Immunonkologie beim malignen Melanom: Von der Monotherapie

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Oncol Res Treat 2016;39(suppl 4):2–7
DOI: 10.1159/000449457
Published online: October 26, 2016
Immunonkologie beim malignen Melanom:
Von der Monotherapie zur Kombinationstherapie –
aktuelle Studiendaten und Fragestellungen
Axel Hauschild
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
© 2016 S. Karger GmbH, Freiburg
Fax +49 761 4 52 07 14
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«Meilenstein» Ipilimumab
Ipilimumab war der erste Immun-Checkpoint-Inhibitor, der
Eingang in die klinische Routine gefunden hat. Er richtet sich gegen
den CTLA-4-Rezeptor, der bei der Aufrechterhaltung der immunologischen Homöostase eine zentrale Rolle spielt [4]: Der CTLA4-Signalweg sorgt mittels multipler Mechanismen dafür, dass die
T-Zell-Aktivität wieder auf ein Normalmaß reduziert wird, wenn
sie im Zuge der Aktivierung von T-Lymphozyten hochgeregelt
wurde. Durch die therapeutische CTLA-4-Blockade kommt es folglich zur erhöhten Anzahl Tumor-reaktiver T-Effektorzellen, die
den Tumor direkt angreifen können. Überdies ermöglicht Ipilimumab eine reduzierte Aktivität von T-regulatorischen Zellen
sowie eine verbesserte antitumorale Immunantwort [5].
Klinisch sollte die Behandlung mit Ipilimumab zu einem relevanten Vorteil im Gesamtüberleben (OS) führen: In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie MDX010-20 zeigten vorbehandelte Patienten mit einem nicht resezierbaren oder metastasierten
Melanom unter der Monotherapie mit Ipilimumab (n = 137) ein
medianes Gesamtüberleben (median overall survival (mOS)) von
10,1 versus 6,4 Monaten bei Patienten aus der Vergleichsgruppe,
die eine Vakzin-Therapie mit einem melanomspezifischen Glykoprotein 100 (gp100) erhielten (Hazard Ratio (HR): 0,66; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,51–0,87; p = 0,0026) [6]. In der bislang größten gepoolten Analyse von OS-Daten aus 12 klinischen Studien
(Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, n = 1861) wurde der
Langzeitüberlebensvorteil unter dem CTLA-4-Checkpoint-Inhibitor bestätigt [7]: Die Kaplan-Meier-Kurve des OS deutete ab etwa
3 Jahren ein Plateau (Abb. 1) an (OS-Rate = 22% (95%-KI: 20–24)),
das sich bei einigen Patienten bis in das Jahr 10 erstreckte.
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Die Entdeckung des Immun-Checkpoints «CTL-assoziiertes
Antigen 4» (cytotoxic T lymphocyte-associated antigen-4 (CTLA4)) als relevantes Angriffsziel für eine antitumorale Therapie und
die sukzessive Entwicklung des CTLA-4-Checkpoint-Inhibitors
Ipilimumab (Yervoy®) markierte den Durchbruch für die Immunonkologie: Als «First-in-Class»-Substanz aus der neuen Klasse der
Checkpoint-Inhibitoren fungierte Ipilimumab als erster Meilenstein für die Entwicklung der Immunonkologie, die mit der Zulassung im Jahr 2011 einsetzte und bis heute – wie bei kaum einer
anderen Tumorentität – mit zahlreichen Neuentwicklungen im
Bereich der Melanomtherapie anhält. Die Entdeckung eines weiteren co-inhibitorischen Signalwegs als therapierelevantes Angriffsziel, dem Immun-Checkpoint «programmed death 1» (PD-1),
führte schließlich zur Entwicklung von PD-1-Antikörpern: Mit
Nivolumab (Opdivo®) wurde der erste Anti-PD-1-Antikörper im
Juni 2015 in der Monotherapie zugelassen [1]. Mit der Zulassung
von Pembrolizumab im Juli 2015 folgte kurz darauf der zweite
Anti-PD-1-Antikörper. Seit Mai 2016 ist der PD-1-Immun-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab beim fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanom bei Erwachsenen auch in
Kombination mit Ipilimumab zugelassen. Damit ist die bislang
einzige Kombinationstherapie zweier immunonkologisch wirksamer Substanzen verfügbar geworden, die unabhängig vom BRAFMutationsstatus eingesetzt werden kann.
