Work 4.0 Innovation und Digitalisierung in der Personalarbeit

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Work 4.0
Innovation und Digitalisierung
in der Personalarbeit
Mit zunehmender Komplexität und Unbeständigkeit der
Arbeitswelt steigt der Bedarf an Zusammenarbeit und
Eigenverantwortlichkeit von Teams. Unternehmen müssen
deshalb ihre Definition von Führungskräften infrage stellen und
in erster Linie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit stärken.
Von Volker Jacobs
U
m die Daten der HR-Funktion ist es
nicht gut bestellt: 80 Prozent der
CEOs internationaler Großunternehmen benötigen Belegschaftsinformationen wie Mitarbeiterproduktivität,
Meinungen von Mitarbeitern, Rendite von
Personalinvestitionen und Fluktuationsvollkosten für strategische Entscheidungen. Nur 20
Prozent erhalten diese auch von der HR-Funktion. HR hat sich damit für das digitale Zeitalter denkbar schlechte Startvoraussetzungen
geschaffen. Ein Teil ist sicher der historischen
Rolle von HR geschuldet, deren zu durchbrechendes Paradigma lautet: HR ist für „weiche“
Themen zuständig – „harte“ Daten kommen
aus dem Finanzbereich. Wenn sich das in Zeiten
der Digitalisierung ganzer Branchen und Unternehmensfunktionen nicht ändert, setzt die
HR-Funktion nichts weniger aufs Spiel als ihr
eigenes Existenzrecht. Jedenfalls aber fehlt HR
ein Platz an den Tischen, an denen Industrie
4.0, die Digitalisierung der Dinge und damit die
Zukunft des Unternehmens diskutiert werden.
Jetzt ist es an der Zeit, Innovation und Digitalisierung in der Personal- und HR-Strategie zu
verankern. Drei Elemente der Diskussion sind
zu beachten:
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1. Konsumentenorientierung
der Personalarbeit
Ähnlich wie das digitale Marketing heute
in der Lage ist, einzelne Kaufentscheider aufgrund ihrer digitalen Spuren im Internet mit
auf sie zugeschnittenen Marketingbotschaften
zu versorgen, erlaubt die Digitalisierung der
Personalarbeit einzelne Mitarbeiter mit spezifischen personalwirtschaftlichen Services
auszustatten. Drei Beispiele sollen zeigen, wie
die Konsumentenorientierung der Personalarbeit zu einem „Empowerment“ des einzelnen
Mitarbeiters führt.
Das erste Beispiel sind SchichttauschWebsites wie ShiftSwap. Sie erlauben es
Schichtarbeitern, ihre Schichten direkt untereinander zu tauschen. Der Tausch wird somit nicht nur schneller und einfacher als der
herkömmliche Weg über Schichtführer und
Schichtplaner, sondern Arbeitszeit wird so
ohne das Zutun von HR an die individuellen
Bedürfnisse der Arbeiter angepasst. Ein zweites
Beispiel sind digitalisierte Trainings: Über mobile Apps können Trainings über das Smartphone
auf der morgendlichen Bahnfahrt durchgeführt
werden, spielerische Elemente („Gamification“)
machen die Inhalte besser kognitiv erfassbar
und ein virtueller Austausch unter Teilnehmern
macht das Gelernte im Arbeitsalltag effektiver
anwendbar. Als drittes Beispiel sei die Echtzeit-Mitarbeiterbefragung als Königsdisziplin
der Konsumentenorientierung genannt. IBM
zum Beispiel erfasst über die Kollaborationsplattform „Connections“ und über Twitter-Accounts ihrer Mitarbeiter die Stimmung im Unternehmen in Echtzeit. Manager sehen über
ein „Social Pulse Dashboard“, welche Themen
derzeit in der Belegschaft besonders engagiert
diskutiert werden. IBM kann Unternehmensregelungen auf ihre Wirkung bei den Mitarbeitern überprüfen und bei Bedarf anpassen.
2. Analytikorientierung der
Personalarbeit
Die HR-Funktion ist nicht gut darin, Geschäftsentscheidungen mit HR-Daten und Fak-
CEB
CEB ist ein Best Practices- und Technologie-Unternehmen und unterstützt Führungskräfte
in mehr als 10.000 Unternehmen mit notwendigem Wissen, um Talente, Kunden und Prozesse effektiver zu managen. Seit Juli 2014
kooperiert der BPM mit CEB im Rahmen einer
„Thought Leader“-Partnerschaft. Im Rahmen
dessen bringt CEB neueste Forschungsergebnisse zur Stärkung des internationalen Profils
des BPM ein. Mehr auf cebglobal.com/de
w w w. h u m a n res o u rces m a n a g e r. d e
ten zu beeinflussen: So gaben laut einer Studie
von CEB 85 Prozent der über 1.500 befragten
oberen Führungskräften aus Großunternehmen an, dass sie in den vergangenen zwölf
Monaten nicht eine einzige Geschäftsentscheidung auf Basis von HR-Analyseergebnissen
getroffen haben. Dabei ist nachweisbar, dass
HR-Analytik zu besseren Ergebnissen führt:
Führende HR-Analytik-Unternehmen erzielen
im Mittel zwölf Prozent bessere Ergebnisse bei
Nachfolge, Leistung, Rekrutierung und Engagement als der Durchschnitt. Damit stellt Analytik
für eine erfolgreiche Personalarbeit ein noch
ungenutztes Potenzial dar, das es im Rahmen
der Digitalisierung zu beheben gilt. Ein Unternehmensbeispiel zeigt wie: Roche hatte ein
Mitarbeiterfluktuationsproblem in wichtigen
asiatischen Märkten, das die Wachstumsziele
des Unternehmens gefährdete. Ein HR-Analytikteam hat in einem Projekt gemeinsam mit
den CEOs und HR Business Partnern der einzelnen Sparten in diesen Märkten 16 Hypothesen
entwickelt, um die Fluktuation zu erklären. Zur
Validierung dieser Hypothesen hat das Team
einen Datensatz zusammengestellt und mit
einem statistisch validen Modell ausgewertet. Als Ergebnis konnten sechs Faktoren isoliert werden, die die Fluktuation bei Roche in
Asien erklärten. Aus diesen Erkenntnissen baut
Roche nun ein HR-Analytik-Programm auf, das
zukunftsweisende Elemente wie ein Frühwarnsystem auf Basis von „Big Data“-Analytik unstrukturierter Informationen enthält.
