Zur Rolle der Psychotherapie bei der Behandlung depressiver Störungen Dr. med. Rainer Jung Klinik für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie Ärztehaus Braunschweig, 14.04.2010 Spannungsfelder zwischen Interessensvertretern Psychopharmaka blockieren das Vorankommen des Patienten während einer Psychoanalyse, daher: „Keine Uppies, keine Downies!“ (noch Mitte der 80er Jahre an Analytischen Ausbildungsinstituten mündlich tradiert) „Die konventionelle Psychiatrie ist … von Gesprächsarmut geprägt.“ (Andreas Knuf in der Zeitschrift „Psychosoziale Umschau“ 4/2008) Zeitschrift „Psychiatrische Praxis“: „Multiplizität der Depression“ Kein einziger Artikel über Stellenwert der Psychotherapie! (Supplement 3 - 2007) Psychotherapie ist „additional“ oder „supportiv“ einzusetzen, wenn Antidepressiva nicht ausreichend wirken. (Kernaussage verschiedener „medikamentenlastiger“ Therapiealgorithmen der vergangenen Jahre) Übersicht Unipolare Depressionen: S3-Leitline und Psychotherapieforschung Allgemeine Psychotherapie bei Depressionen Aspekte zu störungsspezifischen Verfahren Bedeutung der unipolaren depressiven Störungen Hohe Prävalenzraten - Lebenszeitprävalenz der unipolaren Depressionen: Männer 12,3%, Frauen 25,0% - Angenommen werden noch einmal so viele „subklinisch“ depressive Patienten mit hohem Erkrankungsrisiko - Ersterkrankungsalter sinkt stetig, insbesondere bei Frauen - Nach WHO-Hochrechnungen: Depressionen rücken bis 2020 an die 2. Stelle der weltweit häufigsten Erkrankungen Großes persönliches Leid Schwierige Behandlung (Hausarzt + Fachtherapeut) Gesellschaftliche Folgekosten Bundesgesundheitssurvey (1999); Jacobi u. Wittchen (2004) Spektrum der unipolaren depressiven Störungen Unipolare episodische Depressionen (2/3) Unipolare chronische (Dauer > 2 Jahre) Depressionen (1/3) Chronische Major Depressive Episoden (MDE) Dysthyme Störung (leichter ausgeprägte Symptomatik) Double Depression (MDE auf einer dysthymen Störung aufgepfropft) MDE mit unvollständiger Remission Chronische MDE Höherer Beeinträchtigungsgrad! Dysthymie Häufiger Komorbiditäten! MDE Dysthymie Double Depression MDE MDE MDE MDE mit unvollständiger Remission zwischen den Episoden Dunner (2001), Schramm (2006) Hohe Non-Response und Rückfallneigung Keine Reaktion oder nur teilweise Reaktion auf Behandlung (in Studien) ca. 30-50% Wiedererkrankungsrisiko - nach einer depressiven Episode ca. 50-75% - nach mehreren depressiven Episoden ca. 80% Chronifizierung (Beschwerden mindestens 2 Jahre) Linden et al. (2003); Schauenburg (2009) ca. 15-30% Multiple-Entry-Modell der Depression Komorbiditäten Gotlib u. Hooley (1988); Schauenburg (2003) S3-Leitlinie und weitere aktuelle Literatur DGPPN-Kongress 11/2009 31 Fachgesellschaften 263 Seiten / 1227 Literatur-Stellen 107 Empfehlungen S3-Leitlinie Unipolare Depression Gültigkeitsbereich nach ICD-10: - Depressive Episoden (F32) - Rezidivierende depressive Störungen (F33) - Anhaltende affektive Störungen (hier nur Dysthymie, F34.1) - Sonstige affektive Störungen (hier nur rezidivierende kurze depressive Störung, F38.1) - Ab Behandlungsalter 18. Lebensjahr S3: höchste Gütestufe Struktur: Evidenzgrade und Empfehlungsgrade - Evidenzgrade: Orientierung an Studiendaten (Schwerpunkt: RCTs) - Empfehlungsgrade: Orientierung auch an der „klinischen Machbarkeit“ Format: Empfehlungen, keine bindenden