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6.5 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen
Eigentlich ist noch gar nicht klar, was cr für beliebige positive Zahlen c und reelle Exponenten r bedeutet
- und wie man eine solche Potenz berechnet. Wir wollen uns das jetzt genauer überlegen - und wagen
uns dazu an einige anspruchsvollere Rechnungen. Es geht aber ganz einfach los:
Rationale Potenzen
Zunächst ist cn für natürliche Zahlen n induktiv definiert durch
n C1
0
n
c =1 , c
=c c
und für negative ganzzahlige Exponenten Kn durch
1
Kn
c = n .
c
z
Damit ist c für alle ganzen Zahlen z gegeben.
Im nächsten Schritt erweitert man die Definition auf rationale Exponenten
z
q=
n
mit einer ganzen Zahl z und einer natürlichen Zahl n, indem man cq als die n-te Wurzel aus cz definiert,
also diejenige Zahl, deren n-te Potenz die Zahl cz liefert. Daß es genau eine solche Zahl gibt, hatten wir
mit Hilfe des Zwischenwertsatzes gesehen.
Induktiv zeigt man jetzt für ganze Zahlen z die Beziehungen
cz > 1 <=> (c > 1 und z > 0 ) oder (c < 1 und z < 0)
cz < 1 <=> (c > 1 und z < 0 ) oder (c < 1 und z > 0)
cz = 1 <=> c = 1 oder z = 0,
und mit der Formel
c
z
n
= c
1
n
z
= cz
1
n
erweitert man sie auf alle rationalen Exponenten. Die obigen drei Äquivalenzen lassen sich mit Hilfe der
Signum-Funktion s x bequem zu einer einzigen Gleichung zusammenfassen:
s cz K1 = s c K1 z .
Die allgemeine Exponentialfunktion
cx
auf der Menge Q der rationalen Zahlen erfüllt die
Funktionalgleichung
cx C z = cx cz,
die für ganzzahlige Exponenten leicht durch Induktion zu beweisen ist und sich dann wie oben auch auf
rationale Exponenten ausdehnen läßt. Damit sieht man die
strenge Monotonie der Exponentialfunktionen
Für q und r aus Q mit q ! r gilt
z = q Kr < 0 , cq K r < 1 und daher
cq < cr , falls c > 1 (streng monoton wachsend)
cq > cr , falls c < 1 (streng monoton fallend).
Beispiel 1: Wurzelziehen der Babylonier
Auf einer babylonischen Steintafel aus dem 17. oder 18. vorchristlichen Jahrhundert sind ein Quadrat
und seine Diagonalen abgebildet.
In Keilschrift (senkrechter Keil = 1, waagerechter Keil = 10) stehen dort die Zahlen
30
1 24 51 10
42 25 35 .
Da die Babylonier das Sexagesimalsystem (mit der Basis 60) benutzten, interpretiert man diese
Zahlenreihe wie folgt:
24
51
10
25
35
30 1 C
C 2 C 3 = 42 C
C 2 .
60
60
60
60
60
Auf Hauptnenner gebracht:
30 mal
30547
152735
=
21600
3600
oder
30547
152735
=
.
21600
108000
Stimmt! Na und?
Der Clou ist, daß hier eine auf 4 Sexagesimalstellen genaue und auf 6 Dezimalstellen fast genaue
Näherung für 2 , also die Länge der Diagonale eines Quadrates mit Seitenlänge 1 steht!
152735
= 1.414212963...
108000
<
2 = 1.414213562... <
152736
= 1.414222222...
108000
Wie war das vor mehr als 3600 Jahren möglich? Die Babylonier kannten bereits das folgende
Näherungsverfahren
Um die Quadratwurzel w aus einer positiven Zahl z zu approximieren, verbessert man schon gefundene
Näherungen wn, indem man das arithmetische Mittel aus wn und z/wn bildet:
wn
z
wn C 1 =
C
.
2
2 wn
Ist wn zu groß, so ist z/wn zu klein, und umgekehrt. Durch die Mittelung kommt man der Wahrheit näher!
