Japan Währungsanalyse 29. August 2006 Kernaussagen Prognosen aktuell Sep.06 Dez.06 Jun.07 Leitzins 0,25 0,25 0,50 0,75 3M-Zins 0,40 0,50 0,70 1,00 3M-Spread* 285 275 300 270 10J-Rendite 1,72 1,85 2,10 2,30 10J-Spread** 210 235 230 190 EUR/JPY 149,5 150 154 149 USD/JPY 116,7 115 114 109 * zum EUR-3M-Zins, in Basispunkten ** zur EUR-Benchmark, in Basispunkten Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH Technische Analyse: Der Durchbruch des Widerstandes 145,70 somit ein Ausbruch aus einem Dreieck - konnte bestätigt werden. Als nächste Zielmarken werden die Retracements 152,35 und 154,90 gehandelt. JPY pro EUR Quelle: Reuters; Raiffeisen RESEARCH Analyst Ronald Plasser [email protected] Technische Analyse Robert Schittler, CEFA [email protected] Mit einem BIP-Wachstum von 0,2 % p.q. bzw. 2,2 % p.a. enttäuschte das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal. Die meisten Konjunkturindikatoren sind aber zuversichtlich, dass die kräftige Wirtschaftserholung noch nicht beendet ist. Erst nächstes Jahr könnte sich das Wachstumstempo nach bereits mehr als vier Jahren dauernder Erholungsphase allmählich verlangsamen. Wir gehen von BIP-Zuwachsraten von 2,6 % für 2006 und 2,0 % für 2007 aus, so dass sich das Wachstum an das auf 1,5 % bis 2 % geschätzte Potenzialwachstum annähern wird. Einen Rückfall in die Deflation halten wir aber für unwahrscheinlich, immerhin sollte die Inflationsrate von 0,5 % im Jahr 2006 auf 0,8 % im Jahr 2007 ansteigen. Der BIP-Deflator dürfte es hingegen erst frühestens 2007 in positives Terrain schaffen. Die Bank of Japan (BoJ) hat ihren geldpolitischen Sonderweg beendet. Im Juli hat sie ihren Leitzins auf 0,25 % erhöht und damit ihre jahrelange Ära der Nullzinspolitik beendet. Die nächste Zinsanhebung von 25 Basispunkten sollte im vierten Quartal folgen, da die Investitionen sehr hoch sind und zu überhitzen drohen. Im Jahr 2007 dürfte die Konjunkturverlangsamung und eine voraussichtlich festere Tendenz des Yen die Notenbank zu einer abwartenden Haltung veranlassen. Wir rechnen im ersten Halbjahr 2007 nur mit einer weiteren Zinsanhebung von 25 Basispunkten, sodass der Leitzins Mitte 2007 somit bei 0,75 % liegen sollte. Der Euro setzt seine Rekordjagd gegenüber dem Yen fort und nähert sich der psychologisch wichtigen Marke von EUR/JPY 150. Dabei ist der Yen so stark unterbewertet wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Der Grund ist, dass der Yen unter den niedrigen japanischen Zinsen litt und immer noch leidet. Kurz- und mittelfristig sollte der Yen auch unter der US-Wachstumsverlangsamung leiden. Gegenüber dem Euro könnte der Yen daher bis Jahresende in Richtung EUR/JPY 154 abwerten. Da der USDollar aber noch stärker abwerten dürfte, sollte der Yen im Dezember bei USD/JPY 114 liegen. Ab dem nächsten Jahr, wenn die Zinsschere zuungunsten des Yen nicht mehr weiter auseinander gehen sollte, dürften die langfristigen Argumente für eine Yen-Aufwertung wieder relevant werden. Im Juni 2007 liegen unsere Wechselkurs-Ziele bei EUR/JPY 149 bzw. USD/JPY 109. Von einer Finanzierung im japanischen Yen raten wir spätestens ab dem nächsten Jahr dringendst ab! Japan Konjunktur abgeschwächt aber neuer Schwung erwartet Nachdem die japanische Wirtschaft seit Anfang 2005 deutlich expandiert hatte (reales BIP 2005: 2,6 % p.a., reales BIP erstes Quartal 2006: 0,7 % p.q. bzw. 3,4 % p.a.), ist sie im zweiten Quartal weniger stark gewachsen als erwartet. Mit einem Anstieg von 0,2 % p.q. bzw. 2,2 % p.a. (gemäß erster Schätzung vom 11. August) enttäuschte das Wirtschaftswachstum auf den ersten Blick, und es stellt sich die Frage, ob der Konjunkturaufschwung in Japan nun zu Ende ist. Der jüngste Verlauf des japanischen BIP-Wachstums erinnert an jenen der USA, die ebenfalls nach einem fulminanten Start ins neue Jahr im zweiten Quartal eine deutliche Wachstumsverlangsamung hinnehmen mussten. In den USA gehen wir davon aus, dass aufgrund der Abschwächung des US-Immobilienmarktes und der damit ausgelösten Konsumschwäche das Wachstum noch über mehrere Quartale gebremst sein wird. Ereilt Japan ein ähnliches Schicksal? BIP-Wachstum: Japan, USA, Eurozone 1,50 1,25 1,00 0,75 0,50 0,25 0,00 Q1 2005 Q2 2005 Q3 2005 Q4 2005 Q1 2006 Q2 2006 reales BIP Japan, % p.q. reales BIP Eurozone, % p.q. reales BIP USA, % p.q. Konjunkturindikatoren bleiben optimistisch 5 110 4 105 3 100 2 95 1 0 90 -1 85 -2 -3 80 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 Japan Konjunkturvorlaufindikator reales BIP Japan, % p.a. (rechte Skala) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Bei genauerer Analyse der BIP-Komponenten fällt allerdings auf, dass sich nur ein Teil der Wachstumsbedingungen verschlechtert hat. Das niedrige Wachstum ist demnach hauptsächlich auf die gesunkenen Nettoexporte und staatliche Binnennachfrage zurückzuführen. Die private Binnennachfrage (privater Konsum und Investitionen) hat sich aber erstaunlich gut gehalten. Dies bestätigt unsere Einschätzung, dass es sich bei dem bereits mehr als vier Jahre dauernden Erholungskurs um kein Strohfeuer wie in den Neunziger Jahren handelt, das nur von außen (Exporte) oder von steigenden