Herrschaft von Gottes Gnade

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Herrschaft von Gottes Gnade
den christlichen Einwohnern und den
ehemals heidnischen Franken. Aus
den germanischen, gallischen und
römischen Wurzeln wuchs eine
christliche Adelsschicht aus reichen
­Großgrundbesitzern, Bischöfen und
königlichen Beamten heran. Sie
trugen dazu bei, dass das fränkische
Reich v­ ergrößert und beherrscht
­werden konnte.
Königsheil oder Gottes Gnade?
M 1
Die Taufe Chlodwigs, Elfenbeinschnitzerei auf einem Buchdeckel,
10. Jahrhundert
Merowinger und
­Karolinger
… waren fränkische
Königs­geschlechter.
Aus der Familie der
­Merowinger kamen
mehrere f­ ränkische
Könige, so auch Chlodwig.
Ihre Nachfolger auf dem
Königsthron werden
Karolinger genannt.
Die Franken werden sesshaft
Nach dem Untergang des west­
römischen Reiches waren germanische
Völker in die ehemaligen römischen
Provinzen eingedrungen. In G
­ allien
(­Gebiet der heutigen Länder F­ rankreich,
Belgien und Westdeutschland) ­wurden
die Franken sesshaft. Ursprünglich
lebten sie nach germanischer Art in
selbstständigen Stämmen. Chlodwig,
der König eines Stammes, besiegte
im Jahre 486 den letzten römischen
­Statthalter. Nun konnte er seine
Macht ausweiten. Es gelang ihm, nach
und nach alle fränkischen Stämme zu
­unterwerfen.
Chlodwig wird Christ
Außer den Franken lebten unter
­Chlodwigs Herrschaft auch Nach­
kommen der Gallier und der Römer.
Diese Teile der Bevölkerung waren oft
schon zu römischer Zeit Christen ge­
worden. Ihr Adel besaß bedeutenden
Grundbesitz und viel Macht und Ein­
fluss. Um 497, nach seinem Sieg über
die germanischen Alamannen ließ sich
Chlodwig taufen. Immer mehr Franken
wurden nun Christen. Der gemeinsame
Glaube führte zur Annäherung z­ wischen
180
Das Zeitalter der Revolutionen
Durch die Taufe wurde Chlodwig ein
christlicher Herrscher. Er sicherte sich
so die Unterstützung der Kirche und
des Adels. Doch die Auffassung, dass
die königliche Macht allein auf Gottes
Willen zurückgehe, setzte sich erst
später durch. Die Franken hielten noch
an der heidnischen Vorstellung vom
­Königsheil fest. Sie schrieben dem
König geheime Kräfte zu, durch die er
sein Volk und dessen Wohl erhalte und
die er seinen Nachfahren vererbe.
Zerfällt das Frankenreich?
Als Chlodwig im Jahr 511 starb, wurde
das Frankenreich nach germanischer
Sitte unter seinen vier Söhnen aufge­
teilt. Infolge der Teilung verstrickten
sich die merowingischen Könige i­mmer
tiefer in Erbstreitigkeiten und blutige
Machtkämpfe. Sie vernachlässigten
ihre Regierungsgeschäfte und v­ erloren
an Macht. Daher drohte das Reich
der Franken zu zerfallen. In dieser
­Lage übernahmen nun die höchsten
­Beamten des Königshofes, die Haus­
meier (von lat. major domus = ­Vorsteher
des Hauses), Heeresführung und
­Regierungsgeschäfte.
Obwohl sie die Königsmacht in ihren
Händen hielten, überließen die Haus­
meier die Königswürde weiterhin den
merowingischen Königen als „Schatten­
königen“.
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Pippin wird König
Erst der Karolinger Pippin, der als Hausmeier das Frankenreich regierte, wollte
anstelle des Merowingers Childerich
König werden. Er wusste: Dazu musste
für das ganze Volk erkennbar sein, dass
Gott ihn zum König bestimmt und mit
den gleichen Kräften ausgestattet hatte
wie die Merowinger. Er verbündete sich
mit dem Papst, der 751 einer Absetzung
der Merowinger und der Krönung
Pippins zum neuen König zustimmte.
Die Karolinger hatten damit die christliche Vorstellung vom Gottesgnadentum
des Königs begründet, die den germanischen Glauben vom Königsheil endgültig ersetzte.
