Marketing in der Jugendhilfe Neue Potentiale durch neue Wege Tom Bodenbach, Göttingen 1. Einleitung Seit den letzten 8-10 Jahren vollzieht sich durch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und steigende Finanzprobleme von Staat und Kommunen eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Organisation und Finanzierung der Sozialen Arbeit dies hat auch deutliche Auswirkungen auf Angebote und Leistungen der Jugendhilfe. Die karikative Arbeit muss sich mehr denn je an den Gesetzen der Ökonomie orientieren. Ehemals bestehende Absprachen zwischen Freien Trägern über die inhaltliche oder regionale Aufteilung des Marktes, mithin Kartellbildungen funktionieren weniger. Neue Zielgrößen sind Outputorientierung, modernes Personalmanagement, Qualitätsmanagement und nicht zuletzt die konsequente Kundenorientierung. Diese Auswirkungen der veränderten Rahmenbedingungen nur zu beklagen bringt die Träger der Jugendhilfe einer Lösung kein Stück näher. Die Chinesen haben dasselbe Schriftzeichen für Krise und Chance. Die Jugendhilfe sollte die aktuelle Situation als Chance begreifen. Die weiteren Ausführungen sind wie folgt aufgebaut: Zunächst werden einige grundlegende Begriffe kurz erläutert. Im Folgenden werden die Grundlagen des entlang des Marketing Management Prozesses dargestellt. Auf dieser Grundlage soll es im Hauptteil darum gehen die Kommunikationspolitik als einen wichtigen Anwendungsbereich für die Jugendhilfe beispielhaft aufzuzeigen. 2. Grundlagen 2.1. Marketing Marketing ist weder ein moderner Ausdruck für kreative Werbung noch das englische Synonym für Marktforschung. Marketing ist eine unternehmerische Grundhaltung und bedeutet ausgehend von den Unternehmenszielen - die Planung, Koordination, Realisation und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Die Vorgehensweise ist in dem folgenden Schaubild erkennbar. Marktforschung Analyse Aufbereitung - Prognose Rational-logischer Prozess Planen Organisieren Entscheiden Realisieren Innovativ-kreativer Prozess Marketingziel e Ökonomisch Sozial - Ökologisch Marketingstrategie n Kunden Wettbewerb - Handel Marketinginstrument e Produkt Kommunikation Distribution Entdecken Erfinden Überzeugen Vernetzen Preis Marketing Mix Marketingkontrolle Analyse Aufbereitung - Prognose Die fünf Phasen des Marketing Management Prozesses lassen sich wie folgt beschreiben: Im Rahmen der Marktforschung muss es darum gehen eine interne und externe Analyse durchzuführen, um die nachfolgenden Marketingentscheidungen ausreichend fundieren zu können. Neben der Datengewinnung ist es dabei besonders wichtig, Informationen auch entscheidungsgerecht aufzubereiten und Prognosen über zukünftige Entwicklungen zu formulieren. Auf Grundlage der Unternehmenswerte bzw. Philosophie sowie den gewonnen Erkenntnissen der Analyse sind die Marketing Ziele zu bestimmen. Diese bilden den Ausgangspunkt für die nachfolgenden Entscheidungen und sind später auch Gradmesser für den Marketingerfolg. Marketing Ziele müssen operational formuliert sein. Dazu müssen diese nach Inhalt, Ausmaß und Zeit konkretisiert werden. Vor dem Hintergrund der Ziele werden in weiteren Schritten die Strategien als mittelbis langfristige Grundsatzentscheidungen festgelegt. Der letzte Planungsschritt besteht in der Festlegung des Marketing Mixes. Dieser setzt sich aus den klassischen Instrumenten zusammen. Dazu gehören die Produkt-, Preis-, Distributions- und die Kommunikationspolitik. Diese Marketing Management Prozess gilt grundsätzlich für alle denkbaren Austauschbeziehungen, weshalb zwischen Business Marketing, dem Non-ProfitMarketing und Social Marketing unterschieden werden kann. 2.2. Social Marketing Während Marketing kommerziell auf Gewinn ausgerichtet ist, umfasst der Begriff Social Marketing, auch Sozio-Marketing genannt, unterschiedliche Strategien und Marketing-Konzepte für nicht kommerzielle Aufgaben. Im Social Marketing geht es insbesondere um die Lösung gesellschaftlicher Probleme in den Bereichen Kultur, Soziales oder Ökologie. Der Begriff "Sozio" oder "Social" wird dabei nicht ausschließlich für den sozialen Bereich verwendet, sondern bildet einfach das Gegenstück zum wirtschaftlich orientierten Bereich. 