Staatsausgaben vorübergehend angefacht wird - ganz im Gegenteil: Es sind vor allem die privaten Unternehmensinvestitionen und der private Konsum, die das Wachstum in Japan so stark antreiben und weiterhin ein Rückgrat für das japanische Wirtschaftswachstum sein werden. Beiträge zum realen BIP-Wachstum Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Betrachtet man allerdings die japanischen Konjunkturindikatoren, so befinden sich diese weiterhin auf sehr hohen Niveaus. Der japanischen Wirtschaft scheint es also ausgezeichnet zu gehen, was auf den ersten Blick ein Widerspruch zum Wachstumseinbruch im zweiten Quartal zu sein scheint. Die Konjunkturindikatoren würden also in den kommenden sechs Monaten eine Fortsetzung des Wachstums nahe legen. Wie passt dies mit den zuletzt enttäuschenden BIP-Zahlen zusammen? 1,5 1,5 1,0 1 0,5 0,5 0,0 0 -0,5 -0,5 -1,0 -1 00 01 02 03 04 05 06 Nettoexporte Staatliche Binnennachfrage Private Binnennachfrage reales BIP, % p.q. Quelle: Cabinet Office, Raiffeisen RESEARCH 2 Japan Das Fundament für ein tragfähiges Wachstum bildet ein mittlerweile wieder robuster Bankensektor. Dieser hat seine Altlast an faulen Krediten so weit abgebaut, dass er inzwischen wieder Risiko nehmen und neue Kredite vergeben kann. Zum ersten Mal seit sieben Jahren ist das gesamte Kreditvolumen der japanischen Banken wieder angestiegen. Die durchschnittliche Unternehmensverschuldung außerhalb des Finanzsektors liegt heute dank Restrukturierungserfolgen wieder auf jenem Niveau, das vor den Exzessen der Achtziger Jahre registriert worden war. Auch die Kreditnachfrage im privaten Sektor steigt wieder an. Ein wichtiger Wachstumsmotor des neuen Wirtschaftsaufschwungs ist der private Konsum. Die privaten Haushalte reagieren auf den optimistischeren Wirtschaftsausblick mit verstärkter Konsumneigung. Sie trauen sich (unterstützt durch steigende Haushaltseinkommen und erste Preissteigerungen am lange Zeit gemiedenen Immobiliensektor) zunehmend, ihre gewaltigen Ersparnisse auch in Konsumnachfrage umzusetzen. Die Verbraucherausgaben machen rund 55 % der Wirtschaftsaktivität in Japan aus. Auch während des tendenziell schwachen zweiten Quartals hat sich der private Konsum erstaunlich gut gehalten und trug so zum Wirtschaftswachstum bei. Das Konsumentenvertrauen wird außerdem durch den starken Arbeitsmarkt unterstützt: Die Arbeitslosenrate liegt mit rund 4 % auf einem 8-Jahrestief (nur halb so hoch wie in der Eurozone), und dementsprechend kommen derzeit auf 100 Arbeitssuchende bereits 109 freie Stellenangebote!1 Angetrieben vom privaten Konsum ist auch der Industriesektor sehr stark, was sich in deutlichen Zunahmen von Investitionen und einem stabilen Wachstum der Industrieproduktion zeigt. Der Anstieg der Investitionen war hauptausschlaggebend für das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal. Die Unternehmen haben nach Jahren der Konsolidierung einigen Investitionsbedarf angehäuft, den sie jetzt in Neuinvestitionen umsetzen. Auch der Blick in die Zukunft ist äußerst optimistisch, wie aus dem Tankan-Bericht für das zweite Quartal hervorgeht: Der Diffusionsindex für die Stimmung von Großunternehmen des verarbeitenden Gewerbes stieg auf 21 nach 20 Punkten im ersten Quartal. Dabei bedeutet ein Wert über Null, dass sich die Mehrzahl der Unternehmen zuversichtlich zeigt. Interessant ist 1 Die natürlich oft nicht zur Qualifikation des Arbeitssuchenden passen deshalb auch in Japan ein gewisser Sockel an struktureller Arbeitslosigkeit. auch der Teilindex zu den geplanten Kapitalausgaben, da die befragten Unternehmen angegeben haben, ihre Investitionen bis zum Ende des Geschäftsjahres im März 2007 voraussichtlich um 11,6 % zu erhöhen. Nicht weniger optimistische Erwartungen hat der Dienstleistungssektor, wenn man den stetigen Anstieg des Tertiary Sector Index betrachtet. Angesichts der konjunkturellen Zuversicht sowohl des sekundären als auch des tertiären Sektors dürfte sich die Wirtschaftserholung auf absehbare Zeit fortsetzen. Die staatliche Binnennachfrage geht allerdings zurück, was der Hauptgrund für das langsame Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal war. Besonders wirkten sich hier die gesunkenen Investitionen in den Wohnungsbau und in öffentliche Bauvorhaben aus. Angesichts des Bestrebens der Regierung, das Staatsdefizit vor Zinszahlungen bis 2011 völlig abzubauen, kommt diese Entwicklung wenig überraschend. Auch der japanische Außenhandel legte im zweiten Quartal eine unterdurchschnittliche Performance hin. Doch es sind nicht die Exporte eingebrochen, auch wenn die Wachstumsverlangsamung in den USA das vermuten lassen könnte - ganz im Gegenteil: es ist weiterhin ein kontinuierlicher Anstieg der Exporte zu beobachten (auch bei den Exporten in die USA). Die Importe haben allerdings stark zugenommen, was der Grund für den Rückgang der Nettoexporte ist. Es sind vor allem die Ölimporte, für die die Japaner tiefer in die Tasche greifen mussten. Die nachstehende Grafik zeigt sehr anschaulich, dass die Importe aus Öl-exportierenden Ländern aufgrund des hohen Ölpreises stark zugenommen haben, was den Leistungsbilanzüberschuss zuletzt