Karl wird Kaiser
Seit 768 herrschte Karl, der Sohn
Pippins im Frankenreich. Im Jahre 774
krönte er sich selbst und und nannte
sich „König der Franken und Langobarden“. Er wollte mit seinem Reich die
Macht und Größe des früheren Römerreiches wiederherstellen. Als König von
Gottes Gnaden fiel ihm außerdem die
Aufgabe zu, die Völker zum Christentum
zu bekehren. In vielen Kriegen dehnte
er seine Herrschaft nach Osten und
Süden aus, bis das Reich schließlich
den größten Teil Europas umfasste. Die
unterworfenen Völker mussten zum
Christentum übertreten.
M2
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2. Erläutere die Folgen der Taufe
Chlodwigs für die Entwicklung des
Frankenreiches.
Einhard, ein fränkischer
Gelehrte, schrieb Anfang des
9. Jahrhunderts:
Das Geschlecht der Merowinger,
aus dem die Franken ihre Könige
zu wählen pflegten, (…) war
[schon längst] ohne Lebenskraft
und hatte außer dem wertlosen
Königstitel nichts Ruhmvolles an
sich. Denn die Macht und die
Gewalt der Regierung waren in
den Händen der obersten Hofbeamten, die Hausmeier hießen.
(…) Dem König blieb nichts
anderes übrig als – zufrieden mit
dem bloßen Königstitel – (…) auf
dem Thron zu sitzen und den
Herrscher zu spielen.
M3
.
1. Beschreibe die Entwicklung der
Franken von einem germanischen
Stamm zu einem mächtigen Königreich.
p
Karlmann, fränkischer Hausmeier und Vater Pippins, ließ
von einem Geistlichen folgendes
Gebet verfassen:
Heil dem, der die Franken liebt,
Christus: Er bewahre ihr Reich,
erfülle [die das Reich ordnen]
mit dem Licht seiner Gnade. Er
schütze das Heer und gewähre
dem Glauben Stärkung. Christus,
der Herr über die Herrschenden,
schenke die Freuden des Friedens
und Zeiten des Glückes um der
Frömmigkeit willen.
M4
Siegel (Stempel)
Pippins, Nachzeichnung. Erstmalig trägt ein
Frankenkönig den
römischen Titel
„Imperator“.
Langobarden
Die Langobarden waren
ein germanisches Volk,
das sich nach langer
Wanderung in Oberitalien
angesiedelt hatte.
Um 600 nahmen sie das
Christentum an.
3. Erkläre, auf welche Weise die Königswürde von den Merowingern auf die
Karolinger überging.
4. Beurteile die Behauptung, das
Frankenreich Chlodwigs sei die
„Wiege des christlichen Europa“.
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Wer hat die Macht im Mittelalter?
M1
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Stammesherzöge
Während der wiederholten
Teilungen des Reiches nach
dem Tod Karls des Großen
waren die Herzöge erneut
zu Macht und Einfluss
gelangt. Diese Macht
behielten sie zunächst auch
noch, als das Ostfranken­
reich seit 882 wieder von
einem König regiert wurde.
Erst Otto I. schränkte ihre
Macht wieder ein.
Wusstest du schon …
Das Reich Karls reichte
von der Nordsee bis zum
Mittelmeer und vom
Atlantik bis zur Elbe.
Vasall
(von keltisch „der, der
dient“) Die adligen Gefolgs­
leute des Königs, Grafen,
Herzöge und Bischöfe,
waren ihm durch einen
Treueeid als Kronvasallen
verbunden. Sie erhielten
seinen Schutz sowie
Einkünfte und Ämter als
Lehen und leisteten dafür
ihre Dienste. Sie konnten
ebenfalls weitere Unter­
vasallen haben. Dieses
System von Vasallen und
Lehen sicherte die Herr­
schaft im Reich.
182
.
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15
.
.
