Maria Kontos Bildungsprozesse, Abbrüche und die Motivation zur Selbständigkeit Überlegungen zum Konzept biographischer Ressourcen. 0. Einleitung Die Gründungsförderung will Gründern zugute kommen, die erfolgversprechende Projekte vorhaben. Der unternehmerische Erfolg wird dabei gedacht als nicht nur ein Produkt der Angemessenheit der unternehmerischen Idee, sondern auch als ein Produkt der unternehmerischen Leistungsfähigkeit und Kapazität des/der Unternehmenden, das heißt seiner/ihrer Fähigkeit, die Gründungsidee marktgerecht zu realisieren. D.h. das Gründungsprojekt ist vom Gründer und seinen Fähigkeiten und Kapazitäten nicht abzukoppeln. Unter dem brisanten Begriff „unternehmerische Leistungsfähigkeit“ erhält das Konzept der Ressourcen einen zentralen Raum. Was die Gründungsförderung und Beratungsinstitutionen bei der Auswahl der zu Fördernden aus den Reihen der Gründungswilligen überprüfen, ist deswegen ihre Ausstattung mit Ressourcen. Bei Nicht-Vorliegen der erforderlichen Ressourcen wird dem Gründungswilligen vom Gründen abgeraten. 1) Der Ressourcenbegriff erhält demnach im Gründungsförderungszusammenhang sozialpolitische Brisanz und verlangt nach Überprüfung und weiterer Klärung. Im ersten Teil des Beitrags möchte ich das Konzept der Ressourcen, wie es in der ökonomischen Soziologie konzeptualisiert worden ist, diskutieren. In einem zweiten Teil soll der Ressourcenbegriff der biographischen Forschung besprochen werden. Am Beispiel der biographischen Erzählung von Antonis P., einem griechischen Taxifahrer in Frankfurt a. M., wird die Entstehung der Motivation zum Unternehmertum und die Interdependenz von Bildungslaufbahn und Entstehung von beruflichen Lebensentwürfen und von Motivation zur Selbständigkeit diskutiert. Schließlich wird ein von der Gründungsförderung einschließlich der Weiterbildung zu berücksichtigendes Konzept der Motivation als Ressource vorgeschlagen. 1. Unternehmertum und Ressourcen Unter unternehmerischer Leistungsfähigkeit (entrepreneurial capacity) ist nach Ivan Light (1999) das zu verstehen, „was man braucht, um unternehmerischen Erfolg zu haben“. Was erfordert wird, wird von Light unter dem Sammelbegriff „Ressourcen“ konkretisiert. „ Enrtepreneurial capacity means having whatever it takes to succeed in business, but what exactly does it take? In addition to being in the right place at the right time, partially a matter of luck, it takes resources. Entrepreneurs need resources. Useful as far as it goes, the concept of entrepreneurial capacity is just a cipher for the resources that create it, and the real task of explaining ethnic ownership economies requires one to identify and classify the needed resources.“ (Light, 1999 S. 1). 1 Der Begriff „unternehmerische (Leistungs-)Fähigkeit“ steht also bei Light für die verschiedenen Ressourcen, die diese Fähigkeit hervorbringen. Er sieht als das Ziel der Analyse der unternehmerischen Aktivitäten von Akteuren, diese Ressourcen zu bestimmen und zu klassifizieren. Ein stellt ein Modell der Klassifizierung von Ressourcen auf, aufgebaut um die Unterscheidung zwischen klassenspezifischen und ethnischen Ressourcen. Klassenressourcen sind Ressourcen, die unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit vorliegen können und welche vorwiegend bei Personen privilegierter, also bürgerlicher Herkunft vorkommen. Klassenressourcen umfassen die beruflich relevanten kulturellen und materiellen Ausstattungen der Bourgeoisie bzw. der privilegierten gesellschaftlichen Schichten. (Light, 1999, S. 2). Ressourcen sind Formen von Kapital (Bourdieu, 1997) als eine Menge von Werten, die Produktion und Produktivität in Gang setzen und aufrechterhalten. Der klassische, auch der Marxsche Begriff von Kapital bezieht sich vor allem auf das Eigentum und auf das Geld, ist also das finanzielle Kapital. Die neoklassische Ökonomie hat zur materiellen Ausstattung des wirtschaftenden Individuums das Humankapital hinzugefügt, da dieses auch eine ökonomische Investition voraussetzt. Bezogen auf die kulturelle Ausstattung von Humankapital, enthalten Klassenressourcen beruflich relevante und unterstützende Wertvorstellungen, Einstellungen, Haltungen, Wissen und Fertigkeiten, die im Laufe der Sozialisation internalisiert und angeeignet werden. Humankapital bedeutet die Investition in die Erhöhung der persönlichen Produktivität als die Fähigkeit einer Person, durch Arbeit Wert zu produzieren. Bildung und Arbeits- und Berufserfahrung sind also die Grundformen des Humankapitals. Das kulturelle Kapital als Klassenressource besteht aus der Kompetenz der Kultur der höheren Gesellschaftsschichten. Kulturelles Kapital wird über die Sozialisation in der Familie und in der Schule angeeignet. Während