Vorkurs Mathematik Kapitel 5 – Einführung in die Aussagenlogik Christoph Hindermann Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 1 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik Epimenides der Kreter sagte: Alle Kreter sind Lügner! (Paradoxon des Epimenides) Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 2 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.1 Grundbegriffe der Logik und des logischen Schließens Formale Logik Die formale Logik ist die philosophische Disziplin, die die formalen Eigenschaften von Aussagen untersucht, sowie die Beziehungen, die auf Grund der formalen Eigenschaften zwischen Aussagen bestehen. Die formale Logik macht dabei wesentlich Gebrauch von künstlichen, symbolischen Sprachen. Untersuchungsgegenstand Die formale Logik konstruiert aus Aussagen neue Aussagen und untersucht wie deren Wahrheitswert durch den Wahrheitswert der alten Aussagen bestimmt ist. Die formale Logik wird zur Überprüfung von Hypothesen im wissenschaftlichen Arbeitsprozess und zur Beweisführung benötigt. Dabei ist eine Aussage ein Ausdruck, der entweder wahr oder falsch sein kann. Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 3 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.1 Grundbegriffe der Logik und des logischen Schließens Notation Zunächst werden ganz konkreten, “strukturlosen” Aussagen A, B, C, …. (sog. Atomaussagen) einen Wahrheitswert zugeordnet. Anstatt von Atomaussagen werden auch oft Platzhalter, sog. Aussagenvariablen p, q, r, …, verwendet. Beispiele: Immer wenn es regnet (p), dann ist es nass (q). Es regnet (p). Also ist es nass (q). Immer wenn es regnet (p), dann ist es nass (q). Es ist nass (q). Also regnet es (p) oder nicht (¬p). Immer nur genau dann wenn die Sonne scheint (u), dann ist es Nacht (v). Es ist Nacht (v). Also scheint die Sonne (u). Immer nur genau dann wenn Anna einen Hund (h) oder eine Katze (k) streichelt, freut sie sich (f). Anna streichelt einen Igel (¬h ∧¬k). Also freut sich Anna nicht (¬f). Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 4 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.1 Grundbegriffe der Logik und des logischen Schließens Notation Zunächst werden ganz konkreten, “strukturlosen” Aussagen A, B, C, …. (sog. Atomaussagen) einen Wahrheitswert zugeordnet. Anstatt von Atomaussagen werden auch oft Platzhalter, sog. Aussagenvariablen p, q, r, …, verwendet. Um Aussagen logisch zu verknüpfen, werden Junktoren verwendet, z.B.: → ¬ ∧ ∨ → → Subjunktion (auch materiale Implikation), bedeutet “wenn dann” → ↔ Bisubjunktion, bedeutet “genau dann, wenn” → → Negation, bedeutet “nicht” Konjunktion, bedeutet “und” Adjunktion, bedeutet nicht-ausschließendes “oder” Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.1 Grundbegriffe der Logik und des logischen Schließens Notation Zunächst werden ganz konkreten, “strukturlose” Aussagen A, B, C, …. (sog. Atomaussagen) einen Wahrheitswert zugeordnet. Anstatt von Atomaussagen werden auch oft Platzhalter, sog. Aussagenvariablen p, q, r, …, verwendet. Des Weiteren benutzt man Klammern {,[ ,( ,) ,] ,}, um eine durch einen Junktur verbundene Aussage zu umgeben. Zusätzlich wird oft noch von Quantoren Gebrauch gemacht: → ∀ Allquantor, bedeutet “für alle” → ∃ Existenzquantor, bedeutet “es existiert mindestens ein” Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 6 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.2 Molekularaussagen Mit Hilfe der Junktoren können aus Atomaussagen Molekularaussagen geformt werden. Beispiele: → zweistellige Junktoren: (S ∧T ) (S ∨T ) ( I → G) (M ↔ P) S und T S oder T wenn I, dann G M genau dann, wenn P → Negation als einstelliger Junktor: ¬W ¬¬W nicht W nicht nicht W Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 7 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.2 Molekularaussagen Mit Hilfe der Junktoren können aus Atomaussagen Molekularaussagen geformt werden. Beispiele: → kompliziertere