Zur Erinnerung: Vor 2011 standen im Stadium IV neben einer
Resektion und Radiatio lediglich eine Chemotherapie mit z.B.
Dacarbazin, eine Supportivtherapie oder die Teilnahme an einer
klinischen Studie zur Auswahl. Die geschätzte mediane Überlebenszeit für Patienten mit metastasiertem Melanom im Stadium IV
wurde mit 8 ± 2 Monate angegeben [2, 3].
IPI (gepoolte Analyse)1
NIVO-Monotherapie (Phase I, CA209-003)2
NIVO-Monotherapie (Phase I, CheckMate-066)3
n = 210
n = 107
n = 1861
0
1
2
3
4
5
6
Zeit, Jahre
7
8
9
10
Abb. 1. Stabiles und lang anhaltendes Überleben unter Immun-CheckpointInhibitoren (modifiziert nach [12]). 1Schadendorf et al. [7]; 2aktuelle Analyse;
3Posterpräsentation von Atkinson et al. [14]. NIVO = Nivolumab (Opdivo); IPI
= Ipilimumab (Yervoy).
Die Follow-up-Dauer umfasste schätzungsweise 11 Monate; ein
Zehntel der Patienten wurde mindestens 50 Monate und maximal
119 Monate lang nachbeobachtet. Die Plateaubildung zum Zeitpunkt von 3 Jahren in der Überlebenskurve wurde auch nach der
Einbeziehung von weiteren 2985 Patienten aus dem «Expanded
Access Program» beobachtet (insgesamt n = 4846); d.h., nach mehr
als 3 Jahren ab Therapiestart mit Ipilimumab wurden kaum noch
melanombedingte Todesfälle beobachtet [7, 8]. Auch hier bildeten
die Langzeitüberlebenden einen Anteil von über 20% am Gesamtkollektiv. Damit erwiesen sich die Ergebnisse der gepoolten Analysen als konsistent mit den zuvor erhobenen Daten der Einzelstudien [7].
PD-1-Inhibitor Nivolumab
Im Gegensatz zu CTLA-4 reguliert der T-Zell-Rezeptor PD-1 in
erster Linie die T-Zell-Effektorantwort im peripheren Gewebe. Die
PD-1-Rezeptor-Liganden PD-L1 und PD-L2 werden lokal im Mikromilieu des Tumors exprimiert, sodass die therapeutische Blockade dieser Interaktion versprach, eine selektivere antitumorale
Reaktion und möglicherweise auch weniger Nebenwirkungen zu
ermöglichen als die Blockade des CTLA-4-Signalwegs [9, 10].
Die bislang längsten verfügbaren Follow-up-Daten einer klinischen Studie mit einem PD-1-Inhibitor stammen aus der offenen
Dosiseskalationsstudie der Phase I (CA209-003) mit Nivolumab
(Opdivo) in unterschiedlichen Dosierungen beim fortgeschrittenen Melanom: Das Follow-up der aktuellen Auswertung umfasst
mindestens 45 Monate. Die Studie wurde bei Patienten (n = 107)
durchgeführt, die zuvor 1–5 vorangehende systemische Therapielinien erhalten hatten und damit zum Teil auf das Schwerste vorbehandelt waren: 62% der Studienteilnehmer waren mit mindestens
2 systemischen Therapielinien vorbehandelt, bevor sie in die Studie
mit Nivolumab eingeschlossen wurden [11]. Bei 34 Patienten
(32%) wurde ein objektives Ansprechen (objective response rate
(ORR)) beobachtet, darunter bei 41% der mit der zulassungsrelevanten Dosis von 3 mg/kg behandelten Patienten (7/17). Das mOS
belief sich auf 17,3 Monate (95%-KI: 12,5–37,8), und die berechne-
Immunonkologie beim malignen Melanom:
Von der Monotherapie zur Kombinationstherapie –
aktuelle Studiendaten und Fragestellungen
ten OS-Raten lagen nach 3 Jahren bei 41% (95%-KI: 32–51) sowie
nach 5 Jahren bei 35% (95%-KI: 25–43) [12]. Auch unter der Monotherapie mit Nivolumab zeichnete sich in der Überlebenskurve
ein Plateau ab – nach etwa 48 Monaten (Abb. 1). Bei 38% der Patienten (13/34) dauerte die Therapieantwort weiterhin an.