2.3. Kommunikationspolitik Der Begriff Kommunikation kann allgemein als Austausch von Informationen beschrieben werden. Zur Kommunikationspolitik zählen sämtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, auf Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen von Marktteilnehmern einzuwirken. Aufgabe der Kommunikationspolitik ist die Darstellung der Leistungen mit dem Ziel die Zielgruppe direkt oder indirekt zu beinflussen. Es lassen sich verschiedene Instrumente der Kommunikationspolitik unterscheiden. Einen übergeordneten Rahmen für die Marktkommunikation liefert die Corporate Identity-Policy. Diese kommunikation dar, Organisation stellt durch ein integratives welches nach innen und ein außen Konzept einheitliches sichergestellt der Unternehmens- Erscheinungsbild werden soll. der Zentrales Aktionselement ist die Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Elemente der Corporate Identity sind das Corporate Design in Form von einheitlichen und wiederkehrenden Logos, Slogans und Gestaltungen sowie das sog. Corporate Behaviour in Form. ein es einheitlichen Verhaltens der Mitarbeiter. Die einzelnen Instrumente sind so abzustimmen, dass ein einheitliches Erscheinungsbild der Organisation entsteht. Zu den klassischen Instrumenten der Kommunikationspolitik zählen die Klassische Werbung, die Öffentlichkeitsarbeit, das Direktmarketing und die Verkaufsförderung. Die klassischer Werbung stellt eine Form der unpersönlichen Massenkommunikation dar, bei der durch den Einsatz von Werbemitteln, in bezahlten Werbeträgern versucht wird, unternehmensspezifische Zielgruppen zu erreichen und zu beeinflussen. Die Öffentlichkeitsarbeit dient der Kommunikation der Organisation als Ganzes, mit dem Ziel, bei allen Ziel- und Anspruchsgruppen eine positive Einstellung gegenüber der Organisation und deren Leistungen zu erlangen. Die Verkaufsförderung beinhaltet i.d.R. zeitlich begrenzte Aktionen zur Unterstützung der Vertriebsaktivitäten. Neben diesen klassischen Instrumenten der Marktkommunikation haben sich neuere Formen der Kommunikationspolitik wie z.B. Product Placementt, Sponsoring und Event-Marketing entwickelt. Product Placement ist die gezielte Platzierung von Produkten bzw. Dienstleistungen und Organisationen in der Handlung einer Film, Fernseh- bzw. Katalogproduktion gegen Entgelt. Sponsoring beinhaltet die Förderung eines Gesponsorten durch vertraglich vereinbarte Gegenleistungen. Nach dem Bereich lassen sich u.a. Kultur-, Sport- und Sozialsponsoring unterscheiden. 3. Marketingkommunikation am Beispiel der Jugendhilfe 3.1. Grundlagen der Marketingkommunikation Marketing und Kommunikation funktionieren grundsätzlich genauso wie für andere Güter. In dieser Phase geht es um die Erarbeitung eine Organisationsphilosophie, die Grundsätze sowie die Definition eines Selbstverständnisses der Einrichtung. Natürlich müssen sich die Ziele, die sich eine Organisation setzt, in der Planung der Aktivitäten und der Leistungspalette widerspiegeln. Beeinflusst wird die Corporate Identity durch Satzung, Gründungsidee, Leitbilder, Namen der Organisation. Ebenfalls spielt die Entwicklung und Geschichte der Organisation, die Qualifikationen der Mitarbeiter, die "Eigenschaften" der Produkte (z.B. konservativ, liberal, progressiv, innovativ) und auch die konfessionelle Ausrichtung sowie politische Bindung eine Rolle. Die Entwicklung einer Corporate Identity ist die Grundlage einer jeder unternehmerischen Aktivität im Profit- und im Non-Profit-Bereich. Sie trägt bei zu einer Platzierung und Positionierung der Einrichtung am Markt. Die Wahrung des Grundsatzes der Transparenz und der Vertrauensaufbau in der Öffentlichkeit ist insbesondere für eine Organisation im Non-Profit-Bereich erforderlich, um sich dadurch einen "Spenderstamm" aufbauen zu können. Intern soll sie den Mitarbeitern ein Bild über die Grundsätze der Einrichtung vermitteln. Außerdem soll den Mitarbeitern ein "Wir-Gefühl" vermittelt werden. Ziel ist die Internalisierung des Leitbilds durch die Mitarbeiter, damit sie das Bild der Organisation nach außen