Kontraktion in Japan

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8. Mai 1998 - Nr. 83
Aktuelle Themen
Deutschland • Europa • International
Kontraktion in Japan
•
Die konjunkturellen Aussichten für Japan bleiben – trotz des jüngsten Fiskalpaketes in Höhe von JPY 16,65 Bill. – eher düster. Die avisierten Maßnahmen werden erst gegen Ende des Jahres zu einer Erholung führen, so daß
wir für 1998 mit einem Rückgang des BIP um 0,4% gg. Vj. rechnen. Im
kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft um 1,3% gg. Vj. expandieren.
•
Diese Einschätzung könnte sich sogar als noch zu optimistisch erweisen.
Vor dem Hintergrund sinkender Gewinne und stagnierender Einkommen besteht das Risiko, daß die japanische Wirtschaft in eine Deflationsspirale abgleiten könnte.
•
Die konjunkturelle Situation und die Währungsturbulenzen in den Nachbarländern Asiens spiegeln sich in der Außenhandelsentwicklung Japans wider.
Diese Kräfte könnten sich gegenseitig verstärken und die Aussichten auf
eine Erholung in Asien verdunkeln.
•
Angesichts des trüben Konjunkturausblicks wird der JPY weiterhin zur Schwäche neigen. Bei auf absehbare Zeit unveränderter Geldpolitik ist mit einem
sich ausweitenden Zinsdifferential gegenüber den USA zu rechnen. Auf kurze
Sicht dürfte sich der JPY auf 140 gegenüber dem USD abwerten. Rückschlagsrisiken am Rentenmarkt sind dagegen nicht auszumachen.
•
Die Gefahr eines sich verstärkenden “credit crunches” besteht weiterhin.
Die Schwäche des Finanzsystems stellt ein erhebliches Risiko für die weitere Konjunkturentwicklung dar. Die im Zuge des Big Bangs zunehmende ausländische Konkurrenz wird zu einer Beschleunigung des Strukturwandels
führen, der mit erheblichen Anpassungskosten verbunden sein wird.
Atsushi Mizuno, Tokyo, (81) 3-5401-7099
Antje Stobbe, Frankfurt, (069) 910-31847
Kontraktion in Japan
Die konjunkturellen Aussichten für Japan sind – trotz des jüngsten Fiskalpaketes – eher düster. In diesem Jahr rechnen wir mit einem Rückgang des BIP um 0,4% gg. Vj. und auch im nächsten Jahr dürfte nach
unserer Einschätzung nur eine leichte Erholung von +1,3% gg. Vj. folgen. Selbst diese Schätzungen könnten sich als noch zu optimistisch
erweisen. So könnte die japanische Wirtschaft zum einen in einen deflationären Prozeß hinabgleiten. Zum anderen könnten sich durch die im
Zuge der Asienkrise deutlich zurückgehenden asiatischen Importe aus
Japan stärker als bisher erwartete Belastungen der japanischen Wirtschaft ergeben. Dabei besteht die Gefahr, daß sich die japanischen und
die asiatischen Wirtschaftsprobleme über deren Handelsverflechtungen
gegenseitig verstärken und einen Aufschwung in Asien verzögern.
Schließlich gehen bedeutende Risiken von der Krise des japanischen
Finanzsystems aus. Hier erweist sich vor allem die Möglichkeit weiterer Banken- und Unternehmenszusammenbrüche als größtes Risiko,
das eine Verschärfung der derzeit bestehenden Kreditverknappung (”credit
crunch”) nach sich ziehen könnte.
Konsum und Investitionen schwach
Auch die Entwicklung der Industrieproduktion spiegelt den raschen Konjunkturabschwung in Japan wider. So fiel der Index des Finanzministeriums zur Industrieproduktion im Februar drastisch um 3,9% gg. Vm.
