9cqktgm + - ECON @ TU Wien

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Kapitel 5 (unter Berücksichtigung von Kapitel 4):
IS-LM Modell; Geld- und Kreditschöpfungspotential von Bankensystemen (Version 10.6.2005)
Das IS-LM Modell hat sowohl die theoretische als auch die wirtschaftspolitische Diskussion
lange Zeit dominiert.
Im Unterschied zum Multiplikatormodell berücksichtigt es neben dem Gütermarkt
– explizit den Geldmarkt (money market) und
– implizit den Wertpapiermarkt (bonds market)
Es untersucht die wechselseitige Beein‡ussung des realen Sektors und des monetären
Sektors einer Volkswirtschaft.
Neue endogene Variable:
– private Investitionen
– Nominalzinssatz (= nominelle Ertragsrate der bonds)
– erwarteter Realzinssatz (= erwartete reale Ertragsrate der bonds)
– Geldnachfrage
– Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes
Das Preisniveau wird weiterhin als exogene Variable betrachtet.
Neue exogene Variable:
– nominelles Geldangebot (annahmegemäßvon der Zentralbank kontrolliert)
– reales Geldangebot
– erwartete In‡ationsrate
Graphische Darstellung des Modells:
– Die IS-Kurve beschreibt alle Kombinationen des Outputs und des erwarteten Realzinssatzes, bei denen der Gütermarkt im Gleichgewicht ist.
– Die LM-Kurve beschreibt alle Kombinationen des Outputs und des erwarteten Realzinssatzes, bei denen der Geldmarkt und der Wertpapiermarkt im Gleichgewicht
sind.
– Die gleichgewichtigen Werte des gesamtwirtschaftlichen Outputs und des erwarteten
Realzinssatzes werden durch den Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve bestimmt.
– Anhand des IS-LM Modells kann untersucht werden, wie sich
…skalpolitische Eingri¤e der Regierung,
geldpolitische Eingri¤e der Zentralbank,
Veränderungen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus und
Veränderungen der erwarteten In‡ationsrate
auf die gleichgewichtigen Werte
der
des
des
der
des
Produktion,
erwarteten Realzinssatzes und des nominellen Zinssatzes,
privaten Konsums,
privaten Investitionen,
verfügbaren Einkommens des privaten Sektors,
BI-04-05 –1
der Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes
auswirken.
Hinweis zur Präsentation des Materials:
– Der Geldmarkt und der Wertpapiermarkt werden von Blanchard und Illing bereits in
Kapitel 4 untersucht.
– Da die für die Ableitung der LM-Kurve relevanten Ergebnisse aus Kapitel 4 in Kapitel
5 zum Teil wiederholt werden, beginne ich gleich mit Kapitel 5 und greife bei Bedarf
auf Kapitel 4 zurück.
Die IS-Kurve
In dem für die Ableitung der IS-Kurve verwendeten Basismodell des gesamtwirtschaftlichen
Gütermarktes werden die privaten Investitionen endogenisiert:
@I
@I
> 0; e < 0
@Y
@r
I = I (Y; re ) ;
Erläuterungen zur Investitionsfunktion I = I (Y; re ):
– Notation: re = erwarteter Realzinssatz (erwartete reale Ertragsrate der bonds; das hochgestellte “e” steht für “erwartet” bzw. “expected”)
– @I=@re < 0: Eine Erhöhung des erwarteten Realzinssatzes bewirkt, daßdie Unternehmen weniger investieren möchten. 2 Gründe:
steigende Kosten der Fremd…nanzierung
die Ertragsrate der Finanzaktiva (bonds) steigt: die Veranlagung von Pro…ten in
Form von Finanzaktiva gewinnt an Attraktivität
– @I=@Y > 0: je größ
er der Output, desto größ
er der gewünschte Bestand an dauerhaften
Produktionsmitteln (Maschinen und Gebäude) und desto größ
er die geplanten Investitionenen
Dieser E¤ekt wird in Blanchard und Illing berücksichtigt, in anderen Lehrbüchern
jedoch vernachlässigt
– Bei der Investitionsfunktion handelt es sich natürlich um eine Verhaltensfunktion.
De…nition des erwarteten Realzinssatzes:
re = i
Erläuterungen zu re = i
e
e
:
– es handelt sich um eine De…nitionsgleichung
– Notation:
i = Nominalzinssatz (nominelle Ertragsrate der bonds)
e
= erwartete In‡ationsrate (das hochgestellte “e” steht wiederum für “erwartet”
bzw. “expected”)
– re = i
e
beschreibt die näherungsweise Berechnung des erwarteten Realzinssatzes
Der exakte Zusammenhang lautet:
1 + re =
BI-04-05 –2
1+i
1+ e
– Der tatsächliche Realzinssatz r, der sich ex post realisiert, ist näherungsweise durch
i
gegeben, wobei die tatsächliche In‡ationsrate beschreibt.
– Illustration der verschiedenen Zinssätze anhand eines Beispiels:
Wenn Sie einer Bekannten 100 Euro borgen und mit ihr vereinbaren, daßsie Ihnen
nach einem Jahr 110 Euro zurückzahlt, dann beträgt der Nominalzinssatz i dieses
Kredits 10%.
Wenn Sie in diesem Zusammenhang davon ausgehen, daßdas gesamtwirtschaftliche
Preisniveau während der Laufzeit des Kredits um 6% steigen wird, d.h. e = 6%,
erwarten Sie eine Realverzinsung von 10% 6% = 4%.
Wenn die tatsächliche In‡ationsrate aber nicht wie erwartet 6%, sondern 9% (bzw.
3%) beträgt, dann ist die mit r bezeichnete tatsächliche Realverzinsung 1% (bzw.
7%).
Aus diesen Überlegungen bzw. aus
r = re
(
e
)
folgt:
Eine nichtantizipierte (= nicht erwartete; nicht prognostizierte) Erhöhung der
In‡ationsrate begünstigt den Schuldner und benachteiligt den Gläubiger, sofern
der Nominalzinssatz nicht nachträglich an die geänderte Situation angepaß
t wird
bzw. angepaß
t werden kann.
Die umgekehrten Auswirkungen für den Schuldner bzw. Gläubiger erhält man,
wenn die tatsächliche In‡ationsrate unter dem erwarteten Niveau liegt.
– Während es in der Realität eine Fülle von diversen Zinssätzen gibt, wird im oben dargestellten Modell ein einziger Zinssatz berücksichtigt. Diese vereinfachende Modellannahme soll anhand des folgenden Zitats begründet bzw. interpretiert werden:
there are many di¤erent interest rates in the economy. Interest rates vary according to
who is doing the borrowing, how long the funds are borrowed for, and other factors.
There are also many assets in the economy, such as shares of corporate stock, that do
not pay a contractually speci…ed interest rate but do pay their holders a return; for
stock the return comes in the form of dividends and capital gains (increases in the
stock’s market price). The existence of so many di¤erent assets, each with its own rate
of return, has the potential to greatly complicate our study of the economy. Fortunately,
however, most interest rates and other rates of return in the economy tend to move up
and down together. For purposes of macroeconomic analysis we will usually speak of
“the” interest rate, as if there were only one. If we say that a certain policy change
causes “the” interest rate to rise, for example, we mean that interest rates and rates of
return in general are likely to rise. [Abel & Bernanke (1991, S. 55)]
Das gesamte Basismodell des Gütermarktes im IS-LM Modell in kompakter Form:
Z =C +I +G
C = C(Y D );
YD =Y
0<
T +Q
I = I (Y; re ) ;
@I
@I
> 0; e < 0
@Y
@r
Y =Z
G; T; Q
dC
<1
dY D
exogen
BI-04-05 –3
Für die Güternachfrage gilt in diesem Modell:
Z
= C +I +G
= C(Y D ) + I (Y; re ) + G
= C(Y T + Q) + I (Y; re ) + G
Für die marginale Ausgabenneigung gilt daher:
dC
@Z
=
@Y
dY D
@Y D
@I
dC
@I
+
=
+
D
@Y
@Y
dY
@Y
Blanchard und Illing unterstellen, daß
dC
@I
@Z
=
+
<1
@Y
dY D
@Y
gilt. Dies stellt sicher, daßder Anstieg der Nachfragekurve in der (Y; Z)–Ebene (siehe Abbildung 5.1 in Blanchard und Illing (2004, S. 138)] kleiner als 1 ist.
