Prozeduren und Heuristiken für Programme 206 Prozeduren: Syntax • neues Programmkonstrukt : Prozeduraufruf p#(t;y) • p# ist Prozedurname (das # ist übliche KIV-Konvention) • Terme t der Sorten s sind Eingabe-Parameter • paarweise verschiedene Variablen y der Sorten s′ sind Ein-Ausgabe-Parameter • s : s′ heisst auch der (Aufrufs-)Modus der Prozedur • Prozeduren p# ∈ Ps:s′ sind neuer Bestandteil der Signatur einer Spezifikation • KIV: Deklaration zwischen predicates und variables per: procedures p# s1 × ...× sn : s’1 × ...× s’m; 207 Prozeduren: Semantik • Semantik: Prozeduren sind eine Relation über den Trägern der Parametersorten: [[p#]] ⊆ As × As′ × As′ • (a, b, c ) ∈ [[p]] bedeutet: Die Prozedur p#, aufgerufen mit ⋆ Eingaben a für die Eingabe-Variablen ⋆ Eingaben b für die Ein/Ausgabe-Variablen terminiert mit Ausgabe c in den Ein/Ausgabe-Variablen • Damit das stimmt: Kein Zugriff auf globalen Variablen! Ersatz: zusätzliche Ein/Ausgabe-Parameter • Normalfall in KIV: funktionale Prozeduren: Ein/Ausgabe-Variablen dienen nur zur Ausgabe: c (und Terminierung) hängen nicht von b ab. • Wenn nicht, Schlüsselwort nonfunctional am Ende der Prozedurdefinition 208 Prozedurdeklarationen • Möglich: Axiome für Prozeduren (Vor- und Nachbedingung) • Normalerweise (hinter den axioms) Prozedurdeklarationen declarations f#(x; y) { if x = 0 then y := 1 else { f#(x -1;y); y := y * x } } • Erlaubt: (gegenseitige) Rekursion • Semantik: Prozeduraufruf erhält “die übliche” Semantik: formal: Vereinigung aller tiefenbeschränkten Rekursionen (analog zu: Vereinigung über beschränkte Zahl von Schl.durchläufen) 209 Regeln für Prozeduraufrufe Falls Prozedurdeklaration p#(y ; z ).α gegeben: x = σ, Γ ⊢ hαz iϕ, ∆ Γ ⊢ hp#(σ; x )iϕ, ∆ y x = σ, hαz iϕ, Γ ⊢ ∆ hp#(σ; x )iϕ, Γ ⊢ ∆ y call right call left Dabei: y sind die lokalen Variablen auf denen p# rechnet. Sie dürfen in der Sequenz nicht frei vorkommen (evtl. umbenennen) Die Regel gilt auch für Boxen statt Diamonds. 210 Ein Beispiel procedures MAXL# natlist : nat; MAX# nat, nat : nat; declaration MAX#(m,n; n0) { if m < n then n0 := n else n0 := m }; MAXL#(x; n) { if x = [] then n := 0 else { MAXL#(x.rest; n); MAX#(n,x.first;n) } } 211 Programme als Voraussetzungen: execute call Nützlich bei Induktion, um den Call aus der Ind. voraussetzung gegen den gerade aktuellen zu „kürzen“. execute call Γ ⊢ σ = τ, ∆ y x y z hp#(σ; x )i(x = y ), ϕ , Γ ⊢ ψ , ∆ hp#(σ; x )iϕ, Γ ⊢ hp#(τ ; z )iψ, ∆ Gilt (so) nur für funktionale (und damit auch deterministische) Prozeduren (y neu): contract call Γ⊢σ=τ hp#(σ; z )i(z = x x ′ ), ϕ ′ x hp#(σ; x )iϕ, hp#(τ ; y )iψ, Γ ⊢ ∆ 212 x′ y ,ψ ,Γ ⊢ ∆ Zwischenzustände einführen: split left Die folgende Regeln wird meist für α = Prozeduraufruf angewandt (x = modifizierte Variablen von α, x ′ neu): split left x x ′, ϕ ′ hαix = x ,Γ ⊢ ∆ hαiϕ, Γ ⊢ ∆ • Führt einen Zustand x ′ am Ende von α ein, über den man “reden” kann. • Dieser wird bei der Anwendung von Lemmata der Form hαi x = x 0 ⊢ ϕ als Instanz für x 0 gebraucht 213 Einfache Heuristiken für Programme • symbolic execution: Wendet alle Regeln für Programme an, die keine Fallunterscheidung ergeben: assign, if positive/negative, skip, abort, let • split left: Wendet