Sind unsere Kinder und Jugendlichen heute eher psychisch krank? Werden Probleme eher „psychiatrisiert“? Aachen 2/2015 Dr. TrostBrinkhues Erkrankungen – Leitsymptome Schulvermeidendes Verhalten Phobien / Ängste Entwicklungsstörungen AD(H)S Depressionen selbstverletzendes Verhalten Medikamentenauswirkungen Beschulbarkeit Dr. TrostBrinkhues Krankheitsrisiken „Multiaxiales“ Beurteilungssystem (ICD 10) „Schnittmenge Verhaltensstörungen“ Auswirkungen auf Gesundheit Dr. TrostBrinkhues Wechselwirkung Psyche / Körper Verständnis von Erkrankungen in ihren biopsycho-sozialen Zusammenhängen: Welche Auswirkungen haben körperliche Erkrankungen auf die emotionale Verfassung, auf die Wahrnehmung, auf die Entwicklung eines Kindes / Menschen, auf dessen Handlungsfähigkeit sowie das soziale Miteinander und die Stellung des Betroffenen in der Gesellschaft? Wie zeigen sich psychische oder neurologische Erkrankungen im körperlichen Ausdruck? In körperlichen Symptomen? Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Jugendlicher kommt nicht zur Schule Mit Wissen und Entschuldigung der Eltern? Ohne Wissen der Eltern? Wie ist der Schulerfolg? Peer-group? Freunde? Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Schulverweigerung Schulschwänzen Schulangst Prüfungsängste „Mobbing“ Soziale Ängste „gemischte“ Symptomatik Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen Anpassungsstörungen Emotionalstörung, Depression, Somatisierungsstörung, Phobie Panikstörung Schulphobie Emotionalstörung m. Trennungsangst (Hyperkinetische) Störung des Sozialverhaltens oppositionelle Störungen Dr. TrostBrinkhues Schulangst Schulvermeidendes Verhalten Symptomatik • Angst vor sozialen und neuen Situationen, Schwierigkeiten mit Mitschülern in Kontakt zu treten • Angst vor negativer Bewertung • Angst vor der Klasse einen Text vorzulesen, etwas vorzutragen; übertriebene Schüchternheit/schnelles Erröten • Körperliche Symptome - Übelkeit, Bauchschmerzen - Erbrechen - Kopfschmerzen - Klassische Angstsymptomatik: Schweißausbrüche, Flush, Angst vor Kontrollverlust, Atemnot, Schwächegefühl Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Schulangst Ätiologie Überforderung Intelligenzminderung (niedrige Intelligenz) Teilleistungsstörung (z.B. Lese-Rechtschreibschwäche) Stigmatisierung Fehlbildungen Erkrankungen (z.B. Ticstörungen oder Epilepsie) Konflikte mit Lehrern/Klassenklima mangelnde soziale Kompetenz (Mobbing) Vulnerabilität für Angststörungen erhöht Dr. TrostBrinkhues Schulphobie Schulvermeidendes Verhalten (Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters (F 93.0)) Symptomatik übertriebene Sorgen um eine Bezugsperson oder um dauerhafte Trennung von ihr Ablehnung oder Vermeidung von Trennungssituationen Schwierigkeiten, alleine zu bleiben Weigerung, getrennt von Bezugsperson zu schlafen, Albträume in Bezug auf Trennungssituationen ausgeprägte Ängste und intensives Leiden somatische Symptome bei drohender oder bestehender Trennungssituation Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Schulschwänzen Symptomatik Schulunlust, Vermeidung von Unannehmlichkeiten Oft fehlende Leistungsvoraussetzungen Vortäuschen des Schulbesuches/Streunen Frustrationsintoleranz „Null-Bock-Symptomatik“ Versagensängste Antriebsarmut Perspektivlosigkeit Wenig Leidensdruck negatives Selbstkonzept Schwänzen alleine oder in der Gruppe Dissozial-Aggressives Verhalten Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Schulschwänzen Vermeidung