6.5 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen Eigentlich ist noch gar nicht klar, was cr für beliebige positive Zahlen c und reelle Exponenten r bedeutet - und wie man eine solche Potenz berechnet. Wir wollen uns das jetzt genauer überlegen - und wagen uns dazu an einige anspruchsvollere Rechnungen. Es geht aber ganz einfach los: Rationale Potenzen Zunächst ist cn für natürliche Zahlen n induktiv definiert durch n C1 0 n c =1 , c =c c und für negative ganzzahlige Exponenten Kn durch 1 Kn c = n . c z Damit ist c für alle ganzen Zahlen z gegeben. Im nächsten Schritt erweitert man die Definition auf rationale Exponenten z q= n mit einer ganzen Zahl z und einer natürlichen Zahl n, indem man cq als die n-te Wurzel aus cz definiert, also diejenige Zahl, deren n-te Potenz die Zahl cz liefert. Daß es genau eine solche Zahl gibt, hatten wir mit Hilfe des Zwischenwertsatzes gesehen. Induktiv zeigt man jetzt für ganze Zahlen z die Beziehungen cz > 1 <=> (c > 1 und z > 0 ) oder (c < 1 und z < 0) cz < 1 <=> (c > 1 und z < 0 ) oder (c < 1 und z > 0) cz = 1 <=> c = 1 oder z = 0, und mit der Formel c z n = c 1 n z = cz 1 n erweitert man sie auf alle rationalen Exponenten. Die obigen drei Äquivalenzen lassen sich mit Hilfe der Signum-Funktion s x bequem zu einer einzigen Gleichung zusammenfassen: s cz K1 = s c K1 z . Die allgemeine Exponentialfunktion cx auf der Menge Q der rationalen Zahlen erfüllt die Funktionalgleichung cx C z = cx cz, die für ganzzahlige Exponenten leicht durch Induktion zu beweisen ist und sich dann wie oben auch auf rationale Exponenten ausdehnen läßt. Damit sieht man die strenge Monotonie der Exponentialfunktionen Für q und r aus Q mit q ! r gilt z = q Kr < 0 , cq K r < 1 und daher cq < cr , falls c > 1 (streng monoton wachsend) cq > cr , falls c < 1 (streng monoton fallend). Beispiel 1: Wurzelziehen der Babylonier Auf einer babylonischen Steintafel aus dem 17. oder 18. vorchristlichen Jahrhundert sind ein Quadrat und seine Diagonalen abgebildet. In Keilschrift (senkrechter Keil = 1, waagerechter Keil = 10) stehen dort die Zahlen 30 1 24 51 10 42 25 35 . Da die Babylonier das Sexagesimalsystem (mit der Basis 60) benutzten, interpretiert man diese Zahlenreihe wie folgt: 24 51 10 25 35 30 1 C C 2 C 3 = 42 C C 2 . 60 60 60 60 60 Auf Hauptnenner gebracht: 30 mal 30547 152735 = 21600 3600 oder 30547 152735 = . 21600 108000 Stimmt! Na und? Der Clou ist, daß hier eine auf 4 Sexagesimalstellen genaue und auf 6 Dezimalstellen fast genaue Näherung für 2 , also die Länge der Diagonale eines Quadrates mit Seitenlänge 1 steht! 152735 = 1.414212963... 108000 < 2 = 1.414213562... < 152736 = 1.414222222... 108000 Wie war das vor mehr als 3600 Jahren möglich? Die Babylonier kannten bereits das folgende Näherungsverfahren Um die Quadratwurzel w aus einer positiven Zahl z zu approximieren, verbessert man schon gefundene Näherungen wn, indem man das arithmetische Mittel aus wn und z/wn bildet: wn z wn C 1 = C . 