Kompetenznetz Schizophrenie

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© 2005
Schattauer GmbH
Kompetenznetz Schizophrenie
Beiträge zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit
schizophrenen Psychosen
A. Weßling, W. Wölwer, W. Gaebel
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine Universität / Rheinische
Kliniken Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Gaebel)
Schlüsselwörter
Keywords
Zusammenfassung
Summary
Kompetenznetz Schizophrenie, Forschung, Versorgung
German Research Network on Schizophrenia, routine care
An einer schizophrenen Psychose zu erkranken, ist für die
Betroffenen mit erheblichen Leid verbunden, oft verläuft die
Krankheit chronisch und führt zur sozialen Ausgrenzung.
Das Kompetenznetz Schizophrenie hat es sich zur Aufgabe
gemacht, die wissenschaftlichen Grundlagen für eine optimale Prävention, Therapie und Rehabilitation der Schizophrenie in ihren verschiedenen Krankheitsstadien zu schaffen und damit auch die Lebensbedingungen der Erkrankten
und ihrer Angehörigen zu verbessern. Hierzu sind seit Gründung des Netzes im Jahr 1999 annährend 30 Forschungsprojekte begonnen worden, die sich mit den biologischen,
psychischen und sozialen Bedingungen der Krankheit befassen. Der Artikel gibt einen Überblick über bereits vorliegende Forschungsergebnisse und deren Bedeutung für die
Versorgung der Patienten.
Suffering from schizophrenia means a great burden for the
patients. In many cases the disorder takes a chronic course
and leads to social desintegration. The German Research
Network on Schizophrenia’s objective is to provide scientific
preconditions for optimized prevention, treatment and rehabilitation strategies on the course of schizophrenia, and
consequently to improve the living conditions of the patients and their relatives. Since foundation of the network in
1999 almost 30 research projects on the biological, psychological, and social aspects of the disorder have been
initiated. This article gives an overview of the previous
scientific results and their relevance for patient care.
Scientific results and patients care relevance of the
German Research Network on Schizophrenia
Med Welt 2005; 56: 61–4
W
eltweit erkranken etwa 1% der
Menschen mindestens einmal
in ihrem Leben an einer schizophrenen Psychose. In Deutschland sind dies
etwa 800 000 Menschen. Pro Jahr treten
rund 10 000 Neuerkrankungen auf. Die erste akute Krankheitsepisode findet meist im
jungen Erwachsenenalter zwischen dem 18.
und 35. Lebensjahr statt, wobei Männer in
der Regel früher als Frauen erkranken. Oft
folgen weitere Krankheitsepisoden, deren
Abstände und Verläufe in Abhängigkeit von
der individuellen Vulnerabilität und dem
Ansprechen auf therapeutische Interventionen, der Compliance gegenüber der Therapie und dem frühzeitigen Wahrnehmen von
möglichen Krankheitssymptomen stark variieren. Ein Kernproblem ist, dass etwa 20%
der Ersterkrankten trotz Therapie nicht remittieren. Andererseits wäre bei 20–30%
der Ersterkrankten auf Grund monoepisodi-
scher Krankheitsverläufe keine Therapie erforderlich. Bis heute gibt es jedoch keine
Möglichkeiten, diese Patienten im Vorfeld
zu identifizieren.
Die Psychopathologie der Schizophrenie
ist durch sog. Positivsymptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellung und durch
sog. Negativsymptome wie Affektverflachung und sozialer Rückzug geprägt. Als sicher gilt inzwischen, dass eine genetische
Veranlagung zur Erkrankung beiträgt. Auch
eine durch Schädigung vor oder während
der Geburt erworbene biologische Prädisposition wird diskutiert. In späteren Lebensjahren kann diese Prädisposition unter
Einfluss von biopsychosozialen Faktoren
wie Stress zur akuten Erkrankung führen.
Entsprechend geht das VulnerabilitätsStress-Coping-Krankheitsmodell davon
aus, dass das Zusammenwirken von individueller Vulnerabilität, Stressoren und Co-
ping-Strategien entscheidend für den
Krankheitsausbruch ist.
Sowohl für die Betroffenen und ihre Angehörigen als auch für die Gesellschaft stellen schizophrene Psychosen eine große Belastung dar. Trotz guter therapeutischer
Möglichkeiten, die das erneute Auftreten
akuter Episoden verhindern können und damit die Chancen auf ein normales Alltagsleben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erhöht haben, erleben die Erkrankten
häufig soziale Diskriminierung und Stigmatisierung verbunden mit mangelnder sozialer Integration. 10–15% der Betroffenen
sterben in den ersten 10 Jahren nach Ausbruch der Krankheit durch Suizid.