das Humankapital auf die Erhöhung der Produktivität seines Besitzers ausgerichtet ist, bewirkt das kulturelle Kapital soziales Prestige, welches hilfreich ist, um Kontakte, Geschäftsverbindungen und Zugang zu Netzwerken zu erreichen. Das kulturelle Kapital bezieht sich sowohl auf die Kultur der freien Zeit als auch auf die Berufskultur. Denn das kulturelle Kapital enthält auch Kompetenzen, die den Kern einer „Kultur der Selbständigkeit“ ausmachen. Die unternehmerische Aktivität von Familienangehörigen bewirkt die Übertragung des der Selbständigkeit eigenen berufskulturellen Kapitals auf andere Familienmitglieder. Der Effekt ist noch stärker, wenn man in dem Betrieb des Angehörigen arbeitet. Der Identifikationsprozeß mit dem Unternehmertum ist aufgrund der Verwandtschaftsbeziehung stärker. Soziales Kapital als Klassenressource bedeutet den Zugang qua Klassenzugehörigkeit zu Netzwerken, die unternehmerische Aktivitäten erleichtern. Anders als das finanzielle Kapital, welches durch den Gebrauch verbraucht wird, vergrößert sich das soziale Kapital mit dem Gebrauch. Es wird geerbt oder angeeignet. Soziales Kapital ist eine Klassenressource, wenn es den Klassenstatus des Trägers reflektiert und nicht seine ethnische Zugehörigkeit. Die analytische Trennung der vier Kapitalsorten verbirgt nicht die Interdependenz, die sich darin offenbart, daß der Besitz an der einen Kapitalsorte Einfluß auf den Besitz an der anderen Sorte hat. 2 Die Neigung, Humankapital anzuhäufen, ist, wie Ökonomen glauben, nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell bedingt. Es ist die Gesamtheit der kulturellen Dispositionen, nach Bourdieu der Habitus, der Bildungsaneignung fördert oder nicht (Bourdieu, 1988, S. 18). Implikationen dieser Interdependenz für die sozialpolitische Diskussion sollen am Beispiel der Interdependenz von Bildungskapital und Motivation zur Selbständigkeit als einer wesentlichen Ressource für unternehmerischen Erfolg in dem weiteren Text diskutiert werden. Light spezifiziert ethnische Ressourcen als Ressourcen, die am Werke sind, wenn wir unternehmerische Aktivitäten beobachten, die stattfinden, obwohl die oben geschilderten Klassenressourcen nicht vorhanden sind. In diesen Fällen werden ethnische Ressourcen an deren Stelle wirksam. Das Unternehmertum wird dadurch ein klassischer Weg, der Armut zu entgehen. (Light, 1999, 29). Eine Theorie der sozialen Mobilität durch Unternehmertum hat ethnische Ressourcen zu berücksichtigen. Als ethnische Ressourcen betrachtet Light „socio-cultural and demographic features of the whole group which coethnic entrepreneurs actively utilize in business or from which their business passively benefits,“ ( Light , 1999, 30). Ethnische Ressourcen charakterisieren eine ganze ethnische Gruppe, nicht nur einige Mitglieder oder Schichten. 2) Als typische ethnische Ressourcen listet Light Dimensionen der Herstellung und Aufrechterhaltung einer Solidarität, die von der Perspektive des ethnischen Unternehmens als eine horizontale - weil sie die Beziehungen unter ethnischen Unternehmern, oder Unternehmer und Geldgeber betrifft-, oder als eine vertikale - weil sie die Beziehungen des Unternehmers zu seinen (ethnischen) Arbeitnehmern charakterisiert-, betrachtet werden kann: Verwandtschafts- und Heiratssysteme, Beziehungen von Vertrauen, ethnisches soziales Kapital, kulturelle Wertvorstellungen, Religion, ethnische Sprachkenntnisse, rotierende Kreditvereinigungen, relative Zufriedenheit mit Lebens- und Arbeitsverhältnissen aufgrund nicht stattgefundender Akkulturation, reziproke Solidaritäten, multiple soziale Netzwerke, Ideologie ethnischer Solidarität, Arbeitgeberpaternalismus, ein beachtlicher Pool billiger ethnischer Arbeitskraft. Als ethnische Ressourcen werden auch ethnische berufskulturelle Ressourcen betrachtet, die Tradition in ethnic business oder Fertigkeiten und Kenntnisse über ethnische Produkte (Light 1999, 31). In diesem Zusammenhang werden Formen des finanziellen Kapitals erkannt, welche nicht als Klassenressourcen klassifiziert werden können, weil sie das Produkt ethnischer Solidarität sind, z.B. Kapital aus rotierenden Kreditvereinigungen, oder weil sie das Produkt eines nicht bürgerlichen Lebensstils sind, wie des harten Sparens in der Migration. In den ethnischen Ökonomien sind dennoch beide Typen von Ressourcen anzutreffen. Hier sind Klassen- und die ethnischen Ressourcen in einem Gemisch vorhanden. In dem einen Fall herrscht der eine Typus von Ressourcen, in dem anderen der andere Typus von Ressourcen vor. 2. Erklärungsdilemmata der Ressourcentheorie der ökonomischen Soziologie Die Theorie der Klassen- und ethnischen Ressourcen versucht die Frage zu beantworten, warum die Prozentsätze an