Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
2
1
Aus der Kursbeschreibung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2
Vorwort
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
Philosophische Grundlagen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3.1
Positivismus
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3.2
Operationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
3.3
Popper
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
3.4
Kuhn
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
4
Mathematische Grundlagen
4.1
Die komplexen Zahlen
4.2
Vektorräume
4.3
Skalarprodukt
4.4
Basen
4.5
Matrizen und Operatoren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
5
Der Stern-Gerlach-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
6
Axiome der Quantenmechanik
7
Das Stern-Gerlach-Experiment in der Quantenmechanik
8
Heisenbergsche Unschärferelation
9
Verschränkung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
10
Einstein-Podolski-Rosen-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
10.1
Gedankenexperiment
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
10.2
Quantenmechanische Deutung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
10.3
Erklärung von Einstein, Podolski und Rosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
11
Bellsche Ungleichungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
11.1
Bells Argumentation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
11.2
Quantenmechanische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
12
Kopenhagener Deutung, Messproblem, Kollaps
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
12.1
Messproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
12.2
Was genau ist eine Messung?
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
13
Viele-Welten- und Viele-Bewusstseine-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
14
Putnam ein Philosoph schaut auf die Quantenmechanik
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
1
Quanten: Mathematik und Philosophie einer
physikalischen Idee
1 Aus der Kursbeschreibung
Die Quantentheorie ist die dominierende Theorie der
Ziel des Kurses ist es, eine Einführung in den For-
zeitgenössischen Physik. Allerdings steht die Quanten-
malismus der Quantenmechanik zu geben und deut-
theorie neben der Relativitätstheorie immer noch sym-
lich zu machen, welche Schwierigkeiten dabei auftreten.
bolisch für eine verrückte Idee, die nur wenigen Ein-
Kontrastierend zur klassischen Physik werden die Ide-
geweihten zugänglich sei. In der Tat handelt es sich
en der Quantenmechanik anhand von Zwei-Zustands-
bei der Quantenphysik um ein stark mathematisiertes
Systemen wie dem Stern-Gerlach-Versuch diskutiert.
Gebiet, denn nur die Mathematik gibt uns eine Spra-
Dies wird die Motivation liefern für die Aufstellung
che, mit der Quantenphänomene überhaupt beschrie-
von Postulaten, die den mathematischen Formalismus
ben werden können.
der Theorie bestimmen. Dazu werden Konzepte wie
Die Theorie scheint gut zu beschreiben, was wir beobachten. Dies ist jedoch oft so überraschend, dass ihre Interpretation groÿe Verunsicherungen darüber hervorruft, was wirklich ist. Sehr grundlegende Annahmen gerieten angesichts der experimentellen Bestätigung der Quantentheorie ins Wanken. Die Quantentheorie zwingt uns, über das Verhältnis zwischen un-
Vektor- und Hilbertraum, Matrizen- und Operatorenkalkül eingeführt. Soweit es der Kursverlauf zulässt,
werden die entsprechenden Zusammenhänge exakt bewiesen werden. Der Begri der Messung wird erläutert, ebenso der der Verschränkung, um anhand der
Bellschen Ungleichungen die Folgerungen der Postulate (Nichtlokalität) zu veranschaulichen.
seren Beobachtungen, deren Beschreibungen in mathe-
Während des gesamten Kurses werden die erkenntnis-
matischer Formulierung und der Realität an sich neu
und wissenschaftstheoretischen Herausforderungen der
nachzudenken.
Quantenmechanik im Blick behalten und die verschiedenen Einwände diskutiert. Alternative Interpretati-
2
Akademie Braunschweig 2006-2
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
onsmöglichkeiten auch jenseits der Kopenhagener Deu-
schlossen, die in Kleingruppen bearbeitet und den an-
tung werden zur Sprache kommen. Mit ausgewähl-
deren Teilnehmern vorgestellt werden.
ten Texten werden Teilaspekte der Quantentheorie er-
2 Vorwort
(Christian Ströbele und Thomas Neusius)
Es gab eine Zeit, als Zeitungen sagten, nur zwölf Menschen verstünden die Relativitätstheorie. Ich glaube nicht,
dass es jemals eine solche Zeit gab. Auf der anderen Seite denke ich, es ist sicher zu sagen, niemand versteht
die Quantenmechanik.