Schizophrenie rangiert gemäß World
Health Report der WHO an 7. Stelle der 10
häufigsten Krankheitsursachen, infolge derer Lebensjahre durch Behinderung beeinträchtigt werden (3, 18). Die indirekten Kosten der Behandlung infolge von Frühberentung und den Bezug sozialer Versorgungsleistungen sind schwer zu schätzen, doch ist
anzunehmen, dass sie die direkten Kosten
der medizinischen Versorgung, die sich in
Deutschland auf 2,8 Mrd. EUR pro Jahr belaufen (15), deutlich übersteigen. Schizophrenie gilt damit als die teuerste psychische Krankheit. Ihre direkten Behandlungs- und indirekten Folgekosten sind vergleichbar mit den Kosten für Diabetes oder
Kreislauferkrankungen.
Kompetenznetz Schizophrenie
Um die wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine optimale Prävention, Therapie
und Rehabilitation der Schizophrenie in ihren verschiedenen Krankheitsstadien zu
verbessern und die Lebensqualität der Be-
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Weßling et al.
troffenen und ihrer Angehörigen zu erhöhen, ist 1999 im Rahmen eines Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Bildung von Kompetenznetzen in der Medizin das Kompetenznetz Schizophrenie (17) gegründet
worden. Den Kompetenznetzen gemeinsam
ist der Fokus auf jeweils ein Krankheitsbild
und das Ziel, durch Vernetzung zwischen
den Forschungsinstitutionen und enge Kooperation mit den Einrichtungen der Versorgung Innovationen im Gesundheitswesen zu
fördern und die Versorgungssituation der jeweiligen Patientengruppen zu verbessern.
Das Kompetenznetz Schizophrenie (KNS)
hat zum Ziel
● Krankheitsanzeichen der Schizophrenie
frühzeitig zu erkennen und zu behandeln
● vorhandene Therapiemöglichkeiten optimal zu nutzen und weiterzuentwickeln
● chronische Krankheitsverläufe zu vermeiden
● Behandlungsprozesse durch Qualitätsmanagement und Wissenstransfer zu optimieren
● Vorurteile gegenüber schizophren Erkrankten abzubauen.
Hierzu sind seit Gründung des Netzes mehrere Multicenterstudien zu den Bereichen
Früherkennung und Frühintervention, Behandlung Ersterkrankter und Qualitätsmanagement in der ambulanten und stationären Versorgung durchgeführt worden, die
neben den primär klinischen Fragestellungen auch biologischen und neuropsychologischen Fragestellungen nachgehen. Einzelnen Projekten sind gesundheitsökonomische Analysen angeschlossen, um beispielsweise die Kosteneffekte durch den Einsatz
von Qualitätsmanagementstrategien zu bewerten. Darüber hinaus werden wissenschaftlich fundierte Strategien zum Abbau
von Stigma und Diskriminierung und zur
Förderung der Awareness gegenüber psychotischen Erkrankungen entwickelt, die
eng mit dem Ziel der allgemeinen Öffentlichkeitsaufklärung verknüpft sind. Künftig
wird es maßgeblich darum gehen, die in der
ersten und zweiten Förderphase erzielten
Forschungsergebnisse insbesondere für klinisch tätige Ärzte und Psychologen leicht
zugänglich zu machen.
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Ergebnisse aus den klinischen
Studien
Schizophrene Psychosen frühzeitig
behandeln
In der Regel vergehen 5–6 Jahre von dem
Auftreten erster Krankheitsanzeichen, die
auf eine schizophrene Erkrankung hindeuten können, bis zum Beginn einer Therapie,
da häufig Frühsymptome nicht erkannt oder
falsch eingeschätzt werden (7). Um die Bedingungen der Früherkennung zu verbessern, ist ein Früherkennungsinventarium
mit einer speziellen Checkliste zur Früherkennung entwickelt worden, die in lokalen Netzwerken bestehend aus Hausarztpraxen, Schulen und Einrichtungen der psychosozialen Versorgung eingesetzt wird.
