatur „Volksparteien“
(Karikatur:
Walter Hanel)
Arbeitshinweise zu M18 und M19
Was versteht man unter einer Volkspartei?
Welche Probleme zeigt der Text in Bezug auf die Volksparteien auf?
Interpretiere aufgrund deiner Kenntnisse die Karikatur von Walter Hanel.
M 20 — Info Nr. 1 der Bürgerinitiative B 101
Am 19.5.1998 hat der Senat von Berlin den ebenerdigen Neubau der Bundesstraße 101 in Lankwitz und
Steglitz beschlossen. Eine Tunnellösung, wie sie noch
im Flächennutzungsplan vorgesehen ist, wurde verworfen. Die voraussichtliche Bauzeit beträgt drei Jahre.
Später wird die Straße dann mit geschätzten 40.000 bis
60.000 Fahrzeugen pro Tag frequentiert sein. Das Abgeordnetenhaus muß dem Vorhaben noch zustimmen.
Können Sie sich vorstellen, daß dies eine erträgliche
und sinnvolle Entwicklung für unsere Ortsteile darstellt?
Wir nicht!
Lankwitz, ein intakter Ortsteil wird brutal zerschnitten, gewachsene Stadtstrukturen werden zerstört. In
Steglitz sollen Häuser abgerissen werden.
Aus weiter eingeengten Bereichen ehemaliger Verkehrsberuhigung geraten unsere Kinder entlang der
Hochleistungstrasse in erhebliche Gefährdung durch
Kraftfahrzeuge. Kindliche Lebensqualität an Wohnort,
Schule und stillen Abenteuerplätzen wird nicht mehr zu
erreichen sein. Unvorstellbar, daß diese Straße einmal
über das derzeitige Schulgelände führt und die Kita am
Langkofelweg streift.
Grünanlagen und Kleingärten verschwinden mit all
ihren bisher ungenannten Werten für die anwohnende
Gemeinschaft; die Reststücke entlang der neuen
Bundesstraße wären im gleichen Augenblick durch
Lärm und Staub entwertet.
Neuer Verkehr, vor allem der Schwerlastverkehr wird
mit der entstehenden Nord-Süd-Verbindung in die
Stadt gezogen. Weitere Verkehrsbauten in der Stadt wie
Westtangente, Spurverbreiterungen und Abstellflächen
werden folgen.
Die Entlastung für die Paul-Schneider-Straße und die
Leonorenstraße wird, wenn sie überhaupt eintritt, nur
vorübergehend gering sein.
Während in der Innenstadt Berlins gigantische Tunnelprojekte verwirklicht werden, soll für Lankwitz
und Steglitz nur eine Billiglösung ausreichen. Damit
können wir uns nicht zufrieden geben. Zuvor sollte man
jedoch den grundsätzlichen Sinn dieser Straßenplanung
noch einmal überdenken. In den nächsten Wochen
sammeln wir Unterschriften, mit denen wir den Verantwortlichen auf Bezirks- und Landesebene unsere entschiedene Ablehnung der Senatspläne deutlich machen
wollen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich mit den
dargestellten Problemen auseinandersetzen und sich
mit uns zusammen für das Wohl Ihres Ortsteils engagieren.
V.i.S.d.P.: Stuhrberg,
Halbauer Weg
c/o
Nachbarschaftszentrum
(Aus: Info 1 der Bürgerinitiative B 101,
http://www.lankwitz.de/b101/4.htm)
Arbeitshinweise
Wogegen richtet sich die Bürgerinitiative? Wie geht die Bürgerinitiative bei der Durchsetzung ihrer Interessen vor?
Die Bundesstraße soll an einem anderen Ort gebaut werden. Wie werden die Bürger dort reagieren?
Welche Probleme entstehen auf lange Sicht?
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[Parteien und ihre Allmacht]
M 21 — Vor- und Nachteile von Bürgerinitiativen
Was spricht für Bürgerinitiativen?
- Bürgerinitiativen bieten ihren Teilnehmern die
Möglichkeit, sich politisch zu betätigen und demokratische Verhaltensweisen zu üben.
- Bürgerinitiativen sorgen dafür, dass politische Entscheidungen durchschaubar werden. Politiker müssen
über ihr Handeln und über die Gründe ihres Handelns
Auskunft geben.
- Bürgerinitiativen können unter Umständen falsche
Entscheidungen verhindern oder zu ihrer Korrektur
beitragen.
- Bürgerinitiativen werfen Fragen auf, sorgen für Informationsmaterial und erleichtern so allen, sich zu informieren. Dadurch können die politisch Verantwortlichen
besser kontrolliert werden.
Was spricht gegen Bürgerinitiativen?
- Mitglieder können für tatsächlich notwendige Dinge
blind und unempfänglich sein. Zwänge, die dem Staat
ein ganz bestimmtes Handeln aufzwingen, werden von
ihnen nicht erkannt, weil sie sich ausschließlich für ihr
Ziel interessieren. Oft fehlt auch das Gespür für die
entstehenden Kosten.
- Bürgerinitiativen wollen glauben machen, dass ihre
besonderen Ziele auch dem Allgemeinwohl dienen.
- Wenn Mitglieder in Bürgerinitiativen ihre Ziele nur
teilweise oder gar nicht erreicht haben, fehlt gelegentlich die Einsicht in übergeordnete Zusammenhänge.
Sie verurteilen dann das Verhalten der politisch Verantwortlichen als böswillig oder bürgerfeindlich.
(Nach: Macht und Ohnmacht des Bürgers nach der Wahl, Düsseldorf 1974, S. 8)
Arbeitshinweise
Welche der genannten Aspekte sind deiner Meinung nach die wichtigsten?
