Auswirkungen von chronischem Stress PD Dr. rer. nat. Gabriele Flügge Deutsches Primatenzentrum, Göttingen Was ist Stress? Eine starke Belastung, die Gehirn und Körper aktiviert. Stress ist lebensnotwendig... Danach ? Wiederherstellung der Homöostase ? „Belastende Ereignisse ... können erfolgreiche Mechanismen der Bewältigung und der Anpassung verhindern...“ (ICD-10) Naturkatastrophen, Verbrechen..... Folgen: Affektive u. physiologische Störungen; Störungen der sozialen Situation und der Leistungsfähigkeit Gesunder Mensch adäquate Verarbeitung = Adaptation Wiederherstellung einer Homöostase Anpassungsstörungen Maladaptation aufgrund individueller Vulnerabilität Folgen reaktive Depression, Angsterkrankungen, vegetative Störungen, Schlafstörungen etc. Resignation, entwertendes Ressentiment, Ablehnung, Versuch den Schmerz zu betäuben, religiöse Ergebenheit... Die akute Stressreaktion ist lebensnotwendig Emotionales Erleben (Angst) Zentralnervöse Verarbeitung Sensorischer Stimulus Somatische Reaktionen (Fluchtbereitschaft) Die akute Stressreaktion ermöglicht die adäquate Reaktion bei Gefahr (z.B. Flucht) ¾ Adrenalinstoss Adrenalin aus Nebennierenmark • erhöht Herzschlagrate und Blutdruck • aktiviert den Metabolismus (Bereitstellung v. Glukose) • erhöht Sauerstoffverbrauch • Schweissausbruch (Sträuben d. Haare); Pupillenerweiterung ¾ Aktivierung d. Sympathischen Nervensystems (Noradrenalin) • erhöht Blutdruck • kontrahiert Gefässe in Nieren u. Haut • hemmt Aktivität d. Magen-Darm-Trakts ¾ Aktivierung d. Parasympathischen Nervensystems • dilatiert Gefässe im Skelettmuskel (Acetylcholin) Stress stimuliert die HPA-Achse, also die Cortisol-Ausschüttung 1. Hypothalamus andere Hirnregionen CRF Cortisol 2. Hypophyse 3. NebennierenACTH Rinde Niere Aktivierung der Nebennierenrinde: Ausschüttung von Cortisol • • • stimuliert die Glukoneogenese (katabole Wirkung) hat anti-anabole Wirkung (weniger Muskelaufbau) stimuliert den Fettmetabolismus in höheren Konzentrationen • wirkt entzündungshemmend • wirkt osteoporotisch • stimuliert Insulin-Sekretion („diabetogen“) Cortisol wirkt relativ langsam 2 Min ~ 15 Min < 30 Min 2- 4 Std. 8-20 Std. Aufnahme in Leber Metabolisierung in d. Leber Rückkopplungshemmung der ACTHAusschüttung Periphere Organe (ausser Leber): Freisetzung von Fettsäuren Proteinabbau, verminderter Glukoseverbrauch i. d. Leber: vermehrte Enzymsynthese und Glukoneogenese „Genomische Wirkung der Glucocorticoide“ Chronischer Stress führt letztlich zu Erschöpfung Leistungsfähigkeit “Challenge” Stabiler Status Tage/Wochen Sympathoadrenomedulläres System HPA-Achse Gonadotropine Oxytocin-System Überlastung Erschöpfung Noradrenalin, Adrenalin (Kampfbereitschaft oder Angst) CRF, ACTH, Cortisol (Hilflosigkeit, Depression) TestosteronProduktion Mütterl. Verhalten etc. Chronischer Stress kann zu Depressionen führen; bei Depressiven ist die Cortisol-Sekretion gestört • bei 50% aller Depressiven ist Cortisol erhöht • der Tagesrhythmus der Cortisol-Sekretion ist gestört Psychosozialer Stress bei Tupaia nach A. Raab, D. v. Holst, 1974 • Ausweglose Situation • Hilflosigkeit • Sorge, dass Alles noch schlimmer wird Bestimmung von • Körpergewicht • Noradrenalin im Morgenurin • Cortisol im Morgenurin Chronischer Stress verändert die Physiologie 1.00 Cortisol im Urin steigt Noradrenalin im Urin steigt (ng/µmol crea) (pmol/µmol crea) 300 0.75 200 0.50 100 0.25 Tage Days 5 Control period Kontrolle 10 15 20 Stress period Stress-Periode 120 Tage Days 5 10 15 Control period Stress period Kontrolle Stress-Periode Körpergewicht nimmt ab (%) 100 80 Days 10 15 Tage 5 Control period Stress period Kontrolle 20 Stress-Periode 20 Chronischer Stress ändert das Verhalten Bei Tupaia reduziert er ¾ die lokomotorische Aktivität ¾ das Markierverhalten ¾ die Körperpflege Antidepressiva können manche diese Verhaltensweisen und auch die Physiologie wieder normalisieren Chronischer Stress hat Auswirkungen auf das Serotonin (5-HT) - System im Gehirn Die Serotonin-Neurone der Raphe-Kerne projizieren in das gesamte Gehirn Serotonin reguliert Emotionen Serotonin moduliert die Aktivität von Zellen/Neuronen Axon Dendriten Der Neurotransmitter wird u. a. an der Synapse ausgeschüttet Serotonerge Neurone projizieren in zahlreiche Hirnregionen und steuern daher die Aktivität vieler Nervenzellen Chronischer sozialer Stress reduziert die Zahl der Serotonin-1A-Rezeptoren im Hippocampus SYNAPSE Aktives Neuron 5-HT1A-Receptor Stress und Testosteron Stress Kontrolle Flügge et al. 1998 Auch Noradrenalin im Gehirn steuert Emotionen Die Neurone des LC bzw. der noradrenergen Zentren im Hirnstamm projizieren fast in das gesamte Gehirn; Chronischer Stress verändert die Zahl prä- und postsynaptischer alpha2-Adrenozeptoren (Meyer et al. 2000; Flügge et al., 2003) Tötet Stress im Gehirn von Primaten Führt chronischer Stress im Hippocampus Nervenzellen? von Primaten zum Zelltod? Uno H, Tarara R, Else JG, Suleman MA, Sapolsky RM, J. Neuroscience 9: 1705- 1711, 1989 Bob Sapolsky mit Freund Kontrolle Stress Chronischer psychosozialer Stress lässt die apikalen Dendriten von Pyramiden-Neuronen im Hippocampus schrumpfen Kontrolle Stress Magariños et al., 1996 Im Gehirn gibt es Rezeptoren für Corticosteroide Mineralocorticoid-Rezeptor Typ I Glucocorticoid-Rezeptor Typ II reagiert bei Stress HippocampusFormation Chronischer Stress verändert die Morphologie von Neuronen, führt aber nicht zum Zelltod Schrumpfen der Dendriten Glucocorticoide Glutamat Kein Zelltod ! Das Schrumpfen der Dendriten kann verhindert werden durch • Blockade der Glucocorticoid-Rezeptoren • Blockade der NMDA-Rezeptoren • Benzodiazepine • Testosterone, Estrogen • u. A. Chronischer Stress hemmt die Neubildung von Neuronen (Neurogenese) Hilus NSE BrdU Zahl markierter Zellen /mm3 8 6 4 2 * 0 Gould et al., 1997 Lerntest mit Tupaia: Finden von versteckten Leckereien Chronischer Stress stimuliert die Leistungsfähigkeit im Lerntest Falsche Auswahl Kontrolle 5 * 4 Stress * 3 * 2 1 0 1 2 4 Wochen Bartolomucci et al., Eur. J. Neurosci. 15: 1863-1866, 2002 ? Möglicherweise tragen plastische Veränderungen im Gehirn zu Depressionen bei BrdU Antidepressiva stimulieren manche plastische Veränderung ?