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Pharmamarkt ’15: The big picture
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Von: Juliane Weyde, Projektmanagerin bei Harald Link Mergers & Acquisitions, Hamburg, www.linkmergersinternational.com
Rechtliche Einschränkungen sowie ein komplexes und dynamisches Umfeld bilden derzeit den Rahmen, mit dem
sich die Pharma-Industrie konfrontiert sieht. Noch vor nicht allzu langer Zeit war diese Branche weltweit einer der
profitabelsten Geschäftssektoren; inzwischen ist sie jedoch stark unter Druck geraten und arbeitet intensiv
daran, sich neu zu erfinden, u. a. auch durch aktives Portfolio-Management (Kauf und Verkauf von Präparaten,
Programmen, Beteiligungen und ganzen Unternehmen).
Wachsender Lebensstandard, die älter werdende Bevölkerung und eine allgemeine Tendenz zu einem ungesunden
Lebensstil führen zu einem starken Anstieg der Gesundheitskosten. Diese belaufen sich inzwischen bereits auf etwa 11%
des deutschen Brutto-Inlandsproduktes und gelten damit schon heute als kaum mehr tragbar. Um diesem Kostenanstieg
entgegenzuwirken, erhöhen sich die Anforderungen an die Sicherheit und Effizienz von Präparaten seit einigen Jahren
dramatisch. Infolgedessen wird der Marktzugang neuer Arzneien immer restriktiver gehandhabt und die
Umsatzpotenziale der Pharmaunternehmen sinken. Für viele Pharmahersteller ist der Zulassungsprozess inzwischen zu
einem kaum vorhersagbaren und problematischen „Nadelöhr“ geworden, weil für diese spätestens seit Inkrafttreten des
AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) am 1. Januar 2011 langwierige Wagnisse entstanden sind.
Dieses Gesetz reguliert u. a., dass nur Medikamente mit einem gegenüber ähnlichen Indikationen vorhandenen Mehrwert
durch die gesetzliche Krankenkasse erstattet werden. Der Kosten-Nutzen-Quotient wird zum entscheidenden Maßstab für
Marktzugang, Existenz und Überlebensfähigkeit von Medikamenten. Ein langwieriger Prozess ist bei der Frage zu
durchlaufen, ob eine Erstattungsfähigkeit vorliegt oder nicht. Unterschiedliche Interessengruppen sind involviert und das
Ergebnis ist „unsicher“ – nachdem die Pharmaunternehmen für die Entwicklung neuer Präparate bereits hohe finanzielle
Vorleistungen erbracht haben.
Auch in den meisten europäischen Märkten wird der Druck auf die pharmazeutische Industrie weiter erhöht. Dabei sind
viele verschiedene Arten der Kosteneinsparungen anzutreffen.
Eine weitere Herausforderung ergeben sich durch hohe Sicherheitsanforderungen und Zulassungshürden: Im
Durchschnitt wird von 5.000 neu erforschten Substanzen heutzutage nur eine Einzige zugelassen.
Insbesondere die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von „Blockbustern“, d.h. Präparate mit mehr als US-Dollar 1
Mrd. Umsatzvolumen pro Jahr, führte seit den 1980er Jahren zum Aufstieg großer Pharmakonzerne. Heutzutage sind die
Produktportfolios vieler Pharmaunternehmen hingegen häufig „überaltert“ und viele Blockbuster – Patente laufen aus. Die
Abnahme von Patentneuanmeldungen ergibt sich nicht nur aus fehlenden Sprunginnovationen, sondern auch daraus,
dass in nahezu allen Therapiegebieten bereits mannigfache Konkurrenz-Produkte auf dem Markt existieren und viele
„neue“ Präparate bestenfalls als Variationen bereits vorhandener Substanzen gelten.
Die derzeit anstehenden Patentabläufe stellen die pharmazeutische Industrie vor große Herausforderungen, da die sog.