Richard Feynman
Über zwei Wochen haben wir uns mit der Quanten-
Enthusiasmus mitgearbeitet haben. Engagierte Diskus-
physik beschäftigt. Dazu haben wir die mathemati-
sionen zum Thema haben sich immer wieder ergeben
schen Grundlagen erarbeitet und gesehen, wie die Phy-
und gezeigt, dass den Teilnehmern das Thema auch aus
sik ausgehend von wenigen Grundannahmen die Natur
philosophischer Sicht wichtig war. Sowohl an den phy-
beschreibt. Anschlieÿend haben wir uns den verschie-
sikalischen als auch an den philosophischen Aspekten
denen Interpretationen genähert und gesehen, welche
bestand groÿes Interesse. Mehrfach mussten wir deswe-
Konsequenzen die Philosophie aus den Entdeckungen
gen über unser vorbereitetes Programm hinaus zusätz-
der Quantenphysik gezogen hat.
liches Material zur Verfügung stellen.
Der deduktive Zugang zum Thema lag uns dabei sehr
Der Kurs hat uns sehr viel Spaÿ gemacht und wir möch-
am Herzen. Dafür mussten wir in Kauf nehmen, dass
ten Euch, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, an
zu Beginn nicht erkennbar war, welchen Zweck die um-
dieser Stelle nochmals herzlich danken, für die erfüll-
fangreiche Mathematik hat, die wir in kurzer Zeit ver-
ten 17 Tage, die wir mit Euch verbringen durften!!!
mittelt haben. Der Verzicht auf anschauliche Beispiele
und Analogien, wie sie sowohl im Unterricht als auch
in den meisten populärwissenschaftlichen Büchern zu
nden sind, hatte aus unserer Sicht den Vorzug, direkt deutlich zu machen, dass eine quantenmechanische
Beschreibung auf Begrie der Alltagserfahrung weitgehend verzichten muss. Im Rahmen der Mathematik ist eine ausgesprochen exakte Beschreibung dessen
möglich, was experimentell beobachtet werden kann.
Manche Schwierigkeiten, wie der sogenannte WelleTeilchen-Dualismus , verlieren in diesem Kontext ihre Bedeutung. Wir glauben, dass ohne die Abstraktion
der mathematischen Formulierung ein Zugang zu den
Kernproblemen der Quantenmechanik unmöglich ist.
2.1 Einleitung
Der Dokumentationsbeitrag gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil (Abs. 1.3) werden einige philosophische insbesondere die Erkenntnistheorie betreende
Grundpositionen geklärt, die im Rahmen der Quantenmechanik von besonderer Bedeutung sind. Im zweiten Teil (Abs. 1.4) erläutern wir die mathematischen
Begrie, die in der Quantenmechanik verwendet werden. Der dritte Teil (Abs. 1.51.11) stellt ausgehend
von einer Diskussion des Stern-Gerlach-Versuches die
Axiome der Quantenmechanik vor und zeigt, wie mit
diesen eine Beschreibung der experimentellen Ergeb-
Es hat uns viel Freude bereitet, zu sehen, dass die Teil-
nisse ermöglicht wird. Im letzten Teil (Abs. 1.121.14)
nehmer unseres Kurses sich durch den zu Beginn stei-
werden verschiedene Vorschläge zur Interpretation der
nigen Weg zur Quantenmechanik nicht haben abschre-
Quantenmechanik vorgestellt.
cken lassen und immer mit groÿer Motivation und viel
3 Philosophische Grundlagen
(Sylvio Donner, Marco Aliprandi, Erich Schröder)
3.1 Positivismus
wird. Man versteht unter Positivismus eine naturwissenschaftlich-philosophische Position, die im 19. und
Der Begri Positivismus stammt vom lateinischen Verb
am Anfang des 20. Jahrhunderts viele Anhänger zählte.
ponere, was setzen oder vorsetzen bedeutet und hier
Sie hat im Empirismus und in der Aufklärungsphiloso-
im Sinne von durch Sinnesdaten gegeben verwendet
phie und deren Idealbild des Menschen ihre Wurzeln.
