Kapitel 5 (unter Berücksichtigung von Kapitel 4): IS-LM Modell; Geld- und Kreditschöpfungspotential von Bankensystemen (Version 10.6.2005) Das IS-LM Modell hat sowohl die theoretische als auch die wirtschaftspolitische Diskussion lange Zeit dominiert. Im Unterschied zum Multiplikatormodell berücksichtigt es neben dem Gütermarkt – explizit den Geldmarkt (money market) und – implizit den Wertpapiermarkt (bonds market) Es untersucht die wechselseitige Beein‡ussung des realen Sektors und des monetären Sektors einer Volkswirtschaft. Neue endogene Variable: – private Investitionen – Nominalzinssatz (= nominelle Ertragsrate der bonds) – erwarteter Realzinssatz (= erwartete reale Ertragsrate der bonds) – Geldnachfrage – Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes Das Preisniveau wird weiterhin als exogene Variable betrachtet. Neue exogene Variable: – nominelles Geldangebot (annahmegemäßvon der Zentralbank kontrolliert) – reales Geldangebot – erwartete In‡ationsrate Graphische Darstellung des Modells: – Die IS-Kurve beschreibt alle Kombinationen des Outputs und des erwarteten Realzinssatzes, bei denen der Gütermarkt im Gleichgewicht ist. – Die LM-Kurve beschreibt alle Kombinationen des Outputs und des erwarteten Realzinssatzes, bei denen der Geldmarkt und der Wertpapiermarkt im Gleichgewicht sind. – Die gleichgewichtigen Werte des gesamtwirtschaftlichen Outputs und des erwarteten Realzinssatzes werden durch den Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve bestimmt. – Anhand des IS-LM Modells kann untersucht werden, wie sich …skalpolitische Eingri¤e der Regierung, geldpolitische Eingri¤e der Zentralbank, Veränderungen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus und Veränderungen der erwarteten In‡ationsrate auf die gleichgewichtigen Werte der des des der des Produktion, erwarteten Realzinssatzes und des nominellen Zinssatzes, privaten Konsums, privaten Investitionen, verfügbaren Einkommens des privaten Sektors, BI-04-05 –1 der Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes auswirken. Hinweis zur Präsentation des Materials: – Der Geldmarkt und der Wertpapiermarkt werden von Blanchard und Illing bereits in Kapitel 4 untersucht. – Da die für die Ableitung der LM-Kurve relevanten Ergebnisse aus Kapitel 4 in Kapitel 5 zum Teil wiederholt werden, beginne ich gleich mit Kapitel 5 und greife bei Bedarf auf Kapitel 4 zurück. Die IS-Kurve In dem für die Ableitung der IS-Kurve verwendeten Basismodell des gesamtwirtschaftlichen Gütermarktes werden die privaten Investitionen endogenisiert: @I @I > 0; e < 0 @Y @r I = I (Y; re ) ; Erläuterungen zur Investitionsfunktion I = I (Y; re ): – Notation: re = erwarteter Realzinssatz (erwartete reale Ertragsrate der bonds; das hochgestellte “e” steht für “erwartet” bzw. “expected”) – @I=@re < 0: Eine Erhöhung des erwarteten Realzinssatzes bewirkt, daßdie Unternehmen weniger investieren möchten. 2 Gründe: steigende Kosten der Fremd…nanzierung die Ertragsrate der Finanzaktiva (bonds) steigt: die Veranlagung von Pro…ten in Form von Finanzaktiva gewinnt an Attraktivität – @I=@Y > 0: je größ er der Output, desto größ er der gewünschte Bestand an dauerhaften Produktionsmitteln (Maschinen und Gebäude) und desto größ er die geplanten Investitionenen Dieser E¤ekt wird in Blanchard und Illing berücksichtigt, in anderen Lehrbüchern jedoch vernachlässigt – Bei der Investitionsfunktion handelt es sich natürlich um eine Verhaltensfunktion. De…nition des erwarteten Realzinssatzes: re = i Erläuterungen zu re = i e e : – es handelt sich um eine De…nitionsgleichung – Notation: i = Nominalzinssatz (nominelle Ertragsrate der bonds) e = erwartete In‡ationsrate (das hochgestellte “e” steht wiederum für “erwartet” bzw. “expected”) – re = i e beschreibt die näherungsweise Berechnung des erwarteten Realzinssatzes Der exakte Zusammenhang lautet: 1 + re = BI-04-05 –2 1+i 1+ e – Der tatsächliche Realzinssatz r, der sich ex post realisiert, ist näherungsweise durch i gegeben, wobei die tatsächliche In‡ationsrate beschreibt. – Illustration der verschiedenen Zinssätze anhand eines Beispiels: Wenn Sie einer Bekannten 100 Euro borgen und mit ihr vereinbaren, daßsie Ihnen nach einem Jahr 110 Euro zurückzahlt, dann beträgt der Nominalzinssatz i dieses Kredits 10%. Wenn Sie in diesem Zusammenhang davon ausgehen, daßdas gesamtwirtschaftliche Preisniveau während der Laufzeit des Kredits um 6% steigen wird, d.h. e = 6%, erwarten Sie eine Realverzinsung von 10% 6% = 4%. Wenn die tatsächliche In‡ationsrate aber nicht wie erwartet 6%, sondern 9% (bzw. 3%) beträgt, dann ist die mit r bezeichnete tatsächliche Realverzinsung 1% (bzw. 7%). Aus diesen Überlegungen bzw. aus r = re ( e ) folgt: Eine nichtantizipierte (= nicht erwartete; nicht prognostizierte) Erhöhung der In‡ationsrate begünstigt den Schuldner und benachteiligt den Gläubiger, sofern der Nominalzinssatz nicht nachträglich an die geänderte Situation angepaß t wird bzw. angepaß t werden kann. Die umgekehrten Auswirkungen für den Schuldner bzw. Gläubiger erhält man, wenn die tatsächliche In‡ationsrate unter dem erwarteten Niveau liegt. – Während es in der Realität eine Fülle von diversen Zinssätzen gibt, wird im oben dargestellten Modell ein einziger Zinssatz berücksichtigt. Diese vereinfachende Modellannahme soll anhand des folgenden Zitats begründet bzw. interpretiert werden: there are many di¤erent interest rates in the economy. Interest rates vary according to who is doing the borrowing, how long the funds are borrowed for, and other factors. There are also many assets in the economy, such as shares of corporate stock, that do not pay a contractually speci…ed interest rate but do pay their holders a return; for stock the return comes in the form of dividends and capital gains (increases in the stock’s market price). The existence of so many di¤erent assets, each with its own rate of return, has the potential to greatly complicate our study of the economy. Fortunately, however, most interest rates and other rates of return in the economy tend to move up and down together. For purposes of macroeconomic analysis we will usually speak of “the” interest rate, as if there were only one. If we say that a certain policy change causes “the” interest rate to rise, for example, we mean that interest rates and rates of return in general are likely to rise. [Abel & Bernanke (1991, S. 55)] Das gesamte Basismodell des Gütermarktes im IS-LM Modell in kompakter Form: Z =C +I +G C = C(Y D ); YD =Y 0< T +Q I = I (Y; re ) ; @I @I > 0; e < 0 @Y @r Y =Z G; T; Q dC <1 dY D exogen BI-04-05 –3 Für die Güternachfrage gilt in diesem Modell: Z = C +I +G = C(Y D ) + I (Y; re ) + G = C(Y T + Q) + I (Y; re ) + G Für die marginale Ausgabenneigung gilt daher: dC @Z = @Y dY D @Y D @I dC @I + = + D @Y @Y dY @Y Blanchard und Illing unterstellen, daß dC @I @Z = + <1 @Y dY D @Y