In der randomisierten, doppelblinden und zulassungsrelevanten
Phase-III-Studie CheckMate-066 (CA209066) wurden erwachsene
Patienten mit bestätigtem, behandlungsnaivem Melanom vom
BRAF-Wildtyp im Stadium III oder IV entweder mit Nivolumab
i.v. in der Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht alle 2 Wochen
(n = 210) oder mit Dacarbazin behandelt (DTIC, n = 208), das zu
1000 mg/m2 Körperoberfläche alle 3 Wochen verabreicht wurde.
In dieser zuvor unbehandelten Patientenpopulation sank das Mortalitätsrisiko im Nivolumab-Therapiearm um 58% (HR = 0,42;
99,79%-KI: 0,25–0,73; p < 0,001). Die Überlebenswahrscheinlichkeit mit Nivolumab versus DTIC lag nach 1 Jahr bei 73 versus 42%
[13]. Beim medianen progressionsfreien Überleben (PFS) (5,1 vs.
2,2 Monate) sowie der ORR (40 vs. 13,9%) schnitt Nivolumab
ebenfalls signifikant besser ab als die konventionelle DTIC-Therapie (p < 0,001 für PFS und ORR). Zudem waren noch nach 2 Jahren knapp 60% der mit Nivolumab behandelten Patienten (57,7%)
am Leben [14]. Das mOS war mit Nivolumab auch nach 2 Jahren
noch nicht erreicht (vs. 11,2 Monate im DTIC-Arm), während das
mediane PFS bereits mehr als doppelt so lang war gegenüber der
Therapie mit DTIC (5,4 vs. 2,2 Monate) [14].
Synergistisches Potenzial der Kombination
Aufgrund der zueinander distinkten und komplementären
Mechanismen, über welche die immunregulative Aktivität von
CTLA-4 und PD-1 vermittelt wird, wurde der dualen ImmunCheckpoint-Blockade bereits im Vorfeld der Zulassung ein vielversprechendes synergistisches Potenzial beigemessen [15]. Dafür hatten auch präklinische Modelle gesprochen: In genidentischen
Mausmodellen ging die duale Blockade von PD-1 und CTLA-4 mit
synergistischer Tumoraktivität einher [16, 17].
Der PD-1-Inhibitor Nivolumab kann beim fortgeschrittenen
(nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanom bei Erwachsenen neben der Monotherapie nun auch in Kombination mit Ipilimumab eingesetzt werden. Die Zulassung basierte auf den Ergebnissen der randomisierten und doppelblinden Phase-III-Studie
CheckMate-067 (CA209067) [18]. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit bestätigtem, nicht resezierbarem Melanom im
Stadium III oder IV (n = 945). Die Randomisierung der Patienten
erfolgte entweder auf eine Kombinationstherapie mit Nivolumab
plus Ipilimumab (n = 314), eine Monotherapie mit Nivolumab
(n = 316) oder eine Monotherapie mit dem CTLA-4-Inhibitor
Ipilimumab (n = 315). Zusätzlich wurde die Randomisierung mittels PD-L1-Expressionsstatus (≥5 vs. ≤5% Expression auf der
Tumorzellmembran), BRAF-Status und M-Stadium gemäß
AJCC(American Joint Committee on Cancer)-Einstufung stratifiziert. Die Patienten waren bei Studieneinschluss behandlungsnaiv
(ohne systemische Vortherapie) und wiesen einen ECOG(Eastern
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3
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Gesamtüberleben, %
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Wahrscheinlichkeit für
progressionsfreies Überleben, %
NIVO + IPI
Kombination
(n = 314)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Medianes PFS, Monate (95%-KI)
11,5 (8,9–16,7)
6,9 (4,3–9,5)
0,42 (0,31–0,57)*
0,55 (0,43–0,76)*
–
HR (95%-KI) vs. NIVO
0,76 (0,60–0,92)**
–
–
46%
42%
6
9
2,9 (2,8–3,5)
NIVO + IPI
Kombination
39%
NIVO
IPI
18%
3
IPI
(n = 315)
HR (99,5%-KI) vs. IPI
49%
0
NIVO
(n = 314)
14%
12
15
Zeit, Monate
18
21
24
27
Abb. 2. CheckMate-067: PFS mit der Kombinationstherapie nach 18-monatigem Update (modifiziert nach [19]).