2 2 wn Ist wn zu groß, so ist z/wn zu klein, und umgekehrt. Durch die Mittelung kommt man der Wahrheit näher! Das geometrische Mittel von wn und z/wn ist definitionsgemäß genau die Wurzel aus z, und da arithmetisches und geometrisches Mittel zweier nicht allzu weit voneinander entfernter Zahlen ebenfalls nahe beieinanderliegen, kann man hoffen, auf diese Weise immer bessere Näherungen für z zu erhalten. Mit anderen Worten: lim wn = n/N z . m w a b ab % geometrisches Mittel : w = a Cb = m : arithmetisches Mittel 2 Ist die Konvergenz der Folge wn gegen eine Zahl w gesichert, so ergibt sich sofort wn z w z w = n/ limN wn C 1 = n/ limN C n/ limN = C , 2 2 wn 2 2w also w z 2 = und daher w = z. 2 2w Leider ist die Folge wn nicht für jeden Startwert w0 durchweg monoton. Jedoch folgt für positives w0 aus z % w20 induktiv wn C 1 % wn und z % w2n , d.h. wn ist dann monoton fallend und nach unten beschränkt, also konvergent. Hier der Induktionsschritt: wn z z % w2n => w2n Cz % 2 w2n => wn C 1 = C % wn und 2 2 wn z % zC wn z K 2 2 wn 2 = wn z C 2 2 wn 2 2 = wn C 1 . Wir beginnen mit w0 = z = 2 und lassen MAPLE rechnen, exakt und dezimal gerundet: n = 0, wn = 2, 2. n = 1, wn = 3 , 1.500000000 2 n = 2, wn = 17 , 1.416666667 12 n = 3, wn = 577 , 1.414215686 408 n = 4, wn = 665857 , 1.414213562 470832 Das Verfahren liefert mit vier Iterationen bereits 10 Dezimalstellen für 2 ! Reelle Potenzen r Um die Potenz c für eine beliebige reelle Zahl r zu bekommen, kann man irgendeine gegen r konvergente Folge rationaler Zahlen qn (z.B. eine Dezimalbruchentwicklung von r) wählen und q n cr = n/ limN c setzen. Genau genommen muß man sich noch überlegen, daß der Grenzwert überhaupt existiert und daß die Definition nicht von der gewählten Folge qn abhängt. Diese Hürden kann man umgehen, indem man r q c als das Supremum, also die kleinste obere Schranke aller Potenzen c mit rationalen Exponenten q % r definiert. Dafür braucht man nur die bekannte Monotonie der Funktion cx auf der Menge der rationalen Zahlen und den folgenden allgemeinen Fortsetzungssatz Jede auf einem Intervall I rationaler Zahlen stetige und (streng) monotone Funktion besitzt eine eindeutige stetige Fortsetzung auf das entsprechende reelle Intervall (den Abschluß von I), die dann ebenfalls (streng) monoton ist. Man füllt dabei die "irrationalen Lücken" einfach mittels der jeweiligen Supremumsbildung. 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 x Mit dieser Methode lassen sich viele Aussagen über reelle Zahlen auf rationale Zahlen reduzieren. Bedenken Sie, daß ein Computer immer nur rationale Zahlen abspeichern kann, nicht aber eine exakte Darstellung von irrationalen Zahlen wie 2 (es sei denn durch eine Formel, die diese Zahlen implizit beschreibt). Einen eleganteren, dafür aber weniger direkten Zugang liefert die natürliche Exponentialfunktion N exp(x) = e x = xk , k = 0 k! > die Grenzfunktion der polynomialen Partialsummen n sn x = k x . k = 0 k! > Wir haben schon gezeigt, daß die Folgen sn x für jedes feste x (sogar für komplexe Werte von x) konvergieren. Für positive x ist der Grenzwert e x nach dem Monotoniekriterium das Supremum der Folgenglieder sn x . Die Restsummen, also die Differenz zwischen e x und sn x , kann man mit der Dreiecksungleichung folgendermaßen abschätzen: N N xk xk % = k = n C 1 k! k = n