3. Neue Arbeitsorganisation
Der Anteil von Wissensarbeit an der globalen Wertschöpfung nimmt jedes Jahr zu. Datenverfügbarkeit und moderne Technologie
erlauben es, dass Teile dieser Wissensarbeit
künftig von Maschinen erledigt wird („Machine
Learning“). Diese datengetriebene, vernetzte
Arbeitswelt ist der Kern von Work 4.0: Immer
größere Teile der Wertschöpfungsketten wer-
fe b ru a r / mä r z 2016
den vernetzt und virtualisiert. In dieser Welt ist
die herkömmliche Art der Arbeitsorganisation
– über Organigramme und Positionen, die mit
Mitarbeitern besetzt werden – in vielen Bereichen zu langsam und unflexibel. Gleichzeitig
bringt der Generationswechsel Menschen auf
den Arbeitsmarkt, von denen viele – insbesondere die sehr gut ausgebildeten – ihre Karriere und die Arbeits- und Freizeitanteile je nach
Lebensphase selbst bestimmen wollen. Auch
hier sind klassische Karrierepfade entlang von
Organigrammen ungeeignet.
Künftig werden Wertschöpfungsketten deshalb weniger nach Skaleneffekten und mehr
nach erfolgskritischen Fähigkeiten (Skills)
von Arbeitern innerhalb und außerhalb des
Unternehmens organisiert. Es wird von entscheidender Bedeutung, Skills in internen
und externen Pools schnell zu erkennen und
risikoarm in die Wertschöpfung zu integrieren.
Dazu werden neue Datenquellen gebraucht:
So gehören Freelancer-Marktplätze, Kollaborations- und „Crowd Solving“-Plattformen künftig
in den Werkzeugkasten der Personalarbeit. Ein
Beispiel ist Upwork, ein Freelance-Marktplatz,
der „Unternehmen mit großartigen Talenten
verbindet, standortunabhängig und schneller
als jemals zuvor“. Unternehmen finden hier
mehr als zehn Millionen Freelancer in 180 Ländern. Die Plattform liefert Unternehmen Transparenz über Arbeitshistorie der Freelancer,
standardisierte Leistungsbeurteilungen, Kunden-Ratings, Kosten pro Stunde, strukturierte
Skill-Beschreibungen, legale Überprüfung der
Arbeitserlaubnis, fachliche Dokumentenprüfung und vieles mehr. Ein solcher „virtueller
Arbeitsmarkt“ bedient die Arbeitswelten von
Work 4.0 und stellt den klassischen Lebenszyklus der Personalarbeit auf den Kopf – schließlich werden Freelancer heute gar nicht zu Mitarbeitern und sind nicht im Betrachtungsfeld
der HR-Funktion.
„Jetzt ist es an der
Zeit, Innovation
und Digitalisierung in der Personalstrategie zu
verankern.“
zwischen Mitarbeitern und Manager oder in
weitgehend automatisierten Service Centern.
Die verbleibenden HR-Aufgaben werden projektorientierter und stärker mit IT und Business
vernetzt und die Personalarbeit wird ein konsumentenorientiertes Selbstverständnis entwickeln. Kernaufgabengebiete werden HR-Analytik und Entwicklung der Unternehmenskultur
sein und der HR-Funktion die Aufgabe zukommen lassen, externe und interne Mitarbeiterdaten miteinander zu verknüpfen und sie für
Mitarbeiter und Manager einfach („konsumentenorientiert“) anwendbar zu machen.
Ist Ihre HR-Funktion hierfür dafür gerüstet?
Auswirkungen auf die
HR-Strategie
Mit der beschriebenen Konsumenten- und
Analytikorientierung und der neuen Arbeitsorganisation verändert sich die Personalarbeit
massiv. Eine Prognose, wie sie künftig aussehen könnte: Die HR-Funktion wird vermutlich
kleiner, wenn Manager und Mitarbeiter Teile
der Personalarbeit im laufenden Arbeitsprozess direkt und ohne Einbindung von HR erledigen. Klassische HR-Transaktionen finden
zwar größtenteils weiter statt – aber eben
nicht in der Personalabteilung, sondern direkt
Über den Autor
Volker Jacobs ist Managing Director von CEB
und verantwortet das Gesamtgeschäft der
DACH-Region sowie weltweit das HR Consultinggeschäft von CEB.
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