In einer Urkunde aus der Zeit Karls wird über dessen Kaiserkrönung berichtet:
Als der König gerade am heiligen
Weihnachtstag sich vom Gebet (…)
zur Messe erhob, setzte ihm Papst
Leo eine Krone aufs Haupt und
das ganze Römervolk rief dazu:
„Dem erhabenen Karl, dem von
Gott gekrönten großen und friedbringenden Kaiser der Römer
Leben und Sieg!“ Und nach den
lobenden Zurufen wurde er vom
Papst nach der Sitte der alten
Kaiser durch Kniefall geehrt
und fortan Kaiser und Augustus
genannt.“
Karl wird Kaiser
Oberhaupt aller katholischen Christen
war der Papst in Rom. Im Jahr 799 ge­
riet seine Macht durch einen Aufstand
von Adligen in Gefahr. Nun suchte
Papst Leo III. den Schutz des mächtigen
Frankenkönigs. Karl kam ihm zu Hilfe,
zog mit einem Heer nach Rom und
sicherte Macht und Herrschaft des
Papstes.
Als beide gemeinsam die Weihnachts­
messe feierten, krönte der Papst Karl
zum römischen Kaiser. Drei Jahr­
hunderte nach dem Zerfall des
Römischen Reiches war im westlichen
Europa wieder ein christliches Kaiser­
reich entstanden. Karl verband die
germanischen, römischen und christ­
lichen Wurzeln seiner Herrschaft
miteinander.
Ein christliches Großreich entsteht
Karl wollte Macht und Größe des frü­
heren Römerreiches wieder herstellen.
Dazu musste er eine einheitliche Ver­
waltung und Rechtsprechung errichten.
Er entzog den Stammesherzögen ihre
Macht und beauftragte ihm ergebene
Vasallen mit der Verwaltung der
Das Zeitalter der Revolutionen
M2
Papst und Kaiser erhalten von
Christus den Schlüssel zum Himmel
und das Schwert überreicht.
Französische Buchmalerei aus dem
13. Jahrhundert.
Gebiete als Richter und als Befehls­
haber des Militärs. Doch das Reich Karls
des Großen blieb nicht lange bestehen.
Als Karl im Jahr 814 starb, wurde es
unter seinen drei Enkeln aufgeteilt.
Nach langem Streit ging schließlich aus
dem westfränkischen Reich das heu­
tige Frankreich, aus dem ostfränkischen
Reich Deutschland hervor.
Otto kämpft um die Macht
Im Jahre 936 wurde der Sachsenherzog
Otto I. zum neuen König des „Heiligen
Römischen Reichs“ gekrönt. Doch schon
bald machten ihm die mächtigen
Stammesherzöge seinen Herrschafts­
anspruch streitig. Auch seine Brüder
forderten Teilhabe an der Macht. Erst
nach langen blutigen Kämpfen konnte
Otto seine königliche Macht durch­
setzen. Nun setzte er Verwandte als
Herzöge über die Stämme ein, Sachsen
und Franken behielt er selbst. Zur Ver­
breitung des Christentums gründete
Otto im Osten viele neue Bistümer.
Mehrfach vergab er Grafschaften an
Bischöfe, in einem Fall sogar ein
Herzogtum. Damit schränkte er die
Macht der weltlichen Herzöge ein.
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Brauch der König dessen Nachfolger
ein. Papst Gregor VII. (1073 – 85) wollte
das ändern. Er untersagte den Königen
die Einsetzung der Bischöfe, die so­
genannte Investitur. Der deutsche
König Heinrich VI. (1056 – 1084) setzte
trotzdem in Mailand einen ­Erzbischof
ein. Nun kam es zum Streit zwischen
den beiden mächtigen Männern.
Schließlich forderte Heinrich den Papst
auf, den päpstlichen Stuhl zu ­verlassen.
Der schloss darauf König Heinrich aus
der Kirche aus und erklärte ihn für
­abgesetzt.
p
Der lateinische Text
auf M 3 unten lautet auf
Deutsch: Der König b
­ ittet
den Abt, auch Mathilde
fleht er an.
Ein König unterwirft sich
M 3
Heinrich IV. vor der Burg Canossa,
neben ihm sein Taufpate, Abt
Hugo von Cluny. In der Burg die
Markgräfin Mathilde, Besitzerin
der Burg.
Heinrich gegen Gregor
Weltliche und geistliche Aufgaben
waren im Mittelalter nicht so klar zu
trennen wie heute. Es war Aufgabe
des Papstes, die Kaiser und Könige zu
krönen. Diese aber waren Beschützer
der Päpste. Wer also stand über dem
anderen?
Viele Bischöfe waren zugleich ­Fürsten
und regierten große Länder. Starb ein
Bischof, so setzte nach römischem
1. Beschreibe den Bildinhalt von M 2,
erläutere die gezeigten Symbole und
erkläre, was mit ihnen ausgesagt
werden soll.