(3,6% gg. Vj.) und im März um 1,9% gg. Vm. (5,3% gg. Vj.). Im April
Quartalsprognose:
Quellen: Nationale Institutionen, DBR
2
2,1
Nominal
Real
85
87
89
91
93
95
97
Quelle: EPA
50
Industrieproduktion auf dem Abwärtstrend
BIP, % gg.Vq. Jahresrate
Privater Verbrauch
Staatsverbrauch
Anlageinvestitionen
Exporte
Importe
Verbraucherpreise
gg. Vj. in %
8%
7%
6%
5%
4%
3%
2%
1%
0%
-1%
Verbrauchervertrauen
Zu der ernsten gesamtwirtschaftlichen Situation in Japan tragen vor
allem der Einbruch des privaten Konsums, aber auch der privaten Investitionen bei. So hat die Erhöhung der Konsumsteuer auf 5% zum 1. April
1997 einen deutlichen Rückgang der privaten Konsumnachfrage ausgelöst (-10,6% gg. Vj. im 2. Q. 1997) und das Konsumentenvertrauen
nachhaltig geschwächt. Vor dem Hintergrund stagnierender Einkommen
sowie einer für japanische Verhältnisse relativ hohen und weiter ansteigenden Arbeitslosenquote von 3,9% im März dürfte sich das reale Wachstum der Konsumausgaben in diesem Jahr auf nur 0,3% belaufen. Für
diese Prognose sprechen auch deutliche Rückgänge bei den Einzelhandelsumsätzen (Feb. -5,5% gg. Vj.). Die privaten Investitionen dürften
ebenso wie 1997 in diesem Jahr einen negativen Beitrag zum BIPWachstum leisten. So planen die im Tankan-Bericht der Bank von Japan befragten größeren Industrieunternehmen, ihre Investitionsausgaben im laufenden Jahr um 4,3% zurückzuführen. Dies ist Folge der negativen Perspektive für die Unternehmensgewinne, die sowohl durch
die Asienkrise als auch durch die eingebrochene Inlandsnachfrage stark
gedämpft worden sind.
1997
Q3
3,2
7,0
2,8
-2,9
-5,8
-4,3
BIP Wachstum
Q4
-0,7
-3,6
5,6
-2,9
12,9
-5,2
1998
Q1
0,4
3,2
1,6
-3,8
-11,5
-11,5
Q2
-1,6
0,8
1,2
-3,4
-3,9
4,1
Q3
0,8
2,4
1,2
0,1
-0,4
2,0
2,1
1,9
0,3
0,1
Q4
2,2
3,2
0,8
4,2
1,2
9,1
1999
Q1
2,1
2,0
0,8
3,6
2,0
6,1
Q2
1,2
0,5
0,8
-0,1
2,8
-0,8
-0,1
0,1
0,1
%
45
40
35
30
82
84
86
88
90
92
94
96
Quelle: EPA
Deutsche Bank Research Prognose:
1996 1997 1998 1999
BIP (real)
gg. Vj. in %
Privater Verbrauch
Staatsverbrauch
Anlageinvestitionen
Exporte
Importe
Verbraucherpreise
gg. Vj. in %
Budgetdefizit
(ges. öff. Sektor)
% des BIP
Handelsbilanz
Mrd. USD
Leistungsbilanz
Mrd. USD
% des BIP
Arbeitslosenquote
3,9 0,9
2,9 1,1
1,5 -0,2
9,5 -3,4
3,5 10,9
11,5 -0,1
-0,4
0,3
2,0
-2,8
-0,9
-3,5
1,3
1,9
0,9
1,1
1,6
3,9
0,1
1,7
0,5
0,1
-4,2
-3,5
-3,3
-3,2
83
102
98
93
66,0 94,3 96,3 91,4
1,4 2,3 2,6 2,4
3,4
Quellen: Nationale Institutionen, DBR
3,4
3,7
3,9
wird ein weiterer Rückgang um 2,5% gg. Vm. (7,6% gg. Vj.) prognostiziert. Für das gesamte 1. Quartal bedeutet dies eine erhebliche Abschwächung um 1,6% gg. Vq. (4. Q. 1997: -2,3% gg. Vq.). Da aufgrund der
Situation in Asien mit einem fortgesetzten Lageraufbau gerechnet wird,
obwohl die Produktion im Automobilsektor und anderen Branchen bereits deutlich reduziert wird, könnte diese Prognose nach unten revidiert
werden. Demgegenüber sank der Lagerhaltungsindex im März zum
ersten Mal nach vier aufeinanderfolgenden Monaten um 0,4% (Feb.