Für die partiellen Ableitungen der Nachfragefunktion nach G, T und re gilt:
@Z
=1
@G
@Z
=
@T
@Z
=
@re
dC
<0
dY D
@I
<0
@re
Interpretation dieser partiellen Ableitungen:
– Vorbemerkung: Eine Verschiebung der Nachfragekurve nach oben (bzw. nach unten)
bedeutet, daßjedem beliebigen Wert von Y nun ein größ
erer (bzw. ein kleinerer) Wert
von Z entspricht.
– Eine Erhöhung der Staatsausgaben G erhöht Z im gleichen Ausmaßund verschiebt die
Nachfragefunktion nach oben.
– Eine Erhöhung der Nettosteuern T verringert das disponible Einkommen (Y T + Q).
Die daraus resultierende Verringerung des privaten Konsums verschiebt die Nachfragefunktion nach unten.
– Eine Erhöhung des erwarteten Realzinssatzes re verringert die privaten Investitionen
und verschiebt daher die Nachfragefunktion nach unten [siehe Abbildung 5.2 in Blanchard und Illing (2004, S. 139)].
Gleichgewicht auf dem Gütermarkt erfordert, daßdie folgende Bedingung erfüllt ist:
Y = C(Y
T + Q) + I (Y; re ) + G
Durch diese Gleichung ist in impliziter Form die Funktion
Y = Y (re ; G; T; Q)
de…niert.
Die graphische Darstellung von Y = Y (re ; G; T; Q) in der (Y; re )–Ebene wird als IS-Kurve
bezeichnet.
– Anmerkung: Beachten Sie, daßY auf der Abszisse und re auf der Ordinate aufgetragen
wird.
BI-04-05 –4
– Die IS-Kurve beschreibt alle Kombinationen (Y; re ), bei denen — für gegebene Werte von
G; T und Q — die durch Y = Z gegebene Gleichgewichtsbedingung für den Gütermarkt
erfüllt ist.
Eigenschaften der IS-Kurve
– Sie ist negativ geneigt: Je höher der erwartete Realzinssatz re ceteris paribus [d.h. bei
unveränderten Werten von (G; T; Q)], desto geringer ist die gleichgewichtige Produktion
Y
Graphischer Beweis: Eine ceteris paribus Erhöhung von re verschiebt die Nachfragekurve ZZ nach unten; der gleichgewichtige Wert von Y sinkt [siehe Abbildung
5.3 in Blanchard und Illing (2004, S. 140)]
Ökonomische Interpretation: Eine Erhöhung von re verringert die geplanten privaten Investitionen. Dies löst einen restriktiven Multiplikatorprozeßaus, in dessen
Rahmen auch der private Konsum sinkt.
– Eine ceteris paribus Erhöhung der Nettopauschalsteuern T [d.h. bei unveränderten Werten von (re ; G; Q)] verschiebt die IS-Kurve nach links, d.h. jedem beliebigen Wert des
erwarteten Realzinssatzes re entspricht nun ein geringerer Wert der gleichgewichtigen
Produktion Y . [siehe Abbildung 5.4 in Blanchard und Illing (2004, S. 141)]
Graphischer Beweis: Eine Erhöhung von T verschiebt die Nachfragekurve ZZ nach
unten; der gleichgewichtige Wert von Y sinkt.
Ökonomische Interpretation: Eine Erhöhung der Nettopauschalsteuern T verringert das verfügbare Einkommen des privaten Sektors und löst in der Folge einen
restriktiven Multiplikatorprozeßaus.
– Eine ceteris paribus Erhöhung der Staatsausgaben G [d.h. bei unveränderten Werten von
(re ; T; Q)] verschiebt die IS-Kurve nach rechts, d.h. jedem beliebigen Wert des erwarteten Realzinssatzes re entspricht nun ein höherer Wert der gleichgewichtigen Produktion
Y.
Übungsbeispiel #1 zum IS-LM Modell: Betrachten Sie das folgende lineare Modell und
diskutieren Sie die Eigenschaften der diesem Modell entsprechenden IS-Kurve:
Z =C +I +G
C = c0 + c1 Y D ;
YD =Y
0 < c1 < 1
T +Q
I = b0 + b1 Y
b2 r e ;
b1 > 0; b2 > 0
Y =Z
G; T; Q
exogen
– Für die Güternachfrage gilt:
Z
= C +I +G
= c0 + c1 (Y T + Q) + b0 + b1 Y b2 re + G
= (c0 + b0 c1 T + c1 Q + G b2 re ) + (c1 + b1 ) Y
– Die ZZ–Kurve verläuft genau dann ‡acher als die 450 -Linie, wenn die marginale Ausgabenneigung kleiner als 1 ist, d.h.
@Z
= c1 + b1 < 1
@Y
gilt. In der Folge gehen wir davon aus, daßdiese Bedingung erfüllt ist.
BI-04-05 –5
– Der Gütermarkt genau dann im Gleichgewicht ist, wenn die Bedingung
Y = (c0 + b0
b2 re ) + (c1 + b1 ) Y
c1 T + c1 Q + G
erfüllt ist. Löst man die Gleichung entweder nach re oder nach Y , so erhält man zwei
äquivalente, explizite Darstellungen der IS–Kurve:
re =
Y =
1
[c0 + b0
b2
1
1
c1
b1
c1 T + c1 Q + G
(c0 + b0
(1
c1
c1 T + c1 Q + G
b1 ) Y ]
b2 r e )
– Aus der vorletzten Gleichung folgt, daßdie in die (Y; re )–Ebene eingezeichnete IS–Kurve
den folgenden Anstieg aufweist:
@re
@Y
1
=
c1
b2
IS
b1
O¤ensichtlich ist sie genau dann negativ geneigt, wenn c1 + b1 < 1 gilt.
Sie verläuft umso ‡acher (d.h. der Absolutbetrag ihres Anstiegs ist umso kleiner),
je größ
er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 ) und je größ
er die durch b2 gemessene Realzinsreagibilität der Investitionen sind.
– Eine alternative Überlegung liefert:
@Y
@re
=
b2
c1
1
IS
b1
Eine Veränderung des erwarteten Realzinssatzes wirkt sich umso stärker auf den gleichgewichtigen Wert von Y aus,
je größ
er b2 , d.h. je stärker die Investitionen auf Veränderungen des Realzinssatzes
reagieren,
je größ
er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 ).
– Wie wirken sich Veränderungen von G und T auf die Position der IS-Kurve aus?
@Y
@G
@Y
@T
=
IS
=
IS
1
1
1
c1
c1
c1
b1
b1
>0
<0
Eine Erhöhung von G verschiebt die IS–Kurve nach rechts. Diese Rechtsverschiebung fällt umso stärker aus, je größ
er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 )
ist.
Eine Erhöhung der Nettosteuern T verschiebt die IS-Kurve nach links. Diese Linksverschiebung fällt umso stärker aus, je größ
er die marginale Konsumneigung c1 und
je größ
er die Produktionsreagibilität der privaten Investitionen b1 ist.
Die LM-Kurve
Die Grundidee des folgenden Abschnitts in kompakter Form:
– Die Wirtschaftssubjekte verfügen in jedem Zeitpunkt über ein bestimmtes Vermögen.
– In Zusammenhang mit dem Vermögen gibt es zwei Aspekte:
optimale Entwicklung des Vermögens über die Zeit: Erhöhung (bzw. Verringerung)
des Vermögens durch Sparen (bzw. Entsparen)
BI-04-05 –6
optimale Veranlagung des Vermögens in jedem Zeitpunkt: optimale Zusammensetzung des Portefeuilles durch geeignete Aufteilung auf diverse Aktiva (= Vermögensobjekte)
– In Zusammenhang mit der LM-Kurve wird nur der zweite Aspekt betrachtet.
– In der Realität gibt es eine Fülle von Aktiva. Bei der Ableitung der LM Kurve werden
der Einfachheit halber nur zwei Arten von Aktiva betrachtet:
Geld (money): Bargeld, Sichteinlagen (= täglich fällige Einlagen bei Geschäftsbanken bzw. der Zentralbank)
Wertpapiere (bonds)
Es wird nicht explizit darauf eingegangen, daßsich bonds in der Realität durch
Laufzeiten und Bonität unterscheiden.
