Algebraische Zahlentheorie Universität Basel HS 2017 Philipp Habegger 17. Oktober 2017 Inhaltsverzeichnis -1 Vorwort 5 0 Übersicht 7 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen 1.1 Zahlkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Mehr über Körpererweiterungen . . . . . . . 1.3 Einschub über Moduln . . . . . . . . . . . . 1.4 Ring der ganzen Zahlen in einem Zahlkörper 1.5 Diskriminante . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Dedekindsche Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 14 18 20 23 30 2 Primidealfaktorisierung in ZK 45 2.1 Die Norm eines Ideals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3 -1 Vorwort Dieses Skripts entstanden in Vorlesungen, welche ich an der Universität Zürich (HS2010), an der Goethe-Universität Frankfurt am Main (SS2012) und an der Universität Basel (FS2016) gehalten habe. Ich bedanke mich bei Florentin Bieder, der bei der Suche nach Fehler geholfen hat. Für die verbleibende Fehler (die es sicherlich gibt) bin ich verantwortlich. Lesen Sie das Skript auf eigene Gefahr! Weitere Korrekturvorschläge nehme ich gerne entgegen. Bitte teilen Sie mir solche per Email oder persönlich nach der Vorlesung mit. Die Folgenden zwei Bücher dienten als Grundstruktur für dieses Skripts. Sie enthalten bei auch viel weiterführendes Material, unten sind [1] und [2] als Einführungen in das Thema zu verstehen und [3] ist eine Vertiefung. 1. Armin Leutbecher, Zahlentheorie, Springer Verlag 2. Daniel A. Marcus, Number Fields, Universitext, Springer Verlag 3. Jürgen Neukirch, Algebraische Zahlentheorie Springer Verlag 5 0 Übersicht Der Ausgangspunkte der algebraischen Zahlentheorie ist im 19. Jahrhundert. Die vielleicht wichtigste Motivation war es, folgende Behauptung von Fermat zu beweisen, für dessen Beweis ihm bekanntlich das nötige Papier fehlte. Satz (Fermats “letzter Satz”). Sei n ≥ 3 eine ganze Zahl und x, y, z ∈ Z mit xn + y n = z n . Dann gilt xyz = 0. Obwohl er oft mit Fermats Satz bezeichnet wird, wurde dieses Resultat erst 1994 durch Andrew Wiles, mit der Hilfe von Richard Taylor, bewiesen. Der Ansatz von Wiles wird für diese Vorlesung keine Rolle spielen, da die von ihm verwendeten Methoden weit mehr als algebraische Zahlentheorie benötigen. Dennoch steht die algebraische Zahlentheorie am Anfang dieser Reise. Man kann mit diesen klassischen Methoden eine schwache Version von Fermats letzten Satz beweisen. Wir werden jetzt sehen wie das funktioniert und dabei einen Ausblick auf die Vorlesung geben. Zuerst machen wir eine einfache Reduktion. Seien x, y, z ∈ Z und n ≥ 3 mit xn + y n = z n . Ist p eine Primzahl, die n teilt, so können wir n = pm mit m ∈ N schreiben. Es gilt (xm )p + (y m )p = (z m )p . In anderen Worten erfüllen x0 = xm , y 0 = y m , z 0 = z m die Gleichung x0p + y 0p = z 0p . Natürlich ist xyz = 0 genau dann, wenn x0 y 0 z 0 = 0. In den Übungen werden wir sehen, dass es reicht, den n = p ≥ 3 eine Primzahl und n = 4 zu behandeln, um den Letzten Satz von Fermat zu beweisen. Diese wichtige Reduktion scheint zwar unspektakulär. Der Fall n = 4 geht auf Fermat zurück. Wir werden uns mit n = p ≥ 3 eine Primzahl beschäftigen. Nachdem wir genügend Theorie im Laufe des Semesters aufgebaut haben, werden wir folgende schwache Variante von Fermats Satz beweisen können. Satz (Fermats Letzter Satz - Erster Fall für reguläre Primzahlen). Sei p ≥ 3 eine reguläre Primzahl. Falls xp + y p = z p mit x, y, z ∈ Z dann gilt p | xyz. 7 0 Übersicht Beachten Sie, dass diese Resultat in zweierlei Hinsicht schwächer ist als der Satz von Wiles. Erstens ist die Schlussfolgerung p | xyz nicht optimal. Falls eines der drei Zahlen x, y, z gleich Null ist, so gilt sicherlich p | xyz. Der sogenannte zweite Fall von Fermats Letztem Satz betrifft die Lösungen (x, y, z) von Fermats Gleichung mit p | xyz. Auf dem ersten Blick scheint es verlockend, die Primzahl in der Gleichung xp + y p = z p zu kürzen, um auf den ersten Fall zu reduzieren. Dies ist in der Regel jedoch nicht möglich, es kann durchaus p | x aber p - y und p - z gelten. Mit grösserem Aufwand ist es mit klassischen Methoden (prä-Wiles) möglich, p | xyz durch die optimale Schlussfolgerung xyz = 0 zu ersetzen. Zweitens müssen wir uns auf reguläre Primzahlen beschränken. Die Bedeutung des Adjektivs “regulär” wird erst im Laufe des Semester erläutert. Zuerst müssen wir Konzepte wie ganze algebraische Zahlen und Klassengruppen einführen. Die drei kleinsten irregulären Primzahlen sind 37, 59 und 67 und das sind die einzigen unter 100. Man weiss, dass es unendlich viele irreguläre Primzahlen gibt und das sind zunächst schlechte Nachrichten. Heuristische Überlegungen, auf die wir nicht weiter eingehen werden, legen nahe, dass eine Primzahl mit “Wahrscheinlichkeit” e−1/2 = 0.60653 . . . regulär ist. Dennoch ist es bis heute ein offenes Problem zu beweisen, dass es unendlich viele reguläre Primzahlen gibt! Obwohl wir noch einiges an Theorie erarbeiten müssen, bevor wir die schwächere Version von Fermats letzten Satz zeigen können, ist die dem Beweis zugrunde liegende Idee einfach. Wir verdeutlichen diese Idee an einer einfacheren Gleichung. Wir interessieren uns für ganzzahlige Lösungen (x, y) der Gleichung y 2 = x3 + 1. (0.1) Satz. Sei (x, y) ∈ Z2 eine Lösung von (0.1), dann gilt (x, y) = (−1, 0) oder 2 | x. Bevor wir zum Beweis kommen sei erwähnt, dass es Lösungen (x, y) mit 2 | x gibt, z.B. (2, ±3) und (0, ±1). Weiterhin kann man zeigen, dass diese fünf Lösungen alle ganzzahlige Lösungen von (0.1) ausschöpfen. Beweis. Wir schreiben die Gleichung um und faktorisieren y 2 − 1 = x3 also (y − 1)(y + 1) = x3 . Wir nehmen 2 - x an und zeigen (x, y) = (−1, 0). Behauptung: Die Zahlen y − 1 und y + 1 sind teilerfremd. Der grösste gemeinsame Teiler d ∈ Z von y − 1 und y + 1 ist auch ein Teiler von (y + 1) − (y − 1) = 2. Also kommt nur d ∈ {1, 2} in Frage. Ist d = 2, dann ist 2 ein 8 Teiler von x3 und somit auch ein Teiler von x. Unsere Annahme impliziert d = ±1, was zu zeigen war. fm mit Primzahlen pi , qi , Wir schreiben nun y − 1 = ±pe11 · · · penn und y + 1 = ±q1f1 · · · qm die paarweise verschieden sind, und ei , fi ∈ N. Das Produkt (y − 1)(y + 1) ist eine dritte Potenz und y + 1, y − 1 haben verschiedene Primteiler. Aus der Eindeutigkeit der Primfaktorisierung folgt, dass sowohl die ei wie auch die fi Vielfache von 3 sind. Inbesondere ist y − 1 = ±z 3 und y + 1 = ±w3 mit z, w ∈ Z. Wegen (−1)3 = −1 verschluckt der Kubus ein negatives Vorzeichen. Wir dürfen y − 1 = z 3 und y + 1 = w3 annehmen. Wir nehmen wieder die Differenz und erhalten 2 = (y + 1) − (y − 1) = w3 − z 3 . Auf dem ersten Blick scheint die neue Gleichung w3 − z 3 = 2 nicht einfacher zu sein als (0.1). Aber dieser Schein trügt, da es ungewöhnlich ist, wenn zwei Kuben nahe sind. Die Kuben ganzer Zahlen sind . . . − 27, −8, −1, 1, 8, 28, . . . . Differenz 2 tritt nur zwischen 1 und −1 auf. Es folgt also w = 1 und z = −1. Das kann man formal wie folgt beweisen. Aus w3 − z 3 = 2 folgt w ≥ z + 1 und (z + 1)3 − z 3 ≤ 2. Wir multiplizieren die linke Seite aus, dividieren durch 3 und 2 2 erhalten p z + z − 1/3 ≤ 0. Die zwei Nullstellen des Polynoms X + X − 1/3 sind (−1 ± 7/3)/2 = −1.263 . . . , 0.263 . . .. Hieraus folgt z = 0 oder z = −1. Aber die Null kann man ausschliessen, da w3 = 2 unlösbar in w ∈ Z ist. Also muss z = −1 und w = 1 gelten. Es gilt y = 1 + z 3 = 0 und damit x = −1. Das ist also die einzige Lösung (für x ungerade). Der Grund wieso wir uns auf ungerade x einschränken mussten ist das Analogon zu p - xyz in der vereinfachten Version von Fermats Satz. Als nächstes wollen wir die eben beschriebene Methode anwenden, um ganzzahlig Lösungen x, y, z von xp + y p = z p zu untersuchen. Wie üblich ist p eine ungerade Primzahl. Unter der Annahme, dass xp + y p = z p und dass xyz 6= 0 wollen wir einen Widerspruch herleiten. Dazu formen wir um z xp = z p − y p = y p (tp − 1) mit t = . y Nun betrachten wir den Ausdruck T p − 1 als Polynom P (T ) ∈ Q[T ]. Dieses Polynom besitzt genau p verschiedene komplexe Nullstellen 1, e 2πi p ,e 4πi p ,...,e 2πi(p−1) p . Wir kürzen ζp = e2πi/p ab. Unser Polynom faktorisiert wie folgt P (T ) = (T − 1)(T − ζp ) · · · (T − ζpp−1 ) und daraus leiten wir durch Substitution xp = (z − y)(z − ζp y) · · · (z − ζpp−1 y) 9 0 Übersicht ab. Die oben vorgelegt Strategie suggeriert nun folgendes Vorgehen. (i) Zunächst sollten wir versuchen zu beweisen, dass z − y, z − ζp y, . . . , z − ζpp−1 y paarweise teilerfremd sind. (ii) Danach könnte man hoffe, dass jeder Faktor z − ζpi y (für 0 ≤ i ≤ p − 1) eine p-te Potenz ist. (iii) Schliesslich sind wir versucht, aus (ii) einen Widerspruch herzuleiten. Schon Schritt (i) führt zu einem Problem. Die Ausdrücke z − ζpi y sind für i 6= 0 keine ganze Zahlen und lediglich komplexe Zahlen. Da der Ring der komplexen Zahlen ein Körper ist, ist seine Teilbarkeitstheorie trivial. Wir können uns nicht erhoffen hieraus Information zu gewinnen. Es bietet sich jedoch an, im Ring Z[ζp ] = {a0 + a1 ζp + · · · + ap−1 ζ p−1 : a0 , . . . , ap−1 ∈ Z} (0.2) zu arbeiten. Dieser enthält die relevanten Elemente z − ζ i y und ist dem Ring der ganzen Zahlen “näher” als den komplexen. Um wie in (i) von Teilerfremdheit zu sprechen, setzt voraus, dass man es mit einem faktoriellen Ring zu tun hat. Bekannterweise ist Z faktoriell, aber wie steht es mit Z[ζp ]? Leider gilt folgender Satz, den wir nicht beweisen werden: Satz. Der Ring Z[ζp ] ist faktoriell ⇐⇒ p ≤ 19. Ein faktorieller Ring zu sein, ist also eine zu starke Einschränkung. Wir werden zwar nicht direkt beweisen können, dass Z[ζ23 ] nicht faktoriell ist, aber folgendes Beispiel soll verdeutlichen, dass es sich um ein grundsätzliches Phänomen handelt. Dazu repetieren wir einige Begriffe aus der Algebra. Definition 0.1. Ein Ring R heisst Integritätsbereich, falls R 6= {0} und falls a, b ∈ R mit ab = 0 =⇒ a = 0 oder b = 0. Wichtige Beispiele von Integritätsringen sind u.a. Z oder Z[ζp ] in (0.2). Definition 0.2. Sei R ein Ring und a ∈ R r {0}, so dass a keine Einheit von R ist. (i) Wir nennen a irreduzibel, falls aus r, s ∈ R und a = rs folgt, dass r oder s eine Einheit von R ist. (ii) Wir nennen a Primelement von R, falls aus r, s ∈ R und a | rs folgt, dass a | r oder a | s. Wir nennen a auch prim.1 1 Achtung: die Menge aller Primelemente von Z ist {±2, ±3, ±5, . . .}. Die Menge der Primzahlen ist wie gewohnt {2, 3, 5, . . .}. 