unternehmerischer Aktivität unter den verschiedenen ethnischen und sozialen Gruppen schwanken. Die Untersuchungsperspektive ist eine auf Gruppencharakteristika gerichtete. Die Klassenressourcen sind dabei die Hauptressourcen, da sie die erforderliche Ausstattung des Unternehmers angeben. Ethnische Ressourcen sind vor allem ethnische Solidarität und Kohäsion, die 3 die gegenseitige Unterstützung bei unternehmerischen Aktivitäten und damit eine Kompensation beim Fehlen von Klassenressourcen hervorbringen. Somit sind ethnische Ressourcen vor allem ethnisches soziales Kapital. Hinzu kommen Fertigkeiten und Kenntnisse über ethnische Produkte, Zugang zu billigen ethnischen Arbeitskräften, etc. Statistische Analysen sagen aus, daß mit Ressourcen ausgestattete Personen stärker zu unternehmerischen Aktivitäten neigen. Die Frage, warum manche Individuen mit Zugang zu den genannten Ressourcen die unternehmerische und andere die abhängige Arbeit wählen, kann über diese Theorie nicht beantwortet werden. So ist Bildung als Humankapital und Ressource für die unternehmerische Aktivität gleichzeitig eine hervorragende Ressource für die Integration in die Erwerbssphäre über die abhängige Arbeit. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es noch mehr Bedingungen für die erfolgreiche unternehmerische Aktivität gibt als den Besitz der oben genannten (vier) Ressourcen in ihrer klassenspezifischen und ethnischen Ausprägung. Die Theorie der Gründungs- und unternehmerischen Aktivität, die im Rahmen der ökonomischen Soziologie entstanden ist - stellvertretend in den Arbeiten von Ivan Light (1972, 1995, 1999) und Alejandro Portes (1993, 1995) - stellt insbesondere die Wirkung des sozialen Kapitals und die soziale Einbettung (social embeddedness) der ökonomischen Aktivitäten (Granovetter 1976, 1995) in den Mittelpunkt des Diskurses. Denn die Entdeckung des sozialen Kapitals als Voraussetzung für unternehmerische Aktivitäten ist in mancher Hinsicht die wichtigste Entdeckung der ökonomischen Soziologie in den letzten Jahrzehnten. (Light 1999, S. 18). Die Perspektive der Analyse der sozialen Netzwerke in der ökonomischen Soziologie ist eine relationale - auf die (Netzwerk-) Beziehungen -, oder eine strukturalistische, auf die (Netzwerk-) Strukturen gerichtete. Es fehlt der Blick auf die handelnde Person und auf die Prozesshaftigkeit des unternehmerischen Handelns. Diese Tatsache wird allmählich in der Debatte eingebracht, indem der Blickpunkt weg von den Strukturen und den Beziehungen auf die Akteure gelenkt wird (Emirbayer und Gooldwin 1994, Cassarino 1997). 3. Das Ressourcenkonzept in der biographischen Analyse von Gründungen und unternehmerischeren Aktivitäten Die Prozeßhaftigkeit und biographische Relevanz der Gründung empfehlen für die Analyse der unternehmerischen Aktivitäten den Einsatz der biographischen Perspektive. Insofern muß die oben dargelegte Perspektive der sozialen Einbettung der unternehmerischen Aktivität durch die Perspektive ihrer biographischen Einbettung ergänzt und vervollständigt werden. Gerade der in der ökonomischen Soziologie zentrale Gedanke der Ressourcen ist auch in der biographischen Forschung zentral. Dennoch ist der Begriff der Ressourcen in der biographischen Forschung, und speziell der Begriff der biographischen Ressourcen nur selten explizit diskutiert. In der biographischen Forschung erscheint der Begriff Ressource in Verbindung mit verschiedenen anderen Begriffen: es ist die Rede von Erfahrungsressourcen, von Sinn- Handlungs- und ganz allgemein von biographischen Ressourcen. Erika Hoerning (1989) diskutiert die biographischen 4 Erfahrungen und das darauf bauende biographische Wissen als Handlungsressourcen. Strukturelle Lagen, die Orientierungen und Deutungssysteme generieren (“Klassen- GeschlechtsGenerationenlagen”), werden als biographische Ressourcen identifiziert. Hoerning betont den doppelten Charakter der Erfahrung als Ressource: Einmal als genuin biographische Ressource im biographischen Prozeß der “Konstruktion zukünftiger biographischer Projekte“ (Hoerning 1989 S. 154) und zum anderen als Ressource möglichen gesellschaftlichen Ansehens und gesellschaftlicher Anerkennung. „Lebenserfahrungen und daraus gewonnenes biographisches Wissen sind aber auch Ressourcen, die zukünftige Handlungen nicht nur steuern, sondern die als Wertanlage gesellschaftlich geschätzt und dadurch individuell für die Ausgestaltung zukünftiger biographischer Projekte verwendet werden können. „ (Hoerning 1989, 148). Erfahrungen und biographisches Wissen sind jedoch nicht immer Ressourcen im Sinne des Pools hilfreicher Anregungen für Handlungen und Lebensgestaltung. Hoerning betont die Ambivalenz und Uneindeutigkeit der biographischen