vermitteln können und somit ein positives Image in der Öffentlichkeit schaffen. Extern bedeutet Corporate Identity, dass der Öffentlichkeit ein einheitliches Bild über die Organisationsgrundsätze vermittelt wird und damit die Glaubwürdigkeit der Einrichtung gewahrt bzw. gefördert wird, was elementar für deren Zukunft und Fortbestehen ist. Durch die Corporate Identity erhält die Einrichtung eine unverwechselbare Positionierung am Markt. Auf der CI aufbauend ist zunächst ist die Ist-Situation zu analysieren. Dabei gilt es zunächst festzulegen, welches die Objekte der Kommunikation sein sollen. Dabei können die Organisation als Ganzes aber auch einzelne Leistungen bzw. Produkte als Werbeobjekte festgelegt werden bzw. eine Kombination aus beiden. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist die Werbezielgruppe festzulegen. Grundsätzlich lassen sich im Bereich der Jugendhilfe zunächst vier große Gruppen unterscheiden. Die eine sind Kinder und Jugendliche, die z.B. Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen in Ihrer Familie, der Schule und/oder in ihrem sozialen Umfeld zeigen, denen mit ambulanten oder teilstationären Hilfeformen Hilfe und Unterstützung angeboten wird. Die zweite sind die Eltern bzw. Bezugspersonen, die Unterstützung bei der Bewältigung aktueller familiärer Probleme benötigen, da Sie momentan nicht in der Lage sind, alleinverantwortlich die Erziehung und Versorgung der Kinder zu gewährleisten. Zielgruppe sind aber auch die Jugendämter und die Kommunen, die an einer möglichst guten Versorgung zu geringen Kosten interessiert sind. Als weitere Zielgruppen sind die aber auch die Vertreter Medien sowie andere so genannte Multiplikatoren wie z.B. Politiker und Verbandsfunktionäre zu nennen. Bei der Analyse der Werbezielgruppe müssen vor allem die Wünsche, Bedürfnisse, Vorstellungen sowie deren Erwartungen an die Produkte bzw. soziale Dienstleistungen exploriert und analysiert werden. Zum anderen gilt es, die Merkmale potenzieller Sponsoren und Geldgeber festzustellen. Diese Erkenntnisse sind Grundlage einer sinnvollen Marketing bzw. Kommunikations-Strategie. Elementar ist es dabei gesellschaftliche Veränderungen möglichst frühzeitig wahrzunehmen und soziologische Erkenntnisse zu berücksichtigen, um so Aussagen über die potenziellen Kunden treffen zu können und Klarheit zu erhalten, wie diese Kunden "angesprochen werden wollen". Die Abgrenzung von Werbezielgruppen kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen wie z.B.: · Regionalen Marktsegmente: Kunden aus Stadtteil, aus Land, Wohnort · Sozidemografische Merkmale wie z.B. Geschlecht, Familienstand · Sozioökonomische Merkmale wie z.B. Besitz, Einkommen Bildung. · Lebensstile bzw. Wertorientierungen wie z.B. Umweltbewusstsein, progressive oder konservative Einstellung Nach Festlegung der Werbezielgruppe gilt es die unterschiedlichen Medien auszuwählen. 3.2. Kommunikationsmittel wirken bei richtiger Gestaltung Dabei gilt es die Grundprinzipien der visuellen Kommunikation bei zu berücksichtigen. Der Betrachter muss über die Verbindung von Motiv, Headline und Text an die Kernbotschaft herangeführt wird. Die Mittel müssen einfach und verständlich sein. Die Botschaft ohne den Einfluss von störenden Elementen vom Sender zum Empfänger gelang. Bedingt durch den Wegfall eines echten USPs und die scheinbare austauschbar von Produkten bzw. Angeboten bietet der Einsatz von Bildmotiven die Möglichkeit emotionale Reaktionen zu erzeugen und mit dem Produkt in Verbindung zu bringen. Mit entsprechenden Bildmotiven lassen sich menschliche Grundbedürfnisse ansprechen und somit Schlüsselreize zur Auslösung von Entscheidungen und Handlungen setzen. Rein textlich gestaltete Werbemittel sprechen in erster Linie die Ratio an Neben dem ansprechenden Bildmotiv, dem Key Visual, stellen weitere Komponenten die Übermittlung der Werbebotschaft sicher: · Headline · Text · Absender Erst die für den Betrachter nachvollziehbare Verbindung aller Komponenten sorgt für die Entschlüsselung der Botschaft durch den Empfänger. Die Headline soll mit Ihrer Aussage die Emotionalität des Anzeigenmotivs unterstützen. Durch