3
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Akademie Braunschweig 2006-2
Abb. 1.1: Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Dieser Mensch verfügt über eine naturwissenschaftli-
gerungen zu kontrollieren. Der Philosoph sollte sich so
che Denkart und wirft einen objektiven Blick auf die
von rein spekulativen Beschäftigungen lösen und sich
Welt und deren Phänomene und hält nur das für wahr,
der Erfahrung widmen. Fragen wie die der Erstursa-
was tatsächlich überprüft werden kann. Die Skepsis
che und der Letztbestimmung werden als sinnlos ein-
gegenüber spekulativen Theorien ist, den Positivisten
gestuft. Diese Auassung hat auch eine politische Di-
zufolge, keineswegs für die Entwicklung der Mensch-
mension: Durch die Lehre des logischen Denkens dem
heit einschränkend, sondern ermöglicht direkte und in-
Volk den Sinn für ein demokratisches Staatswesen zu
direkte Fortschritte, insbesondere was die technologi-
vermitteln. Im 20. Jahrhundert nahm der Positivismus
sche Entwicklung und die Wissenserweiterung betrit,
eine neue Form an, die logischer Positivismus genannt
sowie Bedürfnisbefriedigung der Menschen. In dieser
wird. Der logische Positivismus erkennt nur diejenigen
Entwicklung seien rein spekulative Ideen oder Theo-
Sätze als wahr an, die entweder durch direkte Beob-
rien nur störend, da sie keine logische oder empirisch
achtungen veriziert werden können oder durch analy-
prüfbare Grundlage haben und für die Menschheit kei-
tische Beziehungen wahr sind.
ne positiven Folgen haben können.
Der logische Positivismus führt aber zu manchen Wi-
Die Entwicklung des Positivismus ist tief mit der gesell-
dersprüchen und grundsätzlichen Problemen. Oft han-
schaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung ver-
delt es sich bei Experimenten darum, eine Interpreta-
knüpft. Die Basis für diese Schule wurde am Anfang
tion der Ergebnisse zu liefern und jede Interpretation
des 19. Jahrhunderts vom französischen Philosophen
ist theoriegetränkt. Auÿerdem gibt es Fälle, wo es un-
Auguste Comte entwickelt. In mehreren Werken schil-
vermeidbar ist, sich im Gebiet der reinen Theorie zu
dert er seine Auassung der Wissenschaften: es bestehe
bewegen, wie im Falle der Quantenmechanik. Im Ge-
eine klar denierte Hierarchie der Wissenschaften, die
gensatz zu dem, was seine Anhänger behaupten, be-
von der Mathematik an der Spitze bis zur Soziologie
grenzt und lähmt der Positivismus die Wissenserweite-
am untersten Rang reicht und die zu einer Gesamtan-
rung. Ein Beispiel sind die Fortschritte in der Chemie.
sicht der Welt führen sollte. Die Aufgabe des Philoso-
Die Positivisten leugneten lange Zeit die Existenz der
phen sei, als allwissende Gestalt die Entwicklung der
Atome, weil noch kein Versuch ihre Existenz bewie-
Wissenschaft und deren Experimente und Schlussfol-
sen hatte. Als Albert Einstein das vom schottischen
4
Akademie Braunschweig 2006-2
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Botaniker Robert Brown durchgeführten Experiment
legt werden. Daher müssen wir auch an gefestigten
(Pollen, die im Wasser gegen Wassermoleküle stoÿen
Theorien zweifeln.
und sich deswegen bewegen) modellierte und später
die nach Brown benannte Molekularbewegung bewiesen wurde, mussten die positivistischen Chemiker zur
Erkenntnis kommen, dass ihre Leugnung der Existenz
von Atomen unplausibel wurde.