der unlustgetönten Schulsituation Klassifikation Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F 91.1) Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen (F 91.2) Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (F91.3) Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F 90.1) Anpassungsstörung mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens (F 43.24) Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (F43.25) Dr. TrostBrinkhues Schulvermeidendes Verhalten Schulphobie Schulangst Schulschwänzen Angst in der Schulsituation stark ausgeprägt vorhanden, wechselnde Intensität fehlt Somatisierung stark wechselnd fehlt Persönlichkeit ängstlich, sensitiv ängstlich, sensitiv aggressiv, dissozial Intelligenz durchschnittlich / hoch Lernstörungen fehlen durchschnittlich, heterogenes Profil häufig vorhanden durchschnittlich bis erniedrigt unterschiedlich Lernmotivation hoch gestört niedrig Elternverhalten Schulbesuch überprotektiv, bindend unspezifisch mit Wissen der Eltern mit Wissen der Eltern chronisch unterbrochen sporadisch unterbrochen vernachlässigend ohne Wissen der Eltern sporadisch/chronisch unterbrochen Differentialdiagnose des Schulvermeidenden Verhaltens nach Steinhausen Dr. TrostBrinkhues Andere Phobien Tierphobie (Vögel, Hunde, Spinnen, Schlangen, ...) Spezifische Phobie (Gewitter, Blut, Höhe, ...) Ängste vor Orten („Platzangst“) (Wohnung verlassen, kleine Räume, Aufzug, Bus, Bahn, Flugzeug, Menschenmengen, ... Soziale Phobien („Versagensgefühl“) (Klasse, Vorsprechen, Sport, Prüfung, ...) Dr. TrostBrinkhues Schulrelevante Entwicklungsstörungen Störungen der Motorik Sprachentwicklungsstörungen F. 80 Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten F.81 Lese- / Rechtschreibschwäche Rechenschwäche Aufmerksamkeitsstörungen Dr. TrostBrinkhues F.90 Schulrelevante Entwicklungsstörungen Störungen der Grobmotorik Körperwahrnehmung Körperkoordination Selbstwertgefühl soziale Integration Störungen der Fein- / Grapho- / Visuomotorik Arbeitstempo Ermüdbarkeit Schriftbild Lesbarkeit expressive und receptive Sprache Artikulation, Grammatik Sprachverständnis Dr. TrostBrinkhues Schulrelevante Entwicklungsstörungen Expressive Sprache Morphologie / Syntax des Satzbaus, Grammatik Artikulation Phonation (Klang der Sprache) Redefluss / Luftstrom-Artikulations-Koordination Receptive Sprache phonematische-akustische Differenzierungsfähigkeit phonologische Bewusstheit rhythmisch-strukturierende Differenzierungsfähigkeit auditive Merkfähigkeit Dr. TrostBrinkhues Schulrelevante Störungen ADS mit Hyperaktivität ADS ohne Hyperaktivität Aufmerksamkeit Impulsivität Wahrnehmung Informationsverarbeitung Sozialverhalten Lernleistungen Selbstwertgefühl Dr. TrostBrinkhues Was man weiß, was man wissen sollte Prozesse wie Input, Selektion, Verarbeitung, Erfahrungen ..... sind beteiligt! unter anderem: peripheres und zentrales Hörvermögen peripheres und zentrales Sehvermögen weitere Sinneswahrnehmungen ..................... Dr. TrostBrinkhues Was man weiß, was man wissen sollte „normale“ Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitsspanne: „in eine Tätigkeit versinken“ ca. 15 min für 5-7 Jahre ca. 20 min für 7-10 Jahre ca. 25 min für 10-12 Jahre ca. 30 min für 12-14 Jahre ???? für Jugendliche und Erwachsene? Dr. TrostBrinkhues Was man weiß, was man wissen sollte Neurotransmitter spielen die wahrscheinlich wichtigste Rolle Dopamin, Serotonin, ..... zahllose neuronale Verknüpfungen spielen