gilt. Dies stellt sicher, daßder Anstieg der Nachfragekurve in der (Y; Z)–Ebene (siehe Abbildung 5.1 in Blanchard und Illing (2004, S. 138)] kleiner als 1 ist. Für die partiellen Ableitungen der Nachfragefunktion nach G, T und re gilt: @Z =1 @G @Z = @T @Z = @re dC <0 dY D @I <0 @re Interpretation dieser partiellen Ableitungen: – Vorbemerkung: Eine Verschiebung der Nachfragekurve nach oben (bzw. nach unten) bedeutet, daßjedem beliebigen Wert von Y nun ein größ erer (bzw. ein kleinerer) Wert von Z entspricht. – Eine Erhöhung der Staatsausgaben G erhöht Z im gleichen Ausmaßund verschiebt die Nachfragefunktion nach oben. – Eine Erhöhung der Nettosteuern T verringert das disponible Einkommen (Y T + Q). Die daraus resultierende Verringerung des privaten Konsums verschiebt die Nachfragefunktion nach unten. – Eine Erhöhung des erwarteten Realzinssatzes re verringert die privaten Investitionen und verschiebt daher die Nachfragefunktion nach unten [siehe Abbildung 5.2 in Blanchard und Illing (2004, S. 139)]. Gleichgewicht auf dem Gütermarkt erfordert, daßdie folgende Bedingung erfüllt ist: Y = C(Y T + Q) + I (Y; re ) + G Durch diese Gleichung ist in impliziter Form die Funktion Y = Y (re ; G; T; Q) de…niert. Die graphische Darstellung von Y = Y (re ; G; T; Q) in der (Y; re )–Ebene wird als IS-Kurve bezeichnet. – Anmerkung: Beachten Sie, daßY auf der Abszisse und re auf der Ordinate aufgetragen wird. BI-04-05 –4 – Die IS-Kurve beschreibt alle Kombinationen (Y; re ), bei denen — für gegebene Werte von G; T und Q — die durch Y = Z gegebene Gleichgewichtsbedingung für den Gütermarkt erfüllt ist. Eigenschaften der IS-Kurve – Sie ist negativ geneigt: Je höher der erwartete Realzinssatz re ceteris paribus [d.h. bei unveränderten Werten von (G; T; Q)], desto geringer ist die gleichgewichtige Produktion Y Graphischer Beweis: Eine ceteris paribus Erhöhung von re verschiebt die Nachfragekurve ZZ nach unten; der gleichgewichtige Wert von Y sinkt [siehe Abbildung 5.3 in Blanchard und Illing (2004, S. 140)] Ökonomische Interpretation: Eine Erhöhung von re verringert die geplanten privaten Investitionen. Dies löst einen restriktiven Multiplikatorprozeßaus, in dessen Rahmen auch der private Konsum sinkt. – Eine ceteris paribus Erhöhung der Nettopauschalsteuern T [d.h. bei unveränderten Werten von (re ; G; Q)] verschiebt die IS-Kurve nach links, d.h. jedem beliebigen Wert des erwarteten Realzinssatzes re entspricht nun ein geringerer Wert der gleichgewichtigen Produktion Y . [siehe Abbildung 5.4 in Blanchard und Illing (2004, S. 141)] Graphischer Beweis: Eine Erhöhung von T verschiebt die Nachfragekurve ZZ nach unten; der gleichgewichtige Wert von Y sinkt. Ökonomische Interpretation: Eine Erhöhung der Nettopauschalsteuern T verringert das verfügbare Einkommen des privaten Sektors und löst in der Folge einen restriktiven Multiplikatorprozeßaus. – Eine ceteris paribus Erhöhung der Staatsausgaben G [d.h. bei unveränderten Werten von (re ; T; Q)] verschiebt die IS-Kurve nach rechts, d.h. jedem beliebigen Wert des erwarteten Realzinssatzes re entspricht nun ein höherer Wert der gleichgewichtigen Produktion Y. Übungsbeispiel #1 zum IS-LM Modell: Betrachten Sie das folgende lineare Modell und diskutieren Sie die Eigenschaften der diesem Modell entsprechenden IS-Kurve: Z =C +I +G C = c0 + c1 Y D ; YD =Y 0 < c1 < 1 T +Q I = b0 + b1 Y b2 r e ; b1 > 0; b2 > 0 Y =Z G; T; Q exogen – Für die Güternachfrage gilt: Z = C +I +G = c0 + c1 (Y T + Q) + b0 + b1 Y b2 re + G = (c0 + b0 c1 T + c1 Q + G b2 re ) + (c1 + b1 ) Y – Die ZZ–Kurve verläuft genau dann ‡acher als die 450 -Linie, wenn die marginale Ausgabenneigung kleiner als 1 ist, d.h. @Z = c1 + b1 < 1 @Y gilt. In der Folge gehen wir davon aus, daßdiese Bedingung erfüllt ist. BI-04-05 –5 – Der Gütermarkt genau dann im Gleichgewicht ist, wenn die Bedingung Y = (c0 + b0 b2 re ) + (c1 + b1 ) Y c1 T + c1 Q + G erfüllt ist. Löst man die Gleichung entweder nach re oder nach Y , so erhält man zwei äquivalente, explizite Darstellungen der IS–Kurve: re = Y = 1 [c0 + b0 b2 1 1 c1 b1 c1 T + c1 Q + G (c0 + b0 (1 c1 c1 T + c1 Q + G b1 ) Y ] b2 r e ) – Aus der vorletzten Gleichung folgt, daßdie in die (Y; re )–Ebene eingezeichnete IS–Kurve den folgenden Anstieg aufweist: @re @Y 1 = c1 b2 IS b1 O¤ensichtlich ist sie genau dann negativ geneigt, wenn c1 + b1 < 1 gilt. Sie verläuft umso ‡acher (d.h. der Absolutbetrag ihres Anstiegs ist umso kleiner), je größ er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 ) und je größ er die durch b2 gemessene Realzinsreagibilität der Investitionen sind. – Eine alternative Überlegung liefert: @Y @re = b2 c1 1 IS b1 Eine Veränderung des erwarteten Realzinssatzes wirkt sich umso stärker auf den gleichgewichtigen Wert von Y aus, je größ er b2 , d.h. je stärker die Investitionen auf Veränderungen des Realzinssatzes reagieren, je größ er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 ). – Wie wirken sich Veränderungen von G und T auf die Position der IS-Kurve aus? @Y @G @Y @T = IS = IS 1 1 1 c1 c1 c1 b1 b1 >0 <0 Eine Erhöhung von G verschiebt die IS–Kurve nach rechts. Diese Rechtsverschiebung fällt umso stärker aus, je größ er die marginale Ausgabenneigung (c1 + b1 ) ist. Eine Erhöhung der Nettosteuern T verschiebt die IS-Kurve nach links. Diese Linksverschiebung fällt umso stärker aus, je größ er die marginale Konsumneigung c1 und je größ er die Produktionsreagibilität der privaten Investitionen b1 ist. Die LM-Kurve Die Grundidee des folgenden Abschnitts in kompakter Form: – Die Wirtschaftssubjekte verfügen in jedem Zeitpunkt über ein bestimmtes Vermögen. – In Zusammenhang mit dem Vermögen gibt es zwei Aspekte: optimale Entwicklung des Vermögens über die Zeit: Erhöhung (bzw. Verringerung) des Vermögens durch Sparen (bzw. Entsparen) BI-04-05 –6 optimale Veranlagung des Vermögens in jedem Zeitpunkt: optimale Zusammensetzung des Portefeuilles durch geeignete Aufteilung auf diverse Aktiva (= Vermögensobjekte) – In Zusammenhang mit der LM-Kurve wird nur der zweite Aspekt betrachtet. – In der Realität gibt es eine Fülle von Aktiva. Bei der Ableitung der LM Kurve werden der Einfachheit halber nur zwei Arten von Aktiva betrachtet: Geld (money): Bargeld, Sichteinlagen (= täglich fällige Einlagen bei Geschäftsbanken bzw. der Zentralbank) Wertpapiere (bonds) Es wird nicht explizit darauf eingegangen, daßsich bonds in der Realität durch Laufzeiten und Bonität unterscheiden. – Vor- und Nachteile des Haltens von Geld: Vorteil: Geld kann direkt für Transaktionen verwendet werden (Zahlungsmitteleigenschaft) Nachteil: Die Nominalverzinsung von Bargeld ist gleich Null, die von Sichteinlagen in der Regel sehr gering (und wird in der Folge der Einfachheit halber vernachlässigt). Das Halten von Geld ist daher mit dem Verzicht auf Zinserträge verbunden (Opportunitätskosten des Haltens von Geld) – Vor- und