die intelligente Verbindung von Bild und Headline wird der Betrachter dazu angeregt, sich mit der Anzeige und dem Inhalt zu beschäftigen. Sie schafft das Entrée für das eigentliche Angebot der Door Opener für das Angebot. Während Bild und Headline die emotionale Wahrnehmung beim Betrachter forcieren, soll der Text Fakten vermitteln. Um jedoch keinen Bruch in der emotionalen Wahrnehmung herbeizuführen, greift der Text in puncto Tonalität die Emotionalität der Bild/Headline Verknüpfung auf. Dabei soll der Text straff gestaltet werden, auf den Punkt kommen ohne den Leser zu ermüden. Es ist darauf zu achten die Sprache der Zielgruppe zu verwenden. Der Text setzt mit Hilfe wohl gewählter Schlagworte Anker für den Leser. Der Faktische Textmittelteil wird mit einem Textein- und ausstieg bzw. Abbinder versehen, der sich an der Emotionalität von Bild und Headline orientiert. Der so erzeugte Spannungsbogen vermittelt dem Betrachter eine Einheit von Bild, Headline und Text. Darüber hinaus soll der Aufbau bzw. die Gestaltung von Werbemitteln dem psychologischen Leseverhalten Rechnung tragen. Das Menschliche Auge folgt in allen Fällen einem bestimmten Grundmuster zur Aufnahme von Informationen und zwar von links oben s-förmig nach rechts unten. Auf dem Weg dorthin sucht sich der Betrachter markante Punkte, an denen das Auge verweilt bzw. hängen bleibt. Die Aufteilung von Headline, Bild, Copy und Logo mit Claim nehmen bei guter Gestaltung auf dieses Prinzip Rücksicht. Den Betrachtungsfluss hemmende Elemente wie z.B. verschiedener Schrifttypen etc. sind zu vermeiden. 4. Zusammenfassung und Ausblick In den letzten Jahren ist im sozialen Bereich ein zahlenmäßiger Anstieg selbstständiger Einrichtungen im Non-Profit-Sektor zu verzeichnen. Knappe Haushaltskassen sowie verringerte Budgets zur Wahrnehmung sozialer Aufgaben lassen darauf hindeuten, dass die Entstehung selbstständiger sozialer Einrichtungen eine zukunftsweisende Entwicklung ist und deshalb auch die Themenbereiche Corporate Identity, Leitbild, Marketing usw. an Bedeutung gewinnen werden. Einrichtungen der Jugendhilfe werden in Zukunft stark gefordert sein, mit anderen Anbietern auf dem Markt zu konkurrieren und Marketingstrategien einzusetzen. Um in diesen harten Wettbewerbsbedingungen die eigene Positionierung am Markt etablieren und festigen zu können, wird deshalb Marketing zu einem wichtigen Aufgabengebiet der Jugendhilfeorganisationen neben der Erledigung ihrer "eigentlichen" sozialen Aufgaben und Zielsetzungen. Insbesondere angesichts der Mittel- und Ressourcenknappheit werden nur die Organisationen "überleben", die sich der "Zeit anpassen" und adäquat auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse einstellen. Es ist nicht mehr ausreichend, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten, sondern es ist genauso notwendig, Grundsätze, Zielsetzungen sowie Vision der Einrichtung in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, sei es um öffentliche Gelder durch Verträge mit der Kommune zu erhalten. Die beschriebenen Entwicklungen und neuesten Trends erfordern ein Umdenken in vielen sozialen Einrichtungen. Dabei scheint es äußerst wichtig, von einer moralisierenden Argumentation wegzukommen, dass Marketing und eine "konkurrenzharte" Auseinandersetzung mit anderen Anbietern im sozialen Bereich nicht "schicklich" oder gar "unpassend" ist. Denn nur die Erkenntnis sozialer Einrichtungen, sich den Gegebenheiten der aktuellen gesellschaftlichen und finanziellen Situation flexibel anzupassen und kreative alternative Strategien zur Finanzierung der Aufgaben zu entwickeln, ermöglicht auch in Zukunft das Anbieten hochwertiger sozialer Leistungen. Auch den Kritikern, die Marketing und PR-Arbeit mit dem Auftrag sozialer Organisationen als nicht vereinbar sehen, sei gesagt, dass gerade Marketingstrategien das Produkt, nämlich die soziale Dienstleistung, am Markt bekannt machen, damit deren Finanzierung sichern helfen und so letztendlich qualitativ hochwertige Arbeit ermöglichen, was den Verbrauchern der sozialen Dienstleistungen zu Gute kommt und damit im Interesse aller Beteiligten liegen sollte!