deutlich schrumpfen lassen hat. Bei den Exporten profitiert Japan besonders stark vom ungebrochenen Wachstumsboom in Asien. Die japanischen Exporte in die asiatischen Länder haben sich in den letzten Jahren besonders dynamisch entwickelt, und sowohl nach Gesamtvolumen als auch bei den Zuwachsraten andere Exportziele wie Europa oder die USA bereits weit hinter sich gelassen. Besonders hervorheben wollen wir an dieser Stelle die starke Handelsverflechtung mit dem boomenden China. Die japanischen Exporte nach China nahmen in den letzten 12 Monaten durchschnittlich um 22 % p.a. zu. Anstatt sich vor dem Billiglohnland China zu fürchten, versteht es die japanische Exportwirtschaft offen- 3 Japan sichtlich ausgezeichnet, trotz ähnlich hoher Lohnkosten wie in Europa oder den USA überdurchschnittlich von der gewaltigen wirtschaftlichen Aufholdynamik Chinas zu profitieren, für die es z.B. die Investitionsgüter liefert. 3.500 3.000 Die Inflation steigt weiter 2.500 2.000 1.500 1.000 500 99 00 01 02 03 04 05 06 Japans Exporte nach Asien (inkl. Mittlerer Osten) Exporte nach Westeuropa Exporte in die USA Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH in Mrd. JPY …aber Ölimporte belasten Leistungsbilanz 1.200 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 Prognose in Mrd. JPY Japan profitiert vom Boom in Asien… positive Kerninflation erreicht werden (Prognose 2006: +0,6 % p.a.), womit die Deflationsphase in Japan überwunden ist. Der BIP-Deflator dürfte es hingegen erst frühestens 2007 in positives Terrain schaffen. Durch das kräftige Wirtschaftswachstum steigt auch der Preisdruck zunehmend. Zusätzlich wirkt der hohe Ölpreis inflationstreibend, weswegen die Kerninflation bis ins nächste Jahr in einigen Monaten durchaus auf 1,0 % p.a. (und darüber) ansteigen könnte. 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 Kerninflation, % p.a. Preisentwicklung BIP (BIP-Deflator), % p.a. 900 Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH 600 300 0 -300 -600 -900 -1.200 99 00 01 02 03 04 05 06 Japans Nettoexporte (Exporte minus Importe) gegenüber öl-exportierenden Ländern gegenüber nicht-öl-exportierenden Ländern Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Nach vielen Jahren mit fallendem Preisniveau hat Japan seit einigen Monaten seine Deflationsphase überwunden: Seit November 2005 liegt die Inflationsmesslatte der japanischen Notenbank, nämlich die Kerninflation (Inflationsrate exklusive verderbliche Nahrungsmittel, die oft sehr volatil schwanken) über Null. Sie konnte sich im ersten Halbjahr 2006 bei rund 0,5 % p.a. halten, sank aber aufgrund einer neuen Berechnungsgrundlage im Juli auf 0,2 % p.a. ab.2 Damit dürfte heuer erstmals seit der Asienkrise 1998 eine im Jahresschnitt Auch wenn das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr noch sehr hoch ausfallen dürfte, erwarten wir für 2007 eine konjunkturelle Verlangsamung. Diese Entwicklung führen wir auf die zyklische Sättigung der Investitionsnachfrage, die Verlangsamung des US-Wirtschaftswachstums auf Grund einer Abkühlung des US-Immobilienmarktes (vgl. dazu z.B. unsere Spezialpublikation zum US-Immobilienmarkt vom 13. Juni 2006) und die von uns erwartete YenAufwertung zurück. Insbesondere unter den beiden letztgenannten Faktoren werden die japanischen Exporteure zu leiden haben, obwohl die japanische Wirtschaft inzwischen durch die Erholung der Inlandsnachfrage und durch die boomenden Exporte nach Asien gut unterstützt ist. Für eine solche Beeinflussung spricht aber allein schon der gute Vorlauf, den der wichtigste US-Konjunkturindex (ISM) für die japanische Industrieproduktion hat. Eine japanische Konjunkturverlangsamung sollte sich aber auch in einen deutlichen Rückgang der Investitionen auswirken, was die Konjunkturdelle noch vergrößern dürfte. Zusätzlich könnte auch der hohe Ölpreis für niedrigere Wachstumsraten sorgen. 2 Nach alter Berechnungsgrundlage hätte es einen Preisanstieg von 0,6 % p.a. gegeben. Die Berechnungsgrundlage wird alle fünf Jahre geändert, um unter anderem den berücksichtigten Warenkorb veränderten Kauftrends anzupassen. 4 Japan US-Abkühlung würde auch Japan bremsen 106 104 102 100 98 96 94 92 90 88 86 65 60 ? 55 50 45 40 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 USA Konjunkturindex (ISM) japanischer Industrieproduktions-Index (r. Skala) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH In Summe sollte trotz des "Sommergewitters" im zweiten Quartal die konjunkturelle Schönwetterlage heuer noch anhalten. Allerdings wird sich dann das Wachstumstempo nach bereits mehr als vier Jahren dauernder Erholungsphase allmählich verlangsamen. Wir gehen von BIP-Zuwachsraten von 2,6 % für 2006 und 2,0 % für 2007 aus, so dass sich das Wachstum an das auf 1,5 % bis 2 % geschätzte Potenzialwachstum annähern wird. Einen Rückfall in die Deflation halten wir aber für unwahrscheinlich, immerhin sollte die Inflationsrate von 0,5 % im Jahr 2006 auf 0,8 % im Jahr 2007 ansteigen. Der Konsensus sieht diese zentralen Konjunkturgrößen sehr ähnlich.3 Japan Wirtschaftsprognosen 2004 BIP (real, % p.a.) VPI (% p.a.) Kerninflation (% p.a.) Leistungsbilanz* Budgetsaldo* 