*Stratifizierter Log-Rank p < 0,00001 vs. IPI
**Explorativer Endpunkt
Tab. 1. CheckMate-067: Zusammenfassung der Sicherheitsdaten nach 18-monatigem Follow-up (modifiziert nach [19])
Patientenberichtete
Ereignisse
NIVO + IPI (n = 313), %
NIVO (n = 313), %
IPI (n = 311), %
alle Schweregrade
Schweregrad
3–4
alle Schweregrade
Schweregrad
3–4
alle Schweregrade
Schweregrad
3–4
Therapiebedingte
unerwünschte
Ereignisse (UE)
95,8
56,5
84,0
19,8
85,9
27,0
Therapiebedingte
UE, die zum
Abbruch führten
38,7
30,7
10,5
7,3
15,4
13,5
Therapiebedingte
Todesfällea
0
0,3
0,3
a1
Fall unter NIVO (Neutropenie), 1 Fall unter IPI (Kolonperforation).
Database lock Nov 2015
NIVO + IPI
Knapp 70% (81/120) der Patienten haben trotz Abbruch der Therapie aufgrund
unerwünschter Ereignisse eine partielle
oder komplette Remission erreicht.
Das Ansprechen dieser Patienten:
– war überwiegend anhaltend;
– trat in der Regel nach dem
ersten Re-Staging auf, das in der
Studie nach 12 Wochen stattfand.
8
16 24 32 40 48 56 64 72 80
Zeit, Monate
Cooperation Oncology Group)-Performance-Status von 0 oder 1
auf. Die Kombinationstherapie wurde wie folgt verabreicht:
Nivolumab in einer Dosierung von 1 mg/kg Körpergewicht (über
60 min i.v. verabreicht) und Ipilimumab in einer Dosierung von
3 mg/kg Körpergewicht (über 90 min i.v. verabreicht) alle 3 Wochen für
4
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Abb. 3. CheckMate-067: Ansprechen trotz Behandlungsabbruch durch therapiebedingte unerwünschte Ereignisse (modifiziert nach [20]).
die ersten vier Gaben, gefolgt von Nivolumab (3 mg/kg Körpergewicht) in Monotherapie alle 2 Wochen. Gemeinsame Studienendpunkte waren das PFS sowie das OS, sekundäre Endpunkte ORR
und die Ansprechdauer.
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0
̶ Behandlung
̶ Keine Behandlung
● Erstes Ansprechen
► Anhaltendes Ansprechen
Ungewichtetes ORR
Unterschied vs. IPI
ORR, Patienten
57,6% (314)
Gesamtpopulation
43,7% (316)
BRAF
53,3% (212)
Wildtyp
46,8% (218)
66,7% (102)
Mutant
36,7% (98)
Baseline-LDH
≤ULN
>ULN
>2× ULN
Alter, Jahre
≥65 und <75
≥75
35,6 (26,8–43,6)
29,1 (20,5–37,1)
44,7 (31,5–55,6)
14,7 (2,0–26,8)
51,4% (185)
38,6% (184)
36,5 (27,3–44,6)
23,8 (14,9–32,2)
65,3% (199)
51,5% (196)
44,7% (114)
30,3% (112)
37,8% (37)
21,6% (37)
40,6 (31,1–48,9)
26,8 (17,3–35,6)
35,2 (24,1–45,2)
20,8 (10,5–30,7)
37,8 (20,0–53,9)
21,6 (6,3–37,2)
57,4% (94)
43,7% (316)
54,3% (35)
43,7% (316)
39,5 (25,8–51,0)
30,1 (16,0–42,8)
27,0 (5,3–45,8)
16,3 (–4,1–35,2)
70
50
30
NIVO oder NIVO + IPI besser
10
0 –10
IPI besser
CheckMate-067 im Update
Nach einem medianen Follow-up von bis zu 12,5 Monaten zeigten die Patienten des Kombinationsarms ein signifikant längeres
PFS als im Ipilimumab-Arm und eine Verringerung des Progressions- und Mortalitätsrisikos um 58% (HR: 0,42; 99,5%-KI: 0,31–
0,57; p < 0,001). Patienten, die mit Nivolumab allein behandelt
wurden, wiesen im Vergleich zur Kombinationstherapie eine geringere, wenn auch im Vergleich zu Ipilimumab ebenfalls signifikante Reduktion des Progressions- oder Mortalitätsrisikos um 43%
auf (HR: 0,57; 99,5%-KI: 0,43–0,76; p < 0,001).