Erfahrung. „Ob jemand durch Erfahrung reich, ernüchtert, eingeschüchtert, beflügelt oder ähnliches wird, ist immer davon abhängig, wie das Wissen aus den Erfahrungen mit dem biographischen Grundschema und den gesellschaftlichen Anforderungen an die Biographie in Einklang gebracht werden können. „ (Hoerning 1989, S. 155) Durch ihre Beispiele, (die Erfahrung im kriminellen Milieu kann nicht eine Ressource für eine Laufbahn als Polizeibeamter oder Kindererziehungsarbeit wird beim Wiedereinstieg in das Berufsleben nicht honoriert) bringt Hoerning hier den Aspekt der gesellschaftlichen Verwertbarkeit der Erfahrung bei der beruflichen und damit sozialen Integration in den Vordergrund. Der selbstreflexive Charakter der Erfahrung bleibt aber im Mittelpunkt der Betrachtung von Erfahrung als Ressource. Denn Erfahrung wirkt auf das Individuum sozialisierend, da das Individuum sich auf seine Erfahrung reflexiv bezieht. „Sozialisation im Lebenslauf heißt .. ... , daß die eigene Lebensgeschichte bei allen Sozialisationsprozessen quasi als „Sozialisationsagent“ mit in Erscheinung tritt“ (Hoermig, 1989, S. 161). Peter Alheit diskutiert die Fähigkeit, moderne Wissensbestände an biographische Sinnressourcen anzuschließen und sich mit diesem Wissen neu zu assoziieren im Rahmen des Konzepts der Schlüsselqualifikation “Biographizität” (Alheit 1995 S. 292). Alheit präzisiert in diesem Zusammenhang und im Rahmen bildungstheoretischer Überlegungen als biographische Ressource das “ biographische Hintergrundswissen, das uns prinzipiell in die Lage versetzt , den sozialen Raum , in dem wir uns bewegen , auszufüllen und auszuschöpfen” (Alheit 1995 S. 298). Das Besondere an diesem Wissen ist, daß es mehr Chancen enthält, als realisiert werden können. Dieses Potential an Möglichkeiten nennt Alheit im Anschluß an Victor von Weizsäcker ein Potential an “ungelebtem Leben”, über welches ein intuitives Wissen vorliegt. Als “autopoietische Systeme” im Sinne Luhmanns haben Menschen die Chance, diese Sinnüberschüsse der Lebenserfahrung zu erkennen und für eine bewußte Veränderung der Selbst- und Weltreferenz nutzbar zu machen. (Alheit S. 299). Damit erweitert Alheit das Verständnis von biographischen Ressourcen von den gemachten Erfahrungen auf die nicht- oder noch-nicht-gemachten, die potentiellen Erfahrungen, die das intuitive Wissen über das „ungelebte Leben“ erkennt. Die Auseinanderetzung mit biographischen Ressourcen ist in der Theorie der biographischen Verlaufskurve enthalten. Fritz Schütze hat die Geordnetheit biographischer Verlaufskurven, Zeiten 5 konditioneller Gesteuertheit, in denen die betroffenen Individuen ihre Fähigkeit, intentional zu handeln, verloren haben, in den Mittelpunkt seiner Forschung gestellt. Die Aufschichtung von Verlaufskurvenpotentialen ist ein Prozeß der Zerstörung biographischer Ressourcen. Diese Lebensphasen münden in der Bemühung der Überwindung der Verlaufskurve durch Phasen der Reorganisation des Lebensschemas. Obwohl nun das Stadium der Überwindung der Verlaufskurve, die Bemühungen der Reorganisation die Aktivierung von Sinn- und anderer biographischer Ressourcen enthält, ist die Frage der Ressourcen nicht zentral in der Analyse Schützes, so daß nach wie vor die Forderung von Ursula Apitzsch (1996), nach Erforschung der biographischen Ressourcen, auf welche Menschen in Krisen zurückgreifen, Gültigkeit besitzt. Apitzsch faßt mögliche Ressourcen unter den Begriff der „Potentiale“ zusammen und fordert das „Aufspüren der verborgenen latenten Potentiale“ für die Transformation von Krisen (S. 137). Sie weist auf latente intellektuelle und moralische Sinnressourcen hin, wie zum Beispiel die Familienorientierung bei jungen Migrantinnen, die ihnen den Hintergrund für realistische Berufsplanungen in der Aufnahmegesellschaft liefert. Helma Lutz hat ähnlich den Begriff der Ressource gebraucht, um den Stellenwert des kulturellen Erbes in der Migration im Bereich der Integrationsarbeit der Migrantinnen herauszuarbeiten. (Lutz, 1999, S.6). Es ist plausibel, daß insbesondere im Bereich der in den letzten Jahren angefangenen biographietheoretischen Gründungsforschung der Begriff Ressource im Zentrum der Analyse steht. Hier handelt es sich insbesondere um biographietheoretische Analysen aus dem Bereich der wirtschaftlichen Neugründungen in den Neuen Bundesländern (Woderich 1997, Thomas 1997). In diesen Arbeiten werden Sinnressourcen aus Arbeits- und Lebenserfahrungen der DDR-Gesellschaft, die als Handlungsressourcen für unternehmerische Aktivitäten nach der Wende fungieren, ausfindig gemacht. "Kontextoffene Handlungssysteme beruflicher Tätigkeit in der Herkunftsgesellschaft bilden ein entscheidendes Anschlußpotential für die Transformationspassage in die marktwirtschaftliche Existenzform". (Woderich, 1997, S. 232) Diese sind "Formen beruflicher Mobilität und Flexibilität, selbstgesteuerte biographische und Handlungspassagen" (S. 231). Im Bereich der biographieanalytischen Auseinandersetzung mit unternehmerischen Aktivitäten von Migranten/innen, hat M. Kontos (1997) am Beispiel von Tradition, als Sinnressource und als Schranke unternehmerischen Handelns zugleich, die mögliche Ambivalenz von Wissensbeständen diskutiert. 