Verknüpfungen [¬(U ∨B)∧W ] [ D→(G ∧U )] [S ∧( M ∨Z )] [(S ∧ M )∨Z ] Vorkurs Mathematik nicht U und auch nicht B, aber sehr wohl W wenn D, dann G und U S und (M oder Z) S und M zusammen oder nur Z Einführung in die Aussagenlogik 8 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.2 Molekularaussagen Beispiele: Immer wenn es regnet (p), dann ist es nass (q). Es regnet (p). Also ist es nass (q). ((p → q) ∧ p) → q Immer wenn es regnet (p), dann ist es nass (q). Es ist nass (q). Also regnet es (p) oder nicht (¬p). ((p → q) ∧ q) → (p ⋁ ¬p) Immer nur genau dann wenn die Sonne scheint (u), dann ist es Nacht (v). Es ist Nacht (v). Also scheint die Sonne (u). ((u ↔ v) ∧ v) → u Immer nur genau dann wenn Anna einen Hund (h) oder eine Katze (k) streichelt, freut sie sich (f). Anna streichelt einen Igel (¬h ∧ ¬k). Also freut sich Anna nicht (¬f). (((h ⋁ k) ↔ f) ∧ (¬h ∧ ¬k)) → ¬f Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 9 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen Wahrheitstafeln einfacher Molekularaussagen dienen dazu, den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu prüfen. Hierbei stellen Junktoren wahrheitsfunktionale Verbindungen zwischen Aussagen dar. Somit hängt der Wahrheitswert von Molekularaussagen allein vom Wahrheitswert der Atomaussagen ab. Wahrheitstafel: p q ¬p ¬q (p˄q) (p˅q) (p→q) (p↔q) w w f f w w w w w f f w f w f f f w w f f w w f f f w w f f w w Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 10 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen Wahrheitstafel: p q ¬p ¬q (p˄q) (p˅q) (p→q) (p↔q) w w f f w w w w w f f w f w f f f w w f f w w f f f w w f f w w In Worten: → die Negation ist immer genau dann wahr, wenn eine Aussage falsch ist → die Konjunktion ist immer genau dann wahr, wenn alle Aussagen wahr sind → die Adjunktion ist genau dann falsch, wenn keine Aussage wahr ist → die Subjunktion ist nur dann falsch, wenn aus einer wahren Aussage eine falsche folgt → die Bisubjunktion ist wahr, wenn beide Aussagen den gleichen Wahrheitswert aufweisen Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 11 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen Immer wenn es regnet (p), dann ist es nass (q). Es regnet (p). Also ist es nass (q). ((p → q) ∧ p) → q Wahrheitstafel: p q ¬p ¬q (p˄q) (p˅q) (p→q) (p↔q) w w f f w w w w w w w f f w f w f f f f f w w f f w w f f w f f w w f f w w f w Vorkurs Mathematik ((p → q) ∧ p) ((p → q) ∧ p) → q Einführung in die Aussagenlogik 12 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen Wahrheitstafeln komplizierter Molekularaussagen Definition: Ein Aussagenschema nennt man: → erfüllbar, wenn es mit zumindest einer Wahrheitswertbelegung den Wert “wahr” hat; → tautologisch wenn es mit jeder beliebigen Wahrheitswertbelegung den Wert „wahr“ hat; → unerfüllbar (kontradiktorisch) wenn es mit keiner Wahrheitswertbelegung den Wert „wahr“ hat. Merke! Ein tautologisches Aussagenschema ist auch stets erfüllbar. Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 13 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen – Aufgaben Bestimmen Sie den Wahrheitswert der folgenden Molekularaussagen. Welche Aussagen sind erfüllbar, welche tautologisch und welche kontradiktorisch? a) p ∨¬ p b) [( p∧q)∨(¬ p∧¬q)] c) p ∧¬ p d) [( p→q )∨ p ] e) ( p ∨q)→( p∧q) f) [¬( p∨¬q)∨(¬ p→¬q)] Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 14 Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 5.3 Wahrheitsfunktionen – Aufgaben Betrachten Sie die folgenden vier Karten. Ich behaupte: Wenn die Karte auf einer Seite einen Vokal hat, dann hat sie auf der anderen Seite eine gerade Zahl. Welche Karten müssen Sie umdrehen um diese Behauptung zu überprüfen, wenn Sie so wenig als möglich Karten umdrehen möchten? A B 4 7 (Quelle: Wason, Peter C. 1968: "Reasoning about a Rule". Quarterly Journal of Experimental Psychology 20. S. 273–281. ) Vorkurs Mathematik Einführung in die Aussagenlogik 15