Das geometrische Mittel von wn und z/wn ist definitionsgemäß genau die Wurzel aus z, und da
arithmetisches und geometrisches Mittel zweier nicht allzu weit voneinander entfernter Zahlen ebenfalls
nahe beieinanderliegen, kann man hoffen, auf diese Weise immer bessere Näherungen für z zu
erhalten. Mit anderen Worten:
lim wn =
n/N
z .
m
w
a
b
ab %
geometrisches Mittel : w =
a Cb
= m : arithmetisches Mittel
2
Ist die Konvergenz der Folge wn gegen eine Zahl w gesichert, so ergibt sich sofort
wn
z
w
z
w = n/
limN wn C 1 = n/
limN
C n/
limN
=
C
,
2
2 wn
2
2w
also
w
z
2
=
und daher w = z.
2
2w
Leider ist die Folge wn nicht für jeden Startwert w0 durchweg monoton.
Jedoch folgt für positives w0 aus z % w20 induktiv
wn C 1 % wn und z % w2n ,
d.h. wn ist dann monoton fallend und nach unten beschränkt, also konvergent.
Hier der Induktionsschritt:
wn
z
z % w2n => w2n Cz % 2 w2n => wn C 1 =
C
% wn und
2
2 wn
z % zC
wn
z
K
2
2 wn
2
=
wn
z
C
2
2 wn
2
2
= wn C 1 .
Wir beginnen mit w0 = z = 2 und lassen MAPLE rechnen, exakt und dezimal gerundet:
n = 0, wn = 2, 2.
n = 1, wn =
3
, 1.500000000
2
n = 2, wn =
17
, 1.416666667
12
n = 3, wn =
577
, 1.414215686
408
n = 4, wn =
665857
, 1.414213562
470832
Das Verfahren liefert mit vier Iterationen bereits 10 Dezimalstellen für
2 !
Reelle Potenzen
r
Um die Potenz c für eine beliebige reelle Zahl r zu bekommen, kann man irgendeine gegen r
konvergente Folge rationaler Zahlen qn (z.B. eine Dezimalbruchentwicklung von r) wählen und
q
n
cr = n/
limN c
setzen. Genau genommen muß man sich noch überlegen, daß der Grenzwert überhaupt existiert und daß
die Definition nicht von der gewählten Folge qn abhängt. Diese Hürden kann man umgehen, indem man
r
q
c als das Supremum, also die kleinste obere Schranke aller Potenzen c mit rationalen Exponenten q % r
definiert. Dafür braucht man nur die bekannte Monotonie der Funktion cx auf der Menge der rationalen
Zahlen und den folgenden allgemeinen
Fortsetzungssatz
Jede auf einem Intervall I rationaler Zahlen stetige und (streng) monotone Funktion besitzt eine
eindeutige stetige Fortsetzung auf das entsprechende reelle Intervall (den Abschluß von I), die dann
ebenfalls (streng) monoton ist.
Man füllt dabei die "irrationalen Lücken" einfach mittels der jeweiligen Supremumsbildung.
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0
0
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
x
Mit dieser Methode lassen sich viele Aussagen über reelle Zahlen auf rationale Zahlen reduzieren.
Bedenken Sie, daß ein Computer immer nur rationale Zahlen abspeichern kann, nicht aber eine exakte
Darstellung von irrationalen Zahlen wie 2 (es sei denn durch eine Formel, die diese Zahlen implizit
beschreibt).
Einen eleganteren, dafür aber weniger direkten Zugang liefert
die natürliche Exponentialfunktion
N
exp(x) = e x =
xk
,
k = 0 k!
>
die Grenzfunktion der polynomialen Partialsummen
n
sn x =
k
x
.
k = 0 k!
>
Wir haben schon gezeigt, daß die Folgen sn x für jedes feste x (sogar für komplexe Werte von x)
konvergieren. Für positive x ist der Grenzwert e x nach dem Monotoniekriterium das Supremum der
Folgenglieder sn x . Die Restsummen, also die Differenz zwischen e x und sn x , kann man mit der
Dreiecksungleichung folgendermaßen abschätzen:
N
N
xk
xk
%
=
k = n C 1 k!
k = n C 1 k!
>
>
x n C1
n C1 !
N
>
k= 0
n C1 ! x k
%
n C1 Ck !
x n C1
n C1 !
N
>
k= 0
x
n C1
Für n > 2 x wird die letzte Summe durch die geometrische Reihe
N
>
k= 0
1
2
k
=2
majorisiert, und wir erhalten für 0 ! x !