– Vor- und Nachteile des Haltens von Geld:
Vorteil: Geld kann direkt für Transaktionen verwendet werden (Zahlungsmitteleigenschaft)
Nachteil:
Die Nominalverzinsung von Bargeld ist gleich Null, die von Sichteinlagen in der
Regel sehr gering (und wird in der Folge der Einfachheit halber vernachlässigt).
Das Halten von Geld ist daher mit dem Verzicht auf Zinserträge verbunden
(Opportunitätskosten des Haltens von Geld)
– Vor- und Nachteile des Haltens von Wertpapieren:
Vorteil: Zinsertrag
Nachteil:
Wertpapiere können nicht als Zahlungsmittel verwendet werden
bei der Umwandlung von Wertpapieren in Geld (bzw. von Geld in Wertpapiere)
fallen diverse Kosten an (Transaktionskosten)
– Wovon hängt die von den Wirtschaftssubjekten angestrebte Verteilung des Vermögens
auf Geld und Bonds ab?
vom Transaktionsvolumen:
je größ
er das Transaktionsvolumen, desto höher der gewünschte Anteil an Geld
(und desto geringer der gewünschte Anteil an bonds)
von der Ertragsrate der Wertpapiere:
je höher der Zinssatz, desto höher der gewünschte Anteil an bonds (und desto
geringer der gewünschte Anteil an Geld)
– Die LM-Kurve beschreibt alle Kombinationen (Y; re ), bei denen der Geldmarkt (und
der Wertpapiermarkt) im Gleichgewicht ist.
– Für die Geldmarktgleichgewichtsbedingung gibt es zwei äquivalente Formulierungen:
nominelle Geldnachfrage = nominelles Geldangebot
reale Geldnachfrage = reales Geldangebot
– Der Geldmarkt ist das Spiegelbild des Wertpapiermarktes:
Ist der Geldmarkt im Gleichgewicht, so ist auch der Wertpapiermarkt im Gleichgewicht.
Eine Überschuß
nachfrage nach Geld ist gleichbedeutend mit einem Überschuß
angebot an Wertpapieren.
Ein Überschuß
angebot an Wertpapieren führt zu einem Sinken der Wertpapierkurse und damit zu einem Anstieg der Ertragsrate von Wertpapieren (Anstieg
des Zinsniveaus)
Einem Überschuß
angebot an Geld entspricht eine Überschuß
nachfrage nach bonds.
BI-04-05 –7
Eine Überschuß
nachfrage nach Wertpapieren führt zu einem Steigen der Wertpapierkurse und damit zu einem Sinken der Ertragsrate von Wertpapieren (Sinken des Zinsniveaus).
In der Folge wird die obige kompakte Darstellung durch Details ergänzt.
De…nition des Begri¤es “Geld”[Jarchow (1990, S. 15)]: Ganz allgemein kann man unter Geld
oder Zahlungsmitteln alles verstehen, was im Rahmen des nationalen Zahlungsverkehrs
einer Volkswirtschaft generell
– zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder
– zur Abdeckung anderer wirtschaftlicher Verp‡ichtungen
akzeptiert wird.
Erscheinungsformen des Geldes:
– Warengeld: Weizen, Salz, Kaurimuscheln, Fische, Vieh, Häute, Zigaretten, Metalle etc.
– Kreditgeld (sto¤wertloses Geld):
Bargeld: Banknoten und Münzen
Buch- oder Giralgeld (Sichteinlagen, Sichtforderungen, Sichtguthaben): täglich fällige Einlagen des Nichtbankensektors bei Geschäftsbanken oder der Zentralbank
Geldnahe Forderungen: vor allem Spar- und Termineinlagen von Nichtbanken bei
den Geschäftsbanken.
ad Warengeld versus sto¤wertloses Geld [Jarchow (1990), S. 19, Fuß
note 6]:
– Warengeld:
Die letzte Stufe in der Entwicklung des Warengelds wurde mit der Ausprägung von
Metall zu vollwertigen, d.h. durch den Sto¤wert gedeckten Münzen erreicht.
Vollwertiges Geld ist Geld, dessen Wert als Ware für nichtmonetäre Zwecke so groß
ist wie sein Wert als Geld.
– sto¤wertloses Geld: sein Wert als Zahlungsmittel (Nennwert) ist größ
er als sein sto- icher
Eigenwert.
ad Sichteinlagen: nicht verbriefte Forderungen an die Zentralbank und an die Geschäftsbanken, die dafür aber zu jeder Zeit (also “auf Sicht”)
– von ihrem Besitzer in gesetzliche Zahlungsmittel umgetauscht oder
– im Wege einer Überweisung oder durch Scheck auf andere Wirtschaftseinheiten übertragen werden können.
ad Termineinlagen:
– Festgelder, die an vereinbarten Terminen fällig werden,
– Kündigungsgelder, die nach Einhaltung einer vereinbarten Kündigungsfrist zurückgefordert werden können.
ad Spar- und Termineinlagen [Jarchow (1990), S. 22]:
– können nicht unmittelbar für Zahlungszwecke verwendet werden, sie müssen hierfür erst
in Bargeld oder Sichteinlagen umgewandelt werden.
– Die Umwandlung ist grundsätzlich nur am Ende des vereinbarten Festlegungszeitraums
bzw. unter Einhaltung der Kündigungsfrist möglich.
BI-04-05 –8
– Erfolgt dennoch eine vorzeitige Rückzahlung, so müssen häu…g Sanktionen, z.B. in Form
von Vorschuß
zinsen, in Kauf genommen werden.
– Aus diesen Gründen können Spar- und Termineinlagen die für Zahlungsmittel charakteristische Tauschmittelfunktion nur unzureichend erfüllen.
Geldmengenkonzepte (Geldmengenaggregate):
– Zentralbankgeldmenge (monetäre Basis): Geld, das ausschließ
lich von der Zentralbank
geschöpft wurde
Banknoten- und Scheidemünzenumlauf
sofort fällige Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber inländischen Gläubigern
Giroeinlagen der Kreditinstitute bei der Zentralbank (z.B. im Rahmen der Mindestreservehaltung)
Giroeinlagen der ö¤entlichen Hand bei der Zentralbank
– Geldmenge M1 (eng gefasstes Geldmengenaggregat): besteht aus
Bargeld in Händen des Nichtbankensektors und
täglich fälligen Einlagen des Nichtbankensektors bei den Kreditinstituten und bei
der Zentralbank
– Geldmenge M2 (mittleres Geldmengenaggregat): besteht aus
M1 ,
Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu 2 Jahren und
Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten
– Geldmenge M3 (weit gefasstes Geldmengenaggregat der EZB): besteht aus
M2 und
marktfähigen Finanzinstrumenten
Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Schuldverschreibungen, die von der
EZB, nationalen Zentralbanken der Länder des Euro-Währungsgebiets sowie
von im Euroraum ansässigen Kreditinstituten und Geldmarktfonds begeben
wurden.
– Anmerkung: In der Vorlesung verstehen wir unter der Geldmenge M immer die Geldmenge M1 .
Nominelles Geldangebot:
– Das nominelle Geldangebot wird mit M s bezeichnet, wobei das hochgestellte “s” für
“supply (= Angebot)” steht.
– In der Basisversion des IS-LM Modells wird unterstellt, daßdie Zentralbank das Geldangebot M s perfekt kontrollieren kann, und daß
Ms = M
gilt, wobei M exogen gegeben ist.
– Anmerkung 1:
In der Realität ist die Kontrolle der Geldmenge bei weitem schwieriger, da das zu
M1 zählende Giralgeld nicht von der Zentralbank, sondern von den Kreditinstituten
gescha¤en wird.
Die Zentralbank verfügt allerdings über diverse Instrumente, um die Geld- und
Kreditschöpfung der Geschäftsbanken direkt bzw. indirekt zu beein‡ussen:
Re…nanzierungspolitik,
O¤enmarktpolitik,
BI-04-05 –9
Devisenswap- und Devisenpolitik,
Mindestreservepolitik
Die Annahme M s = M (mit M exogen) kann daher auch so interpretiert werden,
daß
die Zentralbank ein bestimmtes Geldmengenziel (nominal money supply target) hat und
es ihr gelingt, dieses Ziel mit Hilfe ihrer Instrumente auch tatsächlich zu erreichen.