+0,7% gg. Vj.) und erreichte ein Niveau von 113,1 (1990=100), was in
etwa dem Höchststand von 114,0 im Januar 1992 entspricht. Die japanische Wirtschaft befindet sich trotz dieses einmaligen Rückgangs in
einer Phase unbeabsichtigten Lageraufbaus, die zu weiteren Produktionseinschnitten führen könnte.
Industrieproduktion &
Lagerbestand
145
140
135
130
125
120
115
110
105
100
95
110
105
100
95
90
85
80
75
70
65
60
(1990=100)
Produktion (rechts)
Lagerbestand (links)
90
91
92
93
94
95
96
97
98
Quelle: MITI.
Anmerkung: Dicke Linien sind Quartalswerte.
Tankan-Bericht zeichnet ein düsteres Bild
Der am 2. April veröffentlichte Tankan-Bericht der Bank von Japan zum
Geschäftsvertrauen macht ebenfalls das Ausmaß der Rezession deutlich. Der Diffusionsindex zum Geschäftsklima1 fiel auf –31 im verarbeitenden Gewerbe bzw. -30 in den übrigen Sektoren. Dies stellt nicht nur
einen massiven Rückgang im Vergleich zum Dezember dar (-11 bzw.
-20), sondern liegt auch deutlich unter den Prognosewerten (-15 bzw.
-22). Der Rückgang des Indexes um 20 Punkte im verarbeitenden Gewerbe ist der stärkste seit der Ölkrise der siebziger Jahre (Februar 1975:
-28), und das Niveau befindet sich bereits unter dem Tiefpunkt der Rezession der späten 80er Jahre. Die Prognose für den nächsten Bericht
im Juni ist im verarbeitenden Gewerbe unverändert (-31), während in
den anderen Sektoren eine leichte Besserung erwartet wird (–24). Angesichts der noch immer anhaltenden Lageranpassungen und der fortgesetzten Stagnation des privaten Verbrauchs könnten sich diese Zahlen jedoch als zu optimistisch erweisen. Der Tankan-Bericht läßt nicht
darauf schließen, daß die Konjunktur bereits ihren Tiefpunkt erreicht hat.
Vielmehr könnte der Abschwung so deutlich ausfallen wie die lähmende Rezession Anfang der 90er Jahre.
(1990=100)
Tankan: Unternehmensumfragen
Negativ
74 77
80
60
40
20
0
-20
-40
-60
-80
-100
Sonstige
Positiv
80
Industrie
83 86
89 92
95 98
Quelle: B oJ
Anmerkung: Prognose der B efragten bis Ende Juni
Risiko einer Deflationsspirale
Die Inflation hat sich auch in diesem Jahr sehr moderat entwickelt.
Während für 1998 ein Durchschnittswert von 0,5% gg. Vj. für den Anstieg der Verbraucherpreise erwartet wird, zeigte die Inflation im März aufgrund der Konsumsteuererhöhung im vergangenen Jahr - mit 2,3%
gg. Vj. (Feb. 2,1% gg. Vj.) noch positive Zuwachsraten. Berechnungen
der Bank von Japan verdeutlichen allerdings, daß der Konsumentenpreisindex bei Vernachlässigung dieser Steuererhöhung im Januar nur
noch um 0,6% anstieg. Hingegen wies der Großhandelspreisindex im
zweiten aufeinanderfolgenden Monat negative Zuwachsraten auf (-1,1%
gg. Vj. im März nach -1% im Februar). Während sich aus der Entwicklung der Preisindizes bisher noch keine eindeutig deflationären Signale
ablesen lassen, so zeigen andere mikroökonomische Größen auf, daß
deflationäre Risiken größer werden könnten.
Der Tankan-Bericht vom März läßt den Schluß zu, daß die Unternehmensgewinne bereits im Fiskaljahr 1997 rückläufig waren. Wir erwarten für das Fiskaljahr 1998 einen Gewinnrückgang um 20%. Dabei könnte
sich auch der umfangreiche Lageraufbau als belastend erweisen. Unternehmen dürften daher Umstrukturierungsmaßnahmen einleiten, die
erhebliche negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung haben könnten. Dies könn-
6
Verfügbares Einkommen
& Verbrauch
% gg. V j.