2,3 0,0 -0,4 3,7 -6,7 2005 2006e 2,6 -0,3 -0,2 3,6 -6,3 2007f 2,6 0,5 0,5 3,3 -5,5 2,0 0,8 0,8 2,8 -5,0 * in % des BIP Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Japan stellt langsame Zinserhöhung in Aussicht Die Bank of Japan (BoJ) hat ihren geldpolitischen Sonderweg beendet. Im Juli hat sie ihren Leitzins den Zielsatz für Tagesgeld - um 25 Basispunkte auf 0,25 % erhöht und damit ihre jahrelange Ära der Nullzinspolitik beendet. Zudem sprachen sich die Währungshüter mehrheitlich dafür aus, den Diskontsatz von bisher 0,1 % auf 0,4 % anzu- heben. Da die japanische Wirtschaft eine jahrelange Stagnation und Deflation überwunden hat, kann sich nun auch die japanische Notenbank dem globalen Zinserhöhungszyklus anschließen. Die BoJ betonte, dass diese erste Zinsanhebung nur der erste Schritt einer langsamen, aber stetigen Straffung der Geldpolitik in Japan war. Eine geldpolitische Normalisierung ist notwendig, um ein Heißlaufen der japanischen Investitionen zu verhindern. Da die Wirtschaft in Japan derzeit sehr kräftig wächst, ermuntert das billige Geld immer mehr Firmen zum Investieren. Im Unterschied zum Jahr 2000 hat sich die japanische Wirtschaft mittlerweile so kräftig erholt, dass eine Normalisierung der Geldpolitik der Konjunktur nicht schaden dürfte. Platz für Zinsanhebungen gäbe es schließlich genug: Unserer Meinung liegt das neutrale Leitzinsniveau zwischen 2,5 % und 3,0 %, basierend auf dem Wachstumspotenzial zwischen 1,5 % und 2,0 % p.a. und einer angestrebten Inflationsrate von ungefähr 1 %. Allerdings betonte Notenbankchef Toshihiko Fukui, dass die BoJ "nicht die Absicht habe, fortlaufend die Zinsen zu erhöhen", weswegen die Zinserwartungen in Japan derzeit relativ niedrig sind. "Zügige Zinsanhebungen würden Geldpolitik und Konjunkturentwicklung aus der Balance werfen. Die Gefahr, dass die japanische Wirtschaft wieder in die Deflation abrutsche, sei jedoch deutlich gesunken", sagte der oberste Währungshüter. Ein weiterer Grund für die niedrigen Zinserwartungen ist die Forderung der Regierung, dass die BoJ mit ihren Zinsanhebungen noch zuwarten sollte. Vor allem Finanzminister Sadakazu Tanigaki fürchtet angesichts der ausufernden Staatsverschuldung, die bei 170 % des BIP liegt, höhere Zinszahlungen. Und schließlich sind aufgrund der zuletzt tiefen Kerninflationsrate im Juli (0,2 % p.a.) die Zinserwartungen in den Keller gesunken. Unserer Meinung nach ist der Markt hinsichtlich der Zinserwartungen zu pessimistisch eingestellt. Da wir erwarten, dass das Wirtschaftswachstum sich fortsetzt, sollte auch die Straffung der Geldpolitik weitergehen. Die Ausführungen zur Durchführung der Geldpolitik lassen unseres Erachtens wenig Zweifel an dem Bestreben der Notenbank, die Geldpolitik zu normalisieren. Dieser Prozess dürfte sich jedoch graduell und in Abhängigkeit von der Datenlage vollziehen. Notenbankpräsident Fukui wiederholte auf der begleitenden Pressekonferenz, dass es keinen festgelegten Zeitpunkt für weitere Zinsanhebungen gebe. Auf welche Indikatoren sollte man daher in Zukunft achten? 3 Der Konsensus rechnet mit einem BIP-Wachstum von 2,9 % für 2006 und 2,2 % für 2007 bzw. mit einer Inflationsrate von 0,6 % für 2006 und 0,7 % für 2007 (Consensus Economics, 14. August 2006) 5 Japan Spannend wird sicher der nächste Tankan-Bericht der BoJ am 2. Oktober. Einige Notenbanker erwarten bereits, dass diesem Bericht zufolge Unternehmen planen, ihre Investitionen noch stärker zu erhöhen (nachdem sie im letzten Tankan-Bericht angegeben hatten, ihre Investitionen bis März 2007 um 11,6 % erhöhen zu wollen). Sollte der Konjunkturbericht also signalisieren, dass sich die schon in der Vergangenheit sehr starken Investitionen zu überhitzen drohen, könnte dies die BoJ zum Handeln veranlassen. Schon die letzte Zinsanhebung wurde mit Blick auf die starken Investitionen begründet, um die erneute Entwicklung einer "Bubble" wie in den Achtziger Jahren mit entsprechend negativen Folgen zu vermeiden. Wir sehen die nächste Zinsanhebung von 25 Basispunkten somit im vierten Quartal, wobei die Chancen hoch sind, dass die BoJ am 13. Oktober tätig wird, wenn der Tankan-Bericht erwartungsgemäß positiv ausfällt. Es könnte aber auch sein, dass die BoJ noch die BIP-Zahlen für das dritte Quartal abwartet und somit erst am 16. November reagiert. Im Jahr 2007 dürfte eine voraussichtlich festere Tendenz des Yen die Notenbank danach zu einer abwartenden Haltung veranlassen. Die oben erläuterte Wachstumsverlangsamung im nächsten Jahr sollte auch dazu beitragen, dass die BoJ sehr zögerlich reagieren wird. In ihrer Analyse der mittel- bis langfristigen Risiken betont die BoJ jedoch die Stabilitätsrisiken, die sich aus einer lange Zeit sehr expansiven Ausrichtung der Geldpolitik ergeben (Gefahr von Überinvestitionen). Die derzeitigen Anzeichen für eine signifikante investitionsbedingte Beschleunigung des Kreditwachstums bestätigen dieses Bild. Daher rechnen wir im ersten Halbjahr 2007 mit einer weiteren Zinsanhebung von 25 Basispunkten, sodass der Leitzins Mitte 2007 somit bei 0,75 % liegen sollte. Zinserhöhung geht weiter 2 Prognose Die Inflationsrate scheint dabei kein