3.4 Kuhn
Der amerikanische Wissenschaftshistoriker und Philosoph Thomas S. Kuhn (*1922) kritisiert sowohl den
Positivismus, als auch den Falsikationismus von Pop-
3.2 Operationalismus
per [4]. Er führt stattdessen eine eigene These über
die Entstehung von Theorien an, die hauptsächlich auf
Der Operationalismus wurde durch den amerikanischen
wissenschaftshistorischen Überlegungen basiert. Nach
Physiker Bridgman begründet. Grundlegend dafür ist
Kuhn gibt es zwei Phasen der wissenschaftlichen Ent-
seine Monographie The Logic of Modern Physics [1].
wicklung: die normalwissenschaftliche Phase und die
Nach dieser Position ist der Sinn physikalischer Begrif-
revolutionäre Phase. In der normalwissenschaftlichen
fe erschöpfend dadurch deniert, wie ich sie messe.
Phase üben die Forscher keine Kritik an einem Para-
Ob etwa die Ladung eines Elektrons ein Teil der Realität ist, stellt dem Operationalismus zufolge keine sinnvolle Frage dar. Die Naturwissenschaft sei nichts anderes als eine Menge von Vorschriften und Vorhersagen
über die Ergebnisse für die brauchbare Untersuchung
im Labor. Die sinnvollen Begrie sind demnach jene,
die durch eine Folge durchführbarer Schritte auf Messungen beziehbar sind. Andere Begrie wie z. B. mentale Begrie sind sinnlos. Die Funktion von Theorien
sei lediglich, systematische Vorhersagen über die Welt
zu ermöglichen, nicht die Welt, wie sie an sich ist, zu
beschreiben.
digma. Stattdessen streben sie nach einer Präzisierung
des Paradigmas, etwa um es auf neue Systeme anzuwenden. Treten in dieser Phase Messergebnisse auf,
die mit dem Paradigma unvereinbar sind, wird das
Ergebnis der Inkompetenz des Forschers zugeschrieben oder als Anomalie gedeutet. Erst ab einer gewissen Anzahl von unvereinbaren Ergebnissen oder besonders schwerwiegenden Missverhältnissen zum Paradigma wird es angezweifelt, was zu einer wissenschaftlichen Krise führt. Schlieÿlich wird ein neues Paradigma entwickelt, das in der revolutionären Phase mit
dem alten konkurriert. Das Problem dabei ist, dass ein
objektiver Austausch von Argumenten zwischen zwei
Wissenschaftlern der unterschiedlichen Lager unmöglich ist, da die Plausibilität eines Arguments von der
3.3 Popper
jeweiligen Sichtweise des Betrachters abhängt und soDem Verikationismus setzt der englische Philosoph Sir
wohl Pro- als auch Kontraargumente nur abhängig von
Karl Raimund Popper (*1902) das Prinzip des Falsi-
der jeweiligen Sichtweise überzeugen können. Kuhn be-
kationismus (lat. falsus: falsch) entgegen [3]. Der Fal-
zeichnet dieses Phänomen als Kommunikationsbruch
sikationismus sagt aus, dass Theorien nicht empirisch
und vergleicht die Durchsetzung eines Paradigmas ge-
bewiesen werden können. Andererseits ist es prinzipi-
gen ein anderes bei einem Wissenschaftler mit einer re-
ell möglich, eine Theorie durch eine Messung zu falsi-
ligiösen Bekehrung. Dabei können Forscher aus eigener
zieren, deren Ergebnis im Widerspruch zu dem von
Überlegung vom anderen Paradigma überzeugt wer-
der Theorie geforderten Ergebnis steht. Eine Theorie,
den, was allerdings nicht aus einer objektiven Richtig-
für die es keine Widerlegungsmöglichkeit gibt, ist nach
keit des Paradigmas herrührt, sondern aus der gröÿeren
Popper nicht vertretenswert, da sie keinen empirischen
Überzeugungskraft des anderen Lagers (z. B. bessere
Gehalt hat. Z. B. gilt eine Theorie, die beispielsweise
Rhetorik, gröÿerer Einuss, höhere Berühmtheit, mehr
die Existenz von Wesen behandelt, die sich unsichtbar
Forschungsgelder...). Oft jedoch geschieht die Bekeh-
machen, sobald sie angeblickt werden, als nicht ver-
rung aus sozialpsychologischen Gründen, wie Grup-
tretenswert. Eine gute Theorie hingegen zeichnet sich
penzwang oder Opportunismus. Das ist auch der ele-
durch einen hohen empirischen Gehalt, also ein hohes
mentare Unterschied zu Poppers Theorie. Beide Phi-
Falsizierungspotential aus. Somit ist die Theorie Ein
losophen kritisieren die verikationistische These, eine
Apfel fällt auf der Erde nach unten schlechter als die
objektive Wahrheit zu kennen. Damit grenzen sie sich
Theorie
F = mg .