eine Rolle Jeder von uns ist anders! Dr. TrostBrinkhues Was man weiß, was man wissen sollte Diese Prozesse werden „negativ“ beeinflusst u.a. durch: „Temperament“ und Genetik Flüssigkeitsmangel, Elektrolytverschiebungen Infektionen mangelnde Bewegung, Schlafmangel Störungen der Sinneswahrnehmungen Überreizung? .................... Dr. TrostBrinkhues Dopamine SLC6A3/DAT1 DRD5 DRD4 Noradrenaline SLC6A2/NET ADRA2CADRA2A Serotonin SLC6A4/5HTT TPH-2 HTR1B (Nicotinic a4) CHRNA4 (NMDA2A), GRIN2A, SNAP 25, BDNF Cell division, cell adhesion, neuronal migration, Plasticity, K+-channels Psychosozialer Stress Niedrige soziale Klasse mütterlicher Stress, Ehekonflikte, Geburt Nikotin, Alkohol Unterschiedliches Einwirken auf die verschiedenen Hirnstrukturen insbesondere im Frontalhirn PURPER-OUAKIL,et al. Dr. 2011Trost- Brinkhues Untersuchungen von Prof. Dr. Remirez, Seattle zum Thema: „Baby Einstein“ Jan-Marino (Nino) Ramirez, PhD is a Professor of Neurological Surgery and Director of the Center for Integrative Brain Research at the Seattle Children's Research Institute Dr. TrostBrinkhues Was man weiß, was man wissen sollte ADS 1-2 % ADHS UES 3-5 % (Teilleistungsstörungen) ca. 5% „andere“ Konzentrations- und Lernleistungsstörungen etwa 5-10 % => zunehmend??? Dr. TrostBrinkhues „Doppeltes“ Diskrepanzkriterium 1. Diskrepanz: Niveau im Lesen und /oder in der Rechtschreibung ist mangelhaft oder ungenügend im Vergleich zur altersgleichen Schulpopulation; (testdiagnostisch Prozentrang < 10) 2. Diskrepanz: Das Niveau im Lesen und in der Rechtschreibung ist wesentlich niedriger als das gemessene individuelle Intelligenzniveau (testdiagnostisch Differenz von 15 T-Wert-Punkten) Dr. TrostBrinkhues „Doppeltes“ Diskrepanzkriterium Voraussetzung: Grundbegabung im Normalbereich (normale Intelligenz, IQ 85 – 115 bzw. > 85) Störungsdimension: Funktion/Teilleistung ist sehr viel schlechter als Grundbegabung 1.) messtechnisch Differenz mind. 15 T-Wert-Punkte und Funktion/Teilleistung liegt deutlich unter der unteren Normalbereichsgrenze 2.) messtechnisch Leistung unter PR = 10 Dr. TrostBrinkhues Differentialdiagnose ADHS/LRS ADHS LRS vor Schule 2. Klasse Aufmerksamkeitsproblem vor Schule 2. Klasse Leistungsverweigerung vor/ab Schule zunehmend Angst selten häufig Depressive Symptome nach der 3. Klasse früh und häufig Symptome Ausgangslage Beginn der Unruhe Störung des Sozialverhaltens (40) – 90 % seltener Schulverweigerung oft schon in der GS nach Esser oft in der Pubertät Dr. TrostBrinkhues Kinder/Jugendliche mit umschriebenen Entwicklungsstörungen zeigen signifikant schlechtere Schulleistungen, die ohne Intelligenzminderung in den Bereich der Minderbegabung sinken dreimal so häufig: fehlende Ausbildung längere Arbeitslosigkeit sekundäre kinder- und jugendpsychiatrische Störungsbilder (ca. 50%!!!) mit zunehmender Tendenz zu Störungen des Sozialverhaltens viermal so häufig: Straffälligkeit im Jugendalter (22% vs. 5,8%) nach Prof. Esser Dr. TrostBrinkhues Auswirkungen von UES auf Schule und Beruf Aufwand und Anstrengung erhöht Motivation immer wieder nötig Lust und Erfolg hängen direkt zusammen Frustrationen häufiger und heftiger => beeinflussen die Lernfähigkeit von Anfang an!!! Dr. TrostBrinkhues Depressionen im Kindes- und Jugendalter Traurige Grundstimmung, Grübeln Niedergeschlagenheit, Weinerlichkeit Unzufriedenheit, Gereiztheit Ängste Konzentrationsprobleme Schlafstörungen Essstörungen ... Dr. TrostBrinkhues Depressionen im Kindes- und Jugendalter Traurige Grundstimmung, Grübeln Niedergeschlagenheit, Weinerlichkeit Unzufriedenheit, Gereiztheit Ängste Konzentrationsprobleme Schlafstörungen Essstörungen ... Dr. TrostBrinkhues Selbstverletzendes Verhalten von Jugendlichen Hände / Unterarme, Beine, Bauch ... - ritzen, schneiden, ... - verbrühen, Zigarette ausdrücken, ... beißen Nägel / Finger, Wange, ... Körperschemastörung, Zwangsstörung Anorexie, Depression, nach Missbrauch „Spannung, Wut, Selbsthass, ...