geeigneter Indikator zu sein, da wir nicht davon ausgehen, dass die Änderung der Verbraucherpreise deutlich über 1 % p.a. klettern könnte. Der erwartete Preisauftrieb ist somit mit den Grundvorstellungen der Notenbank von Preisstabilität vereinbar, weswegen die BoJ inflationsseitig wenig Eile hat, die Zinsen anzuheben. Andererseits sehen wir wie die BoJ wenig Chancen, dass die japanische Wirtschaft in die Deflation zurückrutscht, womit die wichtigste Bedingung für weitere Zinsanhebungen erfüllt bleibt. Ein brauchbarer Indikator könnte aber der BIP-Deflator sein, der sich derzeit noch immer im negativen Bereich befindet. Da sich die Regierung nach diesem Indikator orientiert, hat sie offiziell noch immer nicht das Ende der Deflation ausgerufen. Damit argumentiert die Regierung gegenüber der BoJ, dass sie mit weiteren Zinsanhebungen zuwarten sollte. Der BIP-Deflator sollte es aber erst im Jahr 2007 in positives Terrain schaffen - wird es also bis dahin eine Zinspause geben? Unserer Ansicht nicht, denn das offizielle Ende der Deflation könnte die Regierung schon wesentlich früher verkünden: Im September scheidet Premier Junichiro Koizumi aus dem Amt, dem wahrscheinlich der "offizielle Sieg über die Deflation" geschenkt werden wird. Sein vermutlicher Nachfolger, Shinzo Abe, erklärte jedenfalls unlängst: "Das Ende der Deflation kommt in Sicht". 2 1 1 0 0 -1 -1 95 97 99 01 03 05 07 JPY Overnight Zins (Leitzins) Kerninflation Japan, % p.a. Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Mit dem Anstieg der kurzfristigen Zinsen sollten sich auch die längerfristigen Zins- und Kapitalmarktsätze weiter nach oben bewegen. Obwohl zuletzt aufgrund fallender Renditen in den USA und in der Eurozone auch die japanische 10J-Rendite fiel, sprechen die wichtigsten Einflussfaktoren nun wieder für steigende Renditen: Besonders bis Anfang 2007 erwarten wir noch größere Renditeanstiege, da die Konjunktur robust bleiben und die Inflationsrate ansteigen sollte. Zusammen mit den von uns erwarteten Zinsanhebungen sollte die japanische 10J-Rendite bis zum Jahresende 2006 auf 2,10 % ansteigen. Wenn sich 2007 die Konjunktur verlangsamt, die BoJ mit ihren Zinsanhebungen nur sehr zögerlich reagiert und international das Umfeld für Anleihen günstiger wird, sollte der Renditeanstieg etwas gemäßigter ausfallen. Im Juni 2007 erwarten wir die 10J-Rendite bei 2,30 %. 6 Japan Renditedifferenz zur Eurozone 3,00 1,8 2,75 1,6 1,4 2,50 1,2 2,25 1,0 2,00 0,8 0,6 1,75 2J 3J 4J 5J 6J 7J 8J 9J 10J Renditedifferenz EUR - JPY (in %) JPY-Renditestruktur (in %, r. Skala) Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH JPY-Zins-/Renditestruktur 2,4 2,0 daten (u.a. niedriges BIP im zweiten Quartal, niedriger Verbraucherpreisindex im Juli) und aufgrund zögerlicher Aussagen seitens der Notenbank und der Regierung äußerst niedrig sind, ist der Zinsausblick in der Eurozone relativ aggressiv. In der Eurozone hat sich der Konjunkturausblick rasant verbessert, und wir erwarten wie der Markt bis zum Jahresende noch zwei Zinsanhebungen, sodass der Leitzins dann bei 3,50 % liegt. In Japan hingegen gehen sowohl wir als auch der Markt in diesem Jahr nur mehr von einer Zinsanhebung aus, was der Hauptgrund für die derzeitige Yen-Abschwächung ist. Auf einem Währungsmarkt, der immer noch sklavisch der Entwicklung der Zinserwartungen folgt, gab das dem Euro bzw. EUR/JPY entsprechenden Auftrieb. Diese Entwicklung zeigt die folgende Grafik, die die relative Entwicklung der einjährigen Geldmarktzinsen in Euroland bzw. Japan zeigt (konkret: Differenz 1-Jahreszins Euroland zu 1-Jahreszins Japan), die im Wesentlichen die unterschiedliche Entwicklung der Zinserwartungen widerspiegeln. Zinsdifferenz treibt derzeit EUR/JPY… 1,6 3,0 1,2 146 2,8 0,8 2,6 0,4 2,4 3 1 3M aktuell 2 3 4 5 Sep.06 6 7 Dez.06 8 9 1 10 2,2 Jun.07 2,0 Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH Kurzfristig kein Ende der YenSchwäche in Sicht Der Euro setzt seine Rekordjagd gegenüber dem Yen fort und nähert sich der psychologisch wichtigen Marke von EUR/JPY 150. Der Abwärtstrend zulasten des Yen, der in diesem Jahr gegenüber dem Euro schon 8 % an Wert verloren hat, scheint somit weiter uneingeschränkt intakt zu sein. Die guten japanischen Wirtschaftsdaten und die Zinsanhebung im Juli scheinen vom Markt völlig ignoriert worden zu sein. Dabei ist der Yen so stark unterbewertet wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Der Grund ist, dass der Yen unter den niedrigen japanischen Zinsen litt und immer noch leidet. Denn während die japanischen Zinserwartungen aufgrund der letzten Konjunktur- 1,8 Jän.04 141 136 131 126 Jul.04 Jän.05 Jul.05 Jän.06 Jul.06 1J-Zinsdifferenz EUR minus JPY EUR/JPY (r. Skala) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Beim Währungspaar USD/JPY erklärten bis ins zweite Quartal ebenfalls die Zinserwartungen die Wechselkursbewegung, seither funktioniert das Zinsargument nicht mehr. Die Trendwende kam in dem Augenblick, als das Ende des USZinsanhebungszyklus absehbar war. Durch die damit zusammenhängende US-Dollar-Abwertung konnte der Yen gegenüber dem Greenback aufwerten. Der Verlauf des Wechselkurses USD/JPY ist nun vielmehr durch US-spezifische Themen beeinflusst, und zeigt sich angesichts abwechselnd schlechter US-Konjunkturdaten mit hohen USInflationszahlen relativ volatil. 