die Regel split left an • contract and execute: Wendet execute call, contract call an im Heuristik-Satz „DL heuristics“ enthalten (zusammen mit simplifier, quantifier closing, module specific). Kann immer verwendet werden 214 Fallunterscheidungs-Heuristiken • conditional right split: wendet if right an • conditional left split: wendet if left an • dl case distinction: Fallunterscheidung (conjunction right etc.), aber nur für Programmformeln im Heuristik-Satz „DL Heuristics + Case Splitting“ enthalten. Sollte man verwenden, wenn Beweisstruktur der Kontrollstruktur der Programme folgt (meist der Fall). Heuristik-Satz „DL heuristics + Induction“ enthält zusätzlich Heuristiken für (noethersche) Induktion (induction, apply ind once). 215 Heuristiken für Prozeduraufrufe • calls nonrecursive: Führt alle nichtrekursiven Aufrufe aus • calls concrete: Führt alle Aufrufe aus, die konkrete Parameter haben, i.e. Terme die höchstens Parametervariablen enthalten • weak unfold: ⋆ Führt rekursive Prozeduren einmal aus, wenn sie in der Induktionshypothese vorkommen. Höher in der Aufrufshierarchie liegende Aufrufe bevorzugt. ⋆ Weitere Aufrufe werden ausgeführt, wenn festgestellt wird, dass deren Tests so ausgehen, dass kein weiterer rekursiver Aufruf auftritt. • unfold: Führt zusätzlich rekursive Prozeduren (einmal) aus, bei denen der rekursive Aufruf schon in der Sequenz vorkommt „DL Heuristics“ enthält weak unfold, „DL Heuristics + Induction“ enthält zusätzlich unfold 216 Nichtdeterministische Programme 217 Nichtdet. Programme: Syntax KIV kennt noch zwei Programmkonstrukte für nichtdeterministische Programme: • α or β : Wählt nichtdet. eines der beiden Programme • choose x with ϕ in α ifnone β ⋆ Bindet lokale Variablen x (wie let) an irgendwelche Werte, die ϕ erfüllen ⋆ ϕ darf von anderen Programmvariablen als nur x abhängen ⋆ Führt mit den lokalen Variablen α aus. ⋆ Falls überhaupt keine passenden Werte fur x existieren, die ϕ erfüllen, wird β (ohne lokale Variablen) ausgeführt. ⋆ ifnone abort kann weggelassen werden (default). 218 Beispiele für choose Beispiele: • choose n with true in α: rät beliebige nat. Zahl • choose n with n < m in α ifnone β : Wählt nat. Zahl n, die kleiner m ist, und führt α aus. Wenn m = 0 gilt, wird stattdessen β ausgeführt. • choose boolvar with true in if boolvar then α else β ist äquivalent zu α or β 219 Nichtdet. Programme: Semantik Semantik von or: [[α or β ]] = [[α]] ∪ [[β ]] Semantik von choose: [[choose x with ϕ in α ifnone β ]] a a v (x ) = {(v , wx ) | es gibt a mit A, vx |= ϕ und (vx , w ) ∈ [[α]]} a ∪ {(v , w ) | (v , w ) ∈ [[β ]] und es gibt kein a mit A, vx |= ϕ} 220 Ein Zusatzproblem für die Semantik Was ist die Semantik von skip? Was ist die Semantik von skip or abort? 221 Ein Zusatzproblem für die Semantik Was ist die Semantik von skip? Was ist die Semantik von skip or abort? Antwort: beide sind gleich: Identität auf allen Zuständen Verhalten sich die Programme unterschiedlich? 