N
e x Ksn x
=
n
:
2
n C1
k
n
x
2 x
x
%
<
.
n C1 !
n!
k = n C 1 k!
>
Der Betrag der Restsumme ist also kleiner als der des letzten Folgenglieds, falls n den Wert 2 x
übersteigt.
xn
Die Folgen
konvergieren sogar für große x rasch gegen 0, da Fakultäten erheblich schneller als
n!
Potenzen mit fester Basis wachsen.
Wählen wir z.B. die Zahl n gerade und größer als 4 x , so folgt für m = n/2 :
m
mn = m2 ! m m C1
xn
x n
1
<
< n .
n!
m
2
m K1
m C2 ... n = n! ,
Ein ganz anderer Weg zur natürlichen Exponentialfunktion führt über den
k
.
Zinseszins
Wird ein Kapital mit p Prozent jährlich verzinst, so ist der Zuwachs
p
x=
100
und das Kapital vermehrt sich pro Jahr mit dem Faktor 1 Cx .
Nach n Jahren ist das Kapital auf das 1 Cx n-fache angewachsen, und das ist sicherlich mehr, als wenn
man nur den jährlichen Zins auf das Grundkapital bekommen hätte. Das besagt die
Bernoullische Ungleichung
n
1 Cn x % 1 Cx
so benannt nach den Schweizer Brüdern Bernoulli, die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts als erste mit
der mathematischen Analyse der stetigen Verzinsung befaßten. Diese Ungleichung (die allerdings der
englische Mathematiker Barrow schon im 17. Jahrhunderts entdeckt hatte) gilt für 0 % 1 Cx, wie eine
einfache Induktion zeigt: Für n = 1 ist sie klar, und
1 Cn x % 1 Cx n impliziert
2
n
n C1
1 C n C1 x % 1 C n C1 x Cn x = 1 Cn x 1 Cx % 1 Cx
1 Cx = 1 Cx
.
Man sieht leicht, daß die Funktion 1 Cnx gerade die "Stütztangente" an die Funktion
Punkt (0,1) ist.
1 Cx
n
im
3
2
1
K1,0
K0,5
0
0,5
x
1,0
K1
Beispiel 2: Kapitalverdoppelung
Mathe legt 100 € mit 5% jährlicher Verzinsung an. Aufgrund der Bernoullischen Ungleichung ist das
Kapital nach spätestens 20 Jahren auf das Doppelte angewachsen. In Wirklichkeit passiert das aber
durch den Zinseszins schon nach 15 Jahren:
1.0514 = 1.9799315994393973883056640625 < 2 ,
1.0515 = 2.078928179411367257720947265625 > 2 .
100 €
Kurzfristige Verzinsung
Bei jährlichen Verzinsungsfaktor 1 Cx, aber monatlicher Verzinsung wird der Faktor nach einem Jahr
1C
x
12
12
= 1 Cx C
11 x2
+ ... ,
24
bei täglicher Verzinsung sogar
1C
x
365
365
= 1 Cx C
182 x2
+ ...
365
Die sehr plausible Intuition, daß bei Verkleinerung der Verzinsungsintervalle der gesamte
Kapitalzuwachs größer wird, bedeutet mathematisch, daß die Folgen
x n
pn x = 1 C
n
monoton wachsen, d.h.
pn K 1 x % pn x für n > 1.
Das ist allerdings gar nicht so leicht zu beweisen und auch nur richtig, falls 0 % n Cx K1 gilt (was für
positive x sicher zutrifft). Versuchen Sie es, indem Sie die Bernoullische Ungleichung auf
x
K
statt x anwenden!
n n Cx K1
Stetige Verzinsung
Was passiert mit dem Kapitalzuwachs bei gegen Null konvergierenden Verzinsungsintervallen?
lim 1 C
n/N
x
n
n
=?
Wegen der Monotonie dieser Folgen genügt es zum Nachweis der Konvergenz, eine obere Schranke zu
finden. Binomialentwicklung liefert:
pn x =
x
1C
n
x
pn x = 1 C
n
n
n
n
n
k
n! xk
j K1
=
=
1K
k
n
k = 0 k! n Kk ! n
k= 0 j = 1
>
>?
xk
, also
k!
n
xk
%
= sn x % e x
k = 0 k!