Erstelle eine Rangliste mit den drei wichtigsten Argumenten und begründe deine Entscheidung.
M 22 — Bürgerbegehren
Die neue Gemeindeordnung gibt den Bürgerinnen und
Bürgern das Recht, in einer Vielzahl kommunaler
Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Wollen die
Bürgerinnen und Bürger z.B. einen zusätzlichen Kindergarten, eine neue Schule, ein Jugendzentrum oder
eine weitere verkehrsberuhigte Zone, so können sie
den Rat mit einem Bürgerbegehren zu einer Entscheidung zwingen. Entspricht der Rat diesem Begehren
nicht, stimmen die Bürgerinnen und Bürger über die
entsprechende Frage in einem Bürgerentscheid selbst
(Aus: Innenministerium des
Landes NRW (Hrsg.):
Neu in NRW, Änderung der
Kommunalverfassung,
Düsseldorf 1994)
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ab. Diese Entscheidung hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses und ist dann von der Verwaltung umzusetzen. Das Bürgerbegehren muß schriftlich in Form einer
Frage eingereicht werden, die mit „Ja“ oder „Nein“
beantwortet werden kann. Es muß aufzeigen, wie die
Kosten gedeckt werden sollen. Auch ein Ratsbeschluß
kann damit angegriffen werden. 10 % der Bürgerinnen
und Bürger müssen das Begehren unterzeichnen.
Die untenstehende Tabelle nennt die ausreichenden
Unterschriften.
[Parteien und ihre Allmacht]
M 23 — Bürgerentscheid
Ein Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn sich eine
Mehrheit dafür entscheidet und diese Mehrheit mindestens 25 % der Wahlberechtigten beträgt. Einen
Bürgerentscheid gibt es nur auf Antrag der Bürgerinnen
und Bürger. Der Rat kann nicht von sich aus
umstrittene oder unbequeme Entscheidungen auf
die Bürgerinnen und Bürger abschieben. Durch
Bürgerentscheid können nur Angelegenheiten der
Gemeinde beschlossen werden. Ebenso können die
Bürgerinnen und Bürger nicht über Maßnahmen entscheiden, die dem Bürgermeister vorbehalten sind.
Hierzu gehören alle Fragen der inneren Organisation,
der Verwaltung, sowie alle Personalangelegenheiten.
Auch die Entscheidungen über Haushalt und Gebühren
sind ausgeschlossen, ebenso die Entscheidungen über
Bauleitpläne, denn hier kann nicht einfach mit „Ja“
oder „Nein“ abgestimmt werden. Bei all diesen Verfahren findet bereits eine intensive, gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung statt.
(Aus: Innenministerium des Landes NRW (Hrsg.):
Neu in NRW, Änderung der Kommunalverfassung, Düsseldorf
1994)
M 24 — Bürgerentscheid
gegen
Parkuhren
dpa Remscheid - Im zweiten erfolgreichen Bürger-entscheid in Nordrhein-Westfalen haben Einwohner von
Remscheid mit großer Mehrheit das Aufstellen von
Parkuhren verhindert. Die Bürger brachten damit einen
Beschluß des Stadtrates zu Fall, der den Parkraum
im Stadtteil Lennep bewirtschaften wollte. Durch den
Bürgerbeschluß, der sofort umgesetzt wurde, entgingen der Stadt jährlich rund 455.000 Mark Einnahmen,
teilte die Stadtverwaltung mit. An dem Bürgerentscheid
hatten von 91.000 Wahlberechtigten fast 28.600 Remscheider teilgenommen. Davon votierten rund 26.600
gegen die Parkraumbewirtschaftung.
(Aus: Die Welt, vom 6.2.1996)
M 25 — Einwohnerantrag
§ 25 der neuen Gemeindeordnung regelt den Einwohnerantrag. Einen Antrag stellen können alle Einwohner einer Gemeinde, die das 14. Lebensjahr vollendet
haben. Auch Jugendliche und Ausländer können also
ihre Wünsche und Vorstellungen in einem Einwohnerantrag formulieren, den der Rat dann beraten und zur
Entscheidung bringen muß. Der Antrag muß von 5 %
der Einwohner, höchstens jedoch von 4.000 Einwohnern unterzeichnet sein. In kreisfreien Städten sind 4
% bzw. 8.000 Unterzeichner ausreichend. Innerhalb
von 4 Monaten muß der Rat über den Antrag entscheiden. Für die kreisfreien Städte gilt: Einwohnerantrag,
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid können auch in
einem Stadtbezirk durchgeführt werden, wenn es sich
um Angelegenheiten handelt, für die die Bezirksvertretung zuständig ist. Beispiele für Einwohneranträge:
- Errichtung einer Jugendbegegnungsstätte
- Erlaß einer Baumsatzung
- Bau eines Altenzentrums
- Bewerbung Landesgartenschau
- Bau eines Golfplatzes.
(Aus: Innenministerium des Landes NRW (Hrsg.):
Neu in NRW, Änderung der Kommunalverfassung, Düsseldorf
1994)
Arbeitshinweise zu M22 bis M25
Erarbeitet in arbeitsteiliger Gruppenarbeit die wichtigsten Aspekte der drei Verfahren und erläutert euren
Mitschülern, was ein Bürgerbegehren, Bürgerentscheid bzw. ein Einwohnerantrag ist!
Errechnet:
Eure Stadt hat 30.000 Einwohner, davon 20.000 Wahlberechtigte. Wieviel Stimmen benötigt ein Begehren, ein
erfolgreicher Bürgerentscheid, ein Einwohnerantrag?
Welche Probleme von Bürgerentscheiden verdeutlicht M 25?
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