Das Ziel der Wissenschaft muss es
klar vom Positivismus und Verikationismus ab. Pop-
sein, Theorien zu falsizieren (im Falle der Newton-
per allerdings nimmt tatsächlich an, dass wir uns auf
schen Axiome beispielsweise durch die Periheldrehung
eine objektive Wahrheit zu bewegen, da wir Theorien
des Merkur), da aus der Falsikation ein Erkenntnisge-
nach rationalen Maÿstäben falsizieren. Kuhn dagegen
winn folgt, der zu einer neuen Theorie auf einem hö-
versteht Fortschritt nur im pragmatischen Sinn, der die
heren Erkenntnisstand führt (allg. Relativitätstheorie).
Welt für uns besser erklärbar macht, da das neue Pa-
Theorien, die trotz gröÿter Bemühungen nicht wider-
radigma die Gründe für die Krise, die aus der Unfähig-
legt werden können, können vorerst als gefestigt be-
keit resultiert, die Welt zu beschreiben, in der Regel
zeichnet werden. Der Fallibilismus besagt allerdings,
ausräumt. Einer objektiven Wahrheit können wir uns
dass wir unserem Wissen gegenüber immer skeptisch
allerdings nicht mit Sicherheit auf rein rationalem We-
sein müssen und darauf eingestellt sein müssen, dass
ge nähern, weil in unser Bild von der Realität auch z. B.
selbst uns fundamental erscheinende Theorien wider-
soziale, d. h. irrationale Faktoren eingegangen sind.
5
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Akademie Braunschweig 2006-2
4 Mathematische Grundlagen
(Anna Schmalen, Noemi Skorzinski, Theodor Fall, Sylvio Donner, Stefan Toman)
Für die Multiplikation zweier komplexer Zahlen
4.1 Die komplexen Zahlen
ab = c
ergibt sich
Die Menge der komplexen Zahlen durch das Symbol
C
ab = |a|(cos α + i sin α)|b|(cos β + i sin β)
= |ab|(cos α cos β − sin α sin β)
+i(cos α sin β + sin α cos β).
dargestellt ist eine Erweiterung zu den reellen
Zahlen, so dass nun auch Wurzeln aus negativen Zahlen
i mit
a = (a1 + ia2 )
deniert sind. Hierfür wird die imaginäre Einheit
i2 = −1
eingeführt. Eine komplexe Zahl
a1 und einem Imaginärteil
a2 . Die Rechenregeln werden auf die der reellen Zahlen
besteht aus einem Realteil
zurückgeführt, wobei die Addition komponentenweise
Unter Anwendung des Additionstheorems für den Kosinus ist dann:
erfolgt und für die Multiplikation deniert wird:
ab = (a1 +ia2 )(b1 +ib2 ) = (a1 b1 −a2 b2 )+i(a2 b1 +a1 b2 ).
Wie sich leicht beweisen lässt, sind Additionen und
ab = |ab| cos(α + β) + i sin(α + β).
ab = c kann man c als Zahl mit
γ = α + β und Betrag |c| = |ab| schreiben
Mit
Multiplikationen auf den komplexen Zahlen ebenso as-
ab = |c|(cos γ + i sin γ).
soziativ und kommutativ wie bei den reellen Zahlen.
Da komplexe Zahlen zwei Komponenten haben, kön-
Wir suchen eine Funktion, die die Eigenschaft
nen sie nicht auf einer Zahlengeraden, sondern nur in
f (α) + f (β) = f (α + β)
der sogenannten Gauÿschen Ebene dargestellt werden.