2. Beschreibe anhand von M 1 die
­Kaiserkrönung Karls des Großen.
Heinrich merkte bald, dass das Wort des
Papstes auch in Deutschland mehr galt
als seines. Mächtige Fürsten forderten
Heinrich auf, Buße zu tun und den Papst
um Vergebung zu bitten. Um seinen
Thron zu retten, zog der König ­mitten
im Winter über die Alpen zur Burg
­Canossa in Norditalien, wo sich Gregor
aufhielt. Heinrich fiel vor ihm auf die
Knie und bat demütig darum, wieder in
die Kirche aufgenommen zu werden.
Als der Papst ihm schließlich ­verzieh,
hatte Heinrich seinen Thron v­ orerst
­gerettet, aber seine Würde ­verloren.
Der Investiturstreit zwischen den
­mächtigsten Männern war der Beginn
eines Machtkampfes, der für fast
drei Jahrhunderte die europäische
­Christenheit immer wieder spaltete.
3. Erläutere am Beispiel des Investitur­
streits Ziele und Absichten des
­Königs, des Papstes und der Herzöge.
4. Führt ein Streitgespräch zwischen
König, Papst und den Herzögen
über ihre Absichten und Motive im
Investiturstreit.
183
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Englands und Frankreichs Könige
M 1
Wikinger und Normannen
Beide Begriffe ­bezeichnen
unterschiedliche G
­ ruppen
germanischer Herkunft –
z. B. Dänen, Schweden,
Norweger, die von
Skandinavien aus Plün­
derungszüge nach Süden
­unternahmen und später
auch eigene Reiche grün­
deten. Diese Eroberer und
­ihre ­Nachfolger werden
Normannen (­Nordmänner)
genannt.
Magna Charta
(sprich: Magna Karta), ist
die Kurzbezeichnung für
die „Große Urkunde der
Freiheiten“, lat.: Magna
Charta Libertatum. In ihr
wurden die Rechte des
Königs, vor allem aber auch
die des Adels, der Bürger
und der Kirche gegenüber
dem König schriftlich fest­
gehalten.
184
Das normannische Heer Wilhelms auf dem Weg nach England. Stickerei auf einem
Teppich, genannt Teppich von Bayeux, 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts.
Wikinger und Normannen
Wilhelm der Eroberer
Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts
­drangen heidnische Wikinger aus
Skandinavien auf schnellen Segel­
booten bis an die Küsten Westeuropas
vor. Sie landeten auch an den Küsten
Englands, Irlands und Frankreichs,
plünderten dort Dörfer, Klöster, K
­ irchen
und Städte und zogen sich mit der
­Beute wieder zurück. Im 9. ­Jahrhundert
gingen die Wikinger dazu über, in
den überfallenen Ländern e
­ igene
Herrschaftsbereiche zu errichten.
­Norwegische und dänische Wikinger
siedelten sich im Norden Schottlands
und Englands an. Andere ließen sich
an der Westküste des Frankenreiches
nieder. Ihr Herzog erhielt vom franzö­
sischen König ein Gebiet als Lehen, die
heutige Normandie. Dänische Wikinger­
heere eroberten bis 1016 nach langen
Kämpfen England. Wo die Wikinger
sesshaft gewordenen waren, nahmen
sie nach und nach Sprache und K
­ ultur
ihrer neuen Heimat an und wurden
Christen.
Als im Jahre 1066 der englische König
starb, entbrannte ein heftiger Streit um
die Nachfolge. Diese Uneinigkeit des
Adels nutzte Wilhelm, der Herzog der
Normandie, um mit einem großen Heer
in England zu landen. Er besiegte die
Engländer und ließ sich zum König
krönen. Wilhelm der Eroberer, wie er
bald genannt wurde, besetzte hohe
Staats- und Kirchenämter mit seinen
Gefolgsleuten. Er führte in England das
Lehnswesen ein. Den Grundbesitz
englischer Adliger eignete er sich an
und gab den größten Teil als Lehen
an seine eigenen Landsleute. Diese
mussten ebenso wie ihre Untervasallen
einen Treueeid auf den König s­ chwören.
Zudem ließ Wilhelm fast das ganze
Land in Grafschaften aufteilen, in denen
er königliche Beamte einsetzte. Auf
diese Weise hielt der König alle Fäden
der Macht in seinen Händen.