C 1 k! > > x n C1 n C1 ! N > k= 0 n C1 ! x k % n C1 Ck ! x n C1 n C1 ! N > k= 0 x n C1 Für n > 2 x wird die letzte Summe durch die geometrische Reihe N > k= 0 1 2 k =2 majorisiert, und wir erhalten für 0 ! x ! N e x Ksn x = n : 2 n C1 k n x 2 x x % < . n C1 ! n! k = n C 1 k! > Der Betrag der Restsumme ist also kleiner als der des letzten Folgenglieds, falls n den Wert 2 x übersteigt. xn Die Folgen konvergieren sogar für große x rasch gegen 0, da Fakultäten erheblich schneller als n! Potenzen mit fester Basis wachsen. Wählen wir z.B. die Zahl n gerade und größer als 4 x , so folgt für m = n/2 : m mn = m2 ! m m C1 xn x n 1 < < n . n! m 2 m K1 m C2 ... n = n! , Ein ganz anderer Weg zur natürlichen Exponentialfunktion führt über den k . Zinseszins Wird ein Kapital mit p Prozent jährlich verzinst, so ist der Zuwachs p x= 100 und das Kapital vermehrt sich pro Jahr mit dem Faktor 1 Cx . Nach n Jahren ist das Kapital auf das 1 Cx n-fache angewachsen, und das ist sicherlich mehr, als wenn man nur den jährlichen Zins auf das Grundkapital bekommen hätte. Das besagt die Bernoullische Ungleichung n 1 Cn x % 1 Cx so benannt nach den Schweizer Brüdern Bernoulli, die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts als erste mit der mathematischen Analyse der stetigen Verzinsung befaßten. Diese Ungleichung (die allerdings der englische Mathematiker Barrow schon im 17. Jahrhunderts entdeckt hatte) gilt für 0 % 1 Cx, wie eine einfache Induktion zeigt: Für n = 1 ist sie klar, und 1 Cn x % 1 Cx n impliziert 2 n n C1 1 C n C1 x % 1 C n C1 x Cn x = 1 Cn x 1 Cx % 1 Cx 1 Cx = 1 Cx . Man sieht leicht, daß die Funktion 1 Cnx gerade die "Stütztangente" an die Funktion Punkt (0,1) ist. 1 Cx n im 3 2 1 K1,0 K0,5 0 0,5 x 1,0 K1 Beispiel 2: Kapitalverdoppelung Mathe legt 100 € mit 5% jährlicher Verzinsung an. Aufgrund der Bernoullischen Ungleichung ist das Kapital nach spätestens 20 Jahren auf das Doppelte angewachsen. In Wirklichkeit passiert das aber durch den Zinseszins schon nach 15 Jahren: 1.0514 = 1.9799315994393973883056640625 < 2 , 1.0515 = 2.078928179411367257720947265625 > 2 . 100 € Kurzfristige Verzinsung Bei jährlichen Verzinsungsfaktor 1 Cx, aber monatlicher Verzinsung wird der Faktor nach einem Jahr 1C x 12 12 = 1 Cx C 11 x2 + ... , 24 bei täglicher Verzinsung sogar 1C x 365 365 = 1 Cx C 182 x2 + ... 365 Die sehr plausible Intuition, daß bei Verkleinerung der Verzinsungsintervalle der gesamte Kapitalzuwachs größer wird, bedeutet mathematisch, daß die Folgen x n pn x = 1 C n monoton wachsen, d.h. pn K 1 x % pn x für n > 1. Das ist allerdings gar nicht so leicht zu beweisen und auch nur richtig, falls 0 % n Cx K1 gilt (was für positive x sicher zutrifft). Versuchen Sie es, indem Sie die Bernoullische Ungleichung auf x K statt x anwenden! n n Cx K1 Stetige Verzinsung Was passiert mit dem Kapitalzuwachs bei gegen Null konvergierenden Verzinsungsintervallen? lim 1 C n/N x n n =? Wegen der Monotonie dieser Folgen genügt es zum Nachweis der Konvergenz, eine obere Schranke zu finden. Binomialentwicklung liefert: pn x = x 1C n x pn x = 1 C n n n n n k n! xk j K1 = = 1K k n k = 0 k! n Kk ! n k= 0 j = 1 > >? xk , also k! n xk % = sn x % e x k = 0 k! > für alle natürlichen n und nichtnegativen x. n k x Wir zeichnen die Polynome pn x für n = 1 ... 