7 Japan …während bei USD/JPY die Zinsdifferenz zuletzt keine Rolle spielte 5,0 120 4,5 115 4,0 110 3,5 105 3,0 2,5 Jän.05 Mai.05 Sep.05 Jän.06 Mai.06 100 Sep.06 1J-Zinsdifferenz USD minus JPY USD/JPY (r. Skala) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Wir denken, dass sich EUR/JPY ähnlich verhalten wird: Vorerst sollte der Yen aufgrund des Zinsarguments noch weiter gegenüber dem Euro abwerten, da die Einflussfaktoren, die die japanischen Zinserwartungen niedrig halten und damit den Yen abschwächen, noch zumindest bis zum Jahresende wirken sollten. Erst im Jahr 2007, wenn in der Eurozone der Zinshöhepunkt erreicht ist (und in den USA die erste Zinssenkung diskutiert wird), in Japan die Zinsen aber trotzdem noch weiter steigen, sollte das Zinsargument den Yen unterstützen. Aber erst sobald sich dieser Umschwung vollzieht, hat der Yen eine echte Chance, seinen Abwertungstrend zu stoppen. Kurz- und mittelfristig sollte der Yen auch unter der US-Wachstumsverlangsamung leiden. In der Vergangenheit wertete der Yen in der Regel dann auf, wenn das globale Konjunkturumfeld günstig war, und eine globale Wachstumsverlangsamung schadete normalerweise dem Yen. Gegenüber dem Euro könnte der Yen daher bis Jahresende in Richtung EUR/JPY 154 abwerten. Da der US-Dollar aber noch stärker abwerten sollte (Ende des USZinsanhebungszyklus aufgrund der Konjunkturverlangsamung in den USA), dürfte der Yen zum US-Dollar leicht profitieren. Im Dezember 2006 sollte der Yen bei USD/JPY 114 liegen. Die Yen-Schwäche wäre nicht weiter bemerkenswert, gäbe es nicht einige langfristige Gründe, deretwegen der Yen eigentlich sehr stark sein sollte: Berücksichtigt man die unterschiedliche Inflationsentwicklung zwischen Japan und dem Rest der Welt, so ist der Yen derzeit so billig wie zuletzt vor zwanzig Jahren! Angesichts der viel tieferen Inflationsraten Japans im Vergleich zu den Handelspartnern in den letzten Dekaden haben sich die japanischen Exporte laufend verbilligt. Laut Kaufkraftparitätentheorie sollte das langfristig durch eine Aufwertung des YenWechselkurses ausgeglichen werden, was im Schnitt der letzten Jahrzehnte auch ganz gut funktioniert hat. Trotz zeitweiliger Über- und Unterbewertungen kehrte sowohl USD/JPY als auch EUR/JPY immer wieder zu seinem "fairen" Wert zurück. Die Unterbewertung des Yen hat mittlerweile extreme Werte erreicht: So würde die Inflationsdifferenz für "faire" Werte von USD/JPY 100 bzw. EUR/JPY 120 sprechen, wie die nachfolgenden Grafiken veranschaulichen.4 Inflationsdifferenz spricht für stärkeren JPY sowohl gegenüber dem USD… 160 150 140 130 120 110 100 90 80 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 USD/JPY USD/JPY (gemäß PPI) USD/JPY (gemäß VPI) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH … als auch gegenüber dem EUR 210 190 170 150 130 110 90 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 EUR/JPY EUR/JPY (gemäß PPI) EUR/JPY (gemäß VPI) Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH 4 Es ist uns bewusst, dass die letzten 20 Jahre willkürlich gewählt wurden. Dennoch scheint die Inflationsdifferenz als langfristige Richtschnur für die Wechselkursentwicklung von USD/JPY und EUR/JPY sehr gut zu funktionieren. 8 Japan Während die USA mit einem ausufernden Leistungsbilanzdefizit kämpfen, das langfristig zu einer deutlichen US-Dollar-Abwertung führen dürfte, sollte der Yen langfristig von einem hohen Leistungsbilanzüberschuss Japans profitieren. Hoher Leistungsbilanzüberschuss Japans 6 4 Konjunkturdynamik spricht für den JPY 110 90 105 100 100 110 95 120 90 130 85 140 80 2 150 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 0 Japan Konjunkturindikator -2 USD/JPY (r. Skala, invertiert!) -4 Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH -6 -8 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Japan Leistungsbilanz in % des BIP USA Leistungsbilanz in % des BIP Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Eine absehbare weitere Aufwertung der chinesischen Währung Yuan (Renminbi) zum US-Dollar in den nächsten Quartalen und Jahren wird (trotz des sehr langsamen und kontrollierten Aufwertungstempos) auch für den japanischen Yen langfristig den Aufwertungsspielraum gegenüber dem US-Dollar vergrößern. Auf Sicht von zwölf Monaten erwarten wir immerhin eine Aufwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar von rund 5 % (von derzeit USD/CNY 7,95 auf USD/CNY 7,60). Dazu kommt, dass auch das Konjunkturmomentum für einen stärkeren Yen spricht. Der Zusammenhang zwischen Yen und japanischer Konjunkturentwicklung hat sich über viele Jahre und mehrere Konjunkturzyklen hinweg als sehr robust herausgestellt. Stärkephasen der japanischen Konjunktur führten in den vergangenen Jahren üblicherweise auch zu einer Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar, während bei einem Nachlassen der Konjunkturdynamik in Japan auch der Yen zur Schwäche neigte. Seit 2005 hat sich hier allerdings eine große Lücke aufgetan