>
für alle natürlichen n und nichtnegativen x.
n
k
x
Wir zeichnen die Polynome pn x für n = 1 ... 5 und vergleichen sie mit den Polynomen sn x =
k!
k= 0
und mit der Exponentialfunktion e x (dicke Linie):
n
x
pn x = 1 C
n
>
4
3
2
1
K3
K2
K1
0
n
sn x =
1
2
k
x
k = 0 k!
>
4
3
2
1
K3
K2
K1
0
1
2
Wir zeigen nun, daß nicht nur die Partialsummen sn x , sondern auch die "Zinspolynome" pn x gegen
e x konvergieren. Dazu betrachten wir die Differenz
n
k
>
sn x Kpn x =
1K
k= 0
?
1K
j= 1
k
j K1
n
x
.
k!
Nach Bernoulli gilt für k > 1:
k
0 %1K
?
1K
j=1
j K1
n
<1K 1K
k
k K1
n
!1K 1K
k k K1
n
=
k k K1
n
.
Somit ist
0 = sn x Kpn x für n = 0 und n = 1,
1
0 < sn x Kpn x %
n
n
k
2
k k K1 x
x
=
k!
n
k= 2
>
n K2
>
k= 0
k
2
x
x e x
<
k!
n
für n > 1 und x > 0.
Für beliebige x bekommen wir mit der Dreiecksungleichung
x2e x
sn x Kpn x %
n
,
und damit konvergieren sn x und pn x gegen die gleiche Grenzfunktion e x . Das ist die
stetige Verzinsungsformel
lim
n/N
N
n
x
1C
n
=
xk
=e x .
k = 0 k!
>
Variable Verzinsung
In der stetigen Verzinsungsformel darf man x sogar noch durch eine beliebige gegen x konvergente Folge
ersetzen:
lim x = x
n/N n
impliziert n/
limN 1 C
xn
n
n
=e x .
Diese vielseitig anwendbare Tatsache begründen wir wie folgt: Aus der binomischen Formel
n K1
n
n
a Kb = a Kb
>a b
k n K1 Kk
k= 0
ergibt sich durch Betragsabschätzung
xn n
xn Kx
x n
1C
K 1C
%
n
n
n
n K1
>
k= 0
1C
xn
n
k
1C
x
n
n K1 Kk
.
Jeder der n Summanden ist kleiner als
c n
1C
! e c , falls x und alle xn kleiner als c sind.
n
Ein solches c gibt es wegen der Konvergenz von xn gegen x. Insgesamt landen wir bei der Abschätzung
1C
xn
n
n
die zeigt, daß die Folgen 1 C
n
x
n
K 1C
xn
% xn Kx e c ,
n
und
n
x
n
1C
n
den gleichen Grenzwert e x haben.
Die Funktionalgleichung
e x Cz = e x e z
können wir nun leicht beweisen. Es ist nämlich
x
1C
n
n
z
1C
n
n
n
x
z
xz
= 1C C C
n
n
nn
= 1C
yn
n
n
mit
yn = x Cz C
xz
, also n/
limN yn = x Cz ,
n
und daraus folgt
limN 1 C
e x Cz = n/
yn
n
n
= n/
limN
x
1C
n
n
z
1C
n
n
= e x e z .
Aus der Funktionalgleichung "entwickelt sich alles Weitere wie von selbst", wie Leibniz gesagt hätte.
Insbesondere ist wegen der früher schon hergeleiteten Gleichung
q
e q = e für alle rationalen Exponenten q
die Exponentialdarstellung
ez statt e z bzw. exp(z)
für alle komplexen Zahlen z legitim und bequem.
Die Funktionalgleichung nimmt damit eine vertrautere Form an:
ex C z = ex ez.
(MAPLE schreibt übrigens automatisch ez, wenn man exp(z) eingibt.)
Montonie der natürlichen Exponentialfunktion
Daß die Exponentialfunktion ex auf ganz R streng monoton wächst, hat uns das Schaubild bereits
nahegelegt.
Nun haben wir auch eine kurze und exakte Begründung:
Wegen ex > 1 für x > 0 und ey = e y K z ez gilt:
y ! z 0 e y K z < 1 0 ey < ez .