Richtlinien Interdisziplinärer Kontext: Hausärzte + Vertreter der P-Fächer Kernaussagen der S3-Leitlinie (I) Bei leichten Depressionen Antidepressiva nicht empfohlen Bei mittelschweren Depressionen in der Akutphase: Antidepressiva gleichwertig mit Psychotherapie, aber weniger „nachhaltig“ Bei schweren Depressionen Ergänzung durch Psychotherapie der alleinigen Pharmakotherapie überlegen Alle Antidepressiva einschließlich Johanniskraut vergleichbar wirksam (differenzielle Indikation wegen Nebenwirkungen und bezüglich sedierender Komponente) Kernaussagen der S3-Leitlinie (II) Grundlage jeder Psychotherapie: - tragfähige therapeutische Beziehung Behandlung akuter episodischer Depressionen: - Akute leichte Ausprägung: ev. 14 Tage aktive abwartende Begleitung, danach spezifische Therapie einleiten - Akute leichte bis mittelschwere Ausprägung: alleinige Psychotherapie - Akute schwere Ausprägung: Kombination Medikation + Psychotherapie Behandlung chronischer Depressionen: - Kombination Medikation + Psychotherapie Erhaltungstherapie bzw. Rezidiv-Prophylaxe: - Alleinige Psychotherapie oder Kombination Medikation + Psychotherapie (nach Schweregrad) Behandlung therapieresistenter Depressionen: - Kombination Medikation + Psychotherapie Kernaussagen der S3-Leitlinie (III) Evidenzen für: Richtlinienverfahren der GKV Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) Tiefenpsychologisch fundierte Fokaltherapie (TfP-F) Tiefenpsychologisch fundierte Langzeitherapie (TfP-LZ) Analytische Psychotherapie (AP) Interpersonelle Psychotherapie (IPT) Gesprächstherapie (GPT) (CBASP: bislang kaum Daten) (Systemische Psychotherapie bislang unberücksichtigt) unterstrichen: stärkere Evidenz Einige Aspekte aus der Psychotherapieforschung Aus der Psychotherapieforschung (I) Grundsätzlich hohe Aussagekraft bei Psychotherapie-RCTs, aber: Bei bisherigen Studien bestehen z. B. Problemfelder bei/mit: - Verblindung - Kontroll- und Wartegruppen - Unrealistisch homogenisierten Stichproben (70% ausgeschlossen) - Mangelnder Berücksichtigung der „Therapeutengüte“ - Mangelnder Berücksichtigung unspezifischer Wirkfaktoren Beachte: S3-Leitlinie gibt keine spezifischen Empfehlungen für einzelne Psychotherapie-Verfahren! Das Fehlen von Studien bedeutet nicht „Nicht-Wirksamkeit“! z. B. Parker u. Fletcher (2007); Schauenburg (2009) Aus der Psychotherapieforschung (II) Zahlreiche Studien belegen die grundsätzliche Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung depressiver Störungen. Ihre Effektivität variiert u. a. mit dem Schweregrad, der Chronizität und der Symptomausgestaltung. Unterschieden werden: - Verfahrensunabhängige Wirk- und Einflussfaktoren - Verfahrensspezifische Faktoren z. B. Grawe (1994-2001); S3-Leitlinie (2009) Aus der Psychotherapieforschung (III) Verfahrensunabhängige Wirkfaktoren: - Qualität und Ausgestaltung der therapeutischen Beziehung - Ressourcenaktivierung - Problemaktualisierung und Problembewältigung - Motivationale Klärung (Förderung von Einsicht) Patientenvariablen: - Ausprägung des Störungsbildes - Persönlichkeitsstruktur - Lebensgeschichte und prämorbide Belastungen - Psychische Komorbidität Therapeutenvariablen z. B. Grawe (1994-2001); S3-Leitlinie (2009) Allgemeine Psychotherapie bei Depression Allgemeine Psychotherapie bei Depression (I) Basiselemente: - Aktives und stützendes Vorgehen - Empathische Kontaktaufnahme - Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung - Vermittlung von Ermutigung und Hoffnung - Exploration des subjektiven Krankheitsmodells - Klärung aktueller Motivation und Erwartung an die Therapie - Aufklärung über die vorliegende depressive Störung - Vermittlung eines Bio-Psycho-Sozialen Krankheitsmodells zur Entlastung von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen S3-Leitlinie (2009) Allgemeine Psychotherapie bei Depression (II) Basiselemente: - Klärung aktueller äußerer Problemsituationen - Entlastung von Pflichten und Ansprüchen in Familie und Beruf - Einbeziehen von Angehörigen - Verhinderung von Wünschen nach überstürzter Veränderung der Lebenssituation - Stärkung von Ressourcen - Unterstützung beim Formulieren und Erreichen konkreter umsetzbarer Ziele zum Wiedergewinnen von Erfolgserlebnissen (Aktivitätenaufbau durch Miniaufgaben, Tagesstrukturierung; Schutz vor Überforderung!) - Vermittlung von Einsicht in die Zusammenhänge von Depressivität und somatischen Beschwerden - Ggf.: Vermittlung von Einsicht in die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie S3-Leitlinie (2009) Allgemeine Psychotherapie bei Depression (III) Schwierigkeiten und Fehler im Umgang mit akut Depressiven: Nichterkennen des Umfangs der Symptomatik (Cave: Suizidalität!) Bagatellisieren „Aktionismus“ (Nichtaushalten von eigener Hilflosigkeit) „Ausagieren“ der eigenen Gegenübertragung Unreflektierter Verweis auf „Positives“ (Überforderung, Mobilisierung von Schuldgefühlen) Zu frühe Deutung der latenten Aggression Vermeiden von Medikamenten trotz Indikation Schauenburg (2003 u. 2009) Störungsspezifische Psychotherapie bei Depression - Beispiele - Psychotherapeutische Grundrichtungen Psychodynamische Therapien Kognitive Verhaltenstherapie Humanistische Therapien Was sind die Ursachen von psychischen Störungen? Störungen in der frühkindlichen Entwicklung intrapsychische Konflikte psychische Abwehrprozesse (z. B. Verdrängung) Unangemessene Gedankenund Verhaltensmuster gelernt aufgrund von Lebenserfahrungen fehlende Übereinstimmung zwischen der Lebenssituation und dem, was man wirklich ist (“Selbst”) Welche Ziele verfolgt die Therapie? Bearbeiten von intrapsychischen Konflikten Einsicht in unbewusste psychische Prozesse Erlernen von Alltagskompetenzen Veränderung der Wahrnehmung von sich und der Welt Erlangen von Selbstkontrolle Entwicklung des Selbst Entwicklung zu einer “ganzheitlichen” Persönlichkeit Selbstverwirklichung Auf welchen Zeithorizont bezieht sich die Therapie? Verstehen der Gegenwart mit Hilfe der Vergangenheit v. a. auf die Gegenwart v. a. auf die Gegenwart Welche Mittel kommen in der Therapie in erster Linie zum Einsatz? Erinnerungen Freies Assoziieren Deuten von Träumen, Fehlleistungen (z.B. Versprechern), Widerständen Bearbeiten von Erlebnissen aus der Beziehung zwischen Therapeut und Patient (Übertragung) Beobachten Belohnen Konfrontation Analyse und Veränderung von Gedankenmustern Übungen, Rollenspiele Akzeptieren des Patienten Empathie Gespräche Spiegeln KVT: Kognitive Verhaltenstherapie (I) Seligman (1974), Beck (1974), Lewinsohn (1974), Hautzinger (1984) Grundannahmen: - Depressive Erkrankungen beruhen auf einer kognitiven Störung - Kognitive Verzerrungen: Automatische und wiederkehrende negative Denkschemata über das Selbst, die Umwelt und die Zukunft („Kognitive