zwischen dem positiven Konjunkturausblick und dem ungewöhnlich schwachen Yen. Ab dem nächsten Jahr, wenn die Zinsschere zuungunsten des Yen nicht mehr weiter auseinander gehen sollte, dürften diese langfristigen Argumente für eine Yen-Aufwertung wieder relevant werden. In der Vergangenheit folgte auf Phasen deutlicher Unterbewertung des Yen eine explosionsartige Aufwertung des Yen, die umso heftiger ausfiel, je länger und drastischer die Unterbewertung vorher war. Seit 1990 gab es bereits zwei solcher raschen Aufwertungsphasen, und zwar von September 1992 bis August 1993, als der Yen gegenüber dem Euro um mehr als 80 % aufwertete, und von August 1998 bis Oktober 2000, als die Aufwertung gegenüber dem Euro mehr als 60 % ausmachte. Da EUR/JPY bereits ein 8-Jahres-Hoch erreicht hat, wird die Gefahr einer deutlichen Korrektur immer größer. Auch wenn es derzeit noch nicht absehbar ist, wäre angesichts der starken Verschuldung des Marktes im Yen als derzeit billigste Finanzierungswährung im Laufe des nächsten Jahres eine massive Yen-Aufwertung vorstellbar, wenn aufgrund steigender Zinsen viele Investoren gleichzeitig aus ihren Yen-Verbindlichkeiten aussteigen wollen, dazu Yen zurückkaufen müssten und so den Yen stark aufwerten ließen! Soweit dies derzeit absehbar ist, erwarten wir im nächsten Jahr aber eine eher moderate YenAufwertung, da die Bank of Japan (BoJ) angesichts der Konjunkturabschwächung nur langsam die Zinsen normalisieren dürfte. Und umgekehrt wird die BoJ die Zinsen deswegen nur langsam anheben, um eine zu starke Aufwertung des Yen zu vermeiden. Besonders die Regierung würde den Yen eher schwach halten, um die japanische Exportwirtschaft zu unterstützen. 9 Japan Im ersten Quartal 2007 dürfte der Trendwechsel hin zu einer Aufwertung des Yen gegenüber dem Euro erfolgen. Eine deutliche Aufwertungsbewegung des Yen gegenüber dem Euro sehen wir aber erst im zweiten Quartal, wobei der Wechselkurs im Juni 2007 bei EUR/JPY 149 liegen sollte. Auch gegenüber dem US-Dollar dürfte der Yen dann stärker aufwerten, sodass das unser Juni-Ziel für USD/JPY bei 109 liegt. Von einer Finanzierung im japanischen Yen raten wir spätestens ab dem nächsten Jahr dringendst ab!5 90-Tage Verlauf FX Vola zum EUR 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% Wechselkurse EUR/JPY und USD/JPY 0% Sep.99 150 140 140 Prognose 150 130 130 120 120 110 110 100 Jän.02 Jän.03 Jän.04 Jän.05 Jän.06 Jän.07 100 EUR/JPY USD/JPY Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Prognosen aktuell Sep.06 Dez.06 Mär.07 Jun.07 EUR/JPY USD/JPY EUR/USD 149,5 116,7 1,281 150 115 1,30 154 114 1,35 153 113 1,35 149 109 1,37 Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH Zum Schluss ein wichtiger Warnhinweis! Wie der folgende Chart zeigt, schwankt der Kurs des Yen deutlich stärker als beispielsweise der des Schweizer Franken. Der Yen ist eine hochgradig volatile und riskante Währung, die mit großer Vorsicht behandelt werden sollte. Perioden, in denen sich der Yen weit von seinem fundamental gerechtfertigten Niveau entfernt, sind keine Seltenheit (wie zuletzt 1998-2000, als der Yen binnen 2 Jahren um rund 80 % auf EUR/JPY 90 aufwertete). 5 Vom erwarteten Wechselkursniveau zum Jahreswechsel (EUR/JPY 154) würde der weiterhin bestehende Zinsvorteil des JPY auf Jahressicht bereits durch eine minimale Aufwertung auf EUR/JPY 150 mehr als kompensiert, jede JPY-Aufwertung unter dieses Niveau würde eine JPY-Finanzierung deutlich teurer als eine EUR-Finanzierung machen. Jän.01 Mai.02 USD Sep.03 JPY Jän.05 Mai.06 CHF Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Die Währung profitiert vom hohen Leistungsbilanzüberschuss Japans (rund 3 % des BIP), der die Nachfrage nach Yen hoch hält, und sie ist gleichzeitig stark von Kapitalströmen abhängig. Diese können zu starken und unvorhergesehenen Ausschlägen des Yen-Kurses in beide Richtungen führen, die sich kaum prognostizieren lassen und daher in unseren Prognosen nicht berücksichtigt werden können. Da Auslöser und Ausmaß solcher Flüsse aber kaum zu prognostizieren sind, können wir nur versuchen, eine Abschätzung der zu erwartenden YenEntwicklung anhand der uns vorliegenden fundamentalen Faktoren zu geben. Die tatsächliche YenEntwicklung hängt auch von vielen Unwägbarkeiten (wie z.B. Kapitalrepatriierungen) ab, die den Yen durchaus für längere Zeit in eine andere Richtung treiben können, ohne dass sich an den Fundamentaldaten etwas ändern müsste. Man sollte sich daher nur dann mit dieser Währung einlassen, wenn man über genug Liquidität und Durchhaltevermögen verfügt, um auch solche Phasen durchtauchen zu können, in denen die YenEntwicklung längere Zeit Verluste verursacht. Achtung! Einen aktuellen Kurzkommentar zum japanischen Yen und anderen wichtigen Wechselkursen bzw. zu wichtigen Ereignissen im Zusammenhang mit diesen Währungen, inklusive der stets aktuellen Prognosen, finden Sie auch in unserer wöchentlichen Währungspublikation "Fokus FX" (jeden Dienstag neu), sowie in ad-hoc erfolgenden Kurzaussendungen. Ihr Raiffeisen-Kundenbetreuer wird diese auf Anfrage gerne an Sie weiterleiten. 