ARCHITEKTUR DES GEHIRNS Text und Illustrationen: Rainer Harf Unser Hirn ist ein Verbund aus 100 Milliarden Nervenzellen, die jeweils mehrere Tausend Kontaktstellen zueinander bilden. Manche Funktionen – etwa die Koordination unserer Bewegungen – lassen sich bestimmten Regionen zuordnen. Die meisten Leistungen werden jedoch von Neuronennetzen vollbracht, die über das ganze Gehirn verteilt sind Insula: Bereich der Großhirnrinde, löst Genuss sowie Ekel aus Motorkortex: Teil des Stirnlappens, sendet Befehle an die Muskulatur Stirnlappen: Sitz höherer geistiger Fähigkeiten – etwa der Intelligenz Zentralfurche Scheitellappen: spielt eine zentrale Rolle beim Rechnen und dem räumlichen Vorstellungsvermögen Präfrontaler Kortex: Teil des Stirnlappens, Ort der Selbstreflexion und der moralischen Bewertung Seitenventrikel: produzieren und transportieren Nervenwasser Hinterhauptslappen: verarbeitet vor allem optische Impulse Schläfenlappen: beherbergt das Hörzentrum und ist an der Erkennung von Gesichtern beteiligt Großhirnrinde: (dunkelblau) am stärksten entwickelter Teil des Gehirns – ruft das Bewusstsein hervor Kleinhirn: reguliert Bewegungen und ist wichtig für die Gleichgewichtskontrolle Balken: verbindet die beiden Gehirnhälften miteinander Basalganglien: dienen vor allem der Bewegungskoordination Thalamus: »Tor zum Bewusstsein« – koordiniert die Weiterleitung von Reizen zur Großhirnrinde Linke Hemisphäre er rü B Ve M rl ä ar n k g ck e lh te Längsspalte des Großhirns ir n te s Zwischenhirn: gilt als Informationsfilter und reguliert den Tag-Nacht-Rhythmus sowie die hormonelle Steuerung it Rechte Hemisphäre M Mandelkern: spielt eine wichtige Rolle für unser Gefühlsleben Hirnstamm: steuert lebenswichtige Grundfunktionen wie Herzschlag und Atmung In dieser Ansicht sind nur der Balken, Zwischenhirn, Hirnstamm und Kleinhirn angeschnitten, da das Großhirn durch die Längsspalte ohnehin in zwei Hemisphären getrennt ist A N AT O M I E D E R S I N N E Alle Formen und Farben, alle Klänge und Geräusche, Gerüche und Geschmacksempfindungen sind das Werk unseres Gehirns: eine Interpretation von Abermillionen Reizen, die jede Sekunde von den Sinneszellen in Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut aufgenommen und in elektrische Impulse umgewandelt werden. Über Nervenbahnen gelangen diese Signale an jene Hirnareale, die für die sensorische Verarbeitung zuständig sind. Dort erst entsteht durch ein hochkomplexes, noch nicht vollständig verstandenes Zusammenspiel Tausender Neurone ein Bild unserer Wirklichkeit TASTEN TASTEN SCHMECKEN SCHMECKEN HÖREN SEHEN SEHEN RIECHEN HÖREN HÖREN In dieser Ansicht sind nur der Balken, Zwischenhirn, Hirnstamm und Kleinhirn angeschnitten, da das Großhirn durch die Längsspalte ohnehin in zwei Hemisphären getrennt ist Rot gekennzeichnet sind jene Areale der Großhirnrinde, in denen die jeweiligen Sinnesreize verarbeitet werden TASTEN SEHEN SCHMECKEN HÖREN RIECHEN Millionen Sinneszellen (1), die auf Druck, Berührung oder schmerzauslösende Reize reagieren, durchziehen die menschliche Haut. Die Zellen senden Reize zum Rückenmark, von wo sie schließlich in den somatosensorischen Kortex weitergeleitet werden: ein Areal, das der zentralen Verarbeitung der haptischen Wahrnehmung dient. Dringt Licht ins Auge, wird es von der Linse (1) auf die Netzhaut (2) projiziert. Dort liegen rund 130 Millionen Sehzellen (3): Stäbchen und Zapfen, die Lichtsignale in elektrische Impulse umwandeln. Die werden an Nervenzellen (4) und anschließend über den Sehnerv (5) an die Sehrinde geschickt. Ein dichtes Gewirr von Neuronen stimmt dort die visuellen Informationen aufeinander ab. Es analysiert Farben und Formen, Bewegungen sowie die räumliche Anordnung von Objekten – und setzt sie zu einem Bild zusammen. Auf der Zunge befinden sich Hunderte Papillen (1) mit zahlreichen Geschmacksknospen (2). Jede Knospe enthält etwa 50 Sinneszellen (3), die bei Kontakt mit Geschmacksstoffen (blau) Nervenzellen reizen. Diese leiten die Impulse an die Insula in der Großhirnrinde weiter. Fünf Geschmacksrichtungen werden wahrgenommen: süß, salzig, sauer, bitter und umami (fleischig). Geschmackssinneszellen werden alle zehn bis 15 Tage aus Zellen der Mundschleimhaut neu gebildet. Dringen Schallwellen in unser Ohr, versetzen sie das Trommelfell (1) in Schwingung und werden über die Gehörknöchelchen (2) zu einer Membran (3) weitergeleitet. Von dort pflanzen sie sich als Druckwellen entlang des mit Flüssigkeit gefüllten schneckenförmigen Hörorgans (4) fort und stimulieren mit Härchen besetzte Sinneszellen (5). Die wandeln die Schwingungsenergie in biochemische Signale um. Als neuronale Impulse gelangen sie dann über den Hörnerv (6) ins Hirn; nun erst wird der Schall bewusst wahrgenommen. Duftmoleküle streifen an der Nasenschleimhaut (1) entlang. Weiter hinten, in ihrem oberen Teil sind etwa 20 Millionen Riechzellen (2, gelb) eingebettet. An deren Oberfläche docken die Moleküle (grün) an. Daraufhin senden die Zellen Signale in den Riechkolben (3). Von dort aus gelangen die Geruchsinformationen in die Riechrinde – und damit in unser Bewusstsein. 1 3 2 1 4 6 2 2 1 1 30 GEO kompakt 4 3 1 3 5 5 3 2 GEO kompakt 31