4. Motivation und Bildung im biographischen Prozeß: ein biographisches Fallbeispiel Erste Ergebnisse aus dem von der Universität Frankfurt/Main koordinierten internationalen Forschungsprojekt „Self-employment activities conscerning women and minorities: their success or failure in relation to social citizenship policies“ (finanziert durch das TSER Programm der EUKommission) haben gezeigt, daß das Verhältnis von Bildung und Selbständigkeit nicht so linear verläuft, wie es in der Diskussion bisher behauptet wird. Die biographischen Interviews mit selbständig erwerbstätigen deutschen und ausländischen Frauen und ausländischen Männern im Bereich Frankfurt am Main haben gezeigt, daß viele dieser Selbständigen Schulabbruch oder andere Brüche in ihrer Kindheit und Jugend erlebt haben. Ihre Ausstattung mit formalen Bildungsabschlüssen ist deswegen eher schlecht. Die Bildungsdefizite werden im Verlauf der Verwirklichung des Selbständigkeitsprojektes spürbar. In vielen Fällen werden Strategien entwickelt, um diese Defizite auszugleichen. Aus diesen 6 Verläufen zeigt sich, daß die Ausstattung mit Bildung als Humankapital nicht unbedingte Voraussetzung für den Gang in die Selbständigkeit ist. Vielmehr verweist das Trauma des Schulabbruches auf eine mögliche Quelle von Motivation, die zur Grundlage für die Selbstbindung (Commitment) an das Selbständigkeitsprojekt wird. Motivation als biographische Ressource für den Gang in die Selbständigkeit wird hier sichtbar. Im folgenden möchte ich am Beispiel der biographischen Erzählung von Antonis P., eines griechischen Taxifahrers, die These der Motivation als biographischer Ressource für den Gang in die Selbständigkeit im Zusammenhang mit Bildungsprozessen diskutieren. Motivation als Ressource entsteht im Prozeß der Auseinandersetzung des Individuums mit Individuierungsentwicklungen. Motivation scheint bei unternehmerischen Aktivitäten deswegen als Ressource von besonderer Bedeutung zu sein, weil sie erforderlich ist, um die Hürden dieser „Nicht-Normalbiographie“ zu überwinden und zu bewältigen und die Selbstbindung (Commitment) an das Unternehmen aufzubauen. Der Fall Antonis wurde als Beispiel ausgesucht, weil in diesem Fall eine Interdependenz zwischen Bildungsabbruch und Motivation zur Selbständigkeit besonders klar zum Ausdruck kommt, die in vielen anderen Interviews ebenfalls strukturell sichtbar wurde. Der Fall Antonis eignet sich besonders gut dafür, diesen typischen Entwicklungsprozeß zur Selbständigkeit zu diskutieren. Antonis beginnt seine Erzählung mit der Darstellung seiner Kindheit in einem griechischen Dorf . Der Bildungsplan des Vaters bestimmt, daß Antonis nach Beendigung der 6jährigen Volksschule in die nächste Stadt zieht, um dort das Gymnasium zu besuchen. Er soll später studieren und einen angesehenen Arbeitsplatz z.B. im öffentlichen Dienst bekommen. Der väterliche Plan ist konform mit der in sämtlichen griechischen Gesellschaftsschichten vorherrschenden Ideologie der Bildung als Hauptvehikel zum sozialen Aufstieg (Tsoukalas 1987). Insofern ist der Plan des Umzugs in die Stadt zum Zweck des Gymnasiumsbesuchs zu diesem Zeitpunkt für dörfliche Gemeinschaften keineswegs außergewöhnlich gewesen. Antonis muß sich mit anderen Schulkindern aus dem Dorf eine Wohnung in der Stadt teilen. Er leidet unter der Trennung von der Dorfgemeinschaft und von seiner Familie. Entwicklungsmässig war er nicht reif für den Schritt der Trennung von der Familie und Verwandtschaft. Hinzu kommt, daß er aufgrund der finanziellen Verhältnisse der Familie materiell nicht gut versorgt ist. Die psychischen und materiellen Entbehrungen haben zur Folge, daß Antonis sich in der Schule immer mehr zurückzieht. Eine labile Stabilität kann er herstellen, indem er sich der Fußball spielenden Gruppe der Stadtteil -Jungen anschließt. Die Einsicht, daß er doch nicht in der Lage sein würde, das Gymnasium mit der Hochschulreife abzuschließen, bringt ihn dazu, die Schule ein Jahr vor dem Abschluß abzubrechen. Der Vater hat kein Verständnis für die Entscheidung und reagiert mit Sanktionen. Er wirft ihn aus dem Haus. Antonis ist auf sich gestellt und muß bei Verwandten unterkommen. Allmählich entwickelt er Vorstellungen für eine Berufsausbildung in der