Nachteile des Haltens von Wertpapieren: Vorteil: Zinsertrag Nachteil: Wertpapiere können nicht als Zahlungsmittel verwendet werden bei der Umwandlung von Wertpapieren in Geld (bzw. von Geld in Wertpapiere) fallen diverse Kosten an (Transaktionskosten) – Wovon hängt die von den Wirtschaftssubjekten angestrebte Verteilung des Vermögens auf Geld und Bonds ab? vom Transaktionsvolumen: je größ er das Transaktionsvolumen, desto höher der gewünschte Anteil an Geld (und desto geringer der gewünschte Anteil an bonds) von der Ertragsrate der Wertpapiere: je höher der Zinssatz, desto höher der gewünschte Anteil an bonds (und desto geringer der gewünschte Anteil an Geld) – Die LM-Kurve beschreibt alle Kombinationen (Y; re ), bei denen der Geldmarkt (und der Wertpapiermarkt) im Gleichgewicht ist. – Für die Geldmarktgleichgewichtsbedingung gibt es zwei äquivalente Formulierungen: nominelle Geldnachfrage = nominelles Geldangebot reale Geldnachfrage = reales Geldangebot – Der Geldmarkt ist das Spiegelbild des Wertpapiermarktes: Ist der Geldmarkt im Gleichgewicht, so ist auch der Wertpapiermarkt im Gleichgewicht. Eine Überschuß nachfrage nach Geld ist gleichbedeutend mit einem Überschuß angebot an Wertpapieren. Ein Überschuß angebot an Wertpapieren führt zu einem Sinken der Wertpapierkurse und damit zu einem Anstieg der Ertragsrate von Wertpapieren (Anstieg des Zinsniveaus) Einem Überschuß angebot an Geld entspricht eine Überschuß nachfrage nach bonds. BI-04-05 –7 Eine Überschuß nachfrage nach Wertpapieren führt zu einem Steigen der Wertpapierkurse und damit zu einem Sinken der Ertragsrate von Wertpapieren (Sinken des Zinsniveaus). In der Folge wird die obige kompakte Darstellung durch Details ergänzt. De…nition des Begri¤es “Geld”[Jarchow (1990, S. 15)]: Ganz allgemein kann man unter Geld oder Zahlungsmitteln alles verstehen, was im Rahmen des nationalen Zahlungsverkehrs einer Volkswirtschaft generell – zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder – zur Abdeckung anderer wirtschaftlicher Verp‡ichtungen akzeptiert wird. Erscheinungsformen des Geldes: – Warengeld: Weizen, Salz, Kaurimuscheln, Fische, Vieh, Häute, Zigaretten, Metalle etc. – Kreditgeld (sto¤wertloses Geld): Bargeld: Banknoten und Münzen Buch- oder Giralgeld (Sichteinlagen, Sichtforderungen, Sichtguthaben): täglich fällige Einlagen des Nichtbankensektors bei Geschäftsbanken oder der Zentralbank Geldnahe Forderungen: vor allem Spar- und Termineinlagen von Nichtbanken bei den Geschäftsbanken. ad Warengeld versus sto¤wertloses Geld [Jarchow (1990), S. 19, Fuß note 6]: – Warengeld: Die letzte Stufe in der Entwicklung des Warengelds wurde mit der Ausprägung von Metall zu vollwertigen, d.h. durch den Sto¤wert gedeckten Münzen erreicht. Vollwertiges Geld ist Geld, dessen Wert als Ware für nichtmonetäre Zwecke so groß ist wie sein Wert als Geld. – sto¤wertloses Geld: sein Wert als Zahlungsmittel (Nennwert) ist größ er als sein sto- icher Eigenwert. ad Sichteinlagen: nicht verbriefte Forderungen an die Zentralbank und an die Geschäftsbanken, die dafür aber zu jeder Zeit (also “auf Sicht”) – von ihrem Besitzer in gesetzliche Zahlungsmittel umgetauscht oder – im Wege einer Überweisung oder durch Scheck auf andere Wirtschaftseinheiten übertragen werden können. ad Termineinlagen: – Festgelder, die an vereinbarten Terminen fällig werden, – Kündigungsgelder, die nach Einhaltung einer vereinbarten Kündigungsfrist zurückgefordert werden können. ad Spar- und Termineinlagen [Jarchow (1990), S. 22]: – können nicht unmittelbar für Zahlungszwecke verwendet werden, sie müssen hierfür erst in Bargeld oder Sichteinlagen umgewandelt werden. – Die Umwandlung ist grundsätzlich nur am Ende des vereinbarten Festlegungszeitraums bzw. unter Einhaltung der Kündigungsfrist möglich. BI-04-05 –8 – Erfolgt dennoch eine vorzeitige Rückzahlung, so müssen häu…g Sanktionen, z.B. in Form von Vorschuß zinsen, in Kauf genommen werden. – Aus diesen Gründen können Spar- und Termineinlagen die für Zahlungsmittel charakteristische Tauschmittelfunktion nur unzureichend erfüllen. Geldmengenkonzepte (Geldmengenaggregate): – Zentralbankgeldmenge (monetäre Basis): Geld, das ausschließ lich von der Zentralbank geschöpft wurde Banknoten- und Scheidemünzenumlauf sofort fällige Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber inländischen Gläubigern Giroeinlagen der Kreditinstitute bei der Zentralbank (z.B. im Rahmen der Mindestreservehaltung) Giroeinlagen der ö¤entlichen Hand bei der Zentralbank – Geldmenge M1 (eng gefasstes Geldmengenaggregat): besteht aus Bargeld in Händen des Nichtbankensektors und täglich fälligen Einlagen des Nichtbankensektors bei den Kreditinstituten und bei der Zentralbank – Geldmenge M2 (mittleres Geldmengenaggregat): besteht aus M1 , Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu 2 Jahren und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten – Geldmenge M3 (weit gefasstes Geldmengenaggregat der EZB): besteht aus M2 und marktfähigen Finanzinstrumenten Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Schuldverschreibungen, die von der EZB, nationalen Zentralbanken der Länder des Euro-Währungsgebiets sowie von im Euroraum ansässigen Kreditinstituten und Geldmarktfonds begeben wurden. – Anmerkung: In der Vorlesung verstehen wir unter der Geldmenge M immer die Geldmenge M1 . Nominelles Geldangebot: – Das nominelle Geldangebot wird mit M s bezeichnet, wobei das hochgestellte “s” für “supply (= Angebot)” steht. – In der Basisversion des IS-LM Modells wird unterstellt, daßdie Zentralbank das Geldangebot M s perfekt kontrollieren kann, und daß Ms = M gilt, wobei M exogen gegeben ist. – Anmerkung 1: In der Realität ist die Kontrolle der Geldmenge bei weitem schwieriger, da das zu M1 zählende Giralgeld nicht von der Zentralbank, sondern von den Kreditinstituten gescha¤en wird. Die Zentralbank verfügt allerdings über diverse Instrumente, um die Geld- und Kreditschöpfung der Geschäftsbanken direkt bzw. indirekt zu beein‡ussen: Re…nanzierungspolitik, O¤enmarktpolitik, BI-04-05 –9 Devisenswap- und Devisenpolitik, Mindestreservepolitik Die Annahme M s = M (mit M exogen) kann daher auch so interpretiert werden, daß die Zentralbank ein bestimmtes Geldmengenziel (nominal money supply target) hat und es ihr gelingt, dieses Ziel mit Hilfe ihrer Instrumente auch tatsächlich zu erreichen. – Anmerkung 2: In real existierenden Wirtschaften mit Wirtschaftswachstum und In‡ation werden Geldmengenziele nicht in Form eines angestrebten Niveau der Geldmenge, sondern in Form eines angestrebten Niveaus der Wachstumsrate der Geldmenge formuliert (z.B. 4% Geldmengenwachstum). De…nition der nominellen Geldnachfrage einer Nichtbank (nominal money demand ): – geplanter Bestand an Geld bzw. geplante Kassenhaltung einer Nichtbank – genauer: der in Geldeinheiten gemessene Bestand an Geld (Bargeld plus