221 Ein Zusatzproblem für die Semantik Was ist die Semantik von skip? Was ist die Semantik von skip or abort? Antwort: beide sind gleich: Identität auf allen Zuständen Verhalten sich die Programme unterschiedlich? Antwort: Ja, skip terminiert garantiert, skip or abort nicht. Also: die relationale Semantik kann nicht ausdrücken dass ein nichtdeterministisches Programm garantiert terminiert. Damit kann es auch die dynamische Logik nicht: hskip or aborti true besagt, dass es einen terminierenden Ablauf gibt. 221 Garantierte Terminierung Definieren eine zusätzliche zweite Semantik für Programme: α ↓ ⊆ ST gibt die Menge der Zustände (ST = Menge der Variablenbelegungen), für die α garantiert terminiert. Einige Fälle (while und Rekursion sind schwierig) sind: • abort ↓ = ∅ • skip ↓ = ST • x := e ↓ = ST • (α ∨ β) ↓ = α ↓ ∩ β ↓ • (α; β) ↓ = {v | v ∈ α ↓ und für alle w mit (v , w ) ∈ [[α]] gilt: w ∈ β ↓} • choose x with ϕ in α ifnone β ↓ = a a {v | es gibt a mit A, vx |= ϕ und für jedes solche a ist vx ∈ α ↓} a ∪ { v | es gibt kein a mit A, vx |= ϕ und vx ∈ β ↓} Beachte: Die Definition der garantierten Terminierung von compounds benutzt die relationale Semantik. 222 Neuer Operator: strong diamond Wir addieren einen neuen Operator („strong diamond“) zur Logik. h|α|i ϕ besagt: α terminiert garantiert, und in allen Endzuständen gilt ϕ Formal: A, v |= h|α |iψ :⇔ v ∈ α ↓ und für alle w : (v , w ) ∈ [[α]] gilt: A,w|= ψ . Der Operator wurde von E.W. Disjkstra 1976 erfunden, und schreibt sich in der Literatur meist wp(α,ϕ) (von „weakest precondition“). Der Kalkül heisst deshalb auch wp-Kalkül. Bemerkung: Die strong diamond-Klammern bekommt man mit F12 (KIV-Symbol) und dann { bzw. }. Bemerkung: 223 Kalkülregeln für or Das Gute an strong diamonds: für deterministische Programme sind die Regeln für strong diamonds genau dieselben wie für diamonds. or right Γ ⊢ hαi ψ, hβi ψ, ∆ Γ ⊢ hα ∨ βi ψ, ∆ Γ ⊢ [α] ψ, ∆ Γ ⊢ [β] ψ, ∆ Γ ⊢ [α ∨ β] ψ, ∆ Γ ⊢ h|α|i ψ, ∆ Γ ⊢ h|β|i ψ, ∆ Γ ⊢ h|α ∨ β|i ψ, ∆ 224 Kalkülregeln für choose choose right Γ⊢∃ y y.ϕx ∧ y hαx i ψ, (∀ x.¬ ϕ) ∧ hβi ψ, ∆ Γ ⊢ hchoose x with ϕ in α ifnone βi ψ, ∆ y x y x ϕ , Γ ⊢ [α ] ψ, ∆ ∀ x.¬ ϕ, Γ ⊢ [β] ψ, ∆ Γ ⊢ [choose x with ϕ in α ifnone β] ψ, ∆ y y ∀ x.¬ ϕ, Γ ⊢ h|β|i ψ, ∆ ϕx , Γ ⊢ h|αx |i ψ, ∆ Γ ⊢ h|choose x with ϕ in α ifnone β|i ψ, ∆ Die Variablen y sind neue Variablen (für die lokalen Versionen von x). 225 Zuweisungen für heaps Im folgenden Refinement-Versuch (Theorie in der nächsten Vorlesung) werden wir Programme schreiben, die auf der Heap-Spezifikation aus Versuch 2 aufbauen. Der Inhalt von Speicherzellen hat jetzt die Form a × r (ersetzt das abstrakte ce; Selektoren sind .val und .nxt ). Zum Programmieren gibt es zunächst neue Zuweisungen: H[r] := a × r0 überschreibt H an der Stelle r mit a × r0. Der entstehende Heap ist also H[r, a × r0]. Die Zuweisungen H[r].val := a und H[r].nxt := r sind analog. Sie überschreiben nur ein value bzw. einen .nxt-Pointer. Die Ergebnis-Heaps sind H[r,a × H[r].nxt] und H[r,H[r].val × r0]. 226 Nichtdeterminismus für Speicherallokation In den Programmen wird es nötig sein, eine neue Referenz zu allokieren. Das geht am einfachsten so: choose r with ¬ r ∈ H ∧ r 6= null in H[r] := . . . Beachte: Die Auswahl der neuen Referenz allokiert die Zelle im Speicher noch nicht. Erst die Zuweisung H[r] := . . . allokiert. Das Programm ist nichtdeterministisch, deshalb werden strong diamonds bei der Verifikation benötigt. 227