5 und vergleichen sie mit den Polynomen sn x = k! k= 0 und mit der Exponentialfunktion e x (dicke Linie): n x pn x = 1 C n > 4 3 2 1 K3 K2 K1 0 n sn x = 1 2 k x k = 0 k! > 4 3 2 1 K3 K2 K1 0 1 2 Wir zeigen nun, daß nicht nur die Partialsummen sn x , sondern auch die "Zinspolynome" pn x gegen e x konvergieren. Dazu betrachten wir die Differenz n k > sn x Kpn x = 1K k= 0 ? 1K j= 1 k j K1 n x . k! Nach Bernoulli gilt für k > 1: k 0 %1K ? 1K j=1 j K1 n <1K 1K k k K1 n !1K 1K k k K1 n = k k K1 n . Somit ist 0 = sn x Kpn x für n = 0 und n = 1, 1 0 < sn x Kpn x % n n k 2 k k K1 x x = k! n k= 2 > n K2 > k= 0 k 2 x x e x < k! n für n > 1 und x > 0. Für beliebige x bekommen wir mit der Dreiecksungleichung x2e x sn x Kpn x % n , und damit konvergieren sn x und pn x gegen die gleiche Grenzfunktion e x . Das ist die stetige Verzinsungsformel lim n/N N n x 1C n = xk =e x . k = 0 k! > Variable Verzinsung In der stetigen Verzinsungsformel darf man x sogar noch durch eine beliebige gegen x konvergente Folge ersetzen: lim x = x n/N n impliziert n/ limN 1 C xn n n =e x . Diese vielseitig anwendbare Tatsache begründen wir wie folgt: Aus der binomischen Formel n K1 n n a Kb = a Kb >a b k n K1 Kk k= 0 ergibt sich durch Betragsabschätzung xn n xn Kx x n 1C K 1C % n n n n K1 > k= 0 1C xn n k 1C x n n K1 Kk . Jeder der n Summanden ist kleiner als c n 1C ! e c , falls x und alle xn kleiner als c sind. n Ein solches c gibt es wegen der Konvergenz von xn gegen x. Insgesamt landen wir bei der Abschätzung 1C xn n n die zeigt, daß die Folgen 1 C n x n K 1C xn % xn Kx e c , n und n x n 1C n den gleichen Grenzwert e x haben. Die Funktionalgleichung e x Cz = e x e z können wir nun leicht beweisen. Es ist nämlich x 1C n n z 1C n n n x z xz = 1C C C n n nn = 1C yn n n mit yn = x Cz C xz , also n/ limN yn = x Cz , n und daraus folgt limN 1 C e x Cz = n/ yn n n = n/ limN x 1C n n z 1C n n = e x e z . Aus der Funktionalgleichung "entwickelt sich alles Weitere wie von selbst", wie Leibniz gesagt hätte. Insbesondere ist wegen der früher schon hergeleiteten Gleichung q e q = e für alle rationalen Exponenten q die Exponentialdarstellung ez statt e z bzw. exp(z) für alle komplexen Zahlen z legitim und bequem. Die Funktionalgleichung nimmt damit eine vertrautere Form an: ex C z = ex ez. (MAPLE schreibt übrigens automatisch ez, wenn man exp(z) eingibt.) Montonie der natürlichen Exponentialfunktion Daß die Exponentialfunktion ex auf ganz R streng monoton wächst, hat uns das Schaubild bereits nahegelegt. Nun haben wir auch eine kurze und exakte Begründung: Wegen ex > 1 für x > 0 und ey = e y K z ez gilt: y ! z 0 e y K z < 1 0 ey < ez . Der natürliche Logarithmus als Umkehrfunktion Da ex beliebig große Werte und andererseits beliebige kleine Werte oberhalb von 0 annimmt, liefert der Zwischenwertsatz zu jedem positiven y genau ein x mit ex = y . Dieses x nennt man den natürlichen Logarithmus von y und bezeichnet es mit ln y . Also gibt es zur Exponentialfunktion exp : R → ]0,N[ eine Umkehrfunktion ln : ]0,N[ → R und diese ist wieder stetig und streng monoton. Sie heißt natürlicher Logarithmus. 