Bei Bedarf sollen Früherkennungszentren
aufgesucht werden, um mögliche Krankheitssymptome frühzeitig diagnostisch abzuklären und ggf. eine Behandlung einzuleiten, um so die Zeitspanne der unbehandelten Psychose zu verkürzen (8, 12). Die
vom KNS initiierten Studien zur Frühintervention bestätigen, dass eine frühe Intervention den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen kann. Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko, die bereits in einem frühen
Stadium vor Ausbruch einer akuten Psychose an einer kognitiven Verhaltenstherapie
teilnehmen, zeigen eine bessere schulische
und berufliche Leistungsfähigkeit als Personen, die an einer unspezifischen Behandlung teilnehmen. Außerdem kamen Übergänge in ein psychosenahes Stadium bzw.
die Psychose deutlich seltener vor. Bei Personen, bei denen sich der Beginn einer akute Psychose bereits deutlich abzeichnet,
lässt eine kombinierte psychopharmakologische Therapie eine Verbesserung der
Symptomatik erkennen (2, 12).
Behandlung Ersterkrankter
optimieren
Die Akutbehandlung einer psychotischen
Episode wird meist stationär durchgeführt.
Etwa 10–15% der Akutpatienten sind erstmals an Schizophrenie erkrankt. Ihre Be-
handlung setzt spezielle Kenntnisse voraus,
da Ersterkrankte besonders häufig mit unerwünschten Nebenwirkungen auf die Pharmakotherapie reagieren. Hinzukommt, dass
bei Ersterkrankten oft die Einsicht gering
ausgeprägt ist, dass sie unter einer behandlungsbedürftigen Erkrankung leiden. Die
Probleme der hieraus resultierenden mangelnden Compliance zeichnen sich insbesondere in der Langzeitbehandlung ab,
die überwiegend im ambulanten Sektor
durch niedergelassene Psychiater und Nervenärzte, Allgemeinärzte und Internisten
oder in Polikliniken und Institutsambulanzen erfolgt. Die Erhöhung der Compliance
ist daher ein zentrales Anliegen des KNS,
zumal es in etwa 70% der Fälle möglich wäre, die Symptome zum Abklingen zu bringen und Rezidive zu verhindern, sofern das
vorhandene medikamentöse und psychosoziale Behandlungsangebot voll ausgeschöpft würde.
Als besonders effektiv erweist sich im
Allgemeinen die Behandlung mit speziellen
Psychopharmaka. Allerdings führt die Behandlung mit den sog. klassischen Antipsychotika der ersten Generation häufig zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme und extrapyramidalmotorischen Störungen. Eine neue Generation der
sog. atypischen Antipsychotika verspricht
jedoch weniger Nebenwirkungen bei gleicher Wirksamkeit.
Im Rahmen einer multizentrischen randomisierten Doppelblindstudie des KNS
werden die Behandlungseffekte klassischer
und atypischer Antipsychotika speziell in
der Akut- und Langzeittherapie von Ersterkrankten untersucht. Darüber hinaus werden die Effekte einer begleitenden Psychotherapie geprüft und neuropsychologische
Zusatzuntersuchungen durchgeführt, die
Rückschlüsse darüber erlauben sollen, inwieweit die aus der Früherkennung bekannten Prodrome auch für die Erkennung eines
möglichen Rückfalls bedeutsam sind.
Erste Ergebnisse der noch laufenden Studie zeigen, dass unabhängig von der Studienmedikation – Haloperidol als klassisches
Antipsychotikum, Risperidon als Atypikum
– bereits eine niedrige Dosierung der Studienmedikation (<4mg) zu guten Behandlungsergebnissen führt. Dies wird insbesondere bei der Reduktion von Positivsympto-
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Patienten mit schizophrenen Psychosen
men sichtbar. Darüber hinaus bestätigt sich,
dass es sich generell günstig auf den Behandlungserfolg auswirkt, wenn die Dauer
der unbehandelten Psychose möglichst kurz
ist und wenn soziale Krankheitsfolgen noch
nicht bereits eingetreten sind (6).
Unerwartet hoch ist die Rate der Studienabbrecher. Es zeigt sich jedoch, dass ersterkrankte Patienten, die eine begleitende
Psychotherapie erhalten, eine höhere Compliance gegenüber der Behandlung zeigen
und weniger häufig die Teilnahme an der
Studie abbrechen. Die auf Ersterkrankte abgestimmten psychologischen Interventionen sind in einem Therapiemanual veröffentlicht worden (11). Ein künftige Aufgabe des KNS wird es sein, speziell für Ersterkrankte Programme zur Verbesserung der
Compliance zu entwickeln und damit eine
Behandlung der Schizophrenie nach aktuellem medizinischem Kenntnisstand zu ermöglichen.