Der natürliche Logarithmus als Umkehrfunktion
Da ex beliebig große Werte und andererseits beliebige kleine Werte oberhalb von 0 annimmt, liefert der
Zwischenwertsatz zu jedem positiven y genau ein x mit ex = y . Dieses x nennt man den natürlichen
Logarithmus von y und bezeichnet es mit ln y . Also gibt es zur Exponentialfunktion
exp : R → ]0,N[
eine Umkehrfunktion
ln : ]0,N[ → R
und diese ist wieder stetig und streng monoton. Sie heißt natürlicher Logarithmus.
4
3
2
exp
ln
1
K4
K3
K2
K1
0
1
2
3
K1
K2
K3
K4
Alle weiteren Aussagen über Logarithmen basieren auf der
Umkehrformel
y = ex 5 ln y = x .
Zum Beispiel erfüllt der natürliche Logarithmus die
inverse Funktionalgleichung
ln y w = ln y Cln w ,
weil für x = ln y und z = ln w gilt:
y w = ex ez = ex C z , also ln y w = x Cz = ln y Cln w .
Potenzieren
wird jetzt viel einfacher, und zwar durch Reduktion auf eine Multiplikation:
ln y q = q ln y für y > 0 und q aus Q.
4
x
Denn es gibt genau ein x mit e = y , nämlich x = ln y , und wie oben gilt
e
qx
x q
= e
q
=y .
Daraus folgt nun sofort
ln y q = ln e q x = q x = q ln y .
Allgemeine Potenzen und Exponentialfunktionen
Jetzt kommt die Quintessenz der ganzen Theorie. Für rationale Exponenten q und beliebige positive
Basiszahlen c gilt:
cq = eln
q
c
= e q ln c .
Und nun definiert man einfach
cx := ex ln
c
für alle reellen Exponenten x, um eine stetige Fortsetzung auf der ganzen reellen Geraden zu erhalten.
Aus der Funktionalgleichung für die e-Funktion ergibt sich sofort die
allgemeine Funktionalgleichung für Summen von Exponenten
cx C z = cx cz.
Darüber hinaus gibt es eine solche für Produkte. Zunächst speziell
ex z = ez ln
ex
=
ex
z
und dann die
allgemeine Funktionalgleichung für Produkte von Exponenten
xz
x z
x z ln c
c =e
= c .
Damit nicht verwechseln sollte man die
allgemeine Funktionalgleichung für Produkte von Basiszahlen
cd x = cxdx.
Man bekommt letztere z.B. folgendermaßen:
cd x = ex ln
cd
= ex ln
c C ln d
= ex ln c ex ln
d
= cxdx.
Monotonie der allgemeinen Exponentialfunktionen
Als Hintereinanderschaltung stetiger und streng monotoner Funktionen ist jede der
Exponentialfunktionen cx wieder stetig und streng monoton. Und zwar ist cx
streng monoton wachsend für c > 1
streng monoton fallend für 0 < c < 1.
Beispiel 3: Exponentialfunktionen
3
2/3
x 1/2
x
2
2
x
3/2 x
1
K2
K1
0
1
2
Eine andere Situation entsteht, wenn man die Rolle von Basis und Exponent vertauscht, also einen festen
Exponenten z wählt und die Potenzfuktionen xz betrachtet. Für rationales z sind das die schon früher
mittels ganzzahliger Potenzen und Wurzeln eingeführten Funktionen. Für beliebige reelle Exponenten z
muß die Basis x positiv sein. Dann sind die entstehenden Potenzfunktionen ebenfalls stetig und streng
monoton, und zwar ist
z
x streng monoton wachsend für z > 0 und streng monoton fallend für z < 0.
Beispiel 4: Potenzfunktionen
2,0
x
-2
x
2
x
x
1,5
x
1,0
x
.5
0
-1
0,5
0
0
0,5
1,0
1,5
2,0
Die Funktionalgleichung des natürlichen Wachstums
f x Cz = f x f z
tritt überall dort auf, wo sich etwas proportional zum schon Vorhandenen vermehrt oder verringert. Das
ist z. B. der Fall bei vielen biologischen Wachstumsprozessen, aber auch bei der stetigen Verzinsung
oder beim radioaktiven Zerfall. In der Natur beobachtet man das typische Erscheinungsbild solch
"exponentiellen Wachstums" besonders augenfällig bei Fruchtständen, Hörnern und
Schneckengehäusen. Das Charakteristikum solcher Gebilde ist, daß sie in jedem Stadium die gleiche
Form haben, nur die Größe ändert sich (und zwar exponentiell). Aus der Ähnlichkeit der spiralig
wachsenden Figuren zu allen Zeitpunkten schließt man, daß der Abstand vom Wachstumszentrum als
Funktion des Drehwinkels bis auf einen konstanten Faktor die obige Funktionalgleichung erfüllen muß.