Privater Verbrauch
-Arbeitnehm er- (rechts)
4
4
2
2
0
0 Verfügbares
-2
Einkom m en
Privater Verbrauch
-Arbeitnehm er- -a lle Hausha lte(link s)
(rechts)
-2
1981
1985
1989
1993
-4
1997
Q uelle: MCA
Anm erkung: Gleit. 3Q Durchschnitt
1
Der Index setzt die Zahl der Unternehmen mit positiven Geschäftserwartungen in
Relation zu den Unternehmen mit negativen Geschäftserwartungen.
3
te zu einer Deflationsspirale führen, in der die Schwäche der Endnachfrage zu Lageranpassungen und Produktionsrückgängen führt, die wiederum die Unternehmensgewinne dämpfen. Als Folge wäre mit einem
Abbau des Personalbestandes zu rechnen, wodurch die privaten Einkommen sinken und die Endnachfrage erneut zurückgehen würde. Die
Gefahr einer Deflation wird durch den Rückgang der inländischen Großhandelspreisinflation noch verstärkt; letztere fiel in den ersten zehn
Apriltagen um 2,1%. Aufgrund der anhaltenden Schwäche an den inländischen Rohstoffmärkten steigt auch die Besorgnis hinsichtlich der Gewinne in der rohstoffverarbeitenden Industrie.
Arbeitslosigkeit
5
%
4
3
2
1
Restriktiver Fiskalkurs abgeschwächt
Vor dem Hintergrund der schwachen konjunkturellen Situation in Japan
steht die Regierung vor einem wirtschaftspolitischen Dilemma. Bei historisch niedrigen Geldmarktzinsen und einem Leitzins von 0,5% sind
Spielräume für weitere Zinssenkungen faktisch nicht vorhanden. Im
Bereich der Fiskalpolitik hatte die japanische Regierung einen restriktiven fiskalischen Kurs eingeschlagen, um die Annäherung der Staatsverschuldung an die 100%-Marke abzuschwächen. Die Fiskalpolitik zielte
bisher darauf ab, das Budgetdefizit bis zum Fiskaljahr 2003 auf 3% des
BIP zurückzuführen (Fiscal Structural Reform Law). So ist auch das
diesjährige Budget, das am 8. April 1998 verabschiedet wurde, einem
solchen Kurs verpflichtet und sieht Ausgabenkürzungen um 1,3% vor.
Vor dem Hintergrund der verschlechterten konjunkturellen Lage und wachsendem internationalen Druck hat die Regierung Hashimoto dieses Ziel
jedoch vor kurzem aufgeweicht. Die Tatsache, daß eine Defizitquote
von 3% nun erst im Fiskaljahr 2005 erreicht werden soll, markiert eine
Abweichung von dem bisher beabsichtigten fiskalpolitischen Kurs.
Die sich abschwächende Konjunktur hat die Regierung trotz ihres restriktiven Kurses in der Vergangenheit veranlaßt, eine Reihe von Konjunkturpaketen zu verabschieden. Das jüngste Fiskalpaket der Regierung, das im Zusammenhang mit der obigen Entscheidung am 24. April
bekanntgegeben worden ist, hat einen Umfang von JPY 16,65 Bill. (ca.
3% des BIP). Es beinhaltet u.a. JPY 7,7 Bill. an zusätzlichen Staatsausgaben, wovon JPY 6,2 Bill. für nationale und JPY 1,5 Bill. für regionale
Projekte verwendet werden sollen. Ca. JPY 1,5 Bill. der Ausgaben für
nationale Projekte sollen zum Ausbau der ”sozialen” Infrastruktur genutzt werden. Damit ist – im Vergleich zu früheren Konjunkturpaketen –
der Umfang zusätzlicher Staatsausgaben relativ hoch. Darüber hinaus
werden Einkommensteuerermäßigungen in diesem und im nächsten
Jahr im Umfang von jeweils JPY 2 Bill. gewährt. Permanente Steuersenkungen sind allerdings nicht vorgesehen. Über die Wirkungen der
geplanten Steuerermäßigungen besteht große Unsicherheit. Die Verbraucher könnten aufgrund des geringen Konsumentenvertrauens den größeren Teil des Zuwachses an verfügbarem Einkommen sparen, anstatt
zusätzliche Ausgaben zu tätigen.