Soziale Integration verbessern
Trotz der therapeutischen Fortschritte, die
die Chancen auf ein normales Alltagsleben
erhöhen, erleben die Betroffenen häufig
Vorurteile. Die Umsetzung des weltweiten
Programms der World Psychiatric Association „Open the doors“ in Deutschland trägt
dazu bei, wissenschaftlich fundierte Grundlagen für eine effektive Aufklärung zu
schaffen und so die Integrationsbereitschaft
der Bevölkerung gegenüber psychisch kranken Menschen zu erhöhen (1). Mit Blick auf
die Förderung der sozialen Integration ist es
ebenso erforderlich, die soziale Kompetenz
der Betroffenen zu verbessern. Im Rahmen
eines Projekts über psychologische Interventionsstrategien bei kognitiven und emotionalen Störungen ist ein Trainingsprogramm zur Dekodierung emotionaler Ausdruckssignale entwickelt worden, infolge
dessen die sozial-kommunikativen Fähigkeiten von schizophren Erkrankten verbessert werden (5).
Qualität der Versorgung stetig
steigern
Qualitätsstandards in der Versorgung orientieren sich an Behandlungsleitlinien, die für
Schizophrenie erstmals 1998 von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) herausgegeben worden sind. Zur Sicherung der Einhaltung der
Leitlinien wird in 8 psychiatrischen Krankenhäusern der Einsatz unterschiedlicher
Methoden des Qualitätsmanagements erprobt (z. B. Qualitätszirkel, vergleichende
Datenrückmeldung für Benchmarking) und
ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die medizinische Versorgungsqualität, die Servicequalität für Patienten und Angehörige sowie
die wirtschaftliche Effizienz verglichen. In
einem zweiten Projekt wird geprüft, ob und
inwieweit die unterschiedlichen Qualitätsmanagementstrategien die Leitlinienkonformität und damit die Ergebnisqualität der
ambulanten Schizophreniebehandlung verbessern können. Als neues Instrument des
Qualitätsmanagements ist eine leitlinienbasierte Patientendokumentationssoftware als
Entscheidungshilfe für Behandlungsempfehlungen entwickelt und erprobt worden
(10).
Die Ergebnisse der beiden Projekte stützen die positive Wirkung von Qualitätsmanagementprogrammen auf das Behandlungsergebnis, wobei es für die stationäre
Versorgung gegenwärtig auf Grund einer
sehr heterogenen Ausgangslage in den beteiligten Kliniken nicht möglich ist, einen
differenziellen Behandlungserfolg für die
einzelnen Qualitätsmanagementstrategien
zu spezifizieren. Für den ambulanten Sektor
zeichnet sich ab, dass in Arztpraxen, in denen leitlinienbasierte Software zum Einsatz
kommt, die Patienten signifikant deutlichere Verbesserungen ihrer Psychopathologie
zeigen. Positiv auf das Behandlungsergebnis wirkt auch der Einsatz von Qualitätszirkeln, die primär auf dem fachlichen Austausch zwischen Ärzten basieren (10).
Transfer in die Versorgung
Bevor aktuelle Forschungserkenntnisse
Eingang in die Routinebehandlung finden,
vergehen oft mehrere Jahre. Um einen möglichst zeitnahen Wissenstransfer zu erreichen, sollen in der Mitte des Jahres 2005 beginnenden dritten Förderphase die Forschungsergebnisse des KNS gezielt für einzelne Nutzergruppen wie Fachärzte, Hausärzte, Tätige in Schulen und psychosozialen
Einrichtungen, Angehörige und Betroffene
aufbereitet werden. Hierzu werden ähnlich
den bereits etablierten Früherkennungszentren spezielle Kompetenzzentren aufgebaut,
die sich mit den besonderen Behandlungserfordernissen Ersterkrankter, dem Qualitätsmanagement in der ambulanten und stationären Versorgung sowie dem Abbau von
Vorurteilen und Stigmatisierung befassen
und das aktuelle Wissen zeitnah und adressatengerecht über Schulungen, Fortbildungen und Beratung und auf Basis von Printmaterialien und internetbasierten Angeboten vermitteln.