Damit dann zwingend eine Exponentialfunktion herauskommt, muß man allerdings zusätzlich fordern,
daß die entstehende Kurve stetig ist. Aber das ist in der Natur fast immer der Fall:
Natura non facit saltus.
Beispiel 5: Ein Schneckenprofil in Polarkoordinaten
Der Abstand vom Wachstumszentrum für den Drehwinkel sei r
.
Wegen der Ähnlichkeit der Wachstumskurve zu jedem Zeitpunkt verhält sich
C
r
zu r
wie r
zu r 0 = r0.
C
0
Für die Funktion
f
=
f
C
r
r0
gilt also
f
=
C
r
r
und damit die Funktionalgleichung
=
r
r 0
=f
f
C
=f
f
.
Wie zuvor folgt daraus mit c = f 1 :
x
f x =c
für alle rationalen x, und falls f stetig ist, sogar für alle reellen x. Somit lautet die
Polardarstellung der Schneckenkurve
r
= r0 c .
Mit ein paar kleinen Zusatzüberlegungen erhält man den
Charakterisierungssatz
x
Die Exponentialfunktion c ist die einzige Funktion f x , welche die Funktionalgleichung des
natürlichen Wachstums erfüllt, und zwar zum Zeitpunkt x = 0 mit der "Wachstumsgeschwindigkeit"
lim
x/0
f x Kf 0
x
= ln c .
Aufgrund dieser Bedingung, und natürlich auch weil der Drehwinkel logarithmisch von der Entfernung
zum Zentrum abhängt, spricht man bei Wachstumskurven, die sich spiralig um den Ursprung winden,
von logarithmischen Spiralen.
Allgemeine Logarithmen
Als stetige und streng monotone Funktion hat jede reelle Exponentialfunktion expc mit expc x = cx eine
stetige und streng monotone Umkehrfunktion logc mit
x
y = c <=> logc y = x ,
und diese erfüllt die wichtigen Gleichungen
logc y w = logc y Clogc w
und
logc yz = z logc y .
Die folgende Zauberformel verwandelt Logarithmen mit beliebiger Basis a in solche mit einer
vorgegebenen Basis c:
loga b =
logc b
logc a
.
Denn für x = loga b ist b = ax und daher logc b = x logc a .
Rechenschieber und Logarithmentafel
Da die Logarithmusfunktion Produkte in Summen verwandelt und diese rechnerisch viel leichter und
schneller als Produkte zu behandeln sind (auch von modernen Rechnern!), werden Logarithmen seit
Jahrhunderten für umfangreiche numerische Berechnungen benutzt. Heute im Zeitalter der Computer
sind Rechenschieber und Logarithmentafel völlig aus der Mode gekommen. Ein bißchen schade um
diese genialen Erfindungen ...
Beispiel 6: Wucherzins
In einer alten Logarithmentafel finden sich folgende Zehnerlogarithmen der ersten Primzahlen:
log10 2 = 0.30103
log10 3 = 0.47711
log10 5 = 0.69895
log10 7 = 0.84509
Beachten Sie, daß die Summe der ersten und dritten Zahl bei genauer Berechnung 1 ergeben müßte!
Nach wieviel Jahren hat sich Mathes Kapital bei 5% Jahreszins verhundertfacht?
Zu lösen ist die Gleichung
105 x
= 100 bzw. wegen log10 100 = 2:
100
x log10 105 K2 = 2 .
Näherungslösung:
log10 105 = log10 3 Clog10 5 Clog10 7 = 2.0212... ,
20000
x=
= 94.340...
212
Nach spätestens 95 Jahren hat sich Mathes Kapital also verhundertfacht. Darauf sollte er vielleicht doch
nicht warten (von Inflationen und Zinsschwankungen ganz abgesehen)!
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