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Quelle: OECD, DBR
Großhandelspreisindex
112
(1995=100)
110
Inland
Gesamt
106
104
102
100
98
96
90
91
92
93 94
95 96
97 98
Quelle: BoJ
Staatsschuld
100
in % des BIP
90
80
70
60
Rezessionstal dürfte im 4. Q. durchschritten werden
Auch wenn das jüngste Maßnahmenpaket einen spürbaren Effekt auf
die Konjunkturentwicklung haben wird, dürfte sich dieser erst mit Verzögerung zeigen und sich vermutlich auf das 4. Quartal 1998 und das
1. Quartal 1999 konzentrieren. Doch selbst unter Berücksichtigung dieses Konjunkturpaketes prognostizieren wir für 1998 ein reales BIP-Wachstum von lediglich -0,4% – unter der Voraussetzung, daß die Rezession
in der zweiten Jahreshälfte ihren Tiefpunkt erreicht. Ohne dieses Paket
4
108
50
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Quelle: OECD
wäre ein weitaus stärkeres Schrumpfen der japanischen Volkswirtschaft
zu befürchten gewesen. Zudem dürfte durch die Maßnahmen ein zweites Jahr negativen Wachstums vermieden werden, obwohl die Auswirkungen der Asienkrise und die Notwendigkeit struktureller Anpassungen in den nächsten 2-3 Jahren weiterhin zu spüren sein werden. Auch
wenn das Paket kaum eine von der privaten Nachfrage angeführte,
selbsttragende Erholung auslösen dürfte, sind wir der Ansicht, daß die
stimulierende Wirkung auf die Wirtschaft – wie schon bei dem Konjunkturpaket im Jahr 1995 – von den Finanzmärkten unterschätzt wird.
Abwärtspotential des JPY
Vor dem Hintergrund eines sich abschwächenden JPY haben sich im
vergangenen Jahr die Exporte als einzige Stütze der japanischen Konjunktur erwiesen (+10,9% gg. Vj.). Bei einem deutlichen Rückgang der
Importe aufgrund der schwachen Inlandskonjunktur (-9,3% im 1. Q.
1998) ist der japanische Handelsbilanzüberschuß in den letzten Monaten stark angestiegen (+100,3% gg. Vj. im 1. Q. 1998). Diese Zunahme
konzentrierte sich vor allem auf den Überschuß mit Europa (+113% gg.
Vj. im 1. Q. 1998) und den USA (+37% gg. Vj. im 1. Q. 1998). Angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, daß insbesondere die USA,
wo sich das Handelsbilanzdefizit im 1. Quartal 1998 deutlich ausgeweitet hat, politischen Druck auf die japanische Regierung ausüben, ihre
Währung durch die heimische Nachfrage stabilisierende Maßnahmen
zu stützen. Mit Blick auf den jedenfalls kurzfristig trüben Konjunkturausblick ist allerdings mit einer anhaltenden JPY-Schwäche zu rechnen,
dem sich die Regierungen und Notenbanken mit verbalen Interventionen entgegenstemmen werden. Ob dies den JPY auf dem gegenwärtigen Niveau von JPY/USD 133 zu halten vermag, ist indes fraglich. Eher
scheint uns eine weitere Abschwächung auf JPY/USD 140 über die kommenden Monate wahrscheinlich.
80
Wechselkurse
2.0
90
100
1.8
JPY/USD (links)
110
1.6
120
130
1.4
140
DEM/100 JPY
(rechts)
1.2
M J S N J MM J S N JMM J S N JM
1996
1997
1998 1999
150
Q uelle: DBR
Zinsen
5
%
%
4
4
10 J Bonds
3
3
2
2
1
0
5
1
3M Dep.
M J S N J MM J S N J MM J S N J M
1996
1997
1998 1999
0
Q uelle: DBR
Asienkrise stärker zu spüren
Im Handel mit den übrigen asiatischen Ländern ist der Einfluß der Währungsturbulenzen in der Region in den letzten Monaten deutlich zu spüren. Die Märzzahlen belegen einen besonders starken Rückgang im
Handelsbilanzüberschuß mit den ASEAN-4 Staaten (-60,5% gg. Vj.).