Sichteinlagen bei Kreditinstituten oder der Zentralbank), den die Nichtbank entweder im betrachteten Zeitpunkt oder im Durchschnitt während der betrachteten Periode in ihrem Portefeuille halten möchte. gesamtwirtschaftliche nominelle Geldnachfrage M d : – ergibt sich durch Aggregation der geplanten nominellen Geldbestände aller Nichtbanken – Notation: das hochgestellte “d” steht für “demand (= Nachfrage)” reale Geldnachfrage (real money demand, demand for real balances) einer Nichtbank: der in Gütereinheiten gemessene Bestand an Geld, den die Nichtbank zu halten wünscht. Die gesamtwirtschaftliche reale Geldnachfrage ist daher durch M d =P gegeben. Spezi…kation der gesamtwirtschaftlichen Geldnachfragefunktionen – Ausgangspunkt ist die nominelle Geldnachfragefunktion: M d = P L (Y; i) , @L > 0; @Y @L <0 @i – Eine einfache Umformung impliziert, daßdie reale Geldnachfragefunktion die folgende Form hat: Md = L (Y; i) P – L steht für Liquiditätspräferenzfunktion (liquidity preference) – Anmerkung: Blanchard und Illing (2004) verwenden eine noch einfachere Spezi…kation der realen Geldnachfragefunktion, nämlich Md = Y L (i) P Ökonomische Interpretation der Geldnachfragefunktionen: – Veränderungen des Preisniveaus P : Steigt das gesamtwirtschaftliche Preisniveau P ceteris paribus (d.h. bei unveränderten Werten von Y und i) um %, so nimmt auch der geplante nominelle Kassenbestand um % zu; die geplante reale Kassenhaltung M d =P bleibt unverändert. BI-04-05 –10 Beachten Sie, daßeine Erhöhung von P bei einem unveränderten Wert des Realeinkommens Y gleichbedeutend damit ist, daßdas Nominaleinkommen P Y um den gleichen Prozentsatz gestiegen ist wie das Preisniveau P . Interpretation: Solange es zu keiner Veränderung des Realeinkommens und der Zinssätze kommt, werden in der Volkswirtschaft (annähernd) die gleichen Mengen geund verkauft werden. Um diese Transaktionen in der gleichen Art wie bisher abwickeln zu können, benötigt man bei einer Erhöhung des Preisniveaus um % einen um % höheren nominellen Geldbestand. – Interpretation von @L=@Y > 0: Einem höheren Y (d.h. einem höheren Wert des gesamtwirtschaftlichen Outputs bzw. des daraus resultierenden Realeinkommens) entspricht ein höheres reales Transaktionsvolumen. Da die meisten Transaktionen mit Hilfe von Geld abgewickelt werden, nimmt die geplante reale Kassenhaltung ceteris paribus zu. Diese knappe Begründung soll durch das folgende Zitat ergänzt werden: The more transactions individuals or businesses perform, the more liquidity they need and the greater is their demand for money. An important factor determining the number of transactions performed is real income. For example, a large, highvolume supermarket has to deal with a larger number of customers and suppliers and pay more employees than does a corner grocery. Similarly, a high-income individual makes more and larger purchases than a low-income individual. Since higher real income means more transactions and a greater need for liquidity, the amount of money demanded should increase when real income increases. [Abel & Bernanke (1991), S. 120] – Interpretation von @L=@i < 0: Ein Steigen des Nominalzinssatzes i [i.e. der nominellen Ertragsrate von Wertpapieren] erhöht ceteris paribus die Opportunitätskosten des Haltens von Geld und führt somit zu einer Verringerung der geplanten Kassenhaltung. Je höher der Zinssatz, desto eher wird man die Kosten und Mühen auf sich nehmen, die beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren entstehen. In der Regel wird die Geldnachfrage von Unternehmen viel zinssensitiver sein als die Geldnachfrage von privaten Haushalten. Dies soll anhand des folgenden Zitats über cash management näher beleuchtet werden: You might think that the economic gains from a constant reshu- ing of portfolios is such small potatoes that household’s money holdings are likely to be largely una¤ected by interest-rate ‡uctuations. How much will people’s average bank balance change when they …nd they can earn 2 or 4 percent more on their money funds? Very little, according to most studies. The real impact of interest rates is seen in businesses. They often …nd themselves with bank balances of $100 million one day, $250 million the next day, and so forth. If they do nothing, they could easily lose $20 to $50 million a year in interest payments. The era of high interest rates since the 1970s has ushered in corporate “cash management”, in which banks help their corporate customers keep their cash constantly invested in high-yield assets rather than lying fallow in low-yield checking accounts. And with higher interest rates, corporations work a little harder to keep their cash balances at a minimum. [Samuelson & Nordhaus (1985), S. 316] Die Ableitung der LM-Kurve Da die LM-Kurve so wie die IS-Kurve in die (Y; re )–Ebene eingezeichnet werden soll, ist es zweckmäß ig, den Nominalzinssatz i durch eine Darstellung zu ersetzen, welche den erwarteten Realzinssatz verwendet. BI-04-05 –11 Aus der De…nitionsgleichgung für den erwarteten Realzinssatz re = i i = re + e e folgt : Setzt man diese Darstellung in die obige Spezi…kation der Geldnachfragefunktion ein, so erhält man. Md = L (Y; re + e ) P Die Gleichgewichtsbedingung für den Geldmarkt kann in der Form Md Ms = ; P P dargestellt werden, wobei die linke Seite das reale Geldangebot und die rechte Seite die reale Geldnachfrage beschreiben. Setzt man die Geldangebotshypothese M s = M und die zuletzt beschriebene Darstellung der Geldnachfragefunktion in diese Gleichgewichtsbedingung ein, so erhält man die folgende Darstellung: M = L (Y; re + e ) P Durch diese Gleichung ist in impliziter Form die Gleichung re = Y; M P e de…niert. – Diese Gleichung ordnet gegebenen Werten von Y , M=P und e den Wert des erwarteten Realzinssatzes re zu, bei dem der Geldmarkt im Gleichgewicht ist. Bei M=P und e handelt es sich um exogene Variable des IS-LM Modells. – Die graphische Darstellung von re = LM-Kurve bezeichnet. e (Y; M=P ) in der (Y; re )–Ebene wird als Die LM-Kurve beschreibt somit alle Kombinationen (Y; re ), bei denen der Geldmarkt — für gegebene Werte der (exogenen) Variablen M=P und e — im Gleichgewicht ist. – Durch implizites Di¤erenzieren erhält man unter Berücksichtigung von @L=@Y > 0 und @L=@i < 0 @L M Y; Y; @ M @Y P Y; = >0 @L M @Y P Y; Y; @i P @ @ (M=P ) Y; M P = 1 @L @i Y; M Y; P < 0: Unter Verwendung der letzten drei Gleichungen können die folgenden Eigenschaften der LMKurve abgeleitet werden: – Sie ist positiv geneigt, d.h. je höher der Wert des gesamtwirtschaftlichen Realeinkommens Y — bei gegebenen Werten von M=P und e — ist, desto höher mußder erwartete Realzinssatz re sein, damit der Geldmarkt im Gleichgewicht ist BI-04-05 –12 Vergleichen Sie dazu Abbildung 5.6 in Blanchard und Illing (2004, S. 145): Beachten Sie dabei, daßdie Autoren an dieser Stelle des Buches