Beim ASCO-Meeting 2016 wurden Follow-up-Daten der
CheckMate-067-Studie über einen Zeitraum von mindestens 18
Monaten vorgestellt: Das mediane PFS für die Kombinationstherapie betrug 11,5 Monate (Intent-to-treat-Population) (Abb. 2); die
OS-Daten waren noch nicht auswertbar [19]. Mehr als die Hälfte
der Patienten wies eine objektive Ansprechrate (ORR) von 57,6%
mit Nivolumab plus Ipilimumab gegenüber 43,7% mit Nivolumab
bzw. 19,0% mit Ipilimumab in Monotherapie auf (sekundärer Endpunkt). Ein Anteil von 12,1% zeigte ein vollständiges Ansprechen
(CR), während 45,5% ein Partialansprechen (PR) und 13,1% eine
stabile Tumorerkrankung (SD) unter der Kombinationstherapie
zeigten. Die mediane Ansprechdauer wurde in dieser Auswertung
ebenfalls noch nicht erreicht und beträgt – zum jetzigen Zeitpunkt
betrachtet – mindestens 18 Monate für die Kombination von Nivolumab plus Ipilimumab.
Im Hinblick auf den Tumor-PD-L1-Expressionsstatus zeigten
die Patienten des Kombinationsarms bei einer PD-L1-Expression
≥5% ein ORR von 72,1 vs. 57,5% mit Nivolumab allein (bzw. 21,3%
mit Ipilimumab allein). Die mediane Ansprechdauer wurde im
Kombinationsarm dabei noch nicht erreicht. Der Anteil der Patienten mit einem PD-L1-Expressionststatus von mindestens 5% in
der Tumorzellmembran wurde zu Studienbeginn mit 23,6% angegeben [18]. Bei einer PD-L1-Expression <5% lag im Kombinati-
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Von der Monotherapie zur Kombinationstherapie –
aktuelle Studiendaten und Fragestellungen
● NIVO + IPI
●NIVO
Abb. 4. CheckMate-067: ORR-Subgruppenanalyse nach
18-monatigem Followup (modifiziert nach
[19]).
onsarm ein ORR von 54,8% vor (mediane Ansprechdauer ebenfalls
noch nicht erreicht; ORR von Nivolumab: 41,3% bzw. von Ipilimumab: 17,8%) [19].
Die Sicherheitsdaten zur Kombinationstherapie wurden als konsistent mit den früheren Daten eingestuft. Insgesamt wurden bei
57% der Patienten therapiebedingte unerwünschte Ereignisse (UE)
vom Grad 3/4 beobachtet. Die meisten therapiebedingten UE bildeten sich unter einer immunsuppressiven Therapie wieder zurück
(>85%) [19]. Zu den meist irreversiblen, immunvermittelten Ereignissen zählten endokrinologische Nebenwirkungen wie Hypo- und
Hyperthyreoidismus sowie Hypophysitis [18]. Knapp 39% der Patienten brachen die Kombinationstherapie aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen ab (vs. 10,5% unter einer Monotherapie
mit Nivolumab bzw. 15,4% mit Ipilimumab) (Tab. 1). Von diesen
Patienten erreichten dennoch 68,8% ein Ansprechen [19].
In einer eingehenderen Analyse derjenigen Patienten, die ihre
Behandlung infolge von therapiebedingten UE abbrachen, profitierten Patienten nach dem Abbruch der Kombinationstherapie
ähnlich stark wie das Gesamtkollektiv [20]: Verglichen mit allen
randomisierten Studienpatienten resultierte der Therapieabbruch
in vergleichbaren Ansprechraten sowie einer anhaltenden Therapieantwort (partielle oder komplette Remission für 70% der Patienten) (Abb. 3).