Die Exporte gingen im fünften aufeinanderfolgenden Monat zurück
(-27,9%). Besonders stark ist der Rückgang der Exporte nach Korea
(-35,5%), aber auch nach Thailand (-42,1%). Dieser Trend dürfte sich
angesichts der Währungsschwäche in der gesamten Region noch fortsetzen. Auch wenn die Exporte nur ca. 10% am BIP Japans ausmachen, so sind diese Konsequenzen der Asienkrise für Japan von großer
Bedeutung. So sind die asiatischen Länder die Haupthandelspartner Japans, in die es 1996 43% seiner gesamten Exporte (7% nach Südkorea) absetzte.
Deutlich rückläufig sind aber auch die japanischen Importe aus diesen
Regionen. So gingen die Importe aus den ASEAN-Ländern wertmäßig
um 12,3% zurück. Dies ist einerseits auf die schwache japanische Inlandsnachfrage zurückzuführen, aber auch auf die verringerten Exportkapazitäten der asiatischen Krisenländer. So hat der Kursverfall der asiatischen Währungen in den betroffenen Ländern Beschaffungsprobleme
bei Rohstoffen und Vorprodukten nach sich gezogen. Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko, daß der japanische Nachfrageausfall nach
asiatischen Erzeugnissen, die immerhin 37% aller japanischen Importe
ausmachen, eine Erholung in diesen Ländern verzögert. So liefert bspw.
Handelsbilanz mit ASEAN Staaten
60,000
JPY Mill.
40,000
20,000
0
-20,000
Thailand
Philippinen
-40,000
Indonesien
Malaysia
-60,000
-80,000
92
93
94
95
96
97
98
Quelle: MoF.
5
Korea ca. 8% seiner Exporte nach Japan. Vor diesem Hintergrund ist zu
befürchten, daß sich die schlechte konjunkturelle Lage Japans sowie
die schwache Situation in den von der Asienkrise betroffenen Ländern
durch deren Handelsverflechtungen gegenseitig verstärken.
In den kommenden Monaten dürfte sich aufgrund der sinkenden Exporte nach Asien ein Rückgang des japanischen Handelsbilanzüberschusses einstellen. Dabei dürfte das japanische Importvolumen relativ stabil bleiben, da sich die Schwäche der Verbrauchernachfrage derzeit bereits in der Importstatistik bemerkbar macht. Dem wirkt allerdings eine
robuste Importnachfrage der USA und die an Schwung gewinnende
Konjunktur in Europa entgegen. Dennoch werden die aufgrund der rückläufigen japanischen Exporte nach Asien schwächer ansteigenden Gesamtexporte in diesem Jahr einen geringeren Wachstumsbeitrag leisten als 1997. In der nahen Zukunft dürfte aufgrund des kräftigen Rückgangs des privaten Verbrauchs im letzten Jahr (nach der Steuererhöhung vom April) der Handelsbilanzüberschuß im Jahresvergleich in etwa
unverändert bleiben.
Unsicherheit im Finanzsektor
Neben gravierenden konjunkturellen Problemen sieht sich Japan auch
zahlreichen strukturellen Schwierigkeiten, vor allem im Finanzsektor,
gegenüber. So trug vor allem der Konkurs mehrerer Finanzinstitutionen
seit November vergangenen Jahres zur Unsicherheit über die Solidität
des japanischen Finanzsystems bei. Gleichzeitig ging die Bereitschaft
der Finanzinstitutionen zur Kreditvergabe zurück. Dies veranlaßte die
Regierung, das ”Financial System Stabilisation Law” zu verabschieden, das Maßnahmen zur Abschwächung der Gefahr eines sich vertiefenden ”credit crunches” sowie zur Milderung des systemischen Risikos notleidender Kredite beinhaltet. Dieses Gesetz stellt Finanzinstitutionen durch die Deposit Insurance Corporation Steuermittel in Höhe
von insgesamt JPY 30 Bill. zur Verfügung. Im März genehmigte die
Regierung eine erste Finanzspritze von JPY 1,8 Bill. aus diesen Mitteln
für 18 City-Banken und drei große Regionalbanken.