noch die vereinfachende Annahme e = 0 verwenden, und es daher keinen Unterschied zwischen dem Nominalzinssatz und dem Realzinssatz gibt. Auß erdem sollten die Bezeichnungen M s d s d und M durch M =P und M =P ersetzt werden. – Ihre Position hängt davon ab, welche Werte die beiden exogenen Variablen M=P und e annehmen. Sowohl eine Erhöhung des realen Geldangebots M=P als auch eine Zunahme der erwarteten In‡ationsrate e verschieben die LM-Kurve nach unten. Vergleichen Sie dazu Abbildung 5.7 in Blanchard und Illing (2004, S. 146): Beachten Sie dabei, daßdie Autoren an dieser Stelle des Buches noch die vereinfachende Annahme e = 0 verwenden, und es daher keinen Unterschied zwischen dem Nominalzinssatz und dem Realzinssatz gibt. Auß erdem sollten die Bezeichnungen M s d s d und M durch M =P und M =P ersetzt werden. – Beachten Sie in diesem Zusammenhang, daßeine Veränderung der realen Geldmenge M=P aus einer Veränderung des nominellen Geldangebots M , einer Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Preisindex P oder Veränderungen von M und P resultieren kann. Für den positiven Anstieg der LM-Kurve existieren die folgenden ökonomischen Interpretationen, bei denen es sich im Ende¤ekt nur um die “beiden Seiten der gleichen Medaille” handelt: – Version A: Eine Erhöhung von Y steigert die Nachfrage nach Geld (zu Transaktionszwecken) und erzeugt somit (bei unveränderten Werten aller anderen Variablen) Überschuß nachfrage nach Geld. Um das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt wiederherzustellen, mußdiese Überschuß nachfrage — bei gegebenen Werten von M=P und e — durch eine geeignete Anpassung des erwarteten Realzinssatzes re beseitigt werden. Bei einem gegebenen Niveau von e kann sich der erwartete Realzinssatz re aufe grund von re = i nur dann ändern, wenn sich der Nominalzinssatz i ändert. Die Beseitigung der Überschuß nachfrage auf dem Geldmarkt erfordert klarerweise eine Erhöhung von i, da eine solche die Opportunitätskosten der Kassenhaltung erhöht und somit die Geldnachfrage reduziert. Der Zinssatz mußsolange steigen, bis der Geldmarkt wieder im Gleichgewicht ist. – Version B (beruht auf der Tatsache, daßder Geldmarkt das Spiegelbild des Wertpapiermarktes ist): Die aus einer Erhöhung von Y resultierende Überschuß nachfrage nach Geld bedeutet, daßdie Nichtbanken den Bestand an Realkasse über den existierenden Bestand hinaus ausdehnen möchten. Bei einem kurzfristig gegebenen Wert des realen Vermögens ist dies gleichbedeutend damit, daßsie Wertpapiere in Geld umwandeln möchten. In anderen Worten bedeutet dies, daßder von den Nichtbanken gewünschte Bestand an Wertpapieren kleiner ist als der existierende Bestand. Auf dem Wertpapiermarkt herrscht also Überschuß angebot. Im Falle eines Überschuß angebots auf dem Wertpapiermarkt erfordert die Wiederherstellung des Gleichgewichts auf diesem Markt eine (die Nachfrage nach Wertpapieren stimulierende) Erhöhung des Zinssatzes i. Bei festverzinslichen Wertpapieren kann eine solche Erhöhung der Ertragsrate auf einem Sinken der aktuellen Kurse beruhen. BI-04-05 –13 Diese Zinserhöhung bringt nicht nur den Wertpapiermarkt, sondern auch den Geldmarkt zurück ins Gleichgewicht. Die graphische Ableitung der LM-Kurve anhand der Abbildung 5.6. in Blanchard und Illing (2004, S. 145): – Im linken Diagramm werden das reale Geldangebot M s =P = M=P und die reale Geldnachfragefunktion M d =P = L (Y; re + e ) eingezeichnet. Auf der Abszisse werden das reale Geldangebot M s =P und die reale Geldnachfrage M d =P aufgetragen, auf der Ordinate der erwartete Realzinssatz re . – Da das reale Geldangebot M s =P = M=P exogen gegeben ist, verläuft die Geldangebotsfunktion vertikal. – Zeichnet man die reale Geldnachfragefunktion M d =P = L (Y; re + e ) in dieses Diagramm ein, so handelt es sich bei Y um einen Lageparameter dieser Funktion. – Ceteris paribus Veränderungen des Zinssatzes re führen zu einer Wanderung entlang einer gegebenen Geldnachfragefunktion (movement along the curve). – Ceteris paribus Erhöhungen von Y verschieben die Geldnachfragefunktion nach rechts (shift of the curve): jedem gegebenen Wert von re entspricht ein höherer Wert der Geldnachfrage. – Die aus einer Erhöhung von Y zu Y 0 resultierende Rechtsverschiebung der Geldnach0 fragefunktion von M d =P zu M d =P bewirkt, daßder gleichgewichtige Zinssatz von 0 re auf (re ) zunimmt. 0 – Zeichnet man die Paare (Y; re ) und Y 0 ; (re ) in das rechte Diagramm ein, so erhält man zwei Punkte der LM-Kurve. – Kommentar: Meiner Meinung nach wäre es besser, die beiden Werte von Y bzw. re mit Y1 und Y2 bzw. r1e und r2e zu bezeichnen. Warum verschiebt eine Erhöhung der realen Geldmenge M=P die LM-Kurve — bei einem gegebenen Wert von e — nach unten? – Anmerkung: Untersucht man, ob die LM-Kurve nach oben oder unten verschoben wird, so hält man (im Rahmen eines Gedankenexperiments!) das Realeinkommen Y fest und stellt die Frage, wie sich der erwartete Realzinssatz re anpassen muß , sodaß der Geldmarkt ins Gleichgewicht zurückkehrt. – Um das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt wiederherzustellen, mußdie reale Geldnachfrage im gleichen Ausmaßzunehmen wie das reale Geldangebot. – Bei (im Rahmen des Gedankenexperiments) festgehaltenen Werten von Y und e , kommt es dann zu einer Erhöhung der Geldnachfrage, wenn re und somit auch die durch den Nominalzinssatz i = re + e gemessenen Opportunitätskosten der Kassenhaltung sinken. Übungsbeispiel #2 zum IS-LM Modell: Betrachten Sie das folgende lineare Modell des Geldmarktes und diskutieren Sie die Eigenschaften der diesem Modell entsprechenden LMKurve: M d =P = d0 + d1 Y d2 i; d1 > 0; d2 > 0 re = i e Ms = M M d =P = M s =P M, P, e exogen BI-04-05 –14 Aus den ersten beiden Gleichungen folgt: M d =P = d0 + d1 Y d2 (re + e ) Der Geldmarkt ist genau dann im Gleichgewicht, wenn d2 (re + M=P = d0 + d1 Y e ) Löst man diese Gleichung nach re , so erhält man die folgende Darstellung für die LM-Kurve: re = 1 [d0 + d1 Y d2 (M=P )] e Aus dieser Gleichung folgt, daßdie LM–Kurve den folgenden Anstieg aufweist: @re @Y d1 >0 d2 = LM Die LM-Kurve ist umso steiler, – je größ er die durch d1 gemessene Einkommensreagibilität der Geldnachfrage – je geringer die durch d2 gemessene Zinsreagibilität der Geldnachfrage Aus @re @ (M=P ) 1 <0 d2 = LM e @r @ e = 1<0 LM folgt, daßdie LM–Kurve bei einer Erhöhung von M=P bzw. e nach unten verschoben wird. – Eine Erhöhung von M=P verschiebt die LM-Kurve umso stärker nach unten, je geringer die durch d2 gemessene Zinsreagibilität der Geldnachfrage. Geldpolitik, Fiskalpolitik und Veränderungen des Preisniveaus im IS-LM Modell Der Schnittpunkt der IS- und der LM-Kurve [vgl. Abbildung 5.8. in Blanchard und Illing (2004, S. 147)] bestimmt — für gegebene Werte der exogenen Variablen G, T , Q, M=P und e — jene Kombination (Y; re ), bei der – sowohl der Gütermarkt – als auch der Geldmarkt (und daher auch der Wertpapiermarkt) im Gleichgewicht sind. Im Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve sind daher die folgenden beiden Gleichungen erfüllt: Y = C(Y T + Q) + I (Y; re ) + G; M = L (Y; re + P e ): Im Rahmen des IS-LM Modells kann nun untersucht werden, wie sich – die Fiskalpolitik der Regierung (i.e. Veränderungen der Nettopauschalsteuern T und der Staatsausgaben G), BI-04-05 –15 – die Geldpolitik der Zentralbank (i.e. Veränderungen des nominellen Geldangebots M ), – Veränderungen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P und der erwarteten In‡ationsrate e auf die gleichgewichtigen Werte der Produktion Y , des erwarteten Realzinssatzes re und aller restlichen endogenen Variablen auswirken. Die Auswirkungen der Fiskalpolitik Im Abschnitt 5.3.1 Fiskalpolitik, Einkommen und Zinssatz untersuchen Blanchard und Illing eine restriktive Fiskalpolitik in Form einer Erhöhung der Nettopauschaulsteuern vgl. Diagramm 5.9 in Blanchard und Illing (2004, S. 150) Eine ceteris paribus Erhöhung der Nettopauschalsteuern T – verschiebt die IS-Kurve nach links, – hat aber keine Auswirkungen auf die Position der LM-Kurve. Vergleicht man den neuen Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve mit dem alten Schnittpunkt, so sieht man, daßdie restriktive Fiskalpolitik zu – einer Verringerung des gleichgewichtigen Outputs Y und – einem Sinken des gleichgewichtigen Werts des erwarteten Realzinssatzes re führt. Was geschieht mit den restlichen endogenen Variablen des IS-LM Modells? – Das disponible Einkommen Y T + Q sinkt, weil nicht nur annahmegemäßdie Nettopauschalsteuern T steigen, sondern auch das gesamtwirtschaftliche Einkommen Y sinkt. – Der Verringerung des disponiblen Einkommens Y des privaten Konsums. T + Q entspricht eine Verringerung – Die Reaktion der privaten Investitionen ist nicht eindeutig: Die Verringerung des erwarteten Realzinssatzes stimuliert die Investitionen (@I=@re < 0). Die Verringerung der Produktion dämpft die Investitionsbereitschaft der Unternehmen (@I=@Y > 0). – Da das reale Geldangebot annahmegemäßunverändert bleibt, kommt es auch zu keiner Veränderung der gleichgewichtigen Geldnachfrage: Die aus der Verringerung von Y resultierende Verringerung der realen Geldnachfrage wird durch die aus dem Sinken des Zinsniveaus re resultierende Erhöhung der realen Geldnachfrage perfekt kompensiert. – Die durch V = P Y Y = M M=P de…nierte Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes V nimmt ab, weil Y bei unveränderten Werten von M und P sinkt. – Anmerkung: Eine triviale Umformung der De…nitionsgleichung von V liefert die berühmte Quantitätsgleichung: M V =P Y BI-04-05 –16 Übungsbeispiel #3 zum IS-LM Modell (Expansive Fiskalpolitik): Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus Erhöhung der Staatsausgaben G auf alle endogenen Variablen des IS-LM Modells auswirkt. Die Auswirkungen der Geldpolitik Im Abschnitt 5.3.2 Geldpolitik, Einkommen und Zinssatz untersuchen Blanchard und Illing (2004), wie sich eine expansive Geldpolitik auswirkt. vgl. Diagramm 5.10 in Blanchard und Illing (2004, S. 153) Eine ceteris paribus Erhöhung von M – verschiebt die LM-Kurve nach unten, da der Erhöhung des nominellen Geldangebots M bei einem unveränderten Wert des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auch eine Erhöhung des realen Geldangebots M=P entspricht, – hat aber keine Auswirkungen auf die Position der IS-Kurve. Vergleicht man den neuen Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve mit dem alten Schnittpunkt, so sieht man, daßdie expansive Geldpolitik zu – einer Erhöhung des gleichgewichtigen Outputs Y und – einem Sinken des gleichgewichtigen Werts des erwarteten Realzinssatzes re führt. Was geschieht mit den restlichen endogenen Variablen des IS-LM Modells? – Das disponible Einkommen Y Y zunimmt. T + Q steigt, weil das gesamtwirtschaftliche Einkommen – Der Erhöhung des disponiblen Einkommens Y privaten Konsums C. T + Q entspricht eine Erhöhung des – Die Reaktion der privaten Investitionen I ist eindeutig: Sowohl die Verringerung des erwarteten Realzinssatzes re als auch die Erhöhung der Produktion Y stimulieren die privaten Investitionen. – Da das reale Geldangebot zunimmt, kommt es zu einer gleich groß en Erhöhung der gleichgewichtigen Geldnachfrage: Sowohl die Erhöhung von Y (Erhöhung des Transaktionsvolumens) als auch das Sinken von re (Verringerung der Opportunitätskosten der Kassenhaltung) stimulieren die Geldnachfrage. Übungsbeispiel #4 zum IS-LM Modell (Restriktive Geldpolitik): Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus Verringerung des nominellen Geldangebots M auf alle endogenen Variablen des IS-LM Modells auswirkt. Übungsbeispiel #5 zum IS-LM Modell (expansive Fiskalpolitik + restriktive Geldpolitik): Analysieren Sie eine Situation, in der die Regierung eine expansive Fiskalpolitik und die Zentralbank gleichzeitig eine restriktive Geldpolitik betreibt, weil sie eine Überhitzung der Wirtschaft befürchtet. Bei welchen Variablen gibt es eindeutige bzw. nicht eindeutige Reaktionen? Übungsbeispiel #6 zum IS-LM Modell (restriktive Fiskalpolitik + expansive Geldpolitik): Analysieren Sie eine Situation, in der die Regierung eine restriktive Fiskalpolitik zur Budgetkonsolidierung betreibt und die Zentralbank gleichzeitig eine expansive Geldpolitik wählt, um den negativen Auswirkungen der Budgetkonsolidierung entgegenzuwirken. Bei welchen Variablen gibt es eindeutige bzw. nicht eindeutige Reaktionen? BI-04-05 –17 Veränderungen des Preisniveaus Übungsbeispiel #7 zum IS-LM Modell: Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auf alle endogenen Variablen des IS-LM Modells auswirkt. – Eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P hat die gleichen E¤ekte wie eine Verringerung des nominellen Geldangebots M . Übungsbeispiel #8 zum IS-LM Modell: Untersuchen Sie, wie sich eine ceteris paribus Verringerung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P auf alle endogenen Variablen des ISLM Modells auswirkt. – Ein Sinken des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus P hat die gleichen E¤ekte wie eine Erhöhung des nominellen Geldangebots M . Kritikpunkte am IS-LM Modell Das gesamtwirtschaftliche Güterpreisniveau P wird als exogene Variable behandelt. Das Verhalten der Anbieter wird nicht explizit analysiert. – Es wird implizit unterstellt, daßdie Firmen bereit sind, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu den herrschenden Preisen zur Gänze zu befriedigen. Man spricht in diesem Zusammenhang davon, daßdie Produktion nachfragebestimmt ist. – Bei einer (z.B. aus expansiven geld- und …skalpolitischen Maß nahmen resultierenden) Erhöhung der Nachfrage weiten die Firmen die Produktion aus, ohne daßes zu einer Erhöhung der Preise kommt. – Bei einem (durch restriktive wirtschaftspolitische Eingri¤e hervorgerufenen) Sinken der Nachfrage schränken die Firmen die Produktion ein, ohne daßes zu einem Sinken der Preise kommt. – Die meisten Autoren sind der Ansicht, daßdie Annahme …xer Preise höchstens für die kurze Frist (in the short run) realistisch ist (Preislisten und Kataloge werden nicht ständig geändert etc.). Das IS-LM Diagramm liefert keine Informationen darüber, in welcher Situation sich der Arbeitsmarkt be…ndet, d.h. ob beim gleichgewichtigen Produktionsniveau z.B. Unterbeschäftigung (= Arbeitslosigkeit), Vollbeschäftigung oder sogar “Überbeschäftigung” (viele Überstunden etc.) herrscht. Im Unterschied zu den in der Wachstumstheorie verwendeten Modellen werden im IS-LM Modell die Kapazitätse¤ekte der Investitionen (i.e. ihre Auswirkungen auf das zukünftige Produktionspotential der Volkswirtschaft) vernachlässigt. Es wird nicht untersucht, wie sich die Forderungen und Verbindlichkeiten der einzelnen Sektoren über die Zeit verändern. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß – die Entwicklung der Staatsverschuldung völlig vernachlässigt wird und – die mit der Staatsverschuldung verbundenen Zinszahlungen als exogene Größ e behandelt bzw. in noch einfacheren Modellen überhaupt vernachlässigt werden. Die In‡ationserwartungen werden als exogene Variable behandelt. Andere Erwartungen wie z.B. die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Einkommensentwicklung werden im Modell nicht explizit berücksichtigt. BI-04-05 –18 Anhang: Das Geld- und Kreditschöpfungspotential von Bankensystemen Der Einfachheit halber betrachten wir zunächst ein Geschäftsbankensystem bei ausschließ lich bargeldlosem Zahlungsverkehr. Die Nichtbanken zahlen ausschließ lich bargeldlos. Sie halten ihre Sichteinlagen ausschließ lich bei Geschäftsbanken (d.h. keine Guthaben bei der Zentralbank) Die Geschäftsbanken halten Reserven in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Sichteinlagen der Nichtbanken. – Da wir an dieser Stelle der Einfachheit halber unterstellen, daßder gesamte Zahlungsverkehr bargeldlos erfolgt, bestehen diese Reserven ausschließ lich aus Guthaben bei der Zentralbank. – Wenn ein ein Geldsystem mit obligatorischer Mindestreservehaltung vorliegt, unterstellen wir, daßder tatsächliche Reservesatz mit dem Mindestreservesatz übereinstimmt, d.h. die Geschäftsbanken keine Überschuß reserven halten. – Handelt es sich um ein Geldsystem ohne obligatorische Mindestreserven, so unterstellen wir, daßdie Geschäftsbanken aus Gründen der Vorsicht freiwillig Reserven in einem festen Verhältnis zu den Sichteinlagen der Nichtbanken halten. Wir abstrahieren zunächst von der Möglichkeit, daßsich der Geschäftsbankensektor Reserven durch Verschuldung bei der Zentralbank bescha¤en kann, d.h. – wir vernachlässigen von der Zentralbank geborgte Reserven (borrowed reserves) und – betrachten lediglich ungeborgte Reserven (unborrowed reserves). Warum gibt es in dieser vereinfachten Modellwelt eine Begrenzung der Kreditgewährungsmöglichkeiten? Die Antwort besteht aus den folgenden Komponenten: – Der Geschäftsbankensektor verfügt nur über einen bestimmten Bestand an Zentralbankgeld. – Er kann nur dann zusätzliche Kredite vergeben, wenn er über Überschuß reserven verfügt, d.h. die tatsächlichen Reserven die Höhe der obligatorischen Mindestreserven übersteigt. – Im Rahmen des Kreditschöpfungsprozesses kommt es zur Geldschöpfung in Form einer Erhöhung der Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken. – Der Erhöhung des Volumens an Sichteinlagen entspricht bei einem unveränderten Mindestreservesatz eine Erhöhung der obligatorischen Mindestreserven. – Mit anderen Worten bedeutet dies, daßÜberschuß reserven in Mindestreserven umgewandelt werden und nicht mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung stehen. – Wenn keine Überschuß reserven mehr vorhanden sind, d.h. alle Reserven zu obligatorischen Mindestreserven geworden sind, kann das Bankensystem in seiner Gesamtheit das Kreditvolumen nicht mehr ausweiten. Illustration Ausgangspunkt aller Darstellungen des Kredit- und Geldschöpfungsprozesses ist, daßder Bankensektor in den Besitz von zusätzlichen Reserven gelangt. Unterstellen wir z.B., daßdie Zentralbank im Rahmen einer expansiven O¤enmarktoperation (open market operation) Staatsanleihen (government bonds) im Wert von 100 Mio. GE ankauft und mit Zentralbankgeld bezahlt. BI-04-05 –19 Um die folgende Darstellung so einfach wie möglich zu halten, unterstellen wir weiters, daß sich die von der Zentralbank angekauften Staatsanleihen bisher im Portefeuille der Bank A befunden haben. Aktiva und Passiva der Zentralbank und der Geschäftsbank A verändern sich folgendermaß en: Bilanz der Zentralbank Aktiva (Assets) Passiva (Liabilities) Staatsanleihen (government bonds) +100 Mio Reserven der Geschäftsbanken +100 Mio Bilanz der Geschäftsbank A Aktiva Passiva Reserven (in Form von Guthaben bei der Zentralbank) Staatsanleihen +100 Mio 100 Mio Im nächsten Schritt unterstellen wir, daßdie Bank A die durch den Verkauf von Staatsanleihen an die Zentralbank erworbenen Überschuß reserven ausschließ lich zur Kreditvergabe verwenden möchte. Der maximale Kreditbetrag, den die Bank A im ungünstigsten Fall (d.h. bei Überweisung des gesamten von ihr gewährten Kreditbetrages auf Zentralbankkonten anderer Geschäftsbanken) zusätzlich vergeben kann, ist durch die Überschuß reserve in Höhe von 100 Millionen bestimmt. Wir unterstellen nun, daß – die Geschäftsbank A Kredite im Ausmaßvon 100 Mio GE an Nichtbanken vergibt, – die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden, – und alle Verkäufer der Güter ihr Konto nicht bei der Bank A, sondern bei der Bank B haben. Wenn die Bank A Kredite vergibt und den Kreditnehmern den entsprechenden Betrag auf deren Girokonten gutschreibt, hat dies die folgenden Auswirkungen auf ihre Bilanz: Bilanz der Geschäftsbank A Aktiva Kredite (loans) Passiva +100 Mio Sichteinlagen (demand deposits) +100 Mio Wenn nun – die Kreditnehmer den gesamten Kredit für den Kauf von Gütern verwenden, – die Produzenten ihre Konten bei der Bank B haben und – der Mindestrerservesatz der Einfachheit halber 10% beträgt, BI-04-05 –20 so hat dies die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken A und B: Bilanz der Geschäftsbank A Aktiva Reserven Passiva 100 Mio Sichteinlagen (demand deposits) 100 Mio Bilanz der Geschäftsbank B Aktiva Passiva Mindestreserven (required reserves) +10 Mio Sichteinlagen Überschuß reserven (excess reserves) +90 Mio +100 Mio Beachten Sie, daßZentralbankgeld in Höhe von 100 Mio GE den Besitzer wechselt. – Die Bank A überweist den Betrag von 100 Mio GE von ihrem Konto bei der Zentralbank auf das Zentralbankkonto der Bank B. – Die Bank B schreibt den Betrag von 100 Mio GE den Güterverkäufern auf deren Girokonten gut. – Da die Sichteinlagen bei der Bank B um 100 Mio. GE