Triade“ nach A. Beck) - Aktivierung und Verstärkung in belastenden Situationen Therapieziele: - Veränderung dysfunktionaler Einstellungen und Denkschemata und Entwicklung alternativer Denk- und Verhaltensmuster KVT: Kognitive Verhaltenstherapie (II) Seligman (1974), Beck (1974), Lewinsohn (1974), Hautzinger (1984) Therapieprinzipien: - Störungsspezifisch - Individuelle Problemanalysen - Problemlösestrategien - Schrittweiser Aktivitätenaufbau - Kognitive Umstrukturierung - Entspannungstechniken - u.v.m. - Aktives und strukturiertes manualisiertes Vorgehen Aaron Beck IPT: Interpersonelle Psychotherapie (I) Klerman u. Weissman (1984), Schramm (1998) Störungsspezifische Kurzzeittherapie Pragmatische Kombination kognitiv-behavioraler und psychodynamischer Konzepte Grundannahmen: - Depression und interpersonelle/psychosoziale Probleme hängen zusammen - Frage nach Ursache oder Folge sekundär Therapieziele: - Verbesserung der aktuellen zwischenmenschlichen Beziehungen - Aufbau bzw. Nutzung eines sozialen Netzwerkes - Ohne Versuch einer tiefgreifenden Änderung der Persönlichkeitsstruktur IPT: Interpersonelle Psychotherapie (II) Klerman u. Weissman (1984), Schramm (1998) Therapieprinzipien: - Sicht der Depression als behandelbare medizinische Erkrankung - Patient in expliziter Krankenrolle - Therapeut als aktiv unterstützender Advokat des Patienten - Individuelles interpersonelles Hauptproblem im Fokus - Hochstrukturiertes manualisiertes Vorgehen, 12-20 Sitzungen - Unterschiedliche Setting-Formen - Adaptationen für andere Störungsbilder Myrna Weissman Elisabeth Schramm CBASP: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (I) McCullough (2000, 2003, 2006) Das bisher einzige störungsspezifische Verfahren bei chronischer Depression (> 2 Jahre) Verknüpfung kognitiv-behavioraler, interpersoneller und psychodynamischer Strategien Grundannahmen: James McCullough Jr. - Frühe Traumatisierung i.w.S. blockiert die kognitive und emotionale Entwicklung des Patienten auf einer frühen Stufe - Entspricht etwa der Reifestufe eines gesunden Kindes im Alter von 3-5 Jahren - Zentrale Psychopathologie des chronisch Depressiven ist das präoperatorische Denken (Piaget): · Selbst- und Fremdwahrnehmung ausschließlich ich-zentriert · Mangelnde Fähigkeit zu authentischer interpersoneller Empathie · Verbale Kommunikation vorwiegend monologisch · Denkprozesse mit logischen Argumenten nicht erreichbar CBASP: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (II) McCullough (2000, 2003, 2006) Therapieziele: - Aufhebung der präoperatorischen Entkoppelung der Wahrnehmung des Patienten von seiner Umwelt - Erkennen der Konsequenzen des eigenen Verhaltens - Erlernen sozialer Problemlösefertigkeiten und Bewältigungsstrategien Therapieprinzipien: - Situationsanalysen - Interpersonelle Techniken - Nutzung von Übertragungs- und Gegenübertragungs-Phänomenen - Fertigkeitentraining - Verhaltensmodifikation - Manualisiertes Vorgehen Psychodynamische Kurzzeittherapien (I) Auswahl: - Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie (Davanloo, 1978) - Zeitbegrenzte dynamische Psychotherapie / CMP (Strupp u. Binder, 1984) - Zentrales Beziehungskonflikts-Thema (Luborsky, 1984) - Dynamische Psychotherapie (Dührssen, 1988) Grundannahmen: - Vor dem Hintergrund unsicheren Bindungserlebens in der Kindheit - Auslösung von Depressionen durch