PFS- und ORR-Vorteile subgruppenunabhängig
Das PFS war schon bei der ersten Auswertung in den präspezifizierten Subgruppen sowohl mit der Kombination von Nivolumab
plus Ipilimumab als auch mit Nivolumab allein konsistent länger
als mit Ipilimumab in Monotherapie [18]. In der aktuellen Followup-Analyse konnte die Überlegenheit hinsichtlich PFS und ORR
ebenfalls über verschiedene Patientensubgruppen hinweg beobachtet werden [19]: Demnach erwiesen sich PFS- und ORR-Raten
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M-Stadium
M1c
38,6 (31,3–45,2)
24,6 (17,5–31,4)
NIVO + IPI (n = 72)
IPI (n = 37)
NR
28,8 (10,3–NR)
Medianes OS, Monate
(95%-KI)
HR (95%-KI)
0,58 (0,34–1,08)*
62%
0
6
12
18
Zeit, Monate
NR (11,9–NR)
HR (95%-KI)
0,74 (0,43–1,26)*
69%
53%
24
NIVO + IPI
Kombination
(n = 72), BRAF-WTPatienten
IPI
(n = 37), BRAF-WTPatienten
30
*Explorativer Endpunkt
NR = nicht erreicht
Überlebenswahrscheinlichkeit, %
Überlebenswahrscheinlichkeit, %
79%
IPI (n = 47)
NR
*Explorativer Endpunkt
NR = nicht erreicht
HR 0,58
(95%-Kl: 0,31–1,08)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
NIVO + IPI (n = 95)
Medianes OS, Monate
(95%-KI)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
73%
65%
0
6
12
18
Zeit, Monate
64%
NIVO + IPI
IPI
54%
24
30
Follow-up: mindestens 2 Jahre
Abb. 5. CheckMate-069: OS nach 2 Jahren Follow-up (Patienten mit BRAFWildtyp(WT)-Melanom) (modifiziert nach [24]).
Abb. 6. CheckMate-069: OS nach 2 Jahren Follow-up (alle randomisierten
Patienten) (modifiziert nach [24]).
als unabhängig vom BRAF-Mutationsstatus (Wildtyp oder BRAFmutiert), M-Stadium, Alter des Patienten (≥65 bis ≤75 oder ≥75
Jahre) oder LDH(Laktat-Dehydrogenase)-Ausgangswert (≤ULN
(Normwert der Institution), >ULN oder >2× ULN) bei Baseline
(Abb. 4). Einen erhöhten LDH-Wert hatten zu Studienbeginn 36%
der Patienten aufgewiesen (LDH-Ausgangsspiegel >ULN), die
somit gegenüber normwertigen Patienten einer prognostisch ungünstigeren Patientengruppe im Stadium IV angehörten [21]: Von
der Kombinationstherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab profitierten die Patienten im Gegensatz zu den zielgerichteten Therapien jedoch unabhängig von der Höhe des LDH-Ausgangswerts,
sodass die neue kombinierte Therapieoption oder Nivolumab in
Monotherapie für Patienten mit erhöhten LDH-Werten >ULN
(bzw. auch >2× ULN) sogar präferenziell infrage kommen könnte.
sien gemessen wird, reflektiert nicht unbedingt den aktuellen
PD-L1-Status: Zwischenzeitlich durchgeführte Therapien wie Bestrahlung, Chemotherapie oder ein Einsatz von Kinase-Inhibitoren
können sich alterierend auf die PD-L1-Expression ausgewirkt
haben. Innerhalb des Tumor-Mikromilieus wird PD-L1 zudem
von verschiedenen Zelltypen exprimiert, was die Interpretation der
PD-L1-Messung zusätzlich erschwert. Auch sind PD-L1-Epitope,
die derzeit durch Antikörper detektiert werden, in Abhängigkeit
von der Fixation bzw. fehlerhaften Handhabung der Biopsie im
Vorfeld der Fixation potenziell instabil. Ein standardisiertes, einheitliches Verfahren für die PD-L1-Auswertung gibt es bislang
weder in Bezug auf die verfügbaren Primärantikörper mit unterschiedlichen Affinitäten und Spezifitäten noch auf die Auswertungskriterien [22].
In beiden Nivolumab-Armen war das ORR unabhängig vom
PD-L1-Expressionsstatus größer als im Ipilimumab-Arm, wobei
sich die ORR für die Kombinationstherapie im Vergleich zur Nivolumab-Monotherapie nochmals um ein Drittel erhöhte. Es zeigte
sich allerdings nur für Patienten mit niedriger Tumor-PD-L1-Expression ein verbessertes PFS unter der Kombination Nivolumab
plus Ipilimumab im Vergleich zur Monotherapie mit Nivolumab.