Automechanik, besucht eine Berufsschule, die - mehr eine Aufbewahranstalt für arme Jugendliche als Berufsschule im hiesigen Sinn - sehr schlecht ausgestattet ist, und verläßt so nach zwei Jahren die Berufsschule mit einem formalen Abschlußzeugnis, aber kaum vorbereitet für den Beruf eines Automechanikers. Pläne in Griechenland, sich in diversen Bereichen selbständig zu machen, scheitern am Mangel an finanziellem und Bildungskapital. Er beschließt, nach Deutschland auszuwandern. Hier arbeitet er in einer Metallfabrik, hat aber nicht den Plan, sich selbständig zu machen, aufgegeben. Nach einigen Jahren 7 faßt er den Entschluß, sich mit einer Transportgesellschaft, die Transporte für die Firma, in der er arbeitet, durchführen soll, selbständig zu machen. Er sichert sich die Zusammenarbeit seiner Firma und einiger seiner Kollegen und hat das Kapital gesammelt, um die benötigten Transportfahrzeuge zu kaufen. Der Plan scheitert daran, daß er bei der für die Konzession nötigen Prüfung durchfällt. Die Bildungslücken seiner abgebrochenen Schulbildung machen es ihm unmöglich, diesen organisatorisch soweit gut aufgebauten Plan durchzuführen. Seinen Plan, sich selbständig zu machen, modifiziert er insofern, als er nun beschließt, Taxifahrer zu werden. Hier liegen keine Bildungshindernisse vor. Außer dem langen Nachwirken der Nachteile aus dem Schulabbruch und dem Fehlen von Bildungskapital fällt in der Analyse der Erzählung von Antonis die starke Konzentration auf den biographischen Plan des sich Selbständigmachens und die beharrliche Verfolgung der Realisierung dieses Planes auf. Antonis hat schließlich Erfolg mit dem Taxifahren. Er bilanziert seinen Lebensweg als eine Erfolgsgeschichte, wobei es aus der Analyse klar wird, daß dieser Erfolg eine doppelter ist. Es ist der Erfolg der sozialen und ökonomischen Integration in den zwei für ihn wichtigen Gesellschaftskontexten: dem Kontext der deutschen Gesellschaft, in der er nun seinen Lebensmitttelpunkt hat, und dem Kontext der griechischen Gesellschaft, in die er immer wieder pendelnd zurückkehrt. Dieser Integrationserfolg wird durch den Besitz von Häusern manifest. Der zweite Erfolgsstrang ist der Erfolg in dem langandauernden Konflikt mit seinem Vater. Das Erlebnis der Superiorität gegenüber dem Vater und dessen Bildungsplan als Aufstiegsmittel macht diesen Erfolg aus. Antonis kann dem Vater zeigen, daß er doch auch ohne das vom Vater favorisierte Hochschulstudium beachtliche soziale Integration und materiellen Lebensstandard erreichen konnte. Dieser Erfolg wäre m.E. nicht möglich ohne die starke Motivation zum unternehmerischen Erfolg, die sich aus dem Trauma der Trennung von seiner Familie, des daraus resultierten Schulabbruchs und des anschließenden Konflikts mit seinem Vater speist. An dieser Stelle könnte der Einwand erhoben werden, daß Taxifahren eine selbständige, aber keine unternehmerische Erwerbstätigkeit ist (Drucker 1985, S. 21). Ich schließe mich der Auffassung von Light und Rosenstein (1995) an, die den auf Innovation und Veränderung abzielenden Begriff von Unternehmertum als elitistisch kritisieren, welche die Innovationen auf dem Markt nicht berücksichtigen, die durch kleine, personennahe Dienstleistungsfirmen von Migranten vollbracht wurden. Antonis versteht sich tatsächlich als Unternehmer in seiner Branche und benutzt diesen Begriff, um seine berufliche Identität zu spezifizieren. Gerade diese Motivation zum unternehmerischen Erfolg scheint mir eine wichtige Ressource auf seinem Weg zu sein, die in mancher Hinsicht das Fehlen von Bildungskapital kompensiert. Nicht nur bei der Wirkung (Kompensation) , sondern auch bei der Entstehung scheint eine Interdependenz zwischen den zwei Handlungsressourcen zum Unternehmertum zu existieren. Die starke Motivation zum Unternehmertum , die wir bei Antonis feststellen, rührt aus dem Trauma, welches das Scheitern des Bildungsplanes des Vaters zur Folge hatte. Die Stärke der Motivation für die Selbständigkeit scheint sich umgekehrt proportional zum Bildungskapital zu entwickeln. Das Trauma vereitelt die Aneignung von Bildung, führt aber andererseits im Prozeß der Bilanzierung und des selbstreflexiven Umgangs mit dem Trauma zur Entwicklung der starken Motivation zur Selbständigkeit. 5. Motivation als biographische Ressource? 