Dabei trägt man den Realteil auf der
Imaginärteil auf der
y -Achse
x-Achse
und den
ab (s. Abb. 1.2).
Polarwinkel
besitzt, da dies auf die Winkel der Polarkoordinaten
zutrit. Eine solche Funktion ist die Exponentialfunk-
a
tion. Man kann somit eine komplexe Zahl
a = |a|eiα
auch als
schreiben.
a∗ einer Zahl a = a1 + ia2
wird deniert als a = a1 − ia2 . In der Gauÿschen Ebene entspricht das der Spiegelung von a an der x- Achse.
Das komplex Konjugierte
∗
4.2 Vektorräume
Ein Vektorraum
•
V
ist eine Menge, für die gilt:
Die Addition zweier seiner Elemente ergibt wieder ein Element aus
V . Sie ist assoziativ und kom-
mutativ.
•
Man kann die Elemente mit komplexen Zahlen
multiplizieren und erhält wieder Elemente aus
Abb. 1.2: Gauÿsche Zahlenebene
Der Betrag
r
V.
• V enthält ein neutrales Element, auch Nullvektor
(|0i) genannt, sodass gilt:
∀|vi ∈ V : |vi + |0i = |vi.
|a| einer komplexen Zahl ist deren Abstand
zum Ursprung. Mithilfe des Satzes des Pythagoras
ergibt sich für den Betrag von
|a| = r =
(a1 + ia2 ):
q
a21 + a22 .
• V
enthält ein inverses Element (|v
−1
i),
so dass
gilt:
∀|vi ∈ V : |vi + |v −1 i = |0i.
Somit handelt es sich beim Betrag um eine positive
Die Elemente eines Vektorraums heiÿen Vektoren. Die
reelle Zahl.
ersten beiden Eigenschaften von
Man kann komplexe Zahlen auch in Form von Polarkoordinaten darstellen (Abb. 1.2). Es ist dann mit dem
Polarwinkel
V
erlauben es, mehre-
re Vektoren und ihre Vielfachen zu neuen Vektoren zu
kombinieren (sog. Linearkombinationen ).
Eine Menge von linear unabhängigen Vektoren (Vek-
α:
toren, die sich nicht gegenseitig durch Linearkombina-
a = |a|(cos α + i sin α).
6
tionen erzeugen lassen), die den gesamten Vektorraum
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V
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
durch Linearkombination ihrer Elemente erzeugen
kann, heiÿt Basis des Vektorraums
V.
4.4 Basen
Die Anzahl der
darin vorkommenden Vektoren heiÿt Dimension des
Der Einfachheit halber werden bei Berechnungen die
Vektorraums. Ein Vektorraum kann beliebig viele Di-
Basen orthonormalisiert, was für alle Basen möglich
Cn ein n-dimensionaler Vek-
ist. Deswegen können wir ohne Einschränkung anneh-
mensionen besitzen, wobei
{|ek i|k ∈ I ⊂ N}
men, dass die Vektoren der Basis
torraum zu den komplexen Zahlen ist.
senkrecht aufeinander stehen
hek |el i = 0, ∀k 6= l
4.3 Skalarprodukt
Das Skalarprodukt ist eine Abbildung, die je zwei Vektoren aus
V
und die Länge
eine komplexe Zahl zuordnet. Für das SkaEin Vektor
∀
•
|ei i
es ist linear in der zweiten Komponente
|vi
lässt sich folgendermaÿen in der Basis
darstellen:
|vi, |wi, |xi ∈ V ; α, β ∈ C :
hx|αv + βwi = αhx|vi + βhx|wi,
Die i-te Komponente
vi
eines Vektors
|vi kann
angege-
ben werden mit:
hei |vi = hei |
X
vj |ej i =
X
j
|vi, |wi, |xi ∈ V ; α, β ∈ C :
hαv + βw|xi = α∗ hv|xi + β ∗ hw|xi,
vj hei |ej i = vi .