gestiegen sind, und der Mindestreservesatz annahmegemäß10% beträgt, mußdie Bank B zusätzliche Mindestreserven in Höhe von 10 Mio GE halten. Ihre Überschuß reserven nehmen daher nur um 90 Mio GE zu. Diesen Betrag kann sie nun ihrerseits für die Kreditvergabe verwenden. Wir unterstellen nun, daß – die Geschäftsbank B Kredite im Ausmaßvon 90 Mio GE an Nichtbanken vergibt, – die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden, – und alle Verkäufer der Güter ihr Konto weder bei der Bank A, noch bei der Bank B, sondern bei der Bank C haben. Die Kreditvergabe durch die Bank B hat zunächst die folgenden Auswirkungen auf ihre Bilanz: Bilanz der Geschäftsbank B Aktiva Passiva Kredite +90 Mio Sichteinlagen +90 Mio Die Überweisung des gesamten Kreditbetrags auf die bei der Bank C be…ndlichen Girokonten der Güterverkäufer hat die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Geschäftsbanken B und C: Bilanz der Geschäftsbank B Aktiva Passiva Reserven 90 Mio Sichteinlagen BI-04-05 –21 90 Mio Bilanz der Geschäftsbank C Aktiva Passiva Mindestreserven +9 Mio Überschuß reserven Sichteinlagen +90 Mio +81 Mio Wenn nun – die Geschäftsbank C Kredite im Ausmaßvon 81 Mio GE an Nichtbanken vergibt, – die Nichtbanken den gesamten Kreditbetrag für den Kauf von Gütern verwenden, – und alle Verkäufer der Güter ihr Konto bei der Bank D haben, so hat dies die folgenden Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken C und D: Bilanz der Geschäftsbank C Aktiva Passiva Kredite +81 Mio Sichteinlagen +81 Mio 81 Mio Sichteinlagen 81 Mio Reserven Bilanz der Geschäftsbank D Aktiva Passiva Mindestreserven Überschuß reserven +8; 1 Mio Sichteinlagen +81 Mio +72; 9 Mio Will man wissen, wieviel Geld in Form von zusätzlichen Sichteinlagen durch die Kreditvergabe maximal gescha¤en werden kann, so kann man z.B. die Summe der folgenden geometrischen Reihe berechnen: 100 + (1 0; 1) 100 + (1 2 0; 1) 100 + (1 3 0; 1) 100 + = 1000 Ein alternativer Ansatz besteht darin, nicht die Bilanzen der einzelnen Geschäftsbanken, sondern die Bilanz des Geschäftsbankensektors zu betrachten. Die O¤enmarktoperation der Zentralbank hat im ersten Schritt die folgenden Auswirkungen: Bilanz des Geschäftsbankensektors Aktiva Überschuß reserven Staatsanleihen Passiva +100 Mio 100 Mio Der Geschäftsbankensektor kann jetzt solange Kredite vergeben, bis die durch die O¤enmarktoperation erworbenen Überschuß reserven durch die mit der Kreditvergabe verbundene Erhöhung des Bestands an Sichteinlagen zur Gänze in Mindestreserven umgewandelt wurden. BI-04-05 –22 Der maximalen Kreditvergabe entsprechen die folgenden Auswirkungen in der Bilanz: Bilanz des Geschäftsbankensektors Aktiva Passiva Überschuß reserven Mindestreserven Kredite 100 Mio Sichteinlagen +1000 Mio +100 Mio +1000 Mio Beide Darstellungen zeigen, daßder durch die expansive O¤enmarktoperation erzeugten Erhöhung der Zentralbankgeldmenge um 100 Mio GE bei einem Mindestreservesatz von 10% eine maximale Ausweitung der Geldmenge um den 10 fachen Betrag, d.h. um 1000 Mio GE entspricht. – In diesem Zusammenhang spricht man davon, daßder Geldschöpfungsmultiplikator (money multiplier ) 10 beträgt. Vergleicht man die Bilanz des Geschäftsbankensektors nach Abschlußder (maximalen) Kreditvergabe mit der Bilanz vor der O¤enmarktoperation der Zentralbank, so sieht man, daß sich netto die folgenden Änderungen ergeben haben: Bilanz des Geschäftsbankensektors Aktiva Staatsanleihen Mindestreserven Kredite Passiva 100 Mio Sichteinlagen +1000 Mio +100 Mio +1000 Mio Aus den obigen Überlegungen sollte klar sein, daßder Geldschöpfungsmultiplikator umso größ er sein wird, je kleiner der Mindestreservesatz ist. Unten werden wir einen mathematischen Beweis für diese Behauptung führen. Dieser Beweis wird den oben disktutierten Spezialfall “ausschließ lich bargeldloser Zahlungsverkehr”als auch den allgemeineren Fall “teilweise bargeldloser Zahlungsverkehr” abdecken. Oben wurde unterstellt, daßdas zusätzliche Zentralbankgeld durch eine expansive O¤enmarktoperation in den Bankensektor kommt. Eine Alternative besteht darin, daßsich die Geschäftsbanken das Zentralbankgeld auf Eigeninitiative bei der Zentralbank bescha¤en. In diesem Fall handelt es sich beim Zentralbankgeld um geborgte Reserven. In den Bilanzen der Zentralbank und der Geschäftsbank hat dies die folgenden Konsequenzen: Bilanz der Zentralbank Aktiva (Assets) Passiva (Liabilities) Kredite an Geschäftsbanken +100 Mio Reserven der Geschäftsbanken BI-04-05 –23 +100 Mio Bilanz der Geschäftsbank A Aktiva Passiva Reserven (in Form von Guthaben bei der Zentralbank) Verbindlichkeiten gegenüber der Zentralbank +100 Mio +100 Mio Mathematische Ableitung des Geldschöpfungsmultiplikators Notation: – H = high-powered money = central bank money = monetary base (Zentralbankgeldmenge; monetäre Basis) – CU = currency (Bargeld in Händen des Nichtbankensektors) – R = reserves (Reserven der Geschäftsbanken; = Bargeldbestände der Geschäftsbanken + Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) – Rr = required reserves (Mindestreserven) – Re = excess reserves (Überschuß reserven) – M 1 = monetary aggregate M 1 (Geldmenge M 1) – D = demand deposits = checkable deposits (Sichteinlagen; = täglich fällige Einlagen) – c = CU=M 1 currency-to-M 1 ratio (Bargeldquote) – = R=D reserves ratio (Reservesatz) – r = Rr =D required reserves ratio (Mindestreservesatz) – e = Re =D excess reserves ratio (Überschuß reservesatz) Verwendung der monetären Basis (Zentralbankgeldmenge) H H = CU + R De…nition der Geldmenge M 1: M 1 = CU + D De…nition des Geldschöpfungsmultiplikator (money multiplier ) m1: m1 = M1 H In der Folge geht es darum, den Geldschöpfungsmultiplikator m1 als Funktion des Reservesatzes und der Bargeldquote c darzustellen. Bei dieser Ableitung werden wir den folgenden Zusammenhang berücksichtigen: M 1 = CU + D =) D =1 M1 BI-04-05 –24 CU =1 M1 c Für den Geldschöpfungsmultiplikator gilt dann: m1 = M1 H = M1 CU + R = = = = 1 CU R + M1 M1 1 CU R D + M1 D M1 1 c + (1 c) 1 1 (1 ) (1 c) Aus dieser Ableitung folgt: M 1 = m1 H= 1 1 (1 ) (1 H c) Der Geldschöpfungsmultiplikator m1 ist umso größ er, – je kleiner der Reservesatz , – je kleiner die Bargeldquote c. Anmerkung: Für mathematisch geübte LeserInnen folgt die Gültigkeit dieser Behauptungen unmittelbar aus @m1 1 c = 2 < 0; @ [1 (1 ) (1 c)] @m1 = @c 1 [1 (1 ) (1 2 c)] < 0: Der Geldangebotsmultiplikator m1 nimmt daher seinen maximalen Wert an, wenn – die Geschäftsbanken keine Überschuß reserven, sondern lediglich die Mindestreserven halten und daher = r gilt – und darüber hinaus die Bargeldquote den geringstmöglichen Wert c=0 annimmt, d.h. ausschließ lich bargeldloser Zahlungsverkehr vorliegt. Setzt man in der obigen Formel für den Geldangebotsmultiplikator erhält man den maximalen Wert von m1: m1max = 1 1 (1 r ) (1 BI-04-05 –25 0) = 1 r = r und c = 0 ein, so