Patenklippe erst ab 2016 überwunden sein wird. So werden von den weltweit 20 umsatzstärksten Produkten bis 2016
zwölf ihren Patentschutz verlieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass die neuen Blockbuster kleinere
Patientengruppen adressieren und sogar im Marktsegment sogenannter Orphan Drugs (Medikamente für seltene
Erkrankungen), Biomarker und Diganostika-gestützte Medikamente anzufinden sein werden.
Die aktuellen Herausforderungen für Pharmaunternehmen verstärken sich dadurch zusätzlich, dass
Exklusivitätszeiträume für Originalpräparate verkürzt werden. Im Ergebnis entsteht nicht nur verstärkt internationaler
Wettbewerb, sondern rasche und starke Konkurrenz durch Generika-Hersteller, die Originalpräparate von forschenden
Pharmaunternehmen nach Ablauf der Patente „kopieren“ und in den Markt bringen. Der weltweite Umsatz mit Generika ist
in den letzten Jahren doppelt so schnell gewachsen wie der des Gesamtmarktes. Klassische Generika können oft eine
Preisreduktion von 70 bis 80 % gegenüber dem Original realisieren. In Ländern mit einem robusten Generikamarkt und
einflussreichen Krankenkassen wie in Deutschland, mit einer der höchsten Generikaquoten im internationalen Vergleich
und einer hohen Durchsetzungsquote von Rabattverträgen im generikafähigen Markt, ist hier bereits eine vergleichsweise
hohe Penetration zu beobachten.
Aktuelle Herausforderungen für
Pharmaunternehmen.
Auch treten „Biosimilars“ (Proteine von genetisch modifizierten Mikroorganismen) als neue und kostengünstige Gruppe
von Präparaten verstärkt in den Vordergrund der Diskussion, wenn es um Einsparungen im Gesundheitssektor geht. Bei
Biosimilares fällt der Preisabschlag gegenüber den Generika allerdings deutlich geringer aus, welches vor allem an
komplexeren, biotechnologischen Herstellungsprozessen und den höheren regulatorischen Hürden bei der Zulassung
begründet ist.
Durch die aktuelle „Gesundheitsreform“ ist eine weitere Verschiebung der Machtverhältnisse in Richtung einer noch
stärkeren Bedeutung der Bezahler (Krankenversicherungen) zu verzeichnen. Die Verhandlungsstärke der Zahler-Gruppe
ist weiter angestiegen und die Kompetenz über die Entscheidung zur Behandlung verschiebt sich mehr und mehr in
Richtung der Bezahler. Diese haben für den Arzt inzwischen sogar Listen mit Medikamenten erstellt, die dem Patienten
ohne dessen Zuzahlung verschrieben werden dürfen.
Wie aktuelle Studien zeigen, fragen mehr und mehr Patienten ihren Arzt gezielt nach ganz konkreten BehandlungsOptionen.
Ärzte sind heute aufgrund einer zunehmend hohen Patientenanzahl weniger bereit, eine Vielzahl von Pharma-Referenten
zu empfangen (nach empirischen Untersuchungen im Durschnitt 2,4 Pharma-Referenten pro Tag).
Diese Situation führt nicht allein bei der Krankenversicherung als Zahler zu verstärktem Druck in Richtung KostenManagement, sondern auch bei den Pharmaunternehmen selbst. Hiervon ist der Pharma-Außendienst als „teuerstes“
Absatzinstrument am meisten betroffen.
Vor dem Hintergrund von Regulierungen, Kostendruck und Bedürfnissen der Ärzte entsteht derzeit somit eine hohe
Notwendigkeit für ein neues Geschäftsmodell in der Pharmaindustrie. Alternative und komplementäre Kommunikationsund Vertriebskanäle werden immer wichtiger im Dialog mit Ärzten und Patienten. Dieses neue Geschäftsmodell zu
optimieren ist eine der großen aktuellen Herausforderungen für Pharmaunternehmen, wobei zwei Ziele dominieren:
Erhöhung von Produktivität und Effizienz sowie verstärkte Kundenorientierung
Daneben findet heute verstärkt ein Wechsel bzw. eine Erweiterung von verschreibungs-pflichtigen Präparaten zu OTC
statt: Relativ neue Lifestyle-Kategorien wie Nahrungsergänzungsmittel oder medizinische Hautpflege, welche einen
Paradigmenwechsel von der Krankheits- zur Wellness-Gesellschaft signalisieren, stellen interessante Optionen für
Unternehmenswachstum dar.