– Anmerkung 2: In real existierenden Wirtschaften mit Wirtschaftswachstum und In‡ation werden Geldmengenziele nicht in Form eines angestrebten Niveau der Geldmenge,
sondern in Form eines angestrebten Niveaus der Wachstumsrate der Geldmenge formuliert (z.B. 4% Geldmengenwachstum).
De…nition der nominellen Geldnachfrage einer Nichtbank (nominal money demand ):
– geplanter Bestand an Geld bzw. geplante Kassenhaltung einer Nichtbank
– genauer: der in Geldeinheiten gemessene Bestand an Geld (Bargeld plus Sichteinlagen
bei Kreditinstituten oder der Zentralbank), den die Nichtbank entweder im betrachteten
Zeitpunkt oder im Durchschnitt während der betrachteten Periode in ihrem Portefeuille
halten möchte.
gesamtwirtschaftliche nominelle Geldnachfrage M d :
– ergibt sich durch Aggregation der geplanten nominellen Geldbestände aller Nichtbanken
– Notation: das hochgestellte “d” steht für “demand (= Nachfrage)”
reale Geldnachfrage (real money demand, demand for real balances) einer Nichtbank: der
in Gütereinheiten gemessene Bestand an Geld, den die Nichtbank zu halten wünscht.
Die gesamtwirtschaftliche reale Geldnachfrage ist daher durch M d =P gegeben.
Spezi…kation der gesamtwirtschaftlichen Geldnachfragefunktionen
– Ausgangspunkt ist die nominelle Geldnachfragefunktion:
M d = P L (Y; i) ,
@L
> 0;
@Y
@L
<0
@i
– Eine einfache Umformung impliziert, daßdie reale Geldnachfragefunktion die folgende Form hat:
Md
= L (Y; i)
P
– L steht für Liquiditätspräferenzfunktion (liquidity preference)
– Anmerkung: Blanchard und Illing (2004) verwenden eine noch einfachere Spezi…kation
der realen Geldnachfragefunktion, nämlich
Md
= Y L (i)
P
Ökonomische Interpretation der Geldnachfragefunktionen:
– Veränderungen des Preisniveaus P :
Steigt das gesamtwirtschaftliche Preisniveau P ceteris paribus (d.h. bei unveränderten Werten von Y und i) um %, so nimmt auch der geplante nominelle Kassenbestand um % zu; die geplante reale Kassenhaltung M d =P bleibt unverändert.
BI-04-05 –10
Beachten Sie, daßeine Erhöhung von P bei einem unveränderten Wert des
Realeinkommens Y gleichbedeutend damit ist, daßdas Nominaleinkommen P Y
um den gleichen Prozentsatz gestiegen ist wie das Preisniveau P .
Interpretation:
Solange es zu keiner Veränderung des Realeinkommens und der Zinssätze
kommt, werden in der Volkswirtschaft (annähernd) die gleichen Mengen geund verkauft werden.
Um diese Transaktionen in der gleichen Art wie bisher abwickeln zu können,
benötigt man bei einer Erhöhung des Preisniveaus um % einen um % höheren
nominellen Geldbestand.
– Interpretation von @L=@Y > 0:
Einem höheren Y (d.h. einem höheren Wert des gesamtwirtschaftlichen Outputs
bzw. des daraus resultierenden Realeinkommens) entspricht ein höheres reales
Transaktionsvolumen.
Da die meisten Transaktionen mit Hilfe von Geld abgewickelt werden, nimmt die
geplante reale Kassenhaltung ceteris paribus zu.
Diese knappe Begründung soll durch das folgende Zitat ergänzt werden:
The more transactions individuals or businesses perform, the more liquidity they
need and the greater is their demand for money. An important factor determining
the number of transactions performed is real income. For example, a large, highvolume supermarket has to deal with a larger number of customers and suppliers and
pay more employees than does a corner grocery. Similarly, a high-income individual
makes more and larger purchases than a low-income individual. Since higher real
income means more transactions and a greater need for liquidity, the amount of
money demanded should increase when real income increases. [Abel & Bernanke
(1991), S. 120]
– Interpretation von @L=@i < 0:
Ein Steigen des Nominalzinssatzes i [i.e. der nominellen Ertragsrate von Wertpapieren] erhöht ceteris paribus die Opportunitätskosten des Haltens von Geld und
führt somit zu einer Verringerung der geplanten Kassenhaltung.
Je höher der Zinssatz, desto eher wird man die Kosten und Mühen auf sich
nehmen, die beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren entstehen.
In der Regel wird die Geldnachfrage von Unternehmen viel zinssensitiver sein als
die Geldnachfrage von privaten Haushalten. Dies soll anhand des folgenden Zitats
über cash management näher beleuchtet werden:
You might think that the economic gains from a constant reshu- ing of portfolios
is such small potatoes that household’s money holdings are likely to be largely una¤ected by interest-rate ‡uctuations. How much will people’s average bank balance
change when they …nd they can earn 2 or 4 percent more on their money funds?
Very little, according to most studies.
The real impact of interest rates is seen in businesses. They often …nd themselves
with bank balances of $100 million one day, $250 million the next day, and so
forth. If they do nothing, they could easily lose $20 to $50 million a year in interest
payments. The era of high interest rates since the 1970s has ushered in corporate
“cash management”, in which banks help their corporate customers keep their cash
constantly invested in high-yield assets rather than lying fallow in low-yield checking
accounts. And with higher interest rates, corporations work a little harder to keep
their cash balances at a minimum. [Samuelson & Nordhaus (1985), S. 316]
Die Ableitung der LM-Kurve
Da die LM-Kurve so wie die IS-Kurve in die (Y; re )–Ebene eingezeichnet werden soll, ist es
zweckmäß
ig, den Nominalzinssatz i durch eine Darstellung zu ersetzen, welche den erwarteten
Realzinssatz verwendet.
BI-04-05 –11
Aus der De…nitionsgleichgung für den erwarteten Realzinssatz re = i
i = re +
e
e
folgt
:
Setzt man diese Darstellung in die obige Spezi…kation der Geldnachfragefunktion ein, so
erhält man.
Md
= L (Y; re + e )
P
Die Gleichgewichtsbedingung für den Geldmarkt kann in der Form
Md
Ms
=
;
P
P
dargestellt werden, wobei die linke Seite das reale Geldangebot und die rechte Seite die reale
Geldnachfrage beschreiben.
Setzt man die Geldangebotshypothese M s = M und die zuletzt beschriebene Darstellung
der Geldnachfragefunktion in diese Gleichgewichtsbedingung ein, so erhält man die folgende
Darstellung:
M
= L (Y; re + e )
P
Durch diese Gleichung ist in impliziter Form die Gleichung
re =
Y;
M
P
e
de…niert.
– Diese Gleichung ordnet gegebenen Werten von Y , M=P und e den Wert des erwarteten
Realzinssatzes re zu, bei dem der Geldmarkt im Gleichgewicht ist.
Bei M=P und
e
handelt es sich um exogene Variable des IS-LM Modells.
– Die graphische Darstellung von re =
LM-Kurve bezeichnet.
e
(Y; M=P )
in der (Y; re )–Ebene wird als
Die LM-Kurve beschreibt somit alle Kombinationen (Y; re ), bei denen der Geldmarkt — für gegebene Werte der (exogenen) Variablen M=P und e — im Gleichgewicht ist.
– Durch implizites Di¤erenzieren erhält man unter Berücksichtigung von @L=@Y > 0 und
@L=@i < 0
@L
M
Y;
Y;
@
M
@Y
P
Y;
=
>0
@L
M
@Y
P
Y;
Y;
@i
P
@
@ (M=P )
Y;
M
P
=
1
@L
@i
Y;
M
Y;
P
< 0:
Unter Verwendung der letzten drei Gleichungen können die folgenden Eigenschaften der LMKurve abgeleitet werden:
– Sie ist positiv geneigt, d.h. je höher der Wert des gesamtwirtschaftlichen Realeinkommens Y — bei gegebenen Werten von M=P und e — ist, desto höher mußder erwartete
Realzinssatz re sein, damit der Geldmarkt im Gleichgewicht ist
BI-04-05 –12
Vergleichen Sie dazu Abbildung 5.6 in Blanchard und Illing (2004, S. 145): Beachten Sie dabei, daßdie Autoren an dieser Stelle des Buches noch die vereinfachende
Annahme e = 0 verwenden, und es daher keinen Unterschied zwischen dem Nominalzinssatz und dem Realzinssatz gibt. Auß
erdem sollten die Bezeichnungen M s
d
s
d
und M durch M =P und M =P ersetzt werden.