Ob diese Maßnahmen das japanische Finanzsystem nachhaltig stützen, bleibt noch abzuwarten. Bereits vor Einführung des Gesetzes hatten Moody’s und Standard & Poor’s ihr Rating der in Schwierigkeiten
geratenen Banken herabgestuft. Der Druck, das Rating japanischer Banken weiter nach unten anzupassen, ist nach wie vor groß. So haben
bspw. die Großbanken entschieden, ihre Rückstellungen zur Deckung
der Kredite im asiatischen Raum im vergangenen Jahresabschluß nicht
zu erhöhen. Zudem wurde bei der Rekapitalisierung der Banken über
die Deposit Insurance Cooperation ein u.E. in Bezug auf das Rating der
Banken wenig wirksamer Weg eingeschlagen. Das Gesetz erlaubt den
Banken, sich entweder über die Emission von Vorzugsaktien oder von
nachgeordneten Anleihen zu rekapitalisieren. Obwohl die Emission von
Vorzugsaktien ein effektiveres Mittel zur Stabilisierung der Ratings wäre
als die nachgeordneter Anleihen oder Kredite, haben diesen Weg nur
vier Banken eingeschlagen. Hinzu kommt, daß es auch mit Hilfe der
den Banken zugute gekommenen Finanzspritze nicht gelungen ist, die
Kreditverknappung signifikant zu erleichtern, wie es die Regierung und
die LDP beabsichtigt hatten.
6
Leistungsbilanzüberschuß
3,5
in % des BIP
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Quelle: OECD, DBR
Strategie einer ”weichen Landung” fragwürdig
Mit den Maßnahmen des Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung verfolgt die Regierung Hashimoto eine Strategie der ”weichen Landung”,
um Konkurse weitgehend zu vermeiden. Dadurch wird jedoch das Problem der Instabilität des Finanzsektors nicht gelöst. Vor dem Hintergrund des ”Big-Bang” im japanischen Finanzsystem, d.h. der Öffnung
und Deregulierung des Marktes, dürfte der Druck zur Restrukturierung
von Banken und anderen Finanzinstitutionen in der Zukunft allerdings
noch steigen. Hierfür sind einerseits Maßnahmen verantwortlich, die
bisher bestehende Regulierungen aufheben (z.B. die Fixierung von Provisionen im Aktiengeschäft) und dadurch den Wettbewerb im Bankensektor verstärken. Andererseits ermöglichen es die Reformen dem japanischen Anleger nun, sein Vermögen ohne Beschränkungen in Fremdwährungen zu investieren. Dies und das umfangreiche Sparvermögen
der japanischen Haushalte in Höhe von JPY 1200 Bill. (ca. DEM 17
Bill.), das bisher in sehr niedrig verzinsten Anlagen gebunden ist, wird
ausländische Institute verstärkt veranlassen, in den japanischen Markt
einzutreten. Der Markteintritt ausländischer Häuser dürfte japanische
Banken zwingen, ihre Unternehmensstrukturen zu reformieren, und
könnte gleichfalls weitere Konkurse nach sich ziehen.
Kreditvergabe der Banken weiterhin restriktiv
Vor dem Hintergrund des schwachen Vertrauens in das heimische Bankensystem und ansteigender Konkurse japanischer Unternehmen
(+56,9% gg. Vj. im Fiskaljahr 1997) sieht sich das Finanzsystem einem
”credit crunch” gegenüber. Dies bedeutet, daß Banken entweder nicht
fähig oder nicht willens sind, Kredite zu vergeben. So ging das durchschnittliche Kreditvolumen der japanischen Banken im März um 1,6%
gg. Vj. zurück; dies ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Erfassung
dieser Größe im Juli 1991. Das Kreditwachstum nahm um 1,4% bei
den City-Banken, um 7,5% bei Banken, die ausschließlich langfristige
Investitionskredite (LTC-Banken) gewähren, um 6,1% bei Trustbanken
und um 0,9% bei den Regionalbanken ab. Ein Anstieg wurde lediglich
bei den großen Regionalbanken verzeichnet, deren Kreditwachstum 1,5%
betrug.