8 In diesem Beitrag sollte nachgewiesen werden, daß Motivation zur Selbständigkeit, die sich aus einem Trauma in der Kindheit und Jugend speist, eine biographische Ressource ist, die, wie oben dargelegt wurde, weder in der ökonomischen Soziologie, noch in der biographischen Forschung bislang diskutiert wurde. Als Ressource wird der Vorrat an Werten verstanden, die genutzt werden können, um etwas in Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. Die Konnotation von Ressourcenbegriff und Natur ( man spricht z.B. von Wasserressourcen) unterscheidet diesen Begriff von dem Begriff des Kapitals. Ressourcen sind da, der Natur gehörend und können erschlossen und genutzt werden. Das Kapital hingegen muß, wenn man den Prozeß der Übertragung durch Erbe (finanzielles, soziales Kapital) außer Acht läßt, durch Akkumulation, d.h. durch Konsumverzicht (finanzielles Kapital ) oder durch Investition (Humankapital, soziales Kapital) aufgebaut werden. Als Kapital wird ein Gegenstand, ein Wert oder eine Eigenschaft betrachtet, wenn sie auf dem Markt Erträge erzielen können. Körperliche Schönheit z.B. stellt in der Werbebranche oder auf dem Heiratsmarkt Kapital dar (Bourdieu 1986). Insofern ist Kapital ein marktnaher Begriff. Ressource hingegen ist eine Vorform von Kapital. Aus der Ressource kann Kapital erschlossen werden. Zum Beispiel sind die verwandtschaftlichen Beziehungen eine Ressource, die vom Individuum zu sozialem Kapital mobilisiert werden kann. Derartig entstandene Motivation ist eine Ressource, aber kein Kapital. Motivation ist im psychischen System und damit im Organismus angesiedelt. Insofern ist eine Nähe zur „Natur“ vorhanden. Motivation ist eine “natürliche” Ressource. Zudem entzieht sich Motivation dem Akkumulationsprozeß. Motivation kann nicht akkumuliert werden, nicht nur weil sie in der Kindheit im unbewußt laufenden und daher nicht bewußt steuerbaren Prozeß der Sozialisation und Erziehung entsteht und nicht im Erwachsenenalter, sondern auch, weil es nicht erstrebenswert sein kann, Traumata zu erzeugen, um Motivation aufzubauen, zumal das Resultat einer positiven Motivation aus Traumata mit einer Vielzahl anderer Faktoren in Zusammenhang steht, welche das Aufkommen von Motivation emergent und nicht voraussagbar machen. Bezogen auf die Unternehmerrolle ist diese motivational verankerte Fähigkeit deswegen wichtig, weil die unternehmerische Aktivität doch eine spezifische und eine besonders starke Motivation fordernde Berufsrolle darstellt. Das Besondere an der Unternehmerrolle ist die Selbstverantwortung nicht nur für den Ausgang des Arbeitsprozesses, sondern insgesamt für die Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes. Diese Selbstverantwortung erhält eine gesamtgesellschaftliche Verlängerung insofern, als die Rolle des Unternehmers aus dem gesamtgesellschaftlichen Sozialabsicherungssystem, welches auf die sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung fokussiert ist, tendenziell herausfällt. Der unternehmerisch Tätige gehört zu dem Kreis derjenigen, die den Risiken des Lebens in der modernen Gesellschaft besonders stark ausgesetzt ist. Insofern ist die unternehmerische Rolle ausgesprochen charakteristisch für die moderne „Risiko“-Gesellschaft (Beck 1986). 6. Konsequenzen für die Weiterbildung In diesem Sinne wäre zu überlegen, ob die unternehmerische Rolle eine Entwicklungstendenz der modernen Gesellschaft darstellt, die bereits durch die Thematisierung des Konzepts des 9 „Arbeitskraftunternehmers“ (Voß und Prongrantz 1998), d.h. die Einbeziehung von Elementen der selbständigen Arbeit in der Organisierung der abhängigen Arbeit, sich aufdrängt. Mit dem Konzept des Arbeitskraftunternehmers wird eine neue Form der abhängigen Arbeit thematisiert, der entscheidende Charakteristika der selbständigen Arbeit (Selbstverantwortung, Selbstgestaltung des Arbeitsprozesses) anhaften. Die Rationalität der Gestaltung des abhängigen Arbeitsprozesses mit diesen Charakteristika der selbständigen Erwerbsarbeit wiederum liegt gerade in der Möglichkeit der Mobilisierung der für die selbständige Arbeit unerläßlichen Ressource Motivation. Diese Ressource wird dann zur neuen Grundlage der in der Privatwirtschaft ständig erforderlichen Erhöhung der Produktivität. Gerade diese auch makrosoziologisch begründeten Anzeichen stellen die Notwendigkeit in den Vordergrund, bei der Gründungsförderung Motivation als Ressource mit zu berücksichtigen, zumal, wie im speziellen Fall Antonis, hohe Motivation mit Mangel an Bildungskapital einhergehen kann. Denn in der Gründungsforschung ist die Zentralität des Bildungskapitals als einer Voraussetzung unternehmerischen Erfolgs fest verankert. So wird gegen die Vergabe von Mikro - Krediten an Arme argumentiert, daß Arme kein Humankapital besitzen, um diese Kredite unternehmerisch erfolgreich zu nutzen. Vielmehr sollten Kredite an Reiche gegeben werden, die durch unternehmerische Aktivitäten Arbeitsplätze für die Armen schaffen. (Bates and Servon 1998). Die Expertenbefragung des TSER-Projektes hat gezeigt, daß die Institutionen der Gründungsförderung im Rhein-Main Gebiet sehr stark auf das vorherrschende