– Ihre Position hängt davon ab, welche Werte die beiden exogenen Variablen M=P und e
annehmen. Sowohl eine Erhöhung des realen Geldangebots M=P als auch eine Zunahme
der erwarteten In‡ationsrate e verschieben die LM-Kurve nach unten.
Vergleichen Sie dazu Abbildung 5.7 in Blanchard und Illing (2004, S. 146): Beachten Sie dabei, daßdie Autoren an dieser Stelle des Buches noch die vereinfachende
Annahme e = 0 verwenden, und es daher keinen Unterschied zwischen dem Nominalzinssatz und dem Realzinssatz gibt. Auß
erdem sollten die Bezeichnungen M s
d
s
d
und M durch M =P und M =P ersetzt werden.
– Beachten Sie in diesem Zusammenhang, daßeine Veränderung der realen Geldmenge
M=P aus
einer Veränderung des nominellen Geldangebots M ,
einer Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Preisindex P oder
Veränderungen von M und P resultieren kann.
Für den positiven Anstieg der LM-Kurve existieren die folgenden ökonomischen Interpretationen, bei denen es sich im Ende¤ekt nur um die “beiden Seiten der gleichen Medaille”
handelt:
– Version A:
Eine Erhöhung von Y steigert die Nachfrage nach Geld (zu Transaktionszwecken)
und erzeugt somit (bei unveränderten Werten aller anderen Variablen) Überschuß
nachfrage nach Geld.
Um das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt wiederherzustellen, mußdiese Überschuß
nachfrage — bei gegebenen Werten von M=P und e — durch eine geeignete
Anpassung des erwarteten Realzinssatzes re beseitigt werden.
Bei einem gegebenen Niveau von e kann sich der erwartete Realzinssatz re aufe
grund von re = i
nur dann ändern, wenn sich der Nominalzinssatz i ändert.
Die Beseitigung der Überschuß
nachfrage auf dem Geldmarkt erfordert klarerweise
eine Erhöhung von i, da eine solche die Opportunitätskosten der Kassenhaltung
erhöht und somit die Geldnachfrage reduziert.
Der Zinssatz mußsolange steigen, bis der Geldmarkt wieder im Gleichgewicht ist.
– Version B (beruht auf der Tatsache, daßder Geldmarkt das Spiegelbild des Wertpapiermarktes ist):
Die aus einer Erhöhung von Y resultierende Überschuß
nachfrage nach Geld bedeutet, daßdie Nichtbanken den Bestand an Realkasse über den existierenden Bestand
hinaus ausdehnen möchten.
Bei einem kurzfristig gegebenen Wert des realen Vermögens ist dies gleichbedeutend
damit, daßsie Wertpapiere in Geld umwandeln möchten.
In anderen Worten bedeutet dies, daßder von den Nichtbanken gewünschte Bestand
an Wertpapieren kleiner ist als der existierende Bestand. Auf dem Wertpapiermarkt
herrscht also Überschuß
angebot.
Im Falle eines Überschuß
angebots auf dem Wertpapiermarkt erfordert die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf diesem Markt eine (die Nachfrage nach Wertpapieren stimulierende) Erhöhung des Zinssatzes i.
Bei festverzinslichen Wertpapieren kann eine solche Erhöhung der Ertragsrate auf
einem Sinken der aktuellen Kurse beruhen.
BI-04-05 –13
Diese Zinserhöhung bringt nicht nur den Wertpapiermarkt, sondern auch den Geldmarkt zurück ins Gleichgewicht.
Die graphische Ableitung der LM-Kurve anhand der Abbildung 5.6. in Blanchard und Illing
(2004, S. 145):
– Im linken Diagramm werden das reale Geldangebot M s =P = M=P und die reale Geldnachfragefunktion M d =P = L (Y; re + e ) eingezeichnet.
Auf der Abszisse werden das reale Geldangebot M s =P und die reale Geldnachfrage
M d =P aufgetragen, auf der Ordinate der erwartete Realzinssatz re .
– Da das reale Geldangebot M s =P = M=P exogen gegeben ist, verläuft die Geldangebotsfunktion vertikal.
– Zeichnet man die reale Geldnachfragefunktion M d =P = L (Y; re + e ) in dieses Diagramm ein, so handelt es sich bei Y um einen Lageparameter dieser Funktion.
– Ceteris paribus Veränderungen des Zinssatzes re führen zu einer Wanderung entlang
einer gegebenen Geldnachfragefunktion (movement along the curve).
– Ceteris paribus Erhöhungen von Y verschieben die Geldnachfragefunktion nach rechts
(shift of the curve):
jedem gegebenen Wert von re entspricht ein höherer Wert der Geldnachfrage.
– Die aus einer Erhöhung von Y zu Y 0 resultierende Rechtsverschiebung der Geldnach0
fragefunktion von M d =P zu M d =P bewirkt, daßder gleichgewichtige Zinssatz von
0
re auf (re ) zunimmt.
0
– Zeichnet man die Paare (Y; re ) und Y 0 ; (re ) in das rechte Diagramm ein, so erhält
man zwei Punkte der LM-Kurve.
– Kommentar: Meiner Meinung nach wäre es besser, die beiden Werte von Y bzw. re mit
Y1 und Y2 bzw. r1e und r2e zu bezeichnen.
Warum verschiebt eine Erhöhung der realen Geldmenge M=P die LM-Kurve — bei einem
gegebenen Wert von e — nach unten?
– Anmerkung: Untersucht man, ob die LM-Kurve nach oben oder unten verschoben wird,
so hält man (im Rahmen eines Gedankenexperiments!) das Realeinkommen Y
fest und stellt die Frage, wie sich der erwartete Realzinssatz re anpassen muß
, sodaß
der Geldmarkt ins Gleichgewicht zurückkehrt.
– Um das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt wiederherzustellen, mußdie reale Geldnachfrage im gleichen Ausmaßzunehmen wie das reale Geldangebot.
– Bei (im Rahmen des Gedankenexperiments) festgehaltenen Werten von Y und e ,
kommt es dann zu einer Erhöhung der Geldnachfrage, wenn re und somit auch die durch
den Nominalzinssatz i = re + e gemessenen Opportunitätskosten der Kassenhaltung
sinken.
Übungsbeispiel #2 zum IS-LM Modell: Betrachten Sie das folgende lineare Modell des
Geldmarktes und diskutieren Sie die Eigenschaften der diesem Modell entsprechenden LMKurve:
M d =P = d0 + d1 Y d2 i;
d1 > 0; d2 > 0
re = i
e
Ms = M
M d =P = M s =P
M, P,
e
exogen
BI-04-05 –14
Aus den ersten beiden Gleichungen folgt:
M d =P = d0 + d1 Y
d2 (re +
e
)
Der Geldmarkt ist genau dann im Gleichgewicht, wenn
d2 (re +
M=P = d0 + d1 Y
e
)
Löst man diese Gleichung nach re , so erhält man die folgende Darstellung für die LM-Kurve:
re =
1
[d0 + d1 Y
d2
(M=P )]
e
Aus dieser Gleichung folgt, daßdie LM–Kurve den folgenden Anstieg aufweist:
@re
@Y
d1
>0
d2
=
LM
Die LM-Kurve ist umso steiler,
– je größ
er die durch d1 gemessene Einkommensreagibilität der Geldnachfrage
– je geringer die durch d2 gemessene Zinsreagibilität der Geldnachfrage
Aus
@re
@ (M=P )
1
<0
d2
=
LM
e
@r
@ e
=
1<0
LM
folgt, daßdie LM–Kurve bei einer Erhöhung von M=P bzw.
e
nach unten verschoben wird.
– Eine Erhöhung von M=P verschiebt die LM-Kurve umso stärker nach unten, je geringer
die durch d2 gemessene Zinsreagibilität der Geldnachfrage.