Die Großbanken sehen sich offenbar gezwungen, ihre Eigenkapitalquote dem westlichen Niveau anzupassen und verfolgen daher eine restriktive Kreditstrategie. Diese Haltung deutet jedoch auch darauf hin,
daß LTC-Banken und Trustbanken zunehmende Bemühungen unternehmen, Kreditnehmer vorsichtiger auszuwählen und größeres Augenmerk
auf deren Kreditwürdigkeit zu richten. Dies geschieht mit dem Ziel, die
Rentabilität der Kreditvergabe zu verbessern sowie die eigene finanzielle Solidität wieder herzustellen. Gleichzeitig scheint sich ein Strukturwandel zu vollziehen, im Zuge dessen sich Unternehmen zunehmend
durch festverzinsliche Titel finanzieren.
Kreditvergabe der
Finanzinstitutionen
4
% gg. Vj.
3
2
1
0
-1
-2
Gesamt
City-, LTC-, Trust-Banken
Regionalbanken
-3
-4
93
94
95
96
97
98
Quelle: BoJ "Principal Figures of Financial Institutions"
Übersteigerte Zinssenkungserwartungen
Die Liquiditätssituation in der japanischen Wirtschaft gestaltet sich weiterhin günstig. So wuchs die Geldmenge M2 zuzüglich verbriefter Bankeinlagen (Certificate of Deposits) im März um 4,5% (5,0% im Februar).
Dies dürfte allerdings auch auf die Umschichtung von Geldern aus Investmentfonds in Bankeinlagen zurückzuführen sein, die Anleger als
Reaktion auf die Konkurse mehrerer Finanzinstitute vornahmen. Die
Geldpolitik wird auch in Zukunft in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt
bleiben, obwohl an den Finanzmärkten weiterhin Erwartungen einer
7
geldpolitischen Lockerung bestehen. Hierzu trug der IWF mit seiner jüngsten Prognose für die Volkswirtschaften der Welt bei; er erwog, daß
Japan trotz des sehr geringen Spielraums für eine Leitzinssenkung eine
weitere Lockerung vornehmen sollte.
Im Protokoll zur Zentralbankratssitzung der Bank von Japan vom
13. März wurde eine Zinssenkung als mögliche Strategie erwogen. Nach
unserer Meinung würde eine solche Maßnahme, die wir weiterhin für
recht unwahrscheinlich halten, kaum nachhaltige Wirkungen auf die Konjunkturentwicklung haben. Vielmehr dürfte die japanische Wirtschaft in
einer Liquiditätsfalle gefangen sein, in der lediglich fiskalpolitische Maßnahmen geeignet erscheinen. Angesichts des trüben Konjunkturausblicks und der rückläufigen Inflationsentwicklung ist die Wahrscheinlichkeit von Rückschlägen am Bondmarkt als gering einzustufen. Über die
nächsten 12 Monate dürften die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen
bei etwa 2% bleiben. Dies bedeutet, daß sich die Zinsdifferenz gegenüber den USA, wo wir mit steigenden Zinsen im 2. Halbjahr rechnen,
noch ausweiten dürfte.
Schlußfolgerungen
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß für die japanische Konjunkturentwicklung signifikante Risiken sowohl in deflationären Tendenzen
aber auch in negativen Effekten durch den Außenhandel begründet sind.
Darüber hinaus stehen im Finanzsystem bedeutsame strukturelle Anpassungen bevor, die im Zusammenhang mit der konjunkturellen Schwäche nur unter kurzfristig hohen Anpassungskosten bewältigt werden
können. Während die Geldpolitik kaum noch Spielräume besitzt, stellt
das jüngste Fiskalpaket der Regierung einen Ansatzpunkt zur Belebung
der Konjunktur dar. Es dürfte im kommenden Jahr eine weitere Kontraktion des realen BIP verhindern helfen. Dennoch besteht weiterhin
die Notwendigkeit einer umfassenden Steuerreform sowie einer Deregulierung der japanischen Wirtschaft.
Atsushi Mizuno, Tokyo, (813) 5401-7099
Antje Stobbe, Frankfurt, (069) 910-31847
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ISSN Print 1430-7421 / ISSN Internet 1435-0734
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