Eine wesentliche Grundlage des Transfers stellt die kontinuierlicheAktualisierung
von Behandlungsleitlinien dar, in denen die
Ergebnisse klinischer Studien vergleichend
bewertet und für die Versorgung zugänglich
gemacht werden. Unter aktiver Mitwirkung
des KNS werden gegenwärtig die evidenzbasierten Leitlinien der Stufe 3 für Schizophrenie von der DGPPN abgeschlossen (4).
In einem nächsten Schritt werden diese
Leitlinien auf die oben genannte Patientendokumentationssoftware übertragen. Gemeinsam mit der Telematikplattform für
medizinische Forschungsnetzwerke e.V., zu
dessen Gründungsmitgliedern das KNS
zählt, wird versucht, diese Software auch
auf andere Diagnosen zu erweitern, sodass
den Ärzten künftig ein Gesamtpaket an leitlinienbasierter Software für neurologischpsychiatrische Krankheiten zur Verfügung
stehen kann.
Hausärzte
Bevor die fachärztliche Behandlung einsetzt, werden häufig erste, meist noch unspezifische Krankheitsanzeichen dem
Hausarzt berichtet. Einer Untersuchung von
Nazareth et al. zufolge (13, 14), befindet
sich etwa jeder 4. Patient mit Schizophrenie
ausschließlich in hausärztlicher Behandlung, dies unterstreicht die Bedeutung der
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hausärztlichen Betreuung aus Sicht der Patienten. Allerdings fehlt den Hausärzten
häufig die Erfahrung im Umgang mit dieser
Patientengruppe, da sie weniger als 1% ihres Praxisklientels ausmacht. Diese Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der Patienten einerseits und der geringen Relevanz
schizophrener Erkrankungen in der einzelnen Hausarztpraxis andererseits versucht
das KNS auszugleichen, indem es für Hausärzte verschiedene Möglichkeiten der Kooperation und Information anbietet und damit Voraussetzungen schafft, um die Kompetenz von Hausärzten im Umgang mit Patienten zu erhöhen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind bzw. ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben.
Die Förderung der Kooperation und der
interdisziplinären Zusammenarbeit im Versorgungssystem findet auf verschiedenen
Ebenen statt. Im Rahmen des AwarenessProgramms sind in den Regionen Köln und
Bonn lokale Netzwerke aufgebaut worden,
in denen derzeit mehr als 600 Arztpraxen
und Einrichtungen aus der psychosozialen
Bereich kooperieren (12). Des Weiteren ist
in Kooperation mit einer Landesärztekammer ein leitlinienorientiertes Fortbildungsprogramm zur Früh- und Basisintervention
schizophrener Störungen speziell für Hausärzte entwickelt worden (16). Das Programm beinhaltet Wissensvermittlung, ein
Training relevanter Fähigkeiten und dieVeränderung ungünstiger Behandlungseinstellungen und zielt auf eine Erhöhung der diagnostischen Kompetenzen in den Bereichen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Derzeit wird ein Lehrbuch über
psychiatrische Krankheiten für den Hausarzt im Rahmen des KNS fertiggestellt.
Danksagung
Diese Publikation wurde im Rahmen des Kompetenznetzes Schizophrenie erstellt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert
(Kennzeichen: 01 GI 0233).
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Fazit für die Praxis
Ein Rückblick auf die vergangenen 5
Jahre zeigt, dass es im Rahmen der
BMBF-Förderung gelungen ist, eine Infrastruktur für die Schizophrenieforschung aufzubauen, die die Durchführung von Multicenterstudien erlaubt.
Nicht zuletzt auf Grund der relativ niedrigen Inzidenzrate für Schizophrenie wären die hier skizzierten klinischen Studien ohne eine solche Infrastruktur kaum
durchführbar gewesen. In der bereits bewilligten dritten Förderphase sollen die
Kernstrukturen des KNS als Plattform
für Forschungskooperationen dauerhaft
implementiert und der Transfer von Forschungsergebnissen in die Versorgung
gezielt umgesetzt werden, sodass medizinischer Fortschritt möglichst zeitnah
den Patienten zugute kommen kann.
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Korrespondenzadresse
Dr. Adelheid Weßling, MPH
Kompetenznetz Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Heinrich-Heine Universität
Rheinische Kliniken Düsseldorf
Bergische Landstraße 2
40629 Düsseldorf
Tel.: 02 11 / 9 22 27 70
Fax: 02 11 / 9 22 27 80
E-Mail: [email protected]
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