Geldpolitik, Fiskalpolitik und Veränderungen des Preisniveaus im IS-LM Modell
Der Schnittpunkt der IS- und der LM-Kurve [vgl. Abbildung 5.8. in Blanchard und Illing
(2004, S. 147)] bestimmt — für gegebene Werte der exogenen Variablen G, T , Q, M=P und
e
— jene Kombination (Y; re ), bei der
– sowohl der Gütermarkt
– als auch der Geldmarkt (und daher auch der Wertpapiermarkt)
im Gleichgewicht sind.
Im Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve sind daher die folgenden beiden Gleichungen erfüllt:
Y = C(Y
T + Q) + I (Y; re ) + G;
M
= L (Y; re +
P
e
):
Im Rahmen des IS-LM Modells kann nun untersucht werden, wie sich
– die Fiskalpolitik der Regierung (i.e. Veränderungen der Nettopauschalsteuern T und
der Staatsausgaben G),
BI-04-05 –15
– die Geldpolitik der Zentralbank (i.e. Veränderungen des nominellen Geldangebots M ),
– Veränderungen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P und der erwarteten In‡ationsrate e
auf die gleichgewichtigen Werte der Produktion Y , des erwarteten Realzinssatzes re und aller
restlichen endogenen Variablen auswirken.
Die Auswirkungen der Fiskalpolitik
Im Abschnitt 5.3.1 Fiskalpolitik, Einkommen und Zinssatz untersuchen Blanchard und Illing
eine restriktive Fiskalpolitik in Form einer Erhöhung der Nettopauschaulsteuern
vgl. Diagramm 5.9 in Blanchard und Illing (2004, S. 150)
Eine ceteris paribus Erhöhung der Nettopauschalsteuern T
– verschiebt die IS-Kurve nach links,
– hat aber keine Auswirkungen auf die Position der LM-Kurve.
Vergleicht man den neuen Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve mit dem alten Schnittpunkt,
so sieht man, daßdie restriktive Fiskalpolitik zu
– einer Verringerung des gleichgewichtigen Outputs Y und
– einem Sinken des gleichgewichtigen Werts des erwarteten Realzinssatzes re
führt.
Was geschieht mit den restlichen endogenen Variablen des IS-LM Modells?
– Das disponible Einkommen Y T + Q sinkt, weil nicht nur annahmegemäßdie Nettopauschalsteuern T steigen, sondern auch das gesamtwirtschaftliche Einkommen Y sinkt.
– Der Verringerung des disponiblen Einkommens Y
des privaten Konsums.
T + Q entspricht eine Verringerung
– Die Reaktion der privaten Investitionen ist nicht eindeutig:
Die Verringerung des erwarteten Realzinssatzes stimuliert die Investitionen
(@I=@re < 0).
Die Verringerung der Produktion dämpft die Investitionsbereitschaft der Unternehmen (@I=@Y > 0).
– Da das reale Geldangebot annahmegemäßunverändert bleibt, kommt es auch zu keiner
Veränderung der gleichgewichtigen Geldnachfrage:
Die aus der Verringerung von Y resultierende Verringerung der realen Geldnachfrage
wird durch die aus dem Sinken des Zinsniveaus re resultierende Erhöhung der realen
Geldnachfrage perfekt kompensiert.
– Die durch
V =
P Y
Y
=
M
M=P
de…nierte Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes V nimmt ab, weil Y
bei unveränderten Werten von M und P sinkt.
– Anmerkung: Eine triviale Umformung der De…nitionsgleichung von V liefert die berühmte Quantitätsgleichung:
M V =P Y
BI-04-05 –16
Übungsbeispiel #3 zum IS-LM Modell (Expansive Fiskalpolitik): Untersuchen Sie, wie
sich eine ceteris paribus Erhöhung der Staatsausgaben G auf alle endogenen Variablen des
IS-LM Modells auswirkt.
Die Auswirkungen der Geldpolitik
Im Abschnitt 5.3.2 Geldpolitik, Einkommen und Zinssatz untersuchen Blanchard und Illing
(2004), wie sich eine expansive Geldpolitik auswirkt.
vgl. Diagramm 5.10 in Blanchard und Illing (2004, S. 153)
Eine ceteris paribus Erhöhung von M
– verschiebt die LM-Kurve nach unten, da der Erhöhung des nominellen Geldangebots
M bei einem unveränderten Wert des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auch eine
Erhöhung des realen Geldangebots M=P entspricht,
– hat aber keine Auswirkungen auf die Position der IS-Kurve.
Vergleicht man den neuen Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve mit dem alten Schnittpunkt,
so sieht man, daßdie expansive Geldpolitik zu
– einer Erhöhung des gleichgewichtigen Outputs Y und
– einem Sinken des gleichgewichtigen Werts des erwarteten Realzinssatzes re
führt.
Was geschieht mit den restlichen endogenen Variablen des IS-LM Modells?
– Das disponible Einkommen Y
Y zunimmt.
T + Q steigt, weil das gesamtwirtschaftliche Einkommen
– Der Erhöhung des disponiblen Einkommens Y
privaten Konsums C.
T + Q entspricht eine Erhöhung des
– Die Reaktion der privaten Investitionen I ist eindeutig: Sowohl die Verringerung des
erwarteten Realzinssatzes re als auch die Erhöhung der Produktion Y stimulieren die
privaten Investitionen.
– Da das reale Geldangebot zunimmt, kommt es zu einer gleich groß
en Erhöhung der
gleichgewichtigen Geldnachfrage:
Sowohl die Erhöhung von Y (Erhöhung des Transaktionsvolumens)
als auch das Sinken von re (Verringerung der Opportunitätskosten der Kassenhaltung)
stimulieren die Geldnachfrage.
Übungsbeispiel #4 zum IS-LM Modell (Restriktive Geldpolitik): Untersuchen Sie, wie
sich eine ceteris paribus Verringerung des nominellen Geldangebots M auf alle endogenen
Variablen des IS-LM Modells auswirkt.
Übungsbeispiel #5 zum IS-LM Modell (expansive Fiskalpolitik + restriktive Geldpolitik): Analysieren Sie eine Situation, in der die Regierung eine expansive Fiskalpolitik und
die Zentralbank gleichzeitig eine restriktive Geldpolitik betreibt, weil sie eine Überhitzung
der Wirtschaft befürchtet. Bei welchen Variablen gibt es eindeutige bzw. nicht eindeutige
Reaktionen?
Übungsbeispiel #6 zum IS-LM Modell (restriktive Fiskalpolitik + expansive Geldpolitik):
Analysieren Sie eine Situation, in der die Regierung eine restriktive Fiskalpolitik zur Budgetkonsolidierung betreibt und die Zentralbank gleichzeitig eine expansive Geldpolitik wählt,
um den negativen Auswirkungen der Budgetkonsolidierung entgegenzuwirken. Bei welchen
Variablen gibt es eindeutige bzw. nicht eindeutige Reaktionen?
BI-04-05 –17
Veränderungen des Preisniveaus
Übungsbeispiel #7 zum IS-LM Modell: Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus
Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auf alle endogenen Variablen des IS-LM
Modells auswirkt.
– Eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P hat die gleichen E¤ekte wie
eine Verringerung des nominellen Geldangebots M .
Übungsbeispiel #8 zum IS-LM Modell: Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus
Verringerung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auf alle endogenen Variablen des ISLM Modells auswirkt.
– Ein Sinken des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P hat die gleichen E¤ekte wie eine
Erhöhung des nominellen Geldangebots M .
Kritikpunkte am IS-LM Modell
Das gesamtwirtschaftliche Güterpreisniveau P wird als exogene Variable behandelt.
Das Verhalten der Anbieter wird nicht explizit analysiert.
– Es wird implizit unterstellt, daßdie Firmen bereit sind, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu den herrschenden Preisen zur Gänze zu befriedigen. Man spricht in diesem Zusammenhang davon, daßdie Produktion nachfragebestimmt ist.
– Bei einer (z.B. aus expansiven geld- und …skalpolitischen Maß
nahmen resultierenden)
Erhöhung der Nachfrage weiten die Firmen die Produktion aus, ohne daßes zu einer
Erhöhung der Preise kommt.
– Bei einem (durch restriktive wirtschaftspolitische Eingri¤e hervorgerufenen) Sinken der
Nachfrage schränken die Firmen die Produktion ein, ohne daßes zu einem Sinken der
Preise kommt.
– Die meisten Autoren sind der Ansicht, daßdie Annahme …xer Preise höchstens für die
kurze Frist (in the short run) realistisch ist (Preislisten und Kataloge werden nicht
ständig geändert etc.).