10 Definition 0.3. Ein faktorieller Ring R ist ein Integritätsbereich, so dass jedes Element a ∈ R r {0} von der Form a = up1 · · · pn mit u eine Einheit von R, p1 , . . . , pn Primelemente von R. Weiterhin ist (p1 , . . . , pn ) eindeutig bis auf die Reihenfolge und bis auf Multiplikation mit Einheiten. Es gilt a irreduzibel =⇒ a prim aber die Umkehrung ist falsch im Allgemeinen. Ist A ein faktorieller Ring, so gilt die Umkehrung. √ √ Beispiel 0.4. Man rechnet leicht nach, dass R = Z[ −5] = {a + b −5; a, b ∈ Z} ein Unterring der √ komplexen Zahlen ist. Die Koeffizienten a und b sind eindeutig durch ein Element a + b −5 ∈ R definiert. Wir werden anhand der Faktorisierungen √ √ 6 = 2 · 3 = (1 + −5)(1 − −5) sehen, dass R nicht faktoriell ist. Zuerst überprüfen wir, dass 2 kein Primelement von R ist. Hieraus folgt, dass R kein faktorieller Ring sein kann. √ √ Sicherlich gilt 2 | (1 + −5)(1 − 5), aber √ √ 1 ± −5 1 −5 = ± 6∈ R, 2 2 2 √ wobei wir die√Eindeutigkeitsaussage oben implizit verwendet haben. Also gilt 2 - (1+ −5) und 2 - (1 − −5) und daher ist 2 kein Primelement. Nun werden wir beweisen, dass 2 irreduzibel als Element von R ist. Wir nehmen also an, dass √ √ 2 = (a + −5b)(c + −5d) (0.3) √ mit a, b, c, d ∈ Z. Wir wenden komplexe Konjugation an und stellen 2 = (a − −5b)(c − √ −5d) fest. Wir bilden das Produkt mit (0.3) und erhalten √ √ √ √ 4 = (a + −5b)(a − −5b)(c + −5d)(c − −5d) = (a2 + 5b2 )(c2 + 5d2 ). Beide Faktoren ganz rechts sind ganze Zahl und sie können nicht negativ sein. Wir verwenden dass Z faktoriell ist, um a2 + 5b2 ∈ {1, 2, 4} zu schliessen. Wir dürfen die Faktoren in (0.3) vertauschen und dies entspricht einer Vertauschung von (a, b) und (c, d). Also gilt ohne Einschränkung a2 + 5b2 ∈ {1, 2}. Aber a2 + 5b2 = 2 impliziert b = 0 und a2 = 2, ein Widerspruch. Also gilt a2 + 5b2 = 1 und dies bedeutet b = 0 und a = ±1. Aber dann war der erste Faktor in (0.3) gleich a = ±1 und war demnach eine Einheit. Folglich ist 2 irreduzibel in R. Die Lösung dieses Problems liegt in Dedekinds Idealtheorie. Die Idee ist, kurz gesagt, nicht Elemente zu faktoriseren, sondern Ideale. Das Wort Ideal stammt von der Ansicht, 11 0 Übersicht dass Ideale in bestimmten Situationen bessere Faktorisierungseinschaften besitzen als Element eines Rings. Es handelt sich um ideelle Zahlen. Wir werden in den ersten zwei Kapitel beweisen, dass sich in für uns interessante Situationen Ideale eindeutig als Produkt von Primidealen schreiben lassen. Dieser Faktorisierungssatz gilt natürlich nicht in jedem Ring, sondern in einem sogenannten Dedekindschen Ring. Diese Klasse reicht für viele Anwendungen in der Zahlentheorie aus. Der grobe Plan diese Vorlesung sieht wie folgt aus. Kapitel 1. Wir führen Dedekindsche Ringe ein und liefern eine √ wichtige Klasse von Beispielen. Darunter befinden sich die Ringe Z, Z[ζp ] sowie Z[ −5]. Sie verallgemeinert den Ring der ganzen Zahl. Kapitel 2. Hier beweisen wir den Faktorisierungssatz für Ideale in einem Dedekindschen Ring. Kapitel 3. Wir studieren eine wichtige Invariante eines Dedekindschen Rings: die Klassengruppe. Es handelt sich um eine abelsche Gruppe welche “misst”, wie weit ein Dedekindscher Ring davon entfernt ist, faktoriell zu sein. Kapitel 4. Wir werden die erarbeitete Theorie verwenden, um eine schwache Version von Fermats letzten Satz zu beweisen. Ab Kapitel 5. Weiterführende Anwendungen. 12 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Ziel dieses Kapitels ist es, Ringe zu definieren welche in arithmetischen Anwendungen auftreten. Diese sind die sogenannte Dedekindschen Ring. 1.1 Zahlkörper Gegeben sei ein Körper K und ein Untering F ⊆ K der auch ein Körper ist. Dann nennt man das Paar K/F eine Körpererweiterung, K ein Unterkörper von F und F ein Oberkörper von K. Man kann K auf natürliche Art als Vektorraum über F (oder F -Vektorraum) betrachten. Insbesondere besitzt K eine Basis als F -Vektorraum. Wir werden uns hauptsächlich für den Fall interessieren, wo dieser Vektorraum endliche Dimension hat. Definition 1.1. Sei K/F eine Körpererweiterung. Falls K ein endlich dimensionaler F -Vektorraum ist so nennt man die Erweiterung K/F endlich und setzt [K : F ] = dimF K, dann heisst Grad der Erweiterung. Man sagt auch, dass K eine endliche Körpererweiterung von F ist. In der Zahlentheorie speilt der Körper Q der rationalen Zahlen eine besondere Rolle. Deshalb kriegen die endlichen Körpererweiterungen von Q einen besonderen Namen. Definition 1.2. Eine endliche Körperweiterung von Q heisst Zahlkörper. Der Grad eines Zahlkörpers ist [K : Q]. Es folgen ein paar Beispiele. Beispiele 1.3. (i) Natürlich ist Q selbst ein Zahlkörper. √ −1) (ii) Das Polynom X 2 + 1 is irreduzibel in Q[X]. Somit ist K = Q[X]/(P ) = Q( √ ein Zahlkörper und K/Q hat Grad 2, hier ist −1 gleichbedeutend mit der Restklasse X + (P ). (iii) Der Körper der reellen Zahlen R ist kein Zahlkörper. Wäre R/Q eine endliche Körpererweiterung, so wäre R als Q-Vektorraum isomorph zu Qn mit n ∈ N. Damit müsste R abzählbar unendlich sein und dies ist jedoch absurd. Die komplexen Zahlen C bilden auch keinen Zahlkörper. 13 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen (iv) Ein Zahlkörper K heisst quadratisch, falls [K : Q] = 2. Neben Q sind quadratische Zahlkörper die einfachsten Beispielen von Zahlkörpern. Sei m ∈ Zr{0, 1} eine quadratfreie Zahl. D.h. es gibt keine Primzahl p mit p2 | m. Das Polynom P = X 2 − m ∈ Q[X] ist irreduzibel wegen dem Kriterium von Eisenstein. Der Quotient Q[X]/(P ) ist ein Körper K und es gilt [K : Q] = 2 und √ K = Q( m) wobei √ m gleichbedeutend mit der Restklasse X + (P ) ∈ K ist. Eine Basis von K als Q-Vektorraum ist durch √ (1, m) gegeben. D.h. jedes Element aus x ∈ K lässt sich auf eindeutige Art als Linear√ kombination x = a + mb mit a, b ∈ Q schreiben. Wir √werden später sehen, dass jede quadratische Körpererweiterung von der Form Q( m) ist. (v) Das Eisenstein Kriterium impliziert ebenfalls, dass X 3 −2 ein irreduzibles Polynom in Q[X] ist. Der Körper Q(21/3 ) ist somit ein Zahlkörper vom Grad 3. Zahlkörper haben Charakteristik 0. Es gibt auch ein natürlich Analogon in Charakteristik p > 0 und diese sind endliche Körpererweiterungen von Fp (X), dem Körper der rationalen Funktionen mit Koeffizienten in Fp = Z/pZ. Solche Körper werden in dieser Vorlesung keine Rolle spielen. 1.2 Mehr über Körpererweiterungen In diesem Abschnitt sind K ⊇ F Körper so, dass K/F eine endliche Körpererweiterung ist. Schon im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass K ein endlich dimensionaler F Vektorraum ist. Jetzt werden wir Konzepte aus der linearen Algebra verwenden um Elemente von K zu untersuchen. Jedes x ∈ K induziert einen Endomorphismus ϕx von K (als F -Vektorraum) wie folgt: ϕx : K → K ist gegeben durch ϕx (y) = xy für alle y ∈ K. Wir werden ϕx mit der Hilfe einer F -Basis von K als Matrix ausdrücken. Beispiele 1.4. (i) Hier ist F = R und K = C. Die √ Körpererweiterung C/R hat Grad 2. Eine R-Basis von C is gegeben durch (1, −1) (die Wahl der Wurzel von −1 14 1.2 Mehr über Körpererweiterungen √ ist für dieses Beispiel irrelevant). Sei x = a + b −1 mit a, b ∈ R. Dann wird ϕx bezüglich der eben erwähnten Basis durch a −b b a repräsentiert. Die Spur dieser Matrix ist 2a = Re(x) und die Determinante ist a2 + b2 = |x|2 . Aus der Transformationsformel der linearen Algebra ist bekannt, dass sowohl Spur wie auch Determinante einer F -linearen Selbstabbildung von K unabhängig von der Wahl einer Basis ist. Deshalb sind Spur und Determinante von x Invarianten von x bzgl. K/F . 2 (ii) Schauen wir uns eine endliche Körpererweiterung von Q an. Das √ Polynom X − 5 is irreduzibel in Q[X]. Deshalb ist K = Q[X]/(P ) = Q( √5) eine endliche Körpererweiterung von Q; der Grad [K : Q] ist 2. Jetzt ist (1, 5) eine Q-Basis √ von K (wieder ist die Wahl der Wurzeln von 5 irrelevant). Sei x = a + 5b. Bezüglich unserer Basis wird ϕx durch a 5b b a repräsentiert. Deshalb ist die Spur 2a und die Determinante a2 − 5b2 . Die folgenden zwei Definition sind, wie in den Beispielen oben, basisunabhängig. Definition 1.5. Die Notation sie wie oben. (i) Die Spur T rK/F (x) von x (bezüglich K/F ) ist die Spur von ϕx betrachtet als Endomorphism des F -Vektorraums K. (ii) Die Norm NK/F (x) von x (bezüglich K/F ) ist die Determinante von ϕx betrachtet als Endomorphism des F -Vektorraums K. Die Notation T rK/F (x) kommt aus dem Englischen oder Französischen (“trace”). Wir werden nun Spur und Norms eines Elements mit Hilfe von Körpereinbettungen beschreiben. Erinnerung. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung und F von Charakteristik 0. Aus der Algebra kennen wir die folgenden Sätze: (i) (Satz des primitiven Elements.) Es existiert x ∈ K mit K = F (x). In anderen Worten, es gibt ein irreduzibles Polynom P ∈ F [X] so, dass K zum Körper F [X]/(P ) isomorph ist. (ii) Seien x und P wie in (i) und L/F eine Körpererweiterung, so dass P in L[X] in Linearfaktoren zerfällt. Dies ist der Fall, falls L algebraisch abgeschlossen ist, inbesondere falls L = C. Es gibt genau d = [K : F ] paarweise verschiedene Einbettungen σ1 , . . . , σd : K → L, so dass σi |F die Inklusion F → L ist. 15 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Beispiel 1.6. Das Resultat (ii) von oben wird durch folgende Beispiele illustriert. √ : Q] = 2 √ und die zwei (i) Man nehme F = Q, K = Q( 5) und L = √ C. Dann √ ist [K √ Einbettungen σ1,2 : K → C sind durch σ1 ( 5) = 5 und σ2 ( 5) = − 5 festgelegt. (ii) Jetzt wählen wir F = Q, K = Q(21/3 ) und wieder L = C. Da [K : Q] = 3 gibt es drei Einbettungen σ1 , σ2 , σ3 : K → C, die durch σ1 (21/3 ) = 21/3 , σ1 (21/3 ) = 21/3 e2πi/3 und σ1 (21/3 ) = 21/3 e4πi/3 charakterisiert sind. Die Bedingung im Satz des primitiven Elements, dass F Charakteristik 0 haben soll kann durch eine schwächere ersetzt werden: man muss nur annehmen, dass K/F eine separable Körpererweiterung ist. Dies gilt zum Beispiel wenn F ein endlicher Körper ist. Nun können wir Spur und Norm mit Hilfe der σi ausdrücken. Lemma 1.7. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung mit K = F (x) und P = X d + a1 X d−1 + · · · + ad ∈ F [X] das F -Minimalpolynom von x, also d = [K : F ]. Sei L/F eine Körpererweiterung, so dass P in Linearfaktoren zerfällt und σ1 , . . . , σd : K → L paarweise verschiedene Fortsetzungen der Inklusion F ⊆ L. Für x ∈ K gilt T rK/F (x) = und NK/F (x) = d X i=1 d Y σi (x) = −a1 σi (x) = (−1)d ad . i=1 Beweis. Sei P das F -Minimalpolynom von x mit den Koeffizienten wie in der Behauptung. Wegen unserer Annahmen gilt aber m = d. Die Elemente 1, x, x2 , . . . , xd−1 sind F -linear unabhängig. Deshalb ist (1, x, x2 , . . . , xd−1 ) eine F -Basis von K. Bezüglich dieser Basis wird ϕx durch 0 0 · · · 0 −ad 1 0 0 −ad−1 .. .. . . 0 1 . . . .. .. .. . . ... . 0 0 · · · 1 −a1 repräsentiert. Spur und Determinante dieser Matrix sind −a1 und (−1)d ad . Somit gilt T rK/F (x) = −a1 und NK/F (x) = (−1)d ad und die Hälfte des Lemmas ist bewiesen. Zum Beweis von (ii) stellen wir zunächst fest, dass P (σi (x)) = σi (P (x)) = 0, also sind σ1 (x), . . . , σd (x) komplexe Nullstelle von P . Diese müssen wegen F (x) = K paarweise verschieden sein. Da P Grad d = [K : F ] hat, faktorisiert es vollständig in Linearfaktoren d P = X + a1 X d−1 d Y + · · · + ad = (X − σi (x)). i=1 16 1.2 Mehr über Körpererweiterungen Ein Koeffizientenvergleich liefert −a1 = d X d σi (x) und (−1) ad = i=1 d Y σi (x) i=1 und damit ist der Beweis vollständig. Das letzte Lemma lässt sich wie folgt auf beliebige Elemente x ∈ K verallgemeinern. Lemma 1.8. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung, x ∈ K und P = X m + a1 X m−1 + · · · + am ∈ F [X] das F -Minimalpolynom von x ist, also m = [F (x) : F ]. Sei L/F eine Körpererweiterung, so dass P in Linearfaktoren zerfällt und σ1 , . . . , σd : K → L mit d = [K : F ] paarweise verschiedene Fortsetzungen der Inklusion F ⊆ L. Für x ∈ K gilt T rK/F (x) = d X σi (x) = −a1 [K : F (x)] und i=1 NK/F (x) = d Y (x)] . σi (x) = (−1)d a[K:F m i=1 Beweis. Jede Einbettung σi : K → L aus der Behauptung kann auf F (x) eingeschränkt werden und liefert eine Einbettung F (x) → L, welche F ⊆ L fortsetzt. Weiterhin lässt sich wegen der Erinnerung oben jede Einbettung F (x) → L auf genau [K : F (x)] Möglichkeiten zu einer Einbettung K → L fortsetzen. Aus Lemma 1.7 folgt d X i=1 d Y σi (x) = [K : F (x)]T rF (x)/F (x) = −[K : F (x)]a1 , (1.1) (x)] σi (x) = NF (x)/F (x)[K:F (x)] = ((−1)m am )[K:F (x)] = (−1)d a[K:F , m i=1 da m[K : F (x)] = [F : F (x)][F (x) : K] = [F : K] = d. Ist andererseits C = (y1 , . . . , ye ) eine Basis von K als F (x)-Vektorraum und B = (x1 , . . . , xm ) eine Basis von F (x) als F -Vektorraum, so gilt em = [K : F (x)][F (x) : F ] = d. Das Tupel (xi yj )1≤i≤m,1≤j≤e ist eine Basis von K als F -Vektorraum. Die Matrix M von y 7→ xy als Endomorphismus F (x) → F (x) bzgl. B liegt in Matm (F ). Die Matrix von y 7→ xy als Endomorphismus K → K bzgl. C ist eine Blockmatrix N mit e Kopien von M auf der Diagonale (bei entsprechender Ordnung der Basis C) M 0 .. N = ∈ Matem (K) = Matd (K). . 0 M Es gilt Spur(N ) = eSpur(M ) und det N = det(M )e . Die Definitionen von Spur und Norm ergeben T rK/F (x) = eT rF (x)/F (x) = [K : F (x)]T rF (x)/F (x), NK/F (x) = NF (x)/F (x)e = NF (x)/F (x)[K:F (x)] . Das Lemma folgt nun aus (1.1). 17 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Wir werden uns später mit Spur und Norm auf K beschäftigen. Zunächst konzentrieren wir uns aber auf Ringe. 1.3 Einschub über Moduln In diesem Abschnitt machen wir eine kurze Einführung in die Theorie der Moduln. Grob gesagt verallgemeinert der Begriff des Moduls den Begriff des Vektorraums, in dem man Ringe1 und nicht nur Körper für die Skalare zulässt. Definition 1.9. Sei A ein Ring mit Einselement 1. Ein A-Modul ist eine abelsche Gruppe (M, +, 0) zusammen mit einer Abbildung · : A × M → M , genannt Skalarmultiplikation, für die die folgenden Eigenschaften gelten. (i) Für alle a, b ∈ A und alle m ∈ M gilt (ab)·m = a·(b·m) und (a+b)·m = a·m+b·m. (ii) Für alle a ∈ A und alle m, n ∈ M gilt a · (m + n) = a · m + a · n. (iii) Für alle m ∈ M gilt 1 · m = m. Wir werden · oft weglassen und benutzen nur das Symbol M , um den Modul zu bezeichnen. Beispiele 1.10. (i) Sei G eine beliebige abelsche Gruppe und A = Z. Dann können wir G mit der Struktur eines Z-Moduls wie folgt ausstatten. Sei + die Verknüpfung auf G und 0G das neutrale Element von G. Sei a ∈ Z und g ∈ G. Wir setzen a · g = g + ··· + g | {z } a mal falls a > 0, a · g = − (g + · · · + g) {z } | −a mal falls a < 0, und 0 · g = 0G . Man überprüft leicht, dass G ein Z-Modul ist. In der Tat ist das Datum eines Z-Moduls äquivalent zum Datum einer abelschen Gruppe. (ii) Ist A ein Körper, so ist ein A-Modul ein A-Vektorraum und umgekehrt ist ein A-Vektorraum ein A-Modul. (iii) Sei A ein Ring und I ein Ideal. Dann ist I ein A-Modul, da ai ∈ I für alle a ∈ A und alle i ∈ I. (iv) Sei A ein Ring und I ⊆ A ein Ideal. Wir wissen bereits aus dem letzten Beispiel, dass I ein A-Modul ist. Der Restklassenring A/I trägt auch die Struktur eines A-Moduls. Die Veknüpfung A × (A/I) → A/I 1 Ab jetzt ist ein Ring stets kommutative und besitzt ein Einselement. 18 1.3 Einschub über Moduln definieren wir wie folgt. Ein typisches Element von A/I ist von der Form m + I für einen Repräsentanten m ∈ A. Sei a ∈ A. Da I ein Ideal ist, gilt ab ∈ I für jedes b ∈ I. Ist also n ∈ A ein neuer Repräsentant von m + I (d.h. n + I = m + I) so gilt m − n ∈ I und damit a(m − n) ∈ I. Es folgt, dass am + I = an + I. Somit ist die Nebenklasse a(m + I) = am + I wohldefinieren. Die gesuchte Verknüpfung A × (A/I) → A/I wird durch (1.10) gegeben. Dass alle Eigenschaften eines Moduls erfüllt sind, folgt nach einer kleinen Rechnung. Nur als Beispiel halten wir a(m + I + n + I) = a(m + n) + I für a, m, n ∈ A fest; hieraus folgt (ii) in der Definition des Moduls. Achtung. Die Theorie der Moduln ist “wilder” als die Theorie der Vektorräume. Es gibt zwar den Begriff einer Basis eines Moduls, aber nicht jeder Modul besitzt eine Basis. Z.B. ist Q ein Z-Modul. Aber je zwei rationale Zahlen x, y ∈ Q sind linear unabhängig über Z. Gilt x = a/b und y = c/d mit a, b, c, d ∈ Z und bd 6= 0, so finden wir (bc)x − (da)y = 0. Wir benötigen nicht viel mehr als den Formalismus von Moduln und gehen nicht tief in die Theorie ein. Ein Untermodul ist die Verallgemeinerung eines Untervektorraums. Definition 1.11. Sei A ein Ring und (M, +, 0) ein A-Modul. Ein Untermodul von M ist eine Untergruppe von (M, +, 0), die abgeschlossen unter der Skalarmultiplikation ist. Der folgende Begriff ist eine wichtige Endlichkeitsaussage für Moduln. Definition 1.12. Sei A ein Ring. Ein A-Modul M heisst endlich erzeugt, falls es m1 , . . . , mn ∈ M gibt, so dass für jedes m ∈ M Elemente r1 , . . . , rn ∈ A existieren, mit m = r1 m1 + · · · + rn mn . In etwas eleganter Notation gilt M = Am1 + · · · + Amn . Obwohl es formal nicht erlaubt ist, werden wir Elemente im Modul oft auch von der rechten Seite mit Elementen aus dem Grundring Skalarmultiplizieren.2 2 Das ist harmlos, da bei uns der Grundring stets kommutativ ist. 19 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen 1.4 Ring der ganzen Zahlen in einem Zahlkörper Das Ziel dieses Abschnitts ist es, die “korrekte” Verallgemeinerung ZK der √ ganzen Zahln Z in einem Zahlkörper K zu konstruieren. Zum Beispiel im Fall K = Q( −1) werden √ √ wir√ZK = Z[ −1] erhalten. Etwas erstaunlich ist, dass ZK = Z[( 5 + 1)/2], falls K = Q( 5). Die Konstruktion ist ein ganz allgemeines Konzept aus der kommutativen Algebra. Definition 1.13. Sei B ein Ring und A ein Unterring von B. Dann heisst AB = {x ∈ B : es existieren d ∈ N und a1 , . . . , ad ∈ A mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0} der ganze Abschluss von A in B. Elemente von AB heissen ganz über A. Bemerkungen 1.14. (i) Für die algebraische Zahlentheorie ist der Fall A = Z und B ein Zahlkörper von zentraler Bedeutung. (ii) Es ist a priori nicht klar, dass AB ein Unterring von B ist, weil nicht offensichtlich ist, dass AB abgeschlossen ist bzgl. Addition und Multiplikation. Wir werden aber genau dies weiter unten beweisen. (iii) Auf jeden Fall gilt A ⊆ AB , da jedes a ∈ A eine Nullstelle von X − a ∈ A[X] ist. Bevor wir zu weiteren Eigenschaften von AB kommen, untersuchen wir ein wichtiges Beispiel: A = Z und B = Q. Lemma 1.15. Es gilt ZQ = Z. Beweis. Die Inklusion Z ⊆ ZQ wurde schon erwähnt. Es reicht also zu zeigen, dass x ∈ Z aus x ∈ ZQ folgt. Da x ∈ Q gibt es teilerfremde p, q ∈ Z mit q 6= 0 so, dass x = p/q. Nun ist x auch ganz über Z. Somit existieren a1 , . . . , ad ∈ Z mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0. Oder pd + a1 pd−1 q + · · · + ad q d = 0. (1.2) Sei nun l eine Primzahl welche q teilt. Aus (1.2) schliessen wir, dass l auch pd teilen muss. Daher muss l auch p teilen und dies widerspricht der Annahme, dass p und q teilerfremd sind. Somit hat q keine Primteiler. Also q = ±1 und x ∈ Z. Wir zeigen weiter unten, dass AB ein Ring ist, falls A ein Unterring eines Rings B ist. Dafür brauchen wir eine alternative (aber äquivalente) Definition. Lemma 1.16. Sei B ein Ring und A ein Unterring von B mit x1 , . . . , xn ∈ B. Die folgenden zwei Aussagen sind äquivalent. (i) Wir haben x1 , . . . , xn ∈ AB . (ii) Der Ring A[x1 , . . . , xn ] ist ein endlich erzeugter A-Modul. (Das heisst, es gibt y1 , . . . , ym ∈ A[x1 , . . . , xn ] mit A[x1 , . . . , xn ] = y1 A + · · · + ym A.) 20 1.4 Ring der ganzen Zahlen in einem Zahlkörper Beweis. Wir zeigen zunächst “(i)⇒(ii)” über Induktion auf n. Sei n = 1 und x = x1 . Es existieren a1 , . . . , ad ∈ A mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0. Somit haben wir xd ∈ xd−1 A + · · · + A. Induktion auf d0 zeigt nun, dass für d0 ≥ d + 1 die Beziehung 0 0 xd = xxd −1 ∈ x(xd−1 A + · · · + A) = xd A + · · · + xA ⊆ xd−1 A + · · · + A gilt. Daraus folgt, dass A[x] als A-Modul von xd−1 , . . . , x, 1 erzeugt wird. Sei also n ≥ 2. Aus der Induktionsvoraussetzung folgt A[x1 , . . . , xn−1 ] = y1 A + · · · + ym A für geeignete yi . Per Voraussetzung ist A[x1 , . . . , xn ] = y1 A[xn ] + · · · + ym A[xn ]. Aus dem Fall n = 1 folgt, dass A[xn ] ein endlich erzeugter A-Modul ist. Somit ist die Implikation “(i)⇒(ii)” bewiesen. Nun beweisen wir “(ii)⇒(i)”. Aus Symmetriegründen reicht es zu zeigen, dass x = x1 ganz über A ist. Deshalb ist A[x1 , . . . , xn ] = y1 A + · · · + ym A, da A[x1 , . . . , xn ] das Einselement 1 ∈ A enthält, dürfen wir ohne Einschränkung y1 = 1 annehmen. Für jedes 1 ≤ i ≤ m haben wir m X xyi = αij yj j=1 für geeignete αij ∈ A. Die Matrix M = (αij )1≤i,j≤m hat Koeffizienten in A und erfüllt M v = xv mit v = (y1 , . . . , ym )t ∈ B m , wobei t transponieren bedeutet. Wir erhalten die Gleichung (Em x − M )v = 0, wobei Em die m × m Einheitsmatrix ist. Für jede Matrix X ∈ Matm (B) gibt es die adjunkte Matrix X # ∈ Matm (B) und sie erfüllt X # X = Em .3 Wir nehmen X = Em x − M , dann ist X # X = det(Em x − M )Em . Wir multiplizieren von rechts mit v und erhalten det(Em x − M )v = 0, da Xv = 0. Da 1 der erste Eintrag von v ist, folgt deg(Em x − M ) = 0. Aber det(Em x − M ) ist ein normiertes Polynom in x mit Koeffizienten in A, im Fall wo B ein Körper ist, ist es das aus der linearen Algebra bekannte charakteristische Polynom von M . Inbesondere gibt es a1 , . . . , ad−1 ∈ A mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad−1 x + ad = 0, also x ∈ AB . Die Tatsache, dass AB ein Ring ist folgt nun leicht. Proposition 1.17. Sei B ein Ring und A ein Unterring von B. Dann ist AB ein Unterring von B. Beweis. Wegen 0, 1 ∈ A ⊆ AB reicht zu zeigen, dass mit x, y ∈ AB auch x + y, −x und xy in AB liegen. Aus Lemma 1.16 “(i)⇒(ii)” folgt, dass A[x, y] ein endlich erzeugter A-Modul ist. Es gilt A[x, y] = A[x, y, x + y, −x, xy]. Die Umkehrung “(ii)⇒(i)” zeigt nun, dass x + y, −x und xy in AB liegen. Jetzt kommen wir zu einer wichtigen Definition. Definition 1.18. Sei K ein Zahlkörper. Dann heisst ZK der Ring der ganzen algebraischen Zahlen in K. Element von ZK heissen ganze Zahlen von K. 3 Diese Gleichung wurde in der linearen Algebra bewiesen, falls B ein Körper ist. Aber sie gilt in einem beliebigen Ring (kommutativ mit Eins). 21 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Algebraische Zahlentheorie ist zu einem grossen Teil das Studium von Eigenschaften dieser Ringe. Beispiel 1.19. Wir haben schon gesehen, dass ZQ = Z gilt. (Das gleiche Argument zeigt übrigens, dass ZK ∩ Q = Z für jeden Körper K ⊇ Q gilt.) Man erhält also nichts Neues im Falle K = Q, was natürlich zu erwarten war. Auf der anderen Seite gilt ZK ) Z für jeden Zahlkörper K mit K 6= Q. Bemerkung 1.20. Der Ring ZC ist wohldefiniert. Er heisst Ring der ganzen algebraischen Zahlen, wird jedoch in der Vorlesung keine besondere Rolle spielen. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ K. Das Q-Minimalpolynom P ∈ Q[X] ist normiert und erfüllt P (x) = 0. Da die Koeffizienten von P nicht notwendigerweise ganze Zahlen sind, können wir nicht schliessen, dass x in ZK liegt. (Sonst wäre K gleich ZK .) Liegt das Q-Minimalpolynom von x in Z[X], d.h. es besitzt ganze Koeffizienten, dann gilt x ∈ ZK per Definition. Im nächsten Lemma beweisen wir die Umkehrung. Lemma 1.21. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ K mit Q-Minimalpolynom P ∈ Q[X]. Dann gilt x ∈ ZK genau dann, wenn P ∈ Z[X]. Beweis. Die Richtung “⇐” folgt aus der Definition. Sei also x ∈ ZK . Es existiert R = X d + a1 X d−1 + · · · + ad ∈ Z[X] mit R(x) = 0. Wir können nicht annehmen, dass R das Q-Minimalpolynom von x ist. Auf jedem Fall liegt R im Ideal {Q ∈ Q[X] : Q(x)} und dieses Ideal wird von P erzeugt. Also teilt P das Polynom R im Ring Q[X], d.h. es gilt R = P Q mit Q ∈ Q[X]. Da P und Q normiert sind, gibt es positive p, q ∈ Z mit pP, qQ ∈ Z[X] primitiv (d.h. ihre Koeffizienten sind teilerfremd). Das Gauss’sche Lemma impliziert, dass das Produkt (pP )(qQ) = pqR primitiv ist. Das ist aber nur möglich, falls pq = ±1. Hieraus folgt p = ±1 und P Koeffizienten in Z. Lemma 1.22. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ ZK . Dann sind T rK/Q (x) und NK/Q (x) in Z. Beweis. Wegen Lemma 1.21 liegt das Q-Minimalpolynom X m + a1 X m−1 + · · · + am von x in Z[X]. Spur und Norm von x sind also in Z wegen Lemma 1.8. Beispiel 1.23. Wir bestimmen nun ZK für die einfachsten nichttrivialen Zahlkörper, die quadratischen Körpererweiterungen von Q. Sei m ∈ Z r {0, 1} quadratfrei. Insbesondere gilt m 6≡ 0 (mod 4). Aus dem Eisensteinschen Kriterium folgt, dass X 2 − m in Q[X] irreduzibel ist für m 6= −1. Im Fall m = √−1 2 ist dieses Polynom natürlich auch irreduzibel. Deshalb ist K = Q[X]/(X −m) = Q( m) eine quadratische Körpererweiterung von Q, d.h. [K : Q] = 2. Aus der Algebra ist bekannt, dass jede quadratische Körpererweiterung von Q von dieser Form ist.4 4 Sei K/Q eine quadratische Erweiterung. Dann existiert x ∈ K mit x 6∈ Q. Da dimQ K = 2 ist (1, x, x2 ) linear abhängig im Q-Vektorraum K. Es gibt damit a, b, c ∈ Q, nicht alle 0, mit ax2 + bx + c = 0. Wegen x 6∈ Q haben wir ebenfalls a 6= 0 und ohne Einschränkung ist a = 1. Durch quadratische Ergänzung finden wir (x + b/2)2 + c − b2 /4 = 0. Also ist K = Q((c − b2 /4)1/2 ). Schliesslich dürfen wir die rationale Zahl c − b2 /4 mit einem n2 , wobei n ∈ Z r {0}, multiplizieren und eine quadratfreie ganze Zahl m zu erhalten, die ebenfalls K = Q(m1/2 ) erfüllt. Sicherlich ist m 6= 0, 1. 22 1.5 Diskriminante Wir bestimmen ZK . Für unsere Überlegungen spielt die Äquivalenzklasse von m modulo 4 ein wichtige Rolle. Es gilt m ≡ 1, 2, oder 3 (mod 4). Der Fall m ≡ 0 (mod 4) ist unmöglich, da m quadratfrei ist. √ Weil X 2 − m Koeffizienten in Z besitzt ist, gilt m ∈ ZK . Weil ZK ein √ und normiert √ Ring ist folgt daraus sofort, dass Z[ m]√= Z + mZ ⊆ ZK . Jedes Element x ∈ K hat die Form a + mb mit eindeutig bestimmten a, b ∈ Q. Wir nehmen nun zusätzlich x ∈ ZK und werden weitere Bedingungen an a, b finden. Falls b = 0, dann ist x = a ∈ ZK ∩ Q = Z (siehe Bemerkung im Beispiel oben). Nehmen wir von nun an also b 6= 0 an, also x 6∈ Q. Es gilt m = ((x − a)/b)2 und eine kurze Rechnung zeigt, dass P = X 2 − 2aX + (a2 − b2 m) ∈ Q[X] bei x verschwindet. Wegen x 6∈ Q muss P irreduzibel sein, es ist also das Q-Minimalpolynom von x. Aus der “⇒” Richtung von Lemma 1.21 wissen wir, dass P ∈ Z[X]. In anderen Worten, a0 = 2a, a2 − b2 m ∈ Z. Somit ist a02 − 4b2 m ∈ 4Z und deshalb (2b)2 m ∈ Z. Weil m quadratfrei ist, folgt hieraus b0 = 2b ∈ Z (nutze die Primfaktorisierung in Z). Wir haben also a02 − b02 m ∈ 4Z oder a02 ≡ b02 m (mod 4). (1.3) Falls a0 ungerade ist, so gilt a02 ≡ 1 (mod 4) und deshalb b02 m ≡ 1 (mod 4). Also muss b0 auch ungerade sein und m ≡ 1 (mod 4). Im Fall m ≡ 2, 3 (mod 4) ist damit zumindest a0 gerade sind. Aus (1.3) folgt 0 ≡ b02 m (mod 4) und somit ist b0 gerade. √ In diesem Fall sind a und b in Z und wir folgern, dass jedes Element aus ZK in Z + mZ liegt. Die umgekehrte Inklusion ist gilt ebenfalls, also √ √ ZK = Z + mZ = Z[ m] falls m ≡ 2, 3 (mod 4). (1.4) Es bleibt den Fall m ≡ 1 (mod 4) zu betrachten. Hier wissen wir wegen (1.3), dass a02 ≡ b02 (mod 4). Also teilt 4 das Produkt (a0 −b0 )(a0 +b0 ). Das ist aber nur möglich, √ falls 0 0 0 0 0 0 0 a −b gerade ist. Aber a−b√= (a −b )/2 ∈ Z und somit ist x = (a −b )/2+b (1+ √m)/2. Wir finden ZK ⊆ Z + (1 + m)/2Z. Andererseits ist einfach zu zeigen, dass (1 + m)/2 ganz über Z ist mit Q-Minimalpolynom X 2 − X + (1 − m)/4 ∈ Z[X]. Zusammenfassend, √ √ 1+ m 1+ m ZK = Z + Z=Z falls m ≡ 1 (mod 4). (1.5) 2 2 Bemerkung 1.24. Ist K ein Zahlkörper, so gibt es im Allgemeinen kein x ∈ ZK mit ZK = Z[x]. 1.5 Diskriminante Die erste Invariante eines Zahlkörpers, die man kennenlernt, ist sein Grad. Eine weitere Invariante ist die Diskriminante. Sie ist eine ganze Zahl ist aus zweierlei Hinsicht von grundlegender Bedeutung. Erstens ist sie ein wichtiges technisches Hilfsmittel; auf diesen 23 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Aspekt werden wir uns im aktuellen Abschnitt konzentrieren. Zweitens verschlüsselt die Diskriminante “fast” alle Information eines Zahlkörpers. Es ist eine viel feinere Invariante als der Grad. Wir werden erst später diese Information extrahieren können. Wir beginnen mit der Definition der Diskriminante eines Tupels. Definition 1.25. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung vom Grad minante des Tupels (x1 , . . . , xd ) ∈ K d ist T rK/F (x1 x1 ) · · · T rK/F (x1 xd ) .. .. ∆K/F (x1 , . . . , xd ) = det . . T rK/F (xd x1 ) · · · T rK/F (xd xd ) d. Die Diskri . Sie ist ein Element von F , da alle Spuren in F liegen. √ 5). Die Diskriminante des Tuples Beispiel 1.26. Wir nehmen F = Q und K = Q( √ (1, 5) ist √ √ T rK/F √ (1) T rK/F ( 5) 2 0 = det = 20. (1.6) ∆K/F (1, 5) = det 0 10 T rK/F ( 5) T rK/F (5) Sie F ein Körper der Charakteristik 0, wir werden den Satz des primitiven Elements anwenden, um die Diskriminante auf alternative Weise zu berechnen. Lemma 1.27. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung und F von Charakteristik 0. Sei L/F eine Körpererweiterung und σ1 , . . . , σd : K → L paarweise verschiedene Körpereinbettungen mit σi |F = idF für alle 1 ≤ i ≤ d (vgl. Seite 15). Sei (x1 , . . . , xd ) ∈ K d . (i) Es gilt σ1 (x1 ) · · · .. ∆K/F (x1 , . . . , xd ) = det . σd (x1 ) · · · (ii) Falls yi = Pd j=1 2 σ1 (xd ) .. . . σd (xd ) (1.7) αij xj mit αij ∈ F , dann gilt ∆K/F (y1 , . . . , yd ) = det(A)2 ∆K/F (x1 , . . . , xd ) wobei α11 · · · .. A= . αd1 · · · α1d .. . αdd die entsprechende Übergangsmatrix ist. Beweis. Um das Lemma zu beweisen, definieren wir M als die Matrix auf der rechten Seite von (1.7). Es gilt σ1 (x1 x1 ) + · · · + σd (x1 x1 ) · · · σ1 (x1 xd ) + · · · + σd (x1 xd ) .. .. det M 2 = det M t M = det . . . σ1 (xd x1 ) + · · · + σd (xd x1 ) · · · 24 σ1 (xd xd ) + · · · + σd (xd xd ) 1.5 Diskriminante Diese Determinante ist ∆K/F (x1 , . . . , xd ) wegen Lemma 1.8 und der Definition der Diskriminante. Also folgt Teil (i). Teil (ii) folgt aus ∆K/F (y1 , . . . , yd ) = (det M At )2 = det(A)2 ∆K/F (x1 , . . . , xd ); die zweite Gleichheit ist eine Konsequenz von (i). Beispiel 1.28. Wir berechnen die Diskriminante aus Beispiel 1.26 erneut. Als√ L nehmen √ √ 5) → R und sie sind durch σ ( 5) = 5 wir R. Es√gibt zwei Einbettungen σ : Q( 1 1,2 √ sowie σ2 ( 5) = − 5 festgelegt. Wir berechnen √ √ √ σ1 (1) σ1 (√5) 1 √5 det = det = −2 5 σ2 (1) σ2 ( 5) 1 − 5 und dessen Quadrat ist 20, was mit (1.6) übereinstimmt. Unsere Rechnung ist kompatibel mit dem letzten Lemma. Wir können eine Basis durch eine beliebige neue Basis ersetzen können, um die Diskriminante zu berechnen, wenn man die ensprechende Übergangsmatrix kennt. Das nächste Lemma ist wichtig und nützt den Satz des primitiven Elements auf entscheidende Weise. Lemma 1.29. Sei K/F eine endliche Körpererweiterung vom Grad d und F von Charakteristik 0. Sei (x1 , . . . , xd ) eine Basis von K als F -Vektorraum, dann ist ∆K/F (x1 , . . . , xd ) 6= 0. Beweis. Weil F Charakteristik 0 hat, impliziert der Satz des primitiven Elements, dass es x ∈ K mit K = F (x) gibt. In anderen Worten, ist (1, x, . . . , xd−1 ) eine Basis von K als F -Vektorraum. Wegen Teil (ii) des vorhergehenden Lemmas genügt es, das aktuelle Lemma für diese Basis zu zeigen; die Übergangsmatrix ist natürlich nicht-singulär. Aus Lemma 1.27(i) erhalten wir 2 1 σ1 (x) σ1 (x)2 · · · σ1 (x)d−1 .. .. .. ∆K/F (1, x, . . . , xd−1 ) = det ... . . . . 2 d−1 1 σd (x) σd (x) · · · σd (x) Diese Determinante ist von Vandermondeschen Typ. Es gilt Y ∆K/F (1, x, . . . , xd−1 ) = (σi (x) − σj (x))2 . 1≤i<j≤d Die σi sind paarweise verscheiden und es gilt K = F (x). Also müssen die σ1 (x), . . . , σd (x) paarweise verschieden sind. Die Diskriminante ist also nicht 0. Ab jetzt ist K ein Zahlkörper und F = Q. Zur Erinnerung, ZK bezeichnet den Ring der ganzen algebraischen Zahlen in K. Wir werden jetzt die Diskriminante benutzen, um erste Einblicke in die Struktur von ZK als Z-Modul zu erhalten. 25 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Lemma 1.30. Sei K ein Zahlkörper vom Grad d. Des Weiteren sei (x1 , . . . , xd ) ∈ K d eine Basis von K als Q-Vektorraum, wobei wir x1 , . . . , xd ∈ ZK annehmen. Dann gilt ∆K/Q (x1 , . . . , xd )ZK ⊆ x1 Z + · · · + xd Z. Beweis. Da (x1 , . . . , xd ) eine Basis von K als Q-Vektorraum ist, können wir jedes x ∈ ZK als Linearkombination x = α1 x1 + · · · + αd xd mit α1 , . . . , αd ∈ Q schreiben. Nun berechnen wir die Spur von xi x für die möglichen i, in dem wir ihre Q-Linearität ausnützen, vgl. Aufgabe 3(i), Serie 2. Es gilt T rK/Q (xi x) = α1 T rK/Q (xi x1 ) + · · · + αd T rK/Q (xi xd ). Fassen wir alle d Gleichung in eine Matrizengleichung zusammen, so erhalten wir T rK/Q (x1 x) T rK/Q (x1 x1 ) · · · T rK/Q (x1 xd ) α1 .. .. .. .. v= = . . . . . T rK/Q (xd x) T rK/Q (xd x1 ) · · · T rK/Q (xd xd ) αd | {z } | {z } M α Aus Lemma 1.22 und xi x ∈ ZK folgern wir v ∈ Zd . Die lineare Algebra impliziert Zd 3 M # v = M # M α = det(M )α = ∆K/Q (x1 , . . . , xd )α, wobei die zu M adjunkte Matrix mit M # bezeichnet wird. Wir erhalten ∆K/Q (x1 , . . . , xd )αi ∈ Z für 1 ≤ i ≤ d und somit ∆K/Q (x1 , . . . , xd )x ∈ x1 Z + · · · + xd Z. Das Lemma folgt, da x ∈ ZK beliebig war. Man beachte, dass das vorhergehende Lemma trivial wäre, würde die Diskriminante verschwinden. Aber Lemma 1.29 schliesst gerade diesen Fall aus. Als Konsequenz erhalten wir die folgende Proposition über die Z-Modulstruktur von ZK . Aus der Algebra kennen wir den folgenden Begriff. Definition 1.31. Sei A ein Ring. Ein A-Modul M heisst frei von Rank r, falls es m1 , . . . , mr ∈ M gibt, so dass die zwei folgenden Eigenschaften erfüllt sind. (i) Für jedes m ∈ M existieren a1 , . . . , ar ∈ A mit m = a1 m1 + · · · + ar m1 . D.h. (m1 , . . . , mr ) erzeugt M als A-Modul. (ii) Seien a1 , . . . , ar ∈ A mit a1 m1 + · · · + ar mr = 0, dann gilt a1 = · · · = ar = 0. D.h. (m1 , . . . , mr ) ist linear unabhängig. In diesem Fall nennt man (m1 , . . . , mr ) eine Basis des A-Moduls M . Ist A ein Körper, so ist dieser Begriff einer Basis äquivalent zum Begriff der Basis in einem A-Vektorraum. Weiterhin lässt sich wie in der linearen Algebra zeigen, dass die Koeffizienten (a1 , . . . , ar ) in (i) eindeutig bestimmt sind, falls (m1 , . . . , mr ) eine Basis ist. 26 1.5 Diskriminante Beispiel 1.32. Der Z-Modul Zr ist frei vom Rang r. Jeder endlichdimensionale Vektorraum V über einem Körper K ist ein freier K-Modul vom Rang dim V . Ein A-Modul M ist genau dann frei vom Rang r, wenn M zu Ar als A-Modul isomorph ist.5 Ein wichtiges Hilfsmittel aus der Algebra ist der folgende Struktursatz für den Fall A = Z. Satz 1.33 (Struktursatz für endlich erzeugte Z-Moduln). Sei M ein endlich erzeugter Z-Modul. (i) Es gibt ganze Zahlen t1 , t2 , . . . , ts ≥ 2 mit t1 | t2 | · · · | ts , so dass M zu (Z/t1 Z) × (Z/t2 Z) × · · · × (Z/ts Z) × Zr isomorph ist. Weiterhin sind (t1 , t2 , . . . , ts ) und r eindeutig bestimmt, die ti heissen Elementarteiler von M und r heisst Rang von M und wird mit Rang(M ) bezeichnet.6 (ii) Jeder Untermodul N von M ist endlich erzeugt und es gilt Rang(N ) ≤ Rang(M ). Beweis. Algebra. Bemerkung 1.34. Wir betrachten zwei Spezialfälle für ein endlich erzeugter Z-Modul M. (i) Es gilt |M | < ∞ genau dann wenn Rang(M ) = 0 genau dann wenn es eine ganze Zahl d 6= 0 gibt, so dass dm = 0 für alle m ∈ M . (ii) Angenommen {m ∈ M : es gibt eine ganze Zahl d ≥ 1 mit dm = 0} = {0}. Dann ist M zu ZRang(M ) isomorph. Lemma 1.35. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ K, wobei a0 xm + · · · + am = 0 mit a0 , . . . , am ∈ Z. Dann ist a0 x ∈ ZK . Weiterhin gibt es für jedes x ∈ K ein a ∈ Z r {0} mit ax ∈ ZK . Beweis. Wir multiplizieren a0 xm +a1 xm−1 +· · ·+am = 0 mit am−1 und erhalten (a0 x)m + 0 a1 (a0 x)m−1 + · · · + am am−1 = 0. Also ist a0 x Nullstelle eines normierten Polynoms mit 0 Koeffizienten in Z und daher a0 x ∈ ZK per Definition von ZK . Die zweite Aussage folgt aus der ersten, da jedes x ∈ K die Nullstelle eines Polynoms (nicht notwendigerweise normiert) mit Koeffizienten in Z ist. Proposition 1.36. Sei K ein Zahlkörper vom Grad d und sei M 6= 0 ein endlich erzeugter Untermodul von K betrachtet als ZK -Modul (z.B. M = ZK ). Dann ist M frei von Rang d als Z-Modul. 5 Ein Homomorphismus zwischen zwei Moduln M, N über einem Ring A ist eine Abbildung f : M → N , so dass f (a1 m1 + a2 m2 ) = a1 f (m1 ) + a2 f (m2 ) für alle m1 , m2 ∈ M und alle a1 , a2 ∈ A. Man nennt M und N isomorph (als A-Moduln), falls f bijektiv ist. In diesem Fall ist die Umkehrabbildung f −1 : N → M ebenfalls ein Homomorphismus von A-Moduln. 6 Der Rang von M ist definiert, obwohl M nicht frei sein muss. 27 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Beweis. Sei (x1 , . . . , xd ) eine beliebige Q-Basis von K. Als erstes reduzieren wir auf den Fall x1 , . . . , xd ∈ ZK . Wegen Lemma 1.35 gibt es für jedes i ein ai ∈ Z r {0} mit ai xi ∈ ZK . Das neue Tupel (a1 x1 , . . . , ad xd ) bleibt eine Q-Basis von K. Also können wir x1 , . . . , xd ∈ ZK annehmen. Nun sei ∆ = ∆K/Q (x1 , . . . , xd ) ∈ Q. Wegen Lemma 1.29 haben wir ∆ 6= 0. Lemma 1.30 zeigt die zweite Inklusion in x1 Z + · · · + xd Z ⊆ ZK ⊆ xd x1 Z + · · · + Z. ∆ ∆ Die linke Seite ist ein freier Z-Modul vom Rang d, da x1 , . . . , xd linear unabhängig über Q sind. Aus dem gleichen Grund ist die rechte Seite ein freier Z-Modul vom Rang d. Wir können Teil (ii) des Struktursatz über endlich erzeugte Z-Moduln anwenden. Wegen der rechten Inklusion oben ist ZK ein freier Z-Modul mit Rang höchstens d. Aber die linke Inklusion zeigt, dass der Rang mindestens d ist. Also ist ZK ein freier Z-Modul von Rang d. Nun wollen wir zeigen, dass auch M ein freier Z-Modul vom Rang d ist. Nach Voraussetzung gibt es y1 , . . . , yn ∈ M , so dass M = y1 ZK + · · · + yn ZK . Mit Lemma 1.35 finden wir ein ai ∈ Zr{0} mit a1 y1 , . . . , an yn ∈ ZK . Also gilt aM ⊆ ZK für a = a1 · · · an . Der Struktursatz über endliche erzeugte Z-Moduln impliziert, dass aM ein freier Z-Modul von Rang höchstens d ist. Andererseits ist M 6= 0, also existiert m ∈ M r {0}. Es gilt mZK ⊆ M , weil M abgeschlossen unter Multiplikation mit Elementen aus ZK ist. Nun ist mZK ein freier Z-Modul vom Rand d. Also ist der Rang von M mindestens d. Daraus folgt, dass M ein freier Z-Modul von Rang d ist. Korollar 1.37. Sei K ein Zahlkörper. (i) Jedes Ideal I von ZK ist endlich erzeugt, d.h. es gibt y1 , . . . , yn mit I = y1 ZK + · · · + yn ZK . In anderen Worten ist ZK ein noetherscher Ring. (ii) Ist I 6= 0 ein Ideal von ZK , dann ist I ein freier Z-Modul von Rang [K : Q]. (iii) Der Quotientenkörper Quot(ZK ) von ZK ist K. Beweis. Sei I ⊆ ZK ein Ideal. Gemäss Proposition 1.36 ist ZK ein freier Z-Modul von Rang [K : Q], also impliziert Teil (ii) des Struktursatzs über endlich erzeugte Z-Moduln, dass I endlich erzeugt als Z-Modul ist. Ein Erzeugendensystem von I als Z-Modul erzeugt auch I als Ideal. Teil (i) folgt. Um Teil (ii) zu zeigen, nimmt man M = I in Proposition 1.36, die Voraussetzung ist erfüllt, da I ein endlich erzeugtes Ideal ist. Schliesslich folgt Teil (iii) aus Lemma 1.35. Achtung. Sei K ein Zahlkörper und I 6= 0 ein Ideal von ZK . Im Allgemeinen ist I kein freier ZK -Modul. 28 1.5 Diskriminante Beispiel 1.38. Wir Überprüfen direkt, dass ZK ein freier Z-Modul von√Rang 2 ist, falls K ein Zahlkörper vom Grad 2 ist. Wir wissen bereits, dass K = Q( m) für ein quadratfreies m ∈ Z r {0, 1}. Weiterhin haben wir in Beispiel 1.23 gesehen, dass √ : falls m ≡ 2, 3 (mod 4), Z+Z m √ ZK = 1+ m : falls m ≡ 1 (mod 4). Z+Z 2 √ √ Im ersten Fall ist (1, m) eine Z-Basis von ZK und im zweiten Fall ist (1, (1 + m)/2) eine Z-Basis. In beiden Fällen sehen wir also direkt, dass ZK ein freier Z-Modul von Rang 2 ist. Jetzt können wir die Diskriminante eines Zahlkörpers definieren. Definition 1.39. Sei K ein Zahlkörper vom Grad d. Wegen Korollar 1.37(ii) gibt es x1 , . . . , xd ∈ ZK so, dass (x1 , . . . , xd ) eine Basis von ZK als Z-Modul ist. Wir definieren die Diskriminante von K als ∆K = ∆K/Q (x1 , . . . , xd ). Bemerkung 1.40. Die Diskriminante ist unabhängig von der Wahl der Z-Basis (x1 , . . . , xd ): ist (y1 , . . . , yd ) eine weitere Z-Basis, so ist die entsprechende Übergangsmatrix in GLd (Z). Diese muss Determinante ±1 haben. Es folgt nun ∆K/Q (x1 , . . . , xd ) = ∆K/Q (y1 , . . . , yd ) aus Lemma 1.27(ii). Die Definition der Diskriminante und Lemma 1.22 implizieren, dass ∆K ∈ Z für jeden Zahlkörper. Des Weiteren ist ∆K 6= 0 wegen Lemma 1.29. Für kleine Zahlkörper können wir die Diskriminante schon berechnen. Beispiele 1.41. (i) Es gilt ∆Q = 1. √ √ (ii) Sie K = Q( 5). Wir wissen aus Beispiel 1.23, dass ZK = Z + (1 + 5)/2Z. Also gilt √ √ T rK/Q (1) T rK/Q ((1 +√ 5)/2) √ ∆K = ∆K/Q (1, (1 + 5)/2) = det , T rK/Q ((1 + 5)/2) T rK/Q (((1 + 5)/2)2 ) wobei wir die Definition der Diskriminante eines Tupels verwendet haben. Die Spuren lassen sich mit der Hilfe von Lemma 1.8 berechnen und wir finden 2 1 ∆K = det = 5. 1 3 √ (iii) Sei K = Q( m) mit m ∈ Z r {0, 1} quadratfrei. Wir haben schon eine Z-Basis von ZK kennengelernt. Mit Hilfe dieser lässt sich 4m : falls m ≡ 2, 3 (mod 4), ∆K = m : falls m ≡ 1 (mod 4) zeigen. Dies ist eine Übungsaufgabe auf Blatt 3. 29 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Definition-Lemma 1.42. Sei K ein Zahlkörper und I 6= 0 ein Ideal von ZK . Dann ist ZK /I ein endlicher Ring. Wir definieren die Norm von I als die Kardinalität N (I) = #(ZK /I) < ∞. Wir setzen auch N (0) = 0 für das Nullideal. Beweis. Sei I 6= 0 ein Ideal von ZK . Wir müssen überprüfen, dass ZK /I endlich ist. Wir wählen dazu x ∈ I r{0}, dann ist xZK ⊆ I. Per Definition von ZK gibt es a1 , . . . , am ∈ Z mit xm + a1 xm−1 + · · · + am−1 x + am = 0, ohne Einschränkung gilt am 6= 0, da x 6= 0. Wir formen um, klammern x aus, und erhalten x(xm−1 + a1 xm−2 + · · · + am−1 ) = −am . {z } | ∈ZK Insbesondere gibt es y ∈ ZK mit xy = d ∈ Z r {0}. Es folgt d ∈ xZK ⊆ I. In der Faktorgruppe ZK /I gilt dz = 0 für alle z ∈ ZK /I. Aber ZK ist endlich erzeugt als Z-Modul und somit ist auch ZK /I ein endlich erzeugter Z-Modul. Jedes Element in ZK /I wird von d ∈ Z r {0} annihiliert. Bemerkung 1.34(i) impliziert, dass ZK /I endlich ist. Beispiel 1.43. (i) Sei K = Q, dann ist ZQ = Z und jedes Ideal in Z hat die Gestalt nZ für ein n ∈ Z. Für n 6= 0 ist Z/nZ ein Ring mit |n| Elementen. Wir erhalten also N (nZ) = |n| für alle n ∈ Z. √ √ √ (ii) Für K = Q( −1) ist Z√K = Z[ −1] = Z+ −1Z. Das Hauptideal 2ZK besteht aus den Elementen 2a + 2b −1 mit a, b ∈ Z. Jedes Element in ZK ist modulo Addition √ eines Elements in 2ZK √ von der Form a+b −1 mit a, b ∈ {0, 1}. Weiterhin können zwei verschiedene a + b −1 mit a, b ∈ {0, 1} nicht dieselbe Restklasse modulo 2ZK repräsentieren. Es folgt #ZK /2ZK = N (2ZK ) = 4. 1.6 Dedekindsche Ringe Nachdem wir die Z-Modulstruktur von ZK aufgeklärt haben, untersuchen wir jetzt die Ringstruktur. Bemerkung 1.44. Ist K ein Zahlkörper √ dann ist im Allgemeinen ZK kein Hauptidealring. Dies haben wir am Fall K = Q( −5) in Beispiel 0.4 gesehen. Das Ziel diese Abschnitts ist es, diesen Defizit wett zumachen. Wir werden uns nicht gar nicht erst darum bemühen, Elemente von ZK in Primfaktoren zu faktoriseren. Die neue Idee wird sein, Ideale von ZK als Produkte von Primideale zu schreiben. Dies funktioniert genauso gut in einer grösseren Klasse von Ringen, die Dedekindschen Ringe. Wir beginnen mit einem klassischen Begriff. Definition 1.45. Einen Integritätsbereich R mit Quotientenkörper Quot(R) nennt man ganz abgeschlossen, falls RQuot(R) = R 30 1.6 Dedekindsche Ringe Die nächste Proposition fasst die bekannten Eigenschaften von ZK zusammen. Sie ist das Produkt unsere Arbeit bis hierhin. Proposition 1.46. Sei K ein Zahlkörper. Dann ist R = ZK ein Integritätsbereich und es gilt: (D1) R ist noethersch, (D2) R ist ganz abgeschlossen, (D3) jedes Primideal von R ungleich 0 ist ein maximales Ideal. Beweis. Eigenschaft (D1) ist Korollar 1.37(i). Wir zeigen nun (D2). Das eben erwähnte Korollar impliziert auch Quot(ZK ) = K. Also müssen wir (ZK )K = ZK zeigen. Hierbei ist die Inklusion “⊇” klar. Sei also x ∈ (ZK )K . Lemma 1.16 zeigt, dass ZK [x] ein endlich erzeugter ZK -Modul ist. Wegen Proposition 1.36(ii) ist ZK [x] ein endlich erzeugter Z-Modul. Dieser Modul enthält Z[x], welches deshalb selbst ein endlich erzeugter Z-Modul ist (dazu benötigen wir wieder den Struktursatz über endlich erzeugte Z-Moduln). Aus Lemma 1.16 (umgekehrte Richtung) folgt nun, dass x ganz über Z ist. Also x ∈ ZK . Da x beliebig war folgt (ZK )K ⊆ ZK und somit (D2). Um (D3) zu zeigen, sei P 6= 0 ein Primideal von ZK . Aus der Algebra ist bekannt, dass ZK /P ein Integritätsbereich ist. Dieser Ring ist endlich wegen Definition-Lemma 1.42. Die Proposition folgt nun aus folgender Tatsache: ein endlicher Integritätsbereich R ist ein Körper. Um das zu zeigen, sei x ∈ R r {0}. Dann ist y 7→ xy ein Gruppenhomomorphismus von der additiven Gruppe in sich selbst R → R. Dieser ist injektiv, da xy = 0 nur sein kann, falls y = 0. Da R endlich ist, muss jede injektive Selbstabbildung R → R auch surjektiv sein. Insbesondere gibt es y ∈ R mit xy = 1. Also ist R ein Körper. Wir werden nur die drei Eigenschaften (D1), (D2) und (D3) von ZK brauchen, um die schon angedeutete Faktorisierungstheorie zu entwickeln. Ring die ihnen genügen tragen einen besonderen Namen. Definition 1.47. Ein Integritätsbereich R der (D1), (D2) und (D3) erfüllt, heisst Dedekindscher Ring. Beispiele 1.48. (i) Der Ring der ganzen Zahlen eines Zahlkörpers ist ein Dedekindscher Ring wegen Proposition 1.46. (ii) Jeder Hauptidealring ist ein Dedekindscher Ring. Dies wird in den Übungen bewiesen. (iii) Der Polynomring K[X, Y ] über einem Körper K mit zwei Unbekannten X und Y ist kein Dedekindscher Ring. Obwohl man beweisen kann, dass (D1) und (D2) erfüllt sind, gibt es Primideale wie XK[X, Y ] die nicht maximal sind: XK[X, Y ] ( (X, Y ). 