4 3 2 exp ln 1 K4 K3 K2 K1 0 1 2 3 K1 K2 K3 K4 Alle weiteren Aussagen über Logarithmen basieren auf der Umkehrformel y = ex 5 ln y = x . Zum Beispiel erfüllt der natürliche Logarithmus die inverse Funktionalgleichung ln y w = ln y Cln w , weil für x = ln y und z = ln w gilt: y w = ex ez = ex C z , also ln y w = x Cz = ln y Cln w . Potenzieren wird jetzt viel einfacher, und zwar durch Reduktion auf eine Multiplikation: ln y q = q ln y für y > 0 und q aus Q. 4 x Denn es gibt genau ein x mit e = y , nämlich x = ln y , und wie oben gilt e qx x q = e q =y . Daraus folgt nun sofort ln y q = ln e q x = q x = q ln y . Allgemeine Potenzen und Exponentialfunktionen Jetzt kommt die Quintessenz der ganzen Theorie. Für rationale Exponenten q und beliebige positive Basiszahlen c gilt: cq = eln q c = e q ln c . Und nun definiert man einfach cx := ex ln c für alle reellen Exponenten x, um eine stetige Fortsetzung auf der ganzen reellen Geraden zu erhalten. Aus der Funktionalgleichung für die e-Funktion ergibt sich sofort die allgemeine Funktionalgleichung für Summen von Exponenten cx C z = cx cz. Darüber hinaus gibt es eine solche für Produkte. Zunächst speziell ex z = ez ln ex = ex z und dann die allgemeine Funktionalgleichung für Produkte von Exponenten xz x z x z ln c c =e = c . Damit nicht verwechseln sollte man die allgemeine Funktionalgleichung für Produkte von Basiszahlen cd x = cxdx. Man bekommt letztere z.B. folgendermaßen: cd x = ex ln cd = ex ln c C ln d = ex ln c ex ln d = cxdx. Monotonie der allgemeinen Exponentialfunktionen Als Hintereinanderschaltung stetiger und streng monotoner Funktionen ist jede der Exponentialfunktionen cx wieder stetig und streng monoton. Und zwar ist cx streng monoton wachsend für c > 1 streng monoton fallend für 0 < c < 1. Beispiel 3: Exponentialfunktionen 3 2/3 x 1/2 x 2 2 x 3/2 x 1 K2 K1 0 1 2 Eine andere Situation entsteht, wenn man die Rolle von Basis und Exponent vertauscht, also einen festen Exponenten z wählt und die Potenzfuktionen xz betrachtet. Für rationales z sind das die schon früher mittels ganzzahliger Potenzen und Wurzeln eingeführten Funktionen. Für beliebige reelle Exponenten z muß die Basis x positiv sein. Dann sind die entstehenden Potenzfunktionen ebenfalls stetig und streng monoton, und zwar ist z x streng monoton wachsend für z > 0 und streng monoton fallend für z < 0. Beispiel 4: Potenzfunktionen 2,0 x -2 x 2 x x 1,5 x 1,0 x .5 0 -1 0,5 0 0 0,5 1,0 1,5 2,0 Die Funktionalgleichung des natürlichen Wachstums f x Cz = f x f z tritt überall dort auf, wo sich etwas proportional zum schon Vorhandenen vermehrt oder verringert. Das ist z. B. der Fall bei vielen biologischen Wachstumsprozessen, aber auch bei der stetigen Verzinsung oder beim radioaktiven Zerfall. In der Natur beobachtet man das typische Erscheinungsbild solch "exponentiellen Wachstums" besonders augenfällig bei Fruchtständen, Hörnern und Schneckengehäusen. Das Charakteristikum solcher Gebilde ist, daß sie in jedem Stadium die gleiche Form haben, nur die Größe ändert sich (und zwar