Das IS-LM Diagramm liefert keine Informationen darüber, in welcher Situation sich der Arbeitsmarkt be…ndet, d.h. ob beim gleichgewichtigen Produktionsniveau z.B. Unterbeschäftigung (= Arbeitslosigkeit), Vollbeschäftigung oder sogar “Überbeschäftigung” (viele Überstunden etc.) herrscht.
Im Unterschied zu den in der Wachstumstheorie verwendeten Modellen werden im IS-LM
Modell die Kapazitätse¤ekte der Investitionen (i.e. ihre Auswirkungen auf das zukünftige
Produktionspotential der Volkswirtschaft) vernachlässigt.
Es wird nicht untersucht, wie sich die Forderungen und Verbindlichkeiten der einzelnen Sektoren über die Zeit verändern. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß
– die Entwicklung der Staatsverschuldung völlig vernachlässigt wird und
– die mit der Staatsverschuldung verbundenen Zinszahlungen als exogene Größ
e behandelt
bzw. in noch einfacheren Modellen überhaupt vernachlässigt werden.
Die In‡ationserwartungen werden als exogene Variable behandelt. Andere Erwartungen wie
z.B. die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Einkommensentwicklung werden im Modell
nicht explizit berücksichtigt.
BI-04-05 –18
Anhang: Das Geld- und Kreditschöpfungspotential von Bankensystemen
Der Einfachheit halber betrachten wir zunächst ein Geschäftsbankensystem bei ausschließ
lich
bargeldlosem Zahlungsverkehr.
Die Nichtbanken zahlen ausschließ
lich bargeldlos. Sie halten ihre Sichteinlagen ausschließ
lich
bei Geschäftsbanken (d.h. keine Guthaben bei der Zentralbank)
Die Geschäftsbanken halten Reserven in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Sichteinlagen der Nichtbanken.
– Da wir an dieser Stelle der Einfachheit halber unterstellen, daßder gesamte Zahlungsverkehr bargeldlos erfolgt, bestehen diese Reserven ausschließ
lich aus Guthaben bei der
Zentralbank.
– Wenn ein ein Geldsystem mit obligatorischer Mindestreservehaltung vorliegt, unterstellen wir, daßder tatsächliche Reservesatz mit dem Mindestreservesatz übereinstimmt,
d.h. die Geschäftsbanken keine Überschuß
reserven halten.
– Handelt es sich um ein Geldsystem ohne obligatorische Mindestreserven, so unterstellen
wir, daßdie Geschäftsbanken aus Gründen der Vorsicht freiwillig Reserven in einem
festen Verhältnis zu den Sichteinlagen der Nichtbanken halten.
Wir abstrahieren zunächst von der Möglichkeit, daßsich der Geschäftsbankensektor Reserven
durch Verschuldung bei der Zentralbank bescha¤en kann, d.h.
– wir vernachlässigen von der Zentralbank geborgte Reserven (borrowed reserves) und
– betrachten lediglich ungeborgte Reserven (unborrowed reserves).
Warum gibt es in dieser vereinfachten Modellwelt eine Begrenzung der Kreditgewährungsmöglichkeiten? Die Antwort besteht aus den folgenden Komponenten:
– Der Geschäftsbankensektor verfügt nur über einen bestimmten Bestand an Zentralbankgeld.
– Er kann nur dann zusätzliche Kredite vergeben, wenn er über Überschuß
reserven verfügt,
d.h. die tatsächlichen Reserven die Höhe der obligatorischen Mindestreserven übersteigt.
– Im Rahmen des Kreditschöpfungsprozesses kommt es zur Geldschöpfung in Form einer
Erhöhung der Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken.
– Der Erhöhung des Volumens an Sichteinlagen entspricht bei einem unveränderten Mindestreservesatz eine Erhöhung der obligatorischen Mindestreserven.
– Mit anderen Worten bedeutet dies, daßÜberschuß
reserven in Mindestreserven umgewandelt werden und nicht mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung stehen.
– Wenn keine Überschuß
reserven mehr vorhanden sind, d.h. alle Reserven zu obligatorischen Mindestreserven geworden sind, kann das Bankensystem in seiner Gesamtheit das
Kreditvolumen nicht mehr ausweiten.
Illustration
Ausgangspunkt aller Darstellungen des Kredit- und Geldschöpfungsprozesses ist, daßder
Bankensektor in den Besitz von zusätzlichen Reserven gelangt.
Unterstellen wir z.B., daßdie Zentralbank im Rahmen einer expansiven O¤enmarktoperation (open market operation) Staatsanleihen (government bonds) im Wert von 100 Mio. GE
ankauft und mit Zentralbankgeld bezahlt.
BI-04-05 –19
Um die folgende Darstellung so einfach wie möglich zu halten, unterstellen wir weiters, daß
sich die von der Zentralbank angekauften Staatsanleihen bisher im Portefeuille der Bank A
befunden haben.
Aktiva und Passiva der Zentralbank und der Geschäftsbank A verändern sich folgendermaß
en:
Bilanz der Zentralbank
Aktiva (Assets)
Passiva (Liabilities)
Staatsanleihen
(government bonds)
+100 Mio
Reserven der
Geschäftsbanken
+100 Mio
Bilanz der Geschäftsbank A
Aktiva
Passiva
Reserven (in Form von Guthaben bei der Zentralbank)
Staatsanleihen
+100 Mio
100 Mio
Im nächsten Schritt unterstellen wir, daßdie Bank A die durch den Verkauf von Staatsanleihen an die Zentralbank erworbenen Überschuß
reserven ausschließ
lich zur Kreditvergabe
verwenden möchte.
Der maximale Kreditbetrag, den die Bank A im ungünstigsten Fall (d.h. bei Überweisung des
gesamten von ihr gewährten Kreditbetrages auf Zentralbankkonten anderer Geschäftsbanken)
zusätzlich vergeben kann, ist durch die Überschuß
reserve in Höhe von 100 Millionen bestimmt.
Wir unterstellen nun, daß
– die Geschäftsbank A Kredite im Ausmaßvon 100 Mio GE an Nichtbanken vergibt,
– die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden,
– und alle Verkäufer der Güter ihr Konto nicht bei der Bank A, sondern bei der Bank B
haben.
Wenn die Bank A Kredite vergibt und den Kreditnehmern den entsprechenden Betrag auf
deren Girokonten gutschreibt, hat dies die folgenden Auswirkungen auf ihre Bilanz:
Bilanz der Geschäftsbank A
Aktiva
Kredite
(loans)
Passiva
+100 Mio
Sichteinlagen
(demand deposits)
+100 Mio
Wenn nun
– die Kreditnehmer den gesamten Kredit für den Kauf von Gütern verwenden,
– die Produzenten ihre Konten bei der Bank B haben und
– der Mindestrerservesatz der Einfachheit halber 10% beträgt,
BI-04-05 –20
so hat dies die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken A und B:
Bilanz der Geschäftsbank A
Aktiva
Reserven
Passiva
100 Mio
Sichteinlagen
(demand deposits)
100 Mio
Bilanz der Geschäftsbank B
Aktiva
Passiva
Mindestreserven
(required reserves)
+10 Mio
Sichteinlagen
Überschuß
reserven
(excess reserves)
+90 Mio
+100 Mio
Beachten Sie, daßZentralbankgeld in Höhe von 100 Mio GE den Besitzer wechselt.
– Die Bank A überweist den Betrag von 100 Mio GE von ihrem Konto bei der Zentralbank
auf das Zentralbankkonto der Bank B.
– Die Bank B schreibt den Betrag von 100 Mio GE den Güterverkäufern auf deren Girokonten gut.
– Da die Sichteinlagen bei der Bank B um 100 Mio. GE gestiegen sind, und der Mindestreservesatz annahmegemäß10% beträgt, mußdie Bank B zusätzliche Mindestreserven
in Höhe von 10 Mio GE halten.
Ihre Überschuß
reserven nehmen daher nur um 90 Mio GE zu.
Diesen Betrag kann sie nun ihrerseits für die Kreditvergabe verwenden.
Wir unterstellen nun, daß
– die Geschäftsbank B Kredite im Ausmaßvon 90 Mio GE an Nichtbanken vergibt,
– die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden,
– und alle Verkäufer der Güter ihr Konto weder bei der Bank A, noch bei der Bank B,
sondern bei der Bank C haben.