j
Das Skalarprodukt zweier Vektoren eines Hilbertraumes berechnet sich also wie folgt:
X
hei |vi∗
i
es ist positiv denit
=
X
=
X
X
wj |ej i
j
vi∗ wj hei |ej i
ij
∀|vi ∈ V : hv|vi > 0,
wobei die Gleichheit nur für den Nullvektor gilt,
•
vi |ei i.
i
hv|wi =
•
X
|vi =
es ist semilinear in der ersten Komponente
∀
besitzen
hek |ek i = 1, ∀k ∈ I ⊂ N .
larprodukt gilt:
•
1
es hat folgende Symmetrieeigenschaft
vi∗ wi .
i
4.5 Matrizen und Operatoren
∀|vi, |wi ∈ V : hw|vi = hv|wi∗ .
Eine Matrix ist eine Menge von Zahlen, die in Zeilen
und Spalten angeordnet sind. Man kann Matrizen auf
Ist das Skalarprodukt zweier Vektoren Null, so sagt
zwei Arten notieren: Entweder in Tabellenform

a11
a21

a31

man, sie stehen senkrecht aufeinander, sie sind ortho-
gonal.
Ein Vektorraum mit Skalarprodukt heiÿt Hilbertraum
H.
.
.
.
In der Quantenmechanik werden Vektoren im Hil-
bertraum dazu verwendet, reine Zustände zu beschreiben (vgl. Abschnitt 1.6).
a12
a22
a32
a13
a23
a33
.
.
.
.
.
.

···
· · ·

· · ·

..
.
oder man schreibt die Komponenten kurz als
bei ist
i
Eine Norm kann mit dem Skalarprodukt wie folgt de-
j
niert werden:
zusammen gemeint, schreibt man kurz
V
A = (aij ).
auf die reellen Zahlen ab. Die Norm ist
(wie das Skalarprodukt) positiv denit und beschreibt
die Länge eines Vektors.
Für
das
Skalarprodukt
gilt
folgende
Da-
die Spalte der Komponente. Sind alle Komponenten
∀|vi ∈ H : kvk2 = hv|vi.
Sie bildet
aij .
die Zeile, in der die Komponente steht, und
Beziehung
(Cauchy-Schwarz-Ungleichung):
|hv|wi| 6 kvkkwk.
Die Matrizen mit
Menge
Rz×s .
z
Zeilen und
s
Spalten bilden die
Nun erklären wir, wie man mit Matrizen
rechnen kann.
Zwei Matrizen werden komponentenweise addiert. Das
geht nur, wenn beide Matrizen je gleich viele Zeilen und
Spalten haben. Die allgemeine Form der Addition von
(1.1)
Matrizen ist
A + B = (aij ) + (bij ) = (aij + bij ).
Sie wird später benötigt, um die Heisenbergsche Un-
Die Addition von Matrizen ist kommutativ und asso-
schärferelation herzuleiten (vgl. Abschnitt 1.8).
ziativ. Man kann Matrizen auch komponentenweise mit
7
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
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Zahlen multiplizieren, denn das ist gleichbedeutend mit
Operatoren, für die gilt
U−1 = U† , heiÿen unitäre Ope-
der mehrmaligen Addition der Matrix mit sich selbst.
ratoren. Sie haben einige interessante Eigenschaften. So
Man kann zeigen, dass man Matrizen nicht nur mit
gilt zum Beispiel für unitäre Operatoren
den natürlichen, sondern auch mit allen anderen Zah-
kU|vik = k|vik
len komponentenweise multiplizieren kann.
Zwei Matrizen können miteinander multipliziert werden, wenn die erste genau so viele Spalten hat, wie die
und
hUv|Uwi = 0 ⇔ hv|wi = 0.
zweite Matrix Zeilen besitzt. Das bedeutet für die Räu-
A ∈ Rm×n
me der Matrizen, dass
und
B ∈ Rn×k
ist.
Dann wird nach folgender Regel multipliziert
AB = (aij )(bjs ) = (
n
X
∀|vi ∈ V
Das heiÿt, dass unitäre Operatoren die Länge eines
Vektors unverändert lassen. Ebenso bleibt der Winkel
zwischen zwei Vektoren gleich, wenn man den unitären Operator auf beide Vektoren anwendet. Das bedeu