Verlust- bzw. Kränkungserlebnisse - Keine angemessene Verarbeitung wegen konflikthafter innerer Situation - Ambivalent besetzte Objekte - Aggressive Affekte vs. rigide Gewissensbildung - Wendung der Aggressivität gegen das Selbst Psychodynamische Kurzzeittherapien (II) Therapieziele: - Bewusstmachung der Konflikte und Einsichtsförderung - Nutzung und Stärkung vorhandener Fähigkeiten - Dadurch Konflikt-Entschärfung und bessere Bewältigung von Alltagsproblemen Therapieprinzipien: - Fokus-Suche und Fokus-Formulierung - Regressionsvermeidende Atmosphäre - Konzentration auf begrenzte Krisen - „greifbarer“ Therapeut - Teilweise manualisiertes Vorgehen Habib Davanloo Lester Luborsky GPT: Gesprächspsychotherapie (I) Rogers (1942, 1972), Greenberg et al. (1993) Hauptrichtung der Humanistischen Psychotherapieverfahren Grundannahmen: - Fähigkeit zur Selbstheilung, zur Problemlösung und zu persönlichem Wachstum bei jedem Menschen vorhanden - Aktivierung und Förderung im therapeutischen Prozess möglich - Depressionstypisch: Diskrepanz zwischen Selbstbild und Selbstideal - Selbstabwertung und Selbstunzufriedenheit induzieren starkes Bedürfnis nach Bestätigung und Anerkennung - Folge: dysfunktionales Beziehungsverhalten Therapieziele: - Förderung der Fähigkeit zur Selbstexploration - Bessere Anerkennung eigener Gefühle und Bedürfnisse - Rücknahme der Überhöhung des Selbstideals - Korrektur unangemessener Beziehungserwartungen GPT: Gesprächspsychotherapie (II) Therapieprinzipien: - Bejahende, anerkennende Grundhaltung durch den Therapeuten - Empathie, - Kongruenz (aufrichtiges Mitteilen des Verstandenen) und - Zugewandtheit (bedingungslose Wertschätzung) - ermöglichen konstruktive Persönlichkeitsveränderungen Carl Rogers IPT und CBASP erlernen Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Psychotherapie – Freiburg Abteilung „Depression“ Regelmäßige Curricula für IPT und CBASP www.awp-depression.de Versorgungsrealität „Ambulante psychotherapeutische Versorgungsqualität in Deutschland gut“ (Bermejo et al., 2008), aber: Zu lange Wartezeiten bei ambulanten Psychotherapeuten Häufig mangelnde Interaktion zwischen stationären und ambulanten Leistungsanbietern Gefahr der Reduzierung psychotherapeutischer Leistungen im Rahmen von integrierten Versorgungsmodellen oder Selektivverträgen bei einigen Kostenträgern Empfehlungen der S3-Leitlinie im Sinne eines MindestQualitätsstandards sind also nicht durchgehend realisierbar! Zusammenfassung Jede wissenschaftlich fundierte Psychotherapie ist von Anfang an bei allen Formen und Schweregraden unipolarer depressiver Erkrankungen indiziert. S3-Leitlinie (2009) stärkt die grundsätzliche Bedeutung der Psychotherapie, ohne spezielle Verfahren zu favorisieren. Störungsspezifische Verfahren haben in der Regel höhere Evidenzen als allgemeine Verfahren. Psychotherapie ist meistens ebenso wirksam wie Pharmakotherapie; sie hat zwar längere Wirklatenz, ist dafür aber nachhaltiger. Die Empfehlungen der S3-Leitlinie und die Versorgungsrealität klaffen zur Zeit deutlich auseinander. Zum Abschluss … Ein Kind, das sich in der Dunkelheit ängstigte, hörte ich im Nebenzimmer rufen: „Tante, sprich doch mit mir, ich fürchte mich.“ „Aber was hast du davon? Du siehst mich ja nicht!“ Darauf das Kind: „Wenn jemand spricht, wird es heller.“ Sigmund Freud (1917): 25. Vorlesung zur Einführung in die Psychoanalyse