Die Kreditvergabe durch die Bank B hat zunächst die folgenden Auswirkungen auf ihre
Bilanz:
Bilanz der Geschäftsbank B
Aktiva
Passiva
Kredite
+90 Mio
Sichteinlagen
+90 Mio
Die Überweisung des gesamten Kreditbetrags auf die bei der Bank C be…ndlichen Girokonten
der Güterverkäufer hat die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Geschäftsbanken B
und C:
Bilanz der Geschäftsbank B
Aktiva
Passiva
Reserven
90 Mio
Sichteinlagen
BI-04-05 –21
90 Mio
Bilanz der Geschäftsbank C
Aktiva
Passiva
Mindestreserven
+9 Mio
Überschuß
reserven
Sichteinlagen
+90 Mio
+81 Mio
Wenn nun
– die Geschäftsbank C Kredite im Ausmaßvon 81 Mio GE an Nichtbanken vergibt,
– die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden,
– und alle Verkäufer der Güter ihr Konto bei der Bank D haben,
so hat dies die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken C und D:
Bilanz der Geschäftsbank C
Aktiva
Passiva
Kredite
+81 Mio
Sichteinlagen
+81 Mio
81 Mio
Sichteinlagen
81 Mio
Reserven
Bilanz der Geschäftsbank D
Aktiva
Passiva
Mindestreserven
Überschuß
reserven
+8; 1 Mio
Sichteinlagen
+81 Mio
+72; 9 Mio
Will man wissen, wieviel Geld in Form von zusätzlichen Sichteinlagen durch die Kreditvergabe
maximal gescha¤en werden kann, so kann man z.B. die Summe der folgenden geometrischen
Reihe berechnen:
100 + (1
0; 1) 100 + (1
2
0; 1)
100 + (1
3
0; 1)
100 +
= 1000
Ein alternativer Ansatz besteht darin, nicht die Bilanzen der einzelnen Geschäftsbanken,
sondern die Bilanz des Geschäftsbankensektors zu betrachten.
Die O¤enmarktoperation der Zentralbank hat im ersten Schritt die folgenden Auswirkungen:
Bilanz des Geschäftsbankensektors
Aktiva
Überschuß
reserven
Staatsanleihen
Passiva
+100 Mio
100 Mio
Der Geschäftsbankensektor kann jetzt solange Kredite vergeben, bis die durch die O¤enmarktoperation erworbenen Überschuß
reserven durch die mit der Kreditvergabe verbundene
Erhöhung des Bestands an Sichteinlagen zur Gänze in Mindestreserven umgewandelt wurden.
BI-04-05 –22
Der maximalen Kreditvergabe entsprechen die folgenden Auswirkungen in der Bilanz:
Bilanz des Geschäftsbankensektors
Aktiva
Passiva
Überschuß
reserven
Mindestreserven
Kredite
100 Mio
Sichteinlagen
+1000 Mio
+100 Mio
+1000 Mio
Beide Darstellungen zeigen, daßder durch die expansive O¤enmarktoperation erzeugten Erhöhung der Zentralbankgeldmenge um 100 Mio GE bei einem Mindestreservesatz von 10%
eine maximale Ausweitung der Geldmenge um den 10 fachen Betrag, d.h. um 1000 Mio GE
entspricht.
– In diesem Zusammenhang spricht man davon, daßder Geldschöpfungsmultiplikator (money multiplier ) 10 beträgt.
Vergleicht man die Bilanz des Geschäftsbankensektors nach Abschlußder (maximalen) Kreditvergabe mit der Bilanz vor der O¤enmarktoperation der Zentralbank, so sieht man, daß
sich netto die folgenden Änderungen ergeben haben:
Bilanz des Geschäftsbankensektors
Aktiva
Staatsanleihen
Mindestreserven
Kredite
Passiva
100 Mio
Sichteinlagen
+1000 Mio
+100 Mio
+1000 Mio
Aus den obigen Überlegungen sollte klar sein, daßder Geldschöpfungsmultiplikator umso
größ
er sein wird, je kleiner der Mindestreservesatz ist.
Unten werden wir einen mathematischen Beweis für diese Behauptung führen. Dieser Beweis
wird den oben disktutierten Spezialfall “ausschließ
lich bargeldloser Zahlungsverkehr”als auch
den allgemeineren Fall “teilweise bargeldloser Zahlungsverkehr” abdecken.
Oben wurde unterstellt, daßdas zusätzliche Zentralbankgeld durch eine expansive O¤enmarktoperation in den Bankensektor kommt.
Eine Alternative besteht darin, daßsich die Geschäftsbanken das Zentralbankgeld auf Eigeninitiative bei der Zentralbank bescha¤en. In diesem Fall handelt es sich beim Zentralbankgeld um geborgte Reserven.
In den Bilanzen der Zentralbank und der Geschäftsbank hat dies die folgenden Konsequenzen:
Bilanz der Zentralbank
Aktiva (Assets)
Passiva (Liabilities)
Kredite an
Geschäftsbanken
+100 Mio
Reserven der
Geschäftsbanken
BI-04-05 –23
+100 Mio
Bilanz der Geschäftsbank A
Aktiva
Passiva
Reserven (in Form von Guthaben bei der Zentralbank)
Verbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank
+100 Mio
+100 Mio
Mathematische Ableitung des Geldschöpfungsmultiplikators
Notation:
– H = high-powered money = central bank money = monetary base (Zentralbankgeldmenge; monetäre Basis)
– CU = currency (Bargeld in Händen des Nichtbankensektors)
– R = reserves (Reserven der Geschäftsbanken; = Bargeldbestände der Geschäftsbanken
+ Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank)
– Rr = required reserves (Mindestreserven)
– Re = excess reserves (Überschuß
reserven)
– M 1 = monetary aggregate M 1 (Geldmenge M 1)
– D = demand deposits = checkable deposits (Sichteinlagen; = täglich fällige Einlagen)
– c = CU=M 1 currency-to-M 1 ratio (Bargeldquote)
– = R=D reserves ratio (Reservesatz)
–
r
= Rr =D required reserves ratio (Mindestreservesatz)
–
e
= Re =D excess reserves ratio (Überschuß
reservesatz)
Verwendung der monetären Basis (Zentralbankgeldmenge) H
H = CU + R
De…nition der Geldmenge M 1:
M 1 = CU + D
De…nition des Geldschöpfungsmultiplikator (money multiplier ) m1:
m1 =
M1
H
In der Folge geht es darum, den Geldschöpfungsmultiplikator m1 als Funktion des Reservesatzes und der Bargeldquote c darzustellen.
Bei dieser Ableitung werden wir den folgenden Zusammenhang berücksichtigen:
M 1 = CU + D =)
D
=1
M1
BI-04-05 –24
CU
=1
M1
c
Für den Geldschöpfungsmultiplikator gilt dann:
m1
=
M1
H
=
M1
CU + R
=
=
=
=
1
CU
R
+
M1 M1
1
CU
R D
+
M1 D M1
1
c + (1 c)
1
1
(1
) (1
c)
Aus dieser Ableitung folgt:
M 1 = m1
H=
1
1
(1
) (1
H
c)
Der Geldschöpfungsmultiplikator m1 ist umso größ
er,
– je kleiner der Reservesatz ,
– je kleiner die Bargeldquote c.
Anmerkung: Für mathematisch geübte LeserInnen folgt die Gültigkeit dieser Behauptungen
unmittelbar aus
@m1
1 c
=
2 < 0;
@
[1 (1
) (1 c)]
@m1
=
@c
1
[1
(1
) (1
2
c)]
< 0:
Der Geldangebotsmultiplikator m1 nimmt daher seinen maximalen Wert an, wenn
– die Geschäftsbanken keine Überschuß
reserven, sondern lediglich die Mindestreserven
halten und daher
= r
gilt
– und darüber hinaus die Bargeldquote den geringstmöglichen Wert
c=0
annimmt, d.h. ausschließ
lich bargeldloser Zahlungsverkehr vorliegt.
Setzt man in der obigen Formel für den Geldangebotsmultiplikator
erhält man den maximalen Wert von m1:
m1max =
1
1
(1
r ) (1
BI-04-05 –25
0)
=
1
r
=
r
und c = 0 ein, so
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