10 Japan Anhang Zinsvorteil vs. Wechselkurs Ertragsprofil eines Yen-Kredites mit variabler Verzinsung in Abhängigkeit vom EUR/JPY-Kurs Aufwertungsphasen von deutlich mehr als 25 % keine Seltenheit. Allein zwischen Oktober 1998 und Oktober 2000 stieg der Wert des JPY gegenüber dem ATS von ATS/JPY 8,5 auf ATS/JPY 15,5 an, eine Aufwertung des JPY zum ATS (bzw. EUR) von rund 82 % ! Der bestimmende Faktor bei der Kalkulation der Vorteilhaftigkeit eines Fremdwährungskredites ist (neben der Zinsdifferenz) der erwartete Verlauf des Wechselkurses. Eine Aufwertung der Kreditwährung macht über die teurere Rückzahlung den Vorteil niedrigerer Zinsen während der Laufzeit des Kredites schnell zunichte, insbesondere bei einer so stark schwankenden Währung wie dem JPY. Als weitere Entscheidungshilfe soll die beigefügte Grafik dienen. Abgebildet ist der Kreditverlauf eines EUR (ATS)- und eines JPY-Kredits. Beide werden auf Grund der historischen Geldmarktzinsen (3M Vibor bzw. Euribor sowie 3M Libor) sowie der historischen Wechselkurse (ATS/JPY bzw. EUR/JPY) berechnet. Der Kredit wurde vor zehn Jahren aufgenommen, die Information bezieht sich somit im Gegensatz zur Tabelle nicht auf ein mögliches Zukunftsszenario, sondern auf die tatsächlich erfolgte monatliche Entwicklung. Liegt die Linie des Fremdwährungskredits oberhalb des EUR (ATS)Kredits, so hat die Aufwertung des JPY den Zinsvorteil mehr als wettgemacht. Liegt die Linie des Fremdwährungskredits unterhalb, so hätte sich der JPY-Kredit gerechnet. Wie die Grafik zeigt, sind also Einstiegs- sowie Ausstiegszeitpunkt wichtige Determinanten der Profitabilität eines JPY-Kredites. Die hier vorgestellte Tabelle soll dabei eine Entscheidungshilfe bieten. Ausgehend vom aktuellen Zinsniveau (3-Monats LIBOR) in JPY und EUR wird der Zinsvorteil eines JPY-Kredites errechnet (zur Zeit 2,85 %). Aus dieser jährlichen Zinsersparnis wird die maximale Aufwertung des JPY gegenüber dem EUR (und damit implizit auch gegenüber dem ATS) berechnet, die durch den Zinsvorteil des JPY-Kredites gerade noch gedeckt ist. Zu diesem Zweck muss natürlich eine Annahme über den Verlauf der Zinsdifferenz getroffen werden. Wir unterstellen für diese Berechnung, dass sich die Geldmarktzinsdifferenz zwischen JPY und EUR 2006 rund 2,5 % beträgt und anschließend (durch Zinsanhebungen in Japan) auf durchschnittlich rund 2 % absinkt. Kreditentwicklung im Vergleich 1,8 1,7 1,6 Die "maximale Aufwertung" ("Max.Aufw.") ist die kumulierte Aufwertung, ab der ein JPY-Kredit in die Verlustzone gerät. Für einen Kredit mit 10-jähriger Laufzeit bedeutet das, dass der JPY über diese Laufzeit maximal 22,3 % aufwerten darf. Das entspricht einem Kurs von EUR/JPY 122,3 bzw. ATS/JPY 11,3 am Laufzeitende. Jede Aufwertung über dieses Maß hinaus macht den JPY-Kredit teurer als einen vergleichbaren Kredit in EUR. 1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 Aug.96 Nun mag eine mögliche Aufwertung von rund 20 % hoch erscheinen. Betrachtet man allerdings die historische Entwicklung des JPY, so sind Aug.98 Aug.00 Aug.02 EUR (ATS) Aug.04 Aug.06 JPY Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH Zinsvorteil eines variablen JPY-Kredites aktuell Zinsdifferenz 3M* Max.Aufw. EUR/JPY Kurs ATS/JPY Kurs 2,85 149,5 9,20 2007 +1J 2008 +2J 2009 +3J 2010 +4J 2011 +5J 2012 +6J 2013 +7J 2014 +8J 2015 +9J 2016 +10J 2,5 2,5% 145,9 9,4 2,3 4,8% 142,7 9,6 2,0 6,8% 139,9 9,8 2,0 8,9% 137,3 10,0 2,0 11,0% 134,6 10,2 2,0 13,2% 132,1 10,4 2,0 15,4% 129,5 10,6 2,0 17,6% 127,1 10,8 2,0 19,9% 124,6 11,0 2,0 22,3% 122,3 11,3 Aktuell: JPY 3M-LIBOR: 0,40 % EUR 3M-LIBOR: 3,25 % Zinsdifferenz: 2,85 % * Annahme: Die Zinsdifferenz beträgt 2006 im Schnitt rund 2,5 % und sinkt anschließend auf rund 2 %. Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH 11 Japan Medieninhaber (Verleger), Herausgeber Raiffeisen RESEARCH GmbH A-1030 Wien, Am Stadtpark 9 Telefon: +43 1 717 07 - 1521 Dieser Bericht wurde von Raiffeisen RESEARCH ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Die in diesem Bericht enthaltenen Angaben, Analysen und Prognosen basieren auf dem Wissensstand und der Markteinschätzung der mit der Erstellung dieses Berichtes betrauten Personen zu Redaktionsschluss. Raiffeisen RESEARCH behält sich in diesem Zusammenhang das Recht vor, jederzeit Änderungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Die Vervielfältigung, Weiterleitung und Verteilung von Texten oder Textteilen dieses Berichtes ist ausdrücklich untersagt. Raiffeisen RESEARCH übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit der im Bericht enthaltenen Informationen und/oder für das Eintreten der Prognosen. Im wesentlichen werden folgende Quellen verwendet: Reuters, Thomson Financial Datastream. Dieser Bericht richtet sich ausschließlich an Marktteilnehmer, die in der Lage sind, ihre Anlageentscheidungen eigenständig zu treffen und sich dabei nicht nur auf die Analysen und Prognosen von Raiffeisen RESEARCH stützen. Dieser Bericht ist unverbindlich und stellt weder ein Angebot zum Kauf der genannten Produkte noch eine Anlageempfehlung dar. Ausführlicher Disclaimer sowie Offenlegung gemäß § 48f Börsegesetz: http://www.raiffeisenresearch.at -> “Disclaimer”. 12