Konzept von Ressourcen, insbesondere auf das Konzept der Klassenressourcen aufbauen. U.a. die Ausrichtung auf diese Ressourcen bewirkt, daß bei Seminaren und Trainingskursen für angehende Unternehmer Migranten und Migrantinnen herausfallen. Unter den Teilnehmern der Seminare und Kurse der Institutionen im Rhein-Main-Gebiet die Bildungsveranstaltungen zur Selbständigkeit anbieten, (Industrie und Handelskammer und Frauenbetriebe) sind Migranten und Migrantinnen kaum vertreten. Die Vertreterinnen der Frauenbetriebe waren sich des Widerspruchs zwischen der Nicht-Präsenz der Migrantinnen in den Kursen auf der einen Seite und ihrer nicht zu unterschätzenden unternehmerischen Aktivitäten auf der anderen Seite durchaus bewußt. Dennoch, es scheint keine Strategie vorzuliegen diesen Widerspruch zu überwinden. Bei den Vertretern der Industrie und Handelskammer andererseits wurde der Widerspruch von unternehmerischer Aktivität und Nicht-Teilnahme mit einer „ethnischen“ Arbeitsteilung in der Unterstützung der Gründer erklärt. Es wurde erklärt, daß die Gründer aus den Reihen der Migranten und Migrantinnen von ihren eigenen Organisationen und informellen Netzwerken mit Informationen und Anleitung zur Gründung versorgt würden. Dies würde die Kammer von der Notwendigkeit entlasten, Strategien zu entwickeln, um ihr Angebot für diesen Personenkreis zugänglicher zu gestalten. Implizit wurde also angenommen, daß das ethnisch begründete soziale Kapital der gründungswilligen Migranten und Mirgantinnen sie, ohne weitere Unterstützung, zur Gründung befähigt. Dieses Argument scheint aber eher die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit diesem Widerspruch zu mildern, als den Widerspruch selbst zu erklären. Der faktische Ausschluß der Migranten und Migrantinnen aus der Teilnahme an dem Angebot dieser Institutionen kann als ethnische Benachteiligung bezeichnet werden. Erklärbar ist dieser Ausschluß aber erst über die Begründung der Förderungswürdigkeit der Förderungsanwärter/innen durch ihren Zugang zu den nötigen Ressourcen. Diese Ressourcen werden in der üblichen Weise als Bildung und 10 finanzielles Kapital verstanden. Die Nichtteilnahme der Migranten/innen wird legitimiert durch den fehlenden Zugang dieser Personen zu diesen Ressourcen. Die Ressource Motivation wird nicht in Betracht gezogen. Doch darf eine Gründungsförderungspolitik das schwer akkumulierbare knappe Gut Motivation nicht durch Nichtbeachtung verschwenden. Eine weitere Forderung an die Bildungspolitik wäre, geeignete Bildungsangebote für Gründungswillige mit Bildungsdefiziten anzubieten, die die Suchanstregungen der Betroffenen im Prozeß des unternehmerischen Learning by doing auf eine sinnvolle Weise unterstützen würden. Anmerkungen 1) Dieser Sachverhalt wird von den Gründungsberatungsinstitutionen gern in den Vordergrund gestellt. In einer kürzlich stattgefundenen Präsentation der Arbeit des Vereins Frauenbetriebe in Frankfurt/M, hieß es: “Nicht alle, die den Kurs besuchen, gründen sogleich ein Unternehmen....Die eine oder andere Teilnehmerin stelle fest, daß entweder ihr Konzept, oder sie selbst für die Selbständigkeit nicht geeignet ist”. ( “Schritt in die berufliche Selbständigkeit”, in: Frankfurter Rundschau, 7.10.1999, S. 22) 2) C. Mavratsas (1995) bezieht sich auf eine ethnische Ressource, wenn er bei Griechen in den USA den allgemeinen Wunsch feststellt, sich selbständig zu machen. Diese allgemeine Neigung führt er zurück auf den Wert der Unabhängigkeit, der in der griechischen Kultur zentral ist. 11 Literatur Alheit, Peter (1995): “Biographizität “ als Lernpotential: Konzeptionelle Überlegungen zum biographischen Ansatz in der Erwachsenenbildung. In : Krüger, Heinz-Herrmann, Marotzki, Wilfried (Hg.) Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung Opladen, Leske und Budrich S. 276-307 Apitzsch, Ursula (1996): Biographien und berufliche Orientierung von Migrantinnen. In Kersten, Ralph et al, Ausbilden statt ausgrenzen. Jugendliche ausländischer Herkunft in Schule, Ausbildung und Beruf, Frankfurt/M., Haag und Herchen S. 133-147 Apitzsch, Ursula u.a. (1997): Self employment activities concerning women and minorities. Their success or failure in relation to social citizenship policies. Antrag an die EG-Kommission im Rahmen des Programms „Targeted Socio-Economic Research (TSER)“ Bates, Timothy und Servon, Lisa (1998): Why loans won´t save the poor. Inc Magazine Archives (Online) http://www.inc.com/incmagazine/archives/0460271.html. 12 Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/M. Edition Surkamp Bourdieu, Pierre (1978) : Klasenschicksal, individuelles Handeln und das Gesetz der Wahrscheinlichkeit. 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