Aufgrund der beschriebenen Endpunkte Tumoransprechen und
PFS war es somit nicht möglich, einen verlässlichen Cut-off-Wert
zur PD-L1-Expression zu definieren. Zurzeit sprechen multiple
technische wie biologische Faktoren gegen den Einsatz der PD-L1Bestimmung als Biomarker im klinischen Alltag [22]. So kann die
PD-L1-Expression z.B. im Verlauf individuell und abhängig von
der Lokalisation variieren – auch bei Vorliegen von mehreren Tumorläsionen. Eine PD-L1-Expression, die in älteren Tumorbiop-
6
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CheckMate-069: Erste explorative 2-Jahres-OS-Daten
Für die Zulassung der Kombinationstherapie Nivolumab plus
Ipilimumab wurden zudem Daten aus der randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie CheckMate-069 herangezogen. Wie in
CheckMate-067 erhielten auch in dieser Studie zuvor unbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem (nicht resezierbaren oder
metastasierten) Melanom eine Kombinationstherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab (n = 95). In der zweiarmigen Studie diente
die Behandlung mit Ipilimumab als Vergleichstherapie (n = 47).
Als primärer Wirksamkeitsendpunkt diente die vom Prüfarzt bewertete Ansprechrate bei Patienten mit BRAF-Wildtyp-Melanom
(n = 72). Auch in CheckMate-069 resultierte die Behandlung im
Kombinationsarm in einer signifikant erhöhten ORR (61 vs. 11%)
gegenüber der Monotherapie mit Ipilimumab (p < 0,001). Ein
Anteil von 22% der Patienten wies im Kombinationsarm ein CR
auf [23].
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Stellenwert des PD-L1-Status
Beim AACR Annual Meeting 2016 wurden erstmals auch Daten
zum OS beim BRAF-Wildtyp-Melanom präsentiert (explorativer
Endpunkt) [23]. Nach einem Follow-up von mindestens 2 Jahren
erreichten Patienten mit BRAF-Wildtyp-Melanom eine OS-Rate
von 69 vs. 53% im Ipilimumab-Arm (Abb. 5, 6). Das Therapieansprechen erwies sich als stabil: Die mediane Ansprechdauer für die
Kombinationstherapie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht. Auch beim PFS zeichnete sich die Überlegenheit der Kombinationstherapie gegenüber Ipilimumab in Monotherapie bei diesen
Patienten signifikant ab: Die Wahrscheinlichkeit für ein PFS betrug
nach 2 Jahren 54% für Nivolumab plus Ipilimumab versus 11% für
Ipilimumab allein (11%; HR: 0,35; p < 0,0001). Bei BRAF-mutierten
und BRAF-Wildtyp-Patienten zeigte die Kombinationstherapie sowohl beim Ansprechen als auch beim PFS vergleichbare Resultate.
Status quo und offene Fragen
– Die Entdeckung der Immun-Checkpoint-Inhibitoren hat die
Therapielandschaft beim malignen Melanom deutlich verändert. Die Immun-Checkpoint-Blockade ermöglicht die Induktion lang anhaltender Therapieantworten und die Wiedererlangung der Tumorkontrolle selbst in weit fortgeschrittenen
Tumorstadien.
– Seit Mai 2016 ist mit der Zulassung von Nivolumab und Ipilimumab erstmals eine immunonkologische Kombinationstherapie verfügbar. Die Kombinationstherapie mit dem PD-1-Inhibitor plus Ipilimumab ist ab der ersten Therapielinie beim
fortgeschrittenen Melanom zugelassen. (Nivolumab ist als Monotherapie oder in Kombination mit Ipilimumab bei Erwachsenen für die Behandlung des fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanoms indiziert. Im Vergleich
zur Nivolumab-Monotherapie wurde in der Kombination
Nivolumab mit Ipilimumab nur bei ca. 3/4 der Patienten mit
niedriger Tumor-PD-L1-Expression ein Anstieg des PFS gezeigt.)
– Eine translationale Suche nach geeigneten prädiktiven Biomarkern für das individuelle Therapieansprechen sowie die Entwicklung von optimierten Therapieschemata hinsichtlich Ansprechdauer und immunvermittelten Nebenwirkungen dürfte
im Hinblick auf die neue Option der Kombinationstherapie
auch weiterhin Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen bleiben.
Disclosure Statement
Der Autor war Referent beim «Interaktiven Expertenforum Melanom», das
von Bristol-Myers Squibb unterstützt wurde.
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Immunonkologie beim malignen Melanom:
Von der Monotherapie zur Kombinationstherapie –
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