exponentiell). Aus der Ähnlichkeit der spiralig wachsenden Figuren zu allen Zeitpunkten schließt man, daß der Abstand vom Wachstumszentrum als Funktion des Drehwinkels bis auf einen konstanten Faktor die obige Funktionalgleichung erfüllen muß. Damit dann zwingend eine Exponentialfunktion herauskommt, muß man allerdings zusätzlich fordern, daß die entstehende Kurve stetig ist. Aber das ist in der Natur fast immer der Fall: Natura non facit saltus. Beispiel 5: Ein Schneckenprofil in Polarkoordinaten Der Abstand vom Wachstumszentrum für den Drehwinkel sei r . Wegen der Ähnlichkeit der Wachstumskurve zu jedem Zeitpunkt verhält sich C r zu r wie r zu r 0 = r0. C 0 Für die Funktion f = f C r r0 gilt also f = C r r und damit die Funktionalgleichung = r r 0 =f f C =f f . Wie zuvor folgt daraus mit c = f 1 : x f x =c für alle rationalen x, und falls f stetig ist, sogar für alle reellen x. Somit lautet die Polardarstellung der Schneckenkurve r = r0 c . Mit ein paar kleinen Zusatzüberlegungen erhält man den Charakterisierungssatz x Die Exponentialfunktion c ist die einzige Funktion f x , welche die Funktionalgleichung des natürlichen Wachstums erfüllt, und zwar zum Zeitpunkt x = 0 mit der "Wachstumsgeschwindigkeit" lim x/0 f x Kf 0 x = ln c . Aufgrund dieser Bedingung, und natürlich auch weil der Drehwinkel logarithmisch von der Entfernung zum Zentrum abhängt, spricht man bei Wachstumskurven, die sich spiralig um den Ursprung winden, von logarithmischen Spiralen. Allgemeine Logarithmen Als stetige und streng monotone Funktion hat jede reelle Exponentialfunktion expc mit expc x = cx eine stetige und streng monotone Umkehrfunktion logc mit x y = c <=> logc y = x , und diese erfüllt die wichtigen Gleichungen logc y w = logc y Clogc w und logc yz = z logc y . Die folgende Zauberformel verwandelt Logarithmen mit beliebiger Basis a in solche mit einer vorgegebenen Basis c: loga b = logc b logc a . Denn für x = loga b ist b = ax und daher logc b = x logc a . Rechenschieber und Logarithmentafel Da die Logarithmusfunktion Produkte in Summen verwandelt und diese rechnerisch viel leichter und schneller als Produkte zu behandeln sind (auch von modernen Rechnern!), werden Logarithmen seit Jahrhunderten für umfangreiche numerische Berechnungen benutzt. Heute im Zeitalter der Computer sind Rechenschieber und Logarithmentafel völlig aus der Mode gekommen. Ein bißchen schade um diese genialen Erfindungen ... Beispiel 6: Wucherzins In einer alten Logarithmentafel finden sich folgende Zehnerlogarithmen der ersten Primzahlen: log10 2 = 0.30103 log10 3 = 0.47711 log10 5 = 0.69895 log10 7 = 0.84509 Beachten Sie, daß die Summe der ersten und dritten Zahl bei genauer Berechnung 1 ergeben müßte! Nach wieviel Jahren hat sich Mathes Kapital bei 5% Jahreszins verhundertfacht? Zu lösen ist die Gleichung 105 x = 100 bzw. wegen log10 100 = 2: 100 x log10 105 K2 = 2 . Näherungslösung: log10 105 = log10 3 Clog10 5 Clog10 7 = 2.0212... , 20000 x= = 94.340... 212 Nach spätestens 95 Jahren hat sich Mathes Kapital also verhundertfacht. Darauf sollte er vielleicht doch nicht warten (von Inflationen und Zinsschwankungen ganz abgesehen)!