“ Dr. TrostBrinkhues Selbstverletzendes Verhalten bei geistig behinderten oder autistischen Kindern / Jugendlichen Kopf stoßen, schlagen, Haare ausreißen, beißen, ...... Selbststimulation? Bewegungsstereotypien? Kommunikationsform? Dr. TrostBrinkhues „Beschulbarkeit“, „Beurlaubung“ Schulpflicht, Schulausschluss, ... Eigengefährdung Fremdgefährdung? stundenweise Ausschluss? Nein! stundenweise Beschulung? Dr. TrostBrinkhues Verhaltensstörungen was können Sie leisten? Wer hat ein Problem? Wer leidet darunter? Welches ist das vordringliche Problem? Gibt es einen „Krankheitsgewinn“? Psychosoziales Bedingungsgefüge? Elternarbeit? Kollegiale Beratung? Dr. TrostBrinkhues Häufiger als vermutet psychosoziale Belastungen Bindungsstörungen Gewalterfahrung Elternstreit Elterntrennung psychische Probleme der Eltern => Wo sind Ressourcen? Dr. TrostBrinkhues Häufiger als vermutet Geschwisterrivalität Probleme in der Peer-group Probleme in der Schule u.a. Mobbing, Bullying.... (Täter und/oder Opfer?) Angst-, Zwangsstörungen, Depression,..... also eigene psychische Probleme! Dr. TrostBrinkhues „Neue“ Ursachen Fernsehen und PC „einseitige“ Sinnesanforderungen Schlafmangel !!! allein (gelassen) sein mangelnde Bewegung mangelnde Anregungen und mangelnde Förderung Dr. TrostBrinkhues Krankheitsrisiken Jugendliche mit mangelnder Intelligenz, mangelhafter Bildung und Ausbildung zeigen 2-3 x so häufig ein schulvermeidendes Verhalten und psychosomatisch begründete Fehlzeiten einen riskanten Substanzmissbrauch und ungesteuertes Suchtverhalten, haben ein 2-3 faches Unfallrisiko Dr. TrostBrinkhues Krankheitsrisiken Jugendliche mit mangelnder Intelligenz, Bildung und Ausbildung zeigen eine erhöhte Rate an delinquentem Verhalten sowie Impulsivität und Gewaltbereitschaft, sind 2-3 mal häufiger bei Körperverletzungen beteiligt Dr. TrostBrinkhues Krankheitsrisiken Jugendliche mit mangelnder Intelligenz, Bildung und Ausbildung nehmen später oder gar keine ärztliche Hilfe in Anspruch sind zur Hälfte trotz Erkrankungen nicht in Behandlung nutzen keine gezielte Medikation, auch nicht bei chronischen Erkrankungen Dr. TrostBrinkhues Intelligenz und Bildung? Traurige Fakten aus 2012 7-8 % der Jugendlichen in der BRD bleiben ohne einen Schulabschluss 14 % der Jugendlichen bleiben ohne weitere Ausbildung => keine Aufgabe, kein Ziel, erhöhtes Krankheitsrisiko Dr. TrostBrinkhues Intelligenz und Bildung?! Zusammenhang zwischen einer „umfassenden Intelligenz“ und den Bildungschancen Zusammenhang zur Bildungsferne der Eltern Zusammenhang mit den frühen, allgemeinen Förderbedingungen Dr. TrostBrinkhues Intelligente Gesellschaft Förderung und Forderung an jedes Kind, jeden Jugendlichen, unabhängig von den Grundvoraussetzungen (IQ), der Bildungsferne und der sozialen Beeinträchtigung Orientierung an den individuellen Ressourcen, Förderung der kleinen „Begabungen“ nicht der „Defizite“ Dr. TrostBrinkhues Lasst uns kein Kind / keinen Jugendlichen „verlieren“ Dr. TrostBrinkhues