Das Zeitalter der Revolutionen
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Die Magna Charta
Der Hundertjährige Krieg
Im Jahre 1215 forderten der englische
Adel und die reiche Stadt London von
ihrem König Johann mehr Freiheiten.
Der schwache König gab schließlich
nach und unterschrieb die „Große
Urkunde der Freiheiten“, die Magna
Charta. Sie bot Schutz vor königlicher
Willkür. Zudem wurde zum ersten Mal
dem König ein gemeinsamer Rat von
hohen Geistlichen, Adligen und könig­
lichen Beamten, eine Art Parlament,
zur Seite gestellt. Die Magna Charta
war Vorläufer vieler europäischer Ver­
fassungen und des Parlamentarismus.
Anfang des 14. Jahrhunderts nahmen
die Konflikte zwischen England und
Frankreich zu. Der französische König
Philipp VI. forderte 1337 die Gascogne,
die immer noch ein englisches Herzog­
tum war, für Frankreich zurück. Auf der
anderen Seite erhob der englische
König Ansprüche auf den französischen
Königsthron. Ein zerstörerischer Krieg
auf französischem Boden begann, der
über hundert Jahre dauerte. In ihm
stellten sich auch Herzöge, die ­Vasallen
des französischen Königs waren,
gegen ihren Lehnsherrn. Zwar ­endete
der Krieg damit, dass die Engländer
sich nach großen A
­ nfangserfolgen
fast vollständig aus Frankreich zurück­
ziehen mussten. Doch die Macht der
­französischen Könige war ­geschwächt.
Viele Herzöge betrieben nun e
­ ine
Macht­politik nach ihren eigenen
­Interessen.
Erst etwa drei Jahrhunderte später, in
der Zeit des Absolutismus, gelang es
den Königen, den französischen Adel
immer mehr zu entmachten. König
Ludwig XIV. holte die hohen Adligen an
seinen Hof und überließ die Verwaltung
ihrer Ländereien königlichen Beamten
und seinem Militär.
Das Königtum in Frankreich
Anders verlief die Entwicklung in
Frankreich. Dort hatten die Könige
­zunächst nur ein kleines Gebiet rund
um die Stadt Paris als Eigenbesitz.
Doch es gelang ihnen, durch E
­ rbschaft,
Schenkungen und Kauf ihr Herrschafts­
gebiet zu erweitern, z. B. indem sie
­Lehen, die nach Tod des Vasallen
­erloschen, nicht neu vergaben. Durch
Heirat und Erbschaft waren große
Gebiete Nordfrankreichs an England
gefallen. Aber König Philipp II. ­eroberte
bis 1214 Teile der englischen Besit­
zungen in Frankreich zurück. Außer­
dem setzte er die königlichen Rechte
gegen­über den Herzögen und Grafen
energisch durch, indem er eine ­zentrale
Verwaltung mit königlichen Beamten
einrichtete. Unter ihm stieg Frankreich
zu einer bedeutenden europäischen
Macht auf.
1. Gib die Entwicklung der Wikinger
und Normannen von Räubern und
Händlern zu Herzögen und Königen
wieder.
2. Erkläre, auf welche Weise Adel und
Bürger die Macht des englischen
Königs einschränkten.
M 2
p
Johanna
von ­Orléans,
­französische
Buchmalerei, 1430
Johanna von Orléans,
ein einfaches Bauern­
mädchen, spielte im Krieg
zwischen England und
Frankreich eine wichtige
Rolle. Sie sagte, Stimmen
der Heiligen hätten ihr
befohlen, Frankreich von
der englischen Herrschaft
zu befreien. An der S
­ pitze
eines Heeres, das ihr be­
geistert folgte, besiegte
sie in einer Schlacht bei
Orleáns die Engländer.
Später wurde sie jedoch
von burgundischen Adligen
in einen Hinterhalt gelockt,
den Engländern ­übergeben,
als „Hexe“ verurteilt und
verbrannt.
3. Erläutere Ursachen und Folgen des
Konflikts zwischen Frankreich und
England.
4. Vergleiche die Entwicklung der
Königsherrschaft in England,
in F­ rankreich und Deutschland
(S. 180 ff.) miteinander.
5. Recherchiere im Internet über
Johanna von Orléans.
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