Allgemein ist eine Entwicklung von Primary-Care-Produkten hin zu Speciality-Care zu verzeichnen, d.h. von
vergleichsweise günstigen Medikamenten für einen Massenmarkt hin zu teuren, hochspezialisierten Präparaten (z. B.
Onkologie-Therapie).
Viele Pharmaunternehmen versuchen, die verlorenen Umsätze mit Hilfe einer größeren Zahl von kleineren und mittleren
Präparaten zu kompensieren. Der „Launch“ eines Produktes in der Nische ist häufig interessanter bzw. lukrativer als nach
einer neuen Substanz für bereits existierende Märkte zu forschen. Aufgrund der Notwendigkeit hoher
Forschungskapazitäten für eine Vielzahl von Nischenprodukten bzw. hochspezialisierte Präparate, werden immer häufiger
einfach Produkte – oder ganze Unternehmen samt ihrer Portfolios- von den großen Unternehmen aufgekauft.
So kaufte beispielsweise der Leverkuser Dax-Konzern Bayer – dessen größte Übernahme seit Schering, für die seinerzeit
Euro 17 Mrd. gezahlt wurden – im Mai 2014 für 14,2 Mrd. USD ( 10, 4 Mrd. EUR) das Consumer-Care-Geschäft von
Merck & Co. (insbesondere Mittel gegen Erkältungen und Magen-Darm-Infekte), und wird dadurch weltweit zum
zweitgrößten Anbieter rezeptfreier Medikamente (OTC-Produkte). Rezeptfreie Medikamente sind unter den Pharmafirmen
heiß begehrt. Sie gelten als stabil im Verkauf und sollen die Risiken im klassischen Pharmageschäft ausgleichen helfen.
Eine weitere M&A-Erfolgsstrategie in der Pharmaindustrie bietet auch Bearbeitung sogenannter „Emerging Markets“.
Aufsteigende Länder wie Indien oder Lateinamerika stellen mit ihrem Bevölkerungsreichtum und der einer allgemein
positiven wirtschaftlichen Entwicklung sowie einer bisher teilweise recht mangelhaften Gesundheitsversorgung riesige
Wachstumsmärkte dar.
Erfolgsversprechende Strategien zur Diversifikation
von forschenden Pharma-Unternehmen mit
verschreibungspflichtigen Präparaten.
Mittelständischen Pharmaunternehmen mit ihren in der Regel geringeren Ressourcen fällt es dagegen häufig schwieriger,
sich breiter aufzustellen und neue Märkte zu erobern. Für diese wird es oft ratsamer sein, sich auf einige wenige
Geschäftsfelder zu spezialisieren. Die F&E- und Marketing/Vertriebs-Ausgaben können so fokussiert eingesetzt werden,
um gegenüber großen Konzernen konkurrenzfähig zu bleiben.
Eine weitere Option bietet der Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zu Allianzen, um Risiko und Kosten zu teilen.
Dadurch stehen weitaus mehr Ressourcen und eine breitere Expertise zur Verfügung, als es durch alleiniges Agieren
kleinerer Unternehmen möglich wäre.
Insgesamt wird also deutlich, dass es für Pharmaunternehmen – ob große Konzerne oder mittelständisch geprägte
Unternehmen – derzeit in zunehmendem Maße unumgänglich erscheint, ihre Geschäftsstrategie zu überdenken und
durch aktives Portfolio-Management den aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.
Quelle: http://www.goingpublic.de/pharmamarkt-15-the-big-picture/
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