31 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen (iv) Gemäss unserer Definition ist ein Körper ein Dedekindscher Ring. Einige Authoren schliessen diesen Fall jedoch explizit aus. Definition 1.49. Sei R ein beliebiger Ring (wie immer kommutativ mit 1). Wir definieren die Summe zweier Ideal I, J ⊆ R als I + J = {a + b : a ∈ I und b ∈ J}. Wir können auch deren Produkt definieren ) ( n X IJ = ai bi : a1 , . . . , an ∈ I und b1 , . . . , bn ∈ I . i=1 Lemma 1.50. Sowohl die Summe wie auch das Produkt von zwei Idealen ist ein Ideal. Beweis. Dies ist eine Übungsaufgabe. Beispiel 1.51. (i) Sei R ein Ring und I, J ideale von R. Ist I = aR und J = bR mit a, b ∈ R, dann gilt IJ = abR. (ii) Die Summe der Ideale I = 6Z und J = 8Z von Z ist das Ideal von Z, welches von 6 und 8 erzeugt wird. Sicher ist jedes Element von I + J gerade, also I ⊆ 2Z. Weiterhin gilt 8 − 6 = 2 ∈ I und damit I ⊇ 2Z und I = 2Z. (iii) Im Gegensatz zum Produkt gilt die folgende Beobachtung. Die Summe zweier Hauptideale muss kein Idealideal sein. Im Ring Q[X, Y ] ist die Summe von I = (X) = XQ[X, Y ] und J = (Y ) = Y Q[X, Y ] das Ideal (X, Y ). Dies ist kein Hauptideal. Wäre (X, Y ) = (P ) für ein P ∈ Q[X, Y ], so wären die Unbekannten X und Y im Ideal (P ). Dies bedeutet, dass P ein Teiler von X und Y ist. Aber dafür kommt nur P ∈ Q r {0} in Frage. In diesem Fall ist (X, Y ) = (P ) = Q[X, Y ], dies ist ein Widerspruch, da 1 nicht in (X, Y ) liegt. e (iv) Jede ganze Zahl n ∈ Z r {0} ist ein Produkt ±pe11 · · · pgg mit p1 , . . . , pg paarweise verscheidene Primzahlen und e1 , . . . , eg ∈ N. Gehen wird zu den Hauptidealen über, finden wir nZ = (p1 Z)e1 · · · (pg Z)eg . Da jedes pi Z von einer Primzahl erzeugt wird, handelt es sich um ein Primideal. Insbesondere können wir jedes Ideal ungleich Null von Z als Produkt von Primidealen schreiben. Da Z ein Hauptidealring ist, kann man sich leicht davon überzeugen, dass diese Faktorisierung bis auf die Reihenfolge eindeutig ist. Bemerkungen 1.52. Die folgenden Aussagen lassen sich durch direktes Nachrechnen überprüfen. (i) Einzeln sind diese zwei Operationen assoziativ und kommutativ. Zusammen erfüllen sie das Distributivitätsgesetzt. 32 1.6 Dedekindsche Ringe (ii) Das Nullideal ist ein neutrales Element bezüglich der Addition und das Einsideal ist ein neutrales Element bezüglich der Multiplikation. Im Allgemeinen ist die Menge der Ideale von eines Rings zusammen mit eben definierten Addition (oder der Multiplikation) keine Gruppe: die Inversen fehlen. Sei R ein Ring und I, J Ideale von R. Wir stellen sofort die wichtigen Inklusionen IJ ⊆ I ∩ J und I +J ⊇I ∪J (1.8) fest. Wir kommen zum Hauptsatz über Dedekindsche Ring. Satz 1.53. Sei R ein Dedekindscher Ring. Jedes Ideal I 6= 0 von R ist ein Produkt von endlich vielen Primideale ungleich dem Nullideal von R. Weiterhin ist diese Faktorisierung bis auf die Reihenfolge eindeutig. In anderen Worten, es existieren paarweise verschieden Primideale P1 , . . . , Pg ungleich 0 und positive ganze Zahlen e1 , . . . , eg mit e I = P1e1 · · · Pg g . Sind Q1 , . . . , Qh paarweise verschieden Primideale und f1 , . . . , fh positive ganze Zahlen mit I = Qf11 · · · Qfhh . Dann ist g = h und nach Permutation der Qi gilt Pi = Qi und ei = fi für alle 1 ≤ i ≤ g. Wir illustrieren die Aussage des Satzes zuerst an einem Beispiel. Der Beweis folgt später. √ √ Beispiel 1.54. Sei K = Q( −5). Wir wissen aus Abschnitt 1.4, dass ZK = Z[ −5]. Es gilt √ √ 6 = 2 · 3 = (1 + −5)(1 − −5). (1.9) N.B.: aus Beispiel 0.4 wissen √ wir, dass 2 irreduzibel als Element von ZK ist und ähnlich beweist man, dass 3, 1 ± −5 ebenfalls irreduzibel sind. Die Gleichheit (1.9) gilt auch für die entsprechenden Hauptideale √ √ 6ZK = 2ZK 3ZK = (1 + −5)ZK (1 − −5)ZK . √ Diese Faktorisierung widerspricht unserem Satz nicht, da 2ZK , 3ZK , (1 ± −5)ZK keine Primideale sind. Sie lassen sich weiter faktoriseren: 2ZK = P 2 und 3ZK = Q1 Q2 wobei √ P = 2ZK +(1+ −5)ZK , √ Q1 = 3ZK +(1+ −5)ZK und √ Q2 = 3ZK +(1− −5)ZK . Man kann durch Nachrechnen überprüfen, dass die Gleichungen oben gelten. Wir überprüfen exemplarisch den Fall P 2 = 2ZK . Wir haben √ √ √ √ P 2 = 4ZK + 2(1 + −5)ZK + (1 + −5)2 ZK = 4ZK + 2(1 + −5)ZK + 2(−2 + −5)ZK √ √ 2 gilt 6 = Da 4, 2(1 √ + −5), 2(−2 √+ −5) 2∈ 2ZK , finden wir P ⊆ 2ZK . Andererseits 2 2 2(1 + −5) − 2(−2 + −5) ∈ P und damit auch 2 = 6 − 4 ∈ P . Weil P ein Ideal ist, folgt 2ZK ⊆ P 2 , also 2ZK = P 2 . 33 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Es lässt sich auch beweisen, dass P, Q1 und Q2 sogar Primideale sind. Sie sind aber keine Hauptideale.7 Weiterhin kann man nachrechnen, dass √ √ (1 + −5)ZK = P Q1 und (1 − −5)ZK = P Q2 gilt. Später werden wir Techniken kennenlernen, um Ideale systematisch in Primideale zu faktorisieren. Wir beweisen nun Satz 1.53 mit der Hilfe von zwei Lemmas. Lemma 1.55. Sei R ein Dedekindscher Ring und I ein Ideal von R mit I 6= 0. Dann gibt es g ≥ 0 und Primideale P1 , . . . , Pg ungleich Null, so dass I ⊇ P1 · · · Pg . Beweis. Dies ist ein “echter” Widerspruchsbeweis. Wir überprüfen, dass die Menge der Gegenbeispiele M = {I ein Ideal von R :I 6= 0 und I 6⊇ P1 · · · Pg für alle g ≥ 0 und alle Primideale P1 , . . . , Pg von R ungleich Null}. leer ist. Wir beweisen das Lemma, in dem wir ein I ∈ M wählen und einen Widerspruch herleiten. Wegen (D1) ist R noethersch. Ist I ⊆ I 0 ⊆ I 00 ⊆ · · · mit I, I 0 , I 00 , . . . ∈ M so muss diese Idealfolge irgendwann stabilisieren. Deshalb dürfen wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass I ein maximales Element von M ist. D.h. J ∈ M und J ⊇ I impliziert J = I. Es gilt I 6= R, da wir g = 0 in der Definition von M zugelassen haben.8 Das Ideal I kann auch kein Primideal sein, denn sonst wäre es nicht in M. Es gibt also a, b ∈ R r I mit ab ∈ I. Wir setzen A = I + aR und B = I + bR. Das sind Ideale von R und es gilt A ) I und B ) I wegen der Wahl von a und b. Deren Produkt AB = (I + aR)(I + bR) ist in I enthalten, da ab ∈ I, d.h. AB ⊆ I. Da I maximal mit der Eigenschaft I ∈ M ist, gilt A 6∈ M. Wegen A 6= 0 ist A kein Gegenbeispiel zur Aussages dieses Lemmas, d.h. es gibt Primideale P1 , . . . , Pg ungleich Null mit A ⊇ P1 · · · Pg . Aus Symmetriegründen gilt die gleiche Schlussfolgerung für B. Es gibt Primideale Q1 , . . . , Qh ungleich Null mit B ⊇ Q1 · · · Qh . Wir nehmen Produkte und folgern wegen Kommutativität I ⊇ AB ⊇ P1 · · · Pg Q1 · · · Qh . Also liegt I doch nicht in M, das ist ein Widerspruch. 7 8 Wieso? Das leere Produkt ist per Definition gleich R. 34 1.6 Dedekindsche Ringe Das zweite Lemma bedarf einer Definition. Definition 1.56. Sei R ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper K und P ⊆ R ein Primideal mit P 6= 0. (i) Wir definieren den Untermodul P −1 = {x ∈ K : für alle a ∈ P gilt xa ∈ R} = {x ∈ K : xP ⊆ R} des R-Moduls K. Es gilt P −1 ⊇ R, da P ein Ideal von R ist. (ii) Für ein Ideal I von R definieren wir das Produkt P −1 I = {x1 a1 + · · · + xr ar : x1 , . . . , xr ∈ P −1 und a1 , . . . , ar ∈ I}. Es ist ebenfalls ein Untermodul des R-Moduls K. In einem Dedekindschen Ring wird P −1 die Rolle des multiplikativen Inverses von P spielen, wie wir später sehen werden. Achtung. Im Allgemeinen ist P −1 nicht in R enthalten und deshalb kein Ideal von R. Falls jedoch P −1 eine Teilmenge von R ist, so ist es automatisch ein Ideal von R, da es stets ein Untermodul von Quot(R) betrachtet als R-Modul ist. Beispiel 1.57. Im Fall R = Z (ein Dedekindscher Ring) und P = 5Z gilt P −1 = 15 Z ⊆ Q. In diesem Fall ist P −1 ein Inverses von P , da P −1 P = Z. Lemma 1.58. Sei R ein Dedekindscher Ring, P 6= 0 ein Primideal von R, und I ein Ideal von R mit I 6= 0. Dann gilt P −1 I ) I. Beweis. Unter diesen Voraussetzungen gilt P −1 I ⊇ I, da 1 ∈ P −1 . Es reicht zu zeigen, dass Gleichheit nicht gilt. Wir zeigen die Aussage zunächst für I = R. Also müssen wir P −1 ) R beweisen. Weiter unten behandeln wir den allgemeinen Fall. Wir wählen ein a ∈ P r {0}. Das Hauptideal aR ist ungleich Null. Wegen Lemma 1.55 gibt es Primideal P1 , . . . , Pg ungleich Null mit P1 · · · Pg ⊆ aR. Wir haben sicher g ≥ 1, da aR ⊆ P ( R. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass g minimal ist mit der Eigenschaft P1 · · · Pg ⊆ aR. Wir zeigen zuerst, dass es ein i ∈ {1, . . . , g} mit Pi ⊆ P gibt. Falls nicht, gibt es für jedes solche i ein ai ∈ Pi r P . Das Produkt a1 · · · ag liegt in P1 · · · Pg ⊆ aR ⊆ P . Weil P ein Primideal ist, liegt ein ai in P . Widerspruch! Nach Permutation der Pi können wir P1 ⊆ P annehmen. Aus (D3) folgt, dass P1 ein maximales Ideal ist. Wegen P 6= R muss P1 = P gelten. Aus der Minimalität von g folgt P2 · · · Pg 6⊆ aR. Wir können also b ∈ P2 · · · Pg wählen mit b 6∈ aR. Das heisst, b/a 6∈ R. Andererseits gilt bP = bP1 wegen P = P1 . Somit bP ⊆ P1 · · · Pg ⊆ aR. Aus der Definition von P −1 folgt b/a ∈ P −1 . Der Quotient b/a liegt also in P −1 r R. Insbesondere ist P −1 ) R, was zu zeigen war. 35 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Nun behandeln wir den Fall, wo I 6= 0 ein Ideal von R ist. Wir nehmen P −1 I = I an und werden einen Widerspruch folgern. Wegen (D1) gibt es n ≥ 1 und α1 , . . . , αn ∈ I r {0} mit I = α1 R + · · · + αn R. Sei x ∈ P −1 beliebig. Dann ist αi x ∈ P −1 I = I, also können wir aij ∈ R (1 ≤ i, j ≤ n) finden mit n X αi x = aij αj für 1 ≤ i ≤ n. j=1 Die n×n Matrix A = (aij )i,j hat Koeffizienten in R. Die Gleichung oben und (α1 , . . . , αn ) 6= 0 implizieren, dass x ein Eigenwert von A ist. Somit ist x Nullstelle des charakteristischen Polynoms von A. Dieses Polynom ist normiert und hat Koeffizienten in R. Deshalb ist x ganz über R. Dass heisst, x ∈ RQuot(R) da x ∈ Quot(R). Wegen (D2) gilt RQuot(R) = R und somit ist x ∈ R. Da x ∈ P −1 beliebig war, haben wir P −1 ⊆ R bewiesen. Dies widerspricht dem ersten Teil des Beweises. Bemerkung 1.59. Das letzte Lemma hat eine einleuchtende Konsequenz. Ist P ⊆ R ein Primideal P 6= 0, so folgt P −1 P ) P . Aber aus der Definition von P −1 folgt, dass P −1 P ⊆ R ein Ideal von R ist. Wegen (D3) ist das Primideal P maximal. Somit folgt aus P ( P −1 P ⊆ R die Gleichheit P −1 P = R. Sie verleiht der Notation P −1 Bedeutung und verdeutlicht weiter, dass das Einsideal R als neutrals Element für die Idealmultiplikation zu verstehen ist. Nun können wir Satz 1.53 beweisen. Beweis von Satz 1.53. Wir beweisen zuerst die Existenz der Primfaktorisierung. Weiter unten zeigen wir die Eindeutigkeit. Ähnlich wie in Lemma 1.55 definieren wir eine Ausnahmemenge M = {I ein Ideal von R :I 6= 0 und I lässt sich nicht als Produkt endlich vieler Primideale ungleich Null schreiben} die, falls sie nicht leer ist, zu einem Widerspruch führt. Nehmen wir also an, dass I ∈ M. Mit einem ähnlichen Argument wie im Beweis von Lemma 1.55, nutzen wir (D1), um I in M maximal bezüglich der Inklusion zu wählen. In anderen Worten, falls J ∈ M mit J ⊇ I, dann gilt J = I. Wir haben I 6= R denn das Ideal R ist das leere Produkt. Somit ist I in einem maximalen Ideal P von R enthalten.9 Zur Erinnerung, ein maximales Ideal in einem beliebigen Ring ist ein Primideal. Sicher gilt auch I ( P , da andererseits I schon prim wäre und deshalb nicht in M liegen würde. Aus Lemma 1.58 schliessen wir I ( P −1 I. Da I ⊆ P gilt P −1 I ⊆ P −1 P = R, die letzte Gleichheit haben wir in Bemerkung 1.59 festgestellt. Somit ist P −1 I ein Ideal 9 Dies folgt direkt aus (D1) oder in einem allgemeinen Ring aus dem Zornschen Lemma. 36 1.6 Dedekindsche Ringe von R welches I strikt enthält. Weil I maximal mit der Eigenschaft I ∈ M ist, muss P −1 I 6∈ M gelten. Da P −1 I 6= 0 lässt sich P −1 I in Primideal faktorisieren, also P −1 I = P1e1 · · · Pgeg wobei P1 , . . . , Pg Primideale von R ungleich Null sind. Um den Widerspruch zu erlangen müssen wir die Gleichheit oben mit P multiplizieren. Dabei erinnern wir uns, dass P −1 P = P −1 P = R gilt. Nun beweisen wir die Eindeutigkeit der Primidealfaktorisierung. Nehmen wir also an, dass I = P1e1 · · · Pgeg = Qf11 · · · Qfhh mit Pi , Qi , ei , fh wie in der Formulierung des Satzes. Wir werden Eindeutigkeit mittels Induktion auf e1 + · · · + eg ≥ 0 zeigen. Ist der Induktionsparameter Null, oder äquivalent g = 0, so muss I = R sein. Daraus folgt h = 0, da Qf11 · · · Qfhh ⊆ Qi für 1 ≤ i ≤ h. e Sei nun g ≥ 1. Es gilt P1e1 · · · Pg g ⊆ P1 . Da Qf11 · · · Qfhh ⊆ P1 argumentieren wir wie im Beweis von Lemma 1.58, um zu zeigen, dass es ein i ∈ {1, . . . , h} mit Qi ⊆ P1 und fi ≥ 1 geben muss. Da wir die Qi permutieren dürfen, nehmen wir i = 1 an. Wegen (D3) ist Q1 ein maximales Ideal und P1 6= R und somit Q1 = P1 . Wie oben zeigt man, dass P1 P1−1 = R. Multiplizieren wir also P1e1 · · · Pgeg = P1f1 Qf22 . . . Qfhh mit P1−1 so folgt P1e1 −1 · · · Pgeg = P1f1 −1 Qf22 . . . Qfhh . Die Summe (e1 − 1) + e2 + · · · + eg ist nun kleiner als der Induktionsparameter. Die Eindeutigkeit folgt per Induktion. Motiviert durch diesen Satz führen wir eine Notation ein, um Teilbarkeit von Idealen auszudrücken. Definition 1.60. Sei R ein Dedekindscher Ring und I, J Ideale von R. Wir schreiben I | J, falls es ein Ideal I 0 von R gibt mit II 0 = J. Natürlich lässt sich Teilbarkeit von Idealen in einem beliebigen Ring definieren. Korollar 1.61. Sei R ein Dedekindscher Ring und I, J Ideale von R. Es gilt I|J ⇐⇒ J ⊆ I. Beweis. Die Äquivalenz ist klar, falls J = 0. Also nehmen wir J 6= 0 and auch I 6= 0 an. Die Richtung “=⇒” ist einfach: falls J = II 0 so gilt sicherlich J ⊆ I. Wir verwenden Satz 1.53. Sei also I = P1e1 · · · Pgeg und J = P1f1 · · · Pgfg 37 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen mit P1 , . . . , Pg paarweise verschiedene Primideale ungleich Null und ei , fi ≥ 0 (wir erlauben ei = 0 oder fi = 0). Wir mittels über Induktion auf e1 + · · · + eg , dass ei ≤ fi gelten muss. Der Fall e1 + · · · + eg = 0 ist trivial. Nehmen wir also ohne Einschränkung an, dass e1 ≥ 1 gilt. Dann ist I ⊆ P1 . Und wieder f wie im Beweis von Lemma 1.58 ist ein Faktor in P1f1 · · · Pg g ⊆ J ⊆ P1 in P1 enthalten. Dies impliziert f1 ≥ 1. Es gilt P1−1 P1 = R, siehe Bemerkung 1.59. Falls wir also P1f1 · · · Pgfg ⊆ P1e1 · · · Pgeg mit P1−1 multiplizieren, folgt P1f1 −1 · · · Pgfg ⊆ P1e1 −1 · · · Pgeg . Induktion impliziert nun ei ≤ fi . Deswegen ist I 0 = P1f1 −e1 · · · Pgfg −eg ein wohldefiniertes Ideal von R. Es gilt II 0 = J, wie gewünscht. Bemerkung 1.62. Elemente aus Qr{0} lassen sich auch in Primfaktoren faktorisiern: e für x ∈ Q r {0} gilt x = ±pe11 · · · pgg mit p1 , . . . , pg ∈ Z Primzahlen und e1 , . . . , eg ∈ Z. Der Punkt ist natürlich, dass wir negative Exponenten ei zulassen. Z.B. ist 3/5 = 3 · 5−1 . Man kann sich nun fragen, ob es ein Analogon für Ideale gibt. Oder in anderen Worten, was sind die Produkt aus Primideale mit Exponenten die möglicherweise negativ sind? Definition 1.63. Sei R ein Dedekindscher Ring und K = Quot(R). (i) Ein gebrochenes Ideal (von R) ist ein endlich erzeugter R-Untermodul von K ungleich Null. (ii) Die Menge aller gebrochener Ideale von R wird mit J(R) bezeichnet und falls K Zahlkörper ist, so schreiben wir J(K) = J(ZK ). (iii) Jedes x ∈ K × erzeugt ein gebrochenes Ideal xR ∈ J(R). Solche gebrochene Ideale nennt man gebrochene Hauptideale. Falls K ein Zahlkörper ist, so schreiben wir oft P(K) für P(ZK ). (iv) Sind M und N zwei gebrochene Ideale, dann ist ihr Produkt durch M N = {m1 n1 + · · · + mr nr : m1 , . . . , mr ∈ M und n1 , · · · , nr ∈ N } gegeben. Das Produkt M N liegt wieder in J(R). Wir erhalten dadurch eine assoziative und kommutative Verknüpfung J(R) × J(R) → J(R). Bezüglich dieser Verknüpfung ist das gebrochene Ideal R ein Einselement. 38 1.6 Dedekindsche Ringe (iv) Ist M ein gebrochenes Ideal so definieren wir M −1 = {x ∈ K : xM ⊆ R}. Dann ist M −1 wieder ein gebrochenes Ideal.10 Wir erhalten also eine Selbstabbildung J(R) → J(R) gegeben durch M 7→ M −1 . Beispiel 1.64. (i) Im Fall R = Z und K = Q ist P(Q) die Menge {xZ : x ∈ Q r {0}} . Wir behaupten, dass es keine weiteren gebrochenen Ideale in J(Q) gibt. Sei I ein gebrochenes Ideal von Z. Per Definition ist I ein endlich erzeugter ZModul, also gilt I = y1 Z + · · · + yN Z, wobei y1 , . . . , yN ∈ Q. Ist a ∈ N ein gemeinsamer Nenner der yi , d.h. ayi ∈ Z für alle 1 ≤ i ≤ N , so liegt aI in Z. Bei aI handelt es sich also um ein gebrochenes Ideal in Z und damit ist es ein Ideal von Z im klassischen Sinn. Da Z ein Hauptidealring ist, gibt es b ∈ Z mit aI = bZ. In anderen Worten erhalten wir I = ab Z ∈ P(Z). Also gilt J(Z) = P(Z), jedes gebrochene Ideal von Z ist ein gebrochenes Hauptideal. Inbesondere ist J(Z) selber eine Gruppe. Als Gruppe wird J(Z) von den Primidealen 2Z, 3Z, 5Z, . . . erzeugt. Es ist eine abelsche Gruppe, aber sie ist nicht endlich erzeugt.11 (ii) Jedes Ideal ungleich Null eines Dedekindschen Rings R ist ein gebrochenes Ideal, da Dedekindsche Ringe noethersch sind. (iii) Falls P 6= 0 ein Primideal von R ist, so stimmt die Definitionen für P −1 aus (iv) oben mit Definition 1.56(i) überein. (iv) Sei R ein Dedekindring mit Quotientenlkörper K. Für jedes x ∈ K r {0} ist xR ein gebrochenes Ideal. Falls y ∈ K r {0}, so gilt (xR)(yR) = xyR = (yR)(xR) und (xR)(x−1 R) = R. Damit ist P(R) eine abelsche Gruppe mit neutralem Element R und der Verknüpfung aus Definition 1.63(iv). Proposition 1.65. Sei R ein Dedekindscher Ring. Dann ist J(R) zusammen mit der Verknüpfung aus (iii) und der Abbildung aus (iv) als Inverseabbildung eine abelsche Gruppe mit Einselement R. Sie wird von den Primidealen ungleich Null aus R erzeugt. Die gebrochenen Hauptideale P(R) bilden eine Untergruppe von J(R). Die Tatsache, dass M −1 ein endlich erzeugter R-Modul ist, sieht man wie folgt. Sei y ∈ M r {0}, für jedes x ∈ M −1 gilt insbesondere xy ∈ R. Also M −1 ⊆ y −1 R. Aus der Algebra ist bekannt, dass ein Untermodul eines endlich erzeugten Moduls über einem noetherschen Ring auch endlich erzeugt ist. Nun ist y −1 R ein endlich erzeugter R-Modul. Dessen Untermodul M −1 ist damit endlich erzeugt als R-Modul, da R wegen (D1) noethersch ist. 11 Sie ist frei von unendlichem Rang als Z-Modul. 10 39 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Beweis. Es ist klar, dass R ein neutrales Element bzgl. der Verknüpfung ist. Die Assoziativität lässt sich direkt mittels der Definition überprfen und dass die Verknüpfung kommutativ ist, folgt aus der Kommutativität der Multiplikation auf R. Um die Gruppeneigenschaft zu beweisen, reicht es also zu zeigen, dass M M −1 = R gilt für alle M ∈ J(R). Wir machen dies zunächst falls M ein Ideal von R ist. Wegen Satz 1.53 können wir M faktorisieren M = P1 · · · Pg mit Pi 6= 0 Primideale. Es reicht zu zeigen, dass M −1 = P1−1 · · · Pg−1 . Die Definition impliziert die Inklusion “⊇”. Für die andere Richtung sei x ∈ M −1 . Dann ist xM ⊆ R und deshalb xM P1−1 · · · Pg−1 ⊆ P1−1 · · · Pg−1 . Aus Bemerkung 1.59 folgt Pi Pi−1 = R und damit M P1−1 · · · Pg−1 = R. Wir erhalten die erwünschte Aussage x ∈ P1−1 · · · Pg−1 . Jedes M ∈ J(R) ist per Definition ein endlich erzeugter R-Modul. Also existieren y1 , . . . , ym ∈ Quot(R) mit M = y1 R + · · · + ym R. Wie im Beispiel oben wählen wir einen gemeinsamen Nenner a ∈ R r {0}, d.h. ayi ∈ R für alle 1 ≤ i ≤ m. Es folgt aM ⊆ R. In eine Übungsaufgaben werden wir (aM )−1 = a−1 M −1 beweisen (ohne diese Proposition zu verwenden). Da aM ein Ideal von R ist, wissen wir bereits, dass (aM )(aM )−1 = R. Somit folgt M M −1 = R, wie gewünscht. In der Notation oben ist (aR)M = I. Da wir I und aR als Produkt von Primideae le schreiben können, ist M von der Form P1e1 · · · Pg g mit Primidealen P1 , . . . , Pg und e1 , . . . , eg ∈ Z. Also wird J(R) von den Primidealen in R ungleich Null erzeugt wird. Dass P(R) eine Untergruppe von J(R) ist, folgt leicht. Bemerkung 1.66. Bereits die Gruppe J(Q) ist sehr “gross”. Sie ist keine endlich erzeugte abelsche Gruppe. Aber in Beispiel 1.64(i) haben wir zumindest in diesem Fall festgestellt, dass J(Q) = P(Q). Damit ist die Faktorgruppe J(Q)/P(Q) (1.10) trivial. Die gebrochenen Hauptideale sind einfacher zu verstehen als allgemeine gebrochene Ideale. Aber im Fall R = Z spielt diese Unterscheidung keine Rolle, eine Tatsache die an der Trivialität von (1.10) ablesbar ist. Definition 1.67. Sei R ein Dedekindscher Ring mit Quotientenkörper K. Die Faktorgruppe Cl(R) = J(R)/P(R) nennt man die Klassengruppe von R. Ist I ∈ J(R) so schreiben wir [I] für das Bild von I in Cl(R). Die Verknüpfung in der Klassengruppe wird multiplikativ geschrieben und 1 = [R] ∈ Cl(R) ist das Einselement. Falls K ein Zahlkörper ist, so schreiben wir oft Cl(K) = Cl(ZK ). In dieser Notation gilt also [I] = 1 genau dann, wenn I ein gebrochenes Hauptideal ist. Lemma 1.68. Sei R ein Dedekindscher Ring. (i) Jede Klasse in Cl(R) wird durch ein Ideal I ⊆ R mit I 6= 0 repräsentiert (ii) Die Klassengruppe Cl(R) ist genau dann trivial, wenn R ein Hauptidealring ist. 40 1.6 Dedekindsche Ringe Beweis. Teil (i) folgt, da es zu jedem J ∈ J(J) ein a ∈ R r {0} mit (aR)J ⊆ R gibt, cf. Beweis von Proposition 1.65. Teil (ii) ist eine Konsequenz der Äquivalenz Cl(R) ist trivial ⇐⇒ jedes gebrochene Ideal von R ist ein gebrochenes Hauptideal und weil, wegen (i), dies zur Aussage, dass jedes Ideal von R ein Hauptideal äquivalent ist. √ Beispiel 1.69. Sei K = Q( −5). Wir wissen bereits, dass ZK kein Hauptidealring ist. Deshalb gilt Cl(K) 6=√{1}. Sei P = 2ZK + (1 + −5)ZK das Primideal aus Beispiel 1.54. Dann gilt P 2 = 2ZK . In der Klassengruppe bedeutet dies [P ]2 = [P 2 ] = [2ZK ] = 1. Also hat [P ] Ordnung 1 oder 2. Wir schliessen nun den Fall aus, dass P ein Hauptideal ist. Gilt im Gegenteil P = xZK mit x ∈ ZK so finden wir P 2 = x2 ZK = 2ZK und damit (x2 /2)ZK = ZK sowie (2/x2 )ZK = ZK . Dies bedeutet, dass x2 /2 eine Einheit von ZK ist. Wegen Aufgabe 2 1, Übungsblatt 3 ist die Norm einer Unsere √ Einheit gleich ±1, also NK/Q (x /2) = ±1. 2 Einheit hat die Form x /2 = a+b −5 mit a, b ∈ Z und die Gleichung NK/Q (x2 /2) = ±1 ist gleichbedeutend mit a2 + 5b2 = ±1. Sicher kommt nur die Möglichkeit +1 in Frage, also a2 + 5b2√= 1. Es folgt weiter b = 0 und dann√a = ±1. Also x2 = ±2. Das Quadrat von x = c + −5d mit c, d ∈ Z ist c2 − 5d2 + 2cd −5 = ±2. Wir vergleichen Real- und Imaginärteil, um c2 − 5d2 = ±2 und cd = 0 zu folgern. Also c = 0 oder d = 0 und in beiden Fällen ist c2 − 5d2 = ±2 unlösbar in Z. Dies ist ein Widerspruch und wir müssen feststellen, dass P kein Hauptideal ist. Inbesondere hat [P ] als Element von Cl(K) Ordnung genau 2. Wir werden bald sehen, dass Cl(K) zyklisch der Ordnung 2 ist. Die Klassengruppe Cl(K) ist eine subtile Invariante des Zahlkörpers K. Satz 1.70 (Gauss). Sei m eines der neun quadratfreien Zahlen {−1, −2, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163} (1.11) √ und K = Q( m). Dann ist ZK ein Hauptidealring, d.h. Cl(K) ist trivial. Vermutung 1.71 (Gauss). Die Umkehrung ist für negative m wahr. D.h. ist m < 0 √ quadratfrei mit Cl(Q( m)) trivial, so liegt m in (1.11). Diese Vermutung erhielt den Namen “Klassenzahlproblem von Gauss”. Satz 1.72 √ (Heilbronn 1934). Es gibt höchstens endlich viele quadratfreie m < 0, so dass Cl(Q( m)) trivial ist. Satz 1.73 (Heilbronn–Linfoot 1934). Neben den neun√Beispielen (1.11) gibt es höchstens eine weitere quadratfreie Zahl m ∈ Z, so dass Cl(Q( m)) trivial ist. 41 1 Ring der ganzen algebraischen Zahlen Über diese potentielle Ausnahme lieferte der Satz keinerlei Information, d.h. es gab keine obere Schranke für |m|. Satz 1.74 (Baker–Heegner–Stark 1950er und 60er). Sei m ∈ Z quadratfrei mit m < 0 √ und K = Q( m). Falls Cl(K) trivial ist, oder äquivalent falls ZK ein Hauptidealring ist, so gilt m ∈ {−1, −2, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163}. Für positives m erwartet man das folgende. Vermutung 1.75. Es gibt unendlich viele quadratfreie m ∈ Z mit m > 1, so dass √ Cl(Q( m)) = {1}. Da sich die Ideale eines Dedekindschen Rings eindeutig in Primideal faktorisieren lassen, macht es Sinn von teilerfremden Idealen zu sprechen. Definition 1.76. Zwei Ideale I und J eines Dedekindschen Rings R heissen teilerfremd, falls 0 6= P ⊆ R ein Primideal =⇒ P - I oder P - J. Bemerkung 1.77. Seien a, b ∈ Z teilerfremde ganze Zahlen. Aus der Algebra oder Zahlentheorie ist bekannt, dass Z/abZ und Z/aZ × Z/bZ isomorph sind. Diese Aussage nennt man auch “Chinesischer Restsatz”. Proposition 1.78 (Chinesischer Restsatz). Sei R ein Dedekindscher Ring und I, J ⊆ R Ideale. (i) Die Ideale I und J sind genau dann teilerfremd, wenn I + J = R. (ii) Falls I + J = R, so gilt I ∩ J = IJ. (iii) Falls I + J = R, so ist die durch r + IJ 7→ (r + I, r + J) für r ∈ R definierte Abbildung R/IJ → R/I × R/J wohldefiniert und ein Ringisomorphismus. Beweis. Wir beginnen mit “=⇒” von (i). Sicher ist I + J ein Ideal von R und falls I + J 6= R so gibt es ein maximales Ideal P ⊇ I + J. Also ist P ein Primideal und I ⊆ P sowie J ⊆ P . Aus Korollar 1.61 folgt P | I und P | J, ein Widerspruch. Die Umkehrung “⇐=” von (i) benutzt die einfache Richtung dieses Korollar. Ist P ein Teiler von I und J, so gilt P ⊇ I und P ⊇ J, also P ⊇ I + J. Dies widerspricht I + J = R. Für (ii) stellen wir fest, dass I ∩ J ⊇ IJ aus der Definition des Produkts zweier Ideale folgt und sogar für beliebige Ideale in einen beliebigen Ring gilt, vgl. (1.8). Wir zeigen nun “⊆”. Sei also a ∈ I ∩ J. Dann ist aR ein Ideal von R enthalten in I und J. Wegen Korollar 1.61 gilt I | aR und J | aR. Aus (i) und I + J = R folgt, dass die Primidealteiler von I und J paarweise verschieden sind. Aus Satz 1.53 folgern wir, dass IJ | aR. Die einfache Richtung von Korollar 1.61 impliziert aR ⊆ IJ und daher a ∈ IJ. Somit ist Teil (ii) bewiesen. Nun zu Teil (iii), wegen (ii) haben wir I ∩ J = IJ. Aus I ∩ J ⊇ IJ folgt, dass unsere Abbildung, die wir hier mit ϕ bezeichnen, ein wohldefinierter Ringhomomorphismus. 42 1.6 Dedekindsche Ringe Dass diese Abbildung injektiv ist, folgt aus I ∩ J ⊆ IJ. Es reicht also die Surjektivität zu zeigen. Das heisst, für beliebige r1 , r2 ∈ R müssen wir r ∈ R finden, mit ϕ(r + IJ) = (r1 + I, r2 + J). Nach Voraussetzung gibt es a ∈ I und b ∈ J mit a + b = 1. Dann gilt br1 = r1 − ar1 ∈ r1 + I und ar2 = r2 − br2 ∈ r2 + J. Wir wählen r = ar2 + br1 . Somit ist r + I = r1 + I und r + J = r2 + J. Daraus folgt ϕ(r + IJ) = (r1 + I, r2 + J). Bemerkungen 1.79. Für jeden Ring R kann man unter der Annahme I + J = R zeigen, dass die natürliche Abbildung R/(I ∩ J) → R/I × R/J ein Ringisomorphismus ist. Definition 1.80. Sei R ein Dedekindscher Ring und I, J Ideale von R. Der grösste gemeinsame Teiler von I, J ist das Ideal ggT(I, J) = I + J. Die Bezeichnung “grösster gemeinsamer Teiler” wird durch das nächste Lemma gerechtfertigt. Lemma 1.81. Ist R ein Dedekindscher Ring, I, J Ideal von R. (i) Es gilt ggT(I, J) | I und ggT(I, J) | J. (ii) Für ein weiteres Ideal K von R mit K | I und K | J gilt K | ggT(I, J). Beweis. Sicherlich ist I + J ⊇ I und I + J ⊇ J, da 0 ∈ J ∩ I. Aus Korollar 1.61 folgt I + J = ggT(I, J) | I und ggT(I, J) | J. Das ist die erste Aussage des Lemmas. Sei K wie im zweiten Teil. Wegen K | I und K | J ist K ⊇ I sowie K ⊇ J, es folgt K ⊇ I + J = ggT(I, J) aus der einfachen Implikation in Korollar 1.61. Die schwierige Implikation ergibt schliesslich K | ggT(I, J), was zu zeigen war. 43 2 Primidealfaktorisierung in ZK 2.1 Die Norm eines Ideals In diesem Kapitel werden wir uns verstärkt den ganzen algebraischen Zahlen eines Zahlkörpers K zuwenden. Für jedes Ideal I ⊆ ZK hatten wir in Definition-Lemma 1.42 die Norm N (I) ∈ {0, 1, 2, . . . } definiert. Mit Hilfe dieser Norm können wir in gewissen Situationen entscheiden, ob ein Ideal ein Primideal ist. Lemma 2.1. Sei K ein Zahlkörper und I ⊆ ZK ein Ideal. (i) Es gilt N (I) ∈ I. Insbesondere enthält ein Ideal von ZK ungleich Null eine positive ganze Zahl. (ii) Falls N (I) eine Primzahl ist, so ist I ein Primideal. Beweis. Für beide Teile können wir ohne Einschränkung I 6= 0 annehmen. Dann ist ZK /I mit der Addition eine endliche abelsche Gruppe der Kardinalität N (I). Wegen dem Satz von Lagrange gilt N (I)(a + I) = N (I)a + I = I für alle a ∈ ZK , hier ist I das neutrale Element in ZK /I. Wir wählen a = 1 und folgern N (I) ∈ I und deshalb Teil (i). Für Teil (ii) reicht es zu zeigen, dass jeder endliche Ring R, dessen Kardinalität eine Primzahl ist, ein Körper ist. Denn dann muss I ein maximales Ideal, also insbesondere ein Primideal, sein. Zum Beweis sei x ∈ R r {0}. Dann definiert y 7→ xy ein Homomorphismus R → R der additiven Gruppe. Das Bild enthält zwei verschiedene Elemente 0 und x. Da #R eine Primzahl ist, muss das Bild, dessen Kardinalität wegen dem Satz von Lagrange #R teilt, ganz R sein. Insbesondere liegt 1 im Bild. Deshalb gibt es y ∈ R mit xy = 1. Also ist R ein Körper. √ Beispiel 2.2. Sei K√= Q( −5). In Beispiel 1.54 haben wir gesehen, dass 2ZK = P 2 mit P = 2ZK + (1 √ + −5)ZK . Wir wollen nun beweisen, dass √ P ein Primideal ist. Wir wissen ZK = Z + −5Z, cf. (1.4). Also hat 2ZK = 2Z + 2 −5Z Index 4 in ZK , d.h. N (2ZK ) = 4. Da 2ZK ⊆ P definiert a + 2ZK 7→ a + P für a ∈ ZK einen surjektiven Ringhomomorphismus Z/2ZK → ZK /P . Es folgt N (P ) | N (2ZK ). Die Möglichkeiten für N (P ) beschränken sich somit auf {1, 2, 4}. Falls N (P ) = 1, so wäre P = ZK und somit 2ZK = P 2 = ZK . Dies ist unmöglich, da 1/2 6∈ ZK . Falls N (P ) = 4 so wäre der Ringhomomorphismus oben ein Isomorphismus. Das heisst, 2ZK = P , und damit P = P 2 wegen 2ZK = P 2 . Dies widerspricht der Eindeutigkeit der Primidealfaktorisierung in Satz 1.53. Also kann nur N (P ) = 2 sein. Wegen Lemma 2.1(ii) ist P ein Primideal. 45 2 Primidealfaktorisierung in ZK Ähnlich lässt sich zeigen, dass Q1 , Q2 in der Faktorisierung von 3ZK in Kapitel 1 Primideale sind. Achtung. Die Umkehrung von Lemma 2.1(ii) ist falsch. Es gibt Primideale, dessen Norm eine Primpotenz aber keine Primzahl ist. Wie der Name der Normabbildung suggeriert, ist diese multiplikativ. Diese keineswegs offensichtliche Aussage werden wir jetzt beweisen. Proposition 2.3. Sei K ein Zahlkörper und I, J ⊆ ZK beliebige Ideale. Dann gilt N (IJ) = N (I)N (J). Beweis. Sicher dürfen wir I 6= 0 und J 6= 0 annehmen. Wir zeigen zuerst den folgenden Spezialfall. Behauptung 1: Sei P ⊆ ZK ein Primideal P 6= 0 und e ∈ Z mit e ≥ 0. Dann gilt N (P e ) = N (P )e . Wir beweisen die Aussage mittels Induktion auf e. Der Fall e = 0 folgt aus N (ZK ) = 1. Wir nehmen also e ≥ 1 an. Der Quotient P e /P e−1 ist ein ZK -Modul und sogar ein (ZK /P )-Modul. Weil P 6= 0 ein Primideal ist, ist wegen (D3) P ein maximales Ideal. Deshalb ist ZK /P ein Körper und P e−1 /P e ein (ZK /P )-Vektorraum. Es gilt P e−1 ) P e wegen der Eindeutigkeit in Satz 1.53. Wählen wir also a ∈ P e−1 r P e . Dann ist I = aZK + P e ein Ideal von ZK . Wir haben P e ( I ⊆ P e−1 . Wegen Korollar 1.61 gilt also I | P e und P e−1 | I. Aus Satz 1.53 schliessen wir I = P e−1 . Daraus folgt, dass P e−1 /P e von a + P e als (ZK /P )-Vektorraum erzeugt wird. In anderen Worten gilt dimZK /P P e−1 /P e = 1. Die Kardinalität von P e−1 /P e ist also #ZK /P = N (P ). Deshalb und wegen Induktion gilt N (P e ) = #ZK /P e = #P e−1 /P e · #ZK /P e−1 = N (P )N (P )e−1 = N (P )e . Die erste Behauptung ist bewiesen. Behauptung 2: Seien P1 , . . . , Pg paarweise verschiedene Primideale ungleich Null von e ZK und e1 , . . . , eg ∈ Z positiv. Dann gilt N (P1e1 · · · Pg g ) = N (P1 )e1 · · · N (Pg )eg . Wir beweisen die Aussage mittels Induktion auf g. Der Fall g = 0 ist trivial. Sei also e g ≥ 1. Der Chinesischer Restsatz, Proposition 1.78(i), impliziert P1e1 + P2e2 · · · Pg g = ZK . e Nun wenden wir Proposition 1.78(iii) auf P1e1 und P2e2 · · · Pg g an. Inbesondere sind eg eg e1 e1 e2 ZK /P1 · · · Pg und ZK /P1 × ZK /P2 · · · Pg isomorph als Ringe. Uns interessiert nur die Kardinalität, also brauchen wir nur, dass beide endlichen Ringe gleiche Kardinalität haben N (P1e1 · · · Pgeg ) = N (P1e1 )N (P2e2 · · · Pgeg ). Aus Induktion und aus Behauptung 1 folgt N (P1e1 · · · Pgeg ) = N (P1e1 )N (P2 )e2 · · · N (Pg )eg = N (P1 )e1 N (P2 )e2 · · · N (Pg )eg . Auch die zweite Behauptung ist nun bewiesen. Die Proposition folgt aus Behauptung 2 und da wegen Satz 1.53 jedes Ideal ungleich Null in ZK ein Produkt von Primidealen ist. 46 Index Basis eines Moduls, 26 Produkt zweier Ideale, 32 Dedekindscher Ring, 31 Diskriminante eines Tupels, 24 Diskriminante eines Zahlkörpers, 29 Quadratischer Zahlkörper, 14 Elementarteiler, 27 Endlich erzeugter Modul, 19 Endliche Körpererweiterung, 13 Faktorieller Ring, 11 Freier Modul, 26 Ganz abgeschlossener Integritätsbereich, 30 Ganze Elemente, 20 Ganze Zahlen eines Zahlkörpers, 21 Ganzer Abschluss eines Unterrings, 20 Gebrochenes Hauptideal, 38 Gebrochenes Ideal, 38 Grösster gemeinsamer Teiler zweier Ideale, 43 Grad einer Körpererweiterung, 13 Rang eines endlich erzeugten Z-Moduls, 27 Ring der ganzen algebraischen Zahlen eines Zahlkörpers, 21 Skalarmultiplikation im Modul, 18 Spur eines Elements, 15 Summe zweier Ideale, 32 Teilerfremde Ideale, 42 Unterkörper, 13 Untermodul, 19 Zahlkörper, 13 Integritätsbereich, 10 Irreduzibles Element eines Rings, 10 Körpererweiterung, 13 Klassengruppe, 40 Modul über einem Ring, 18 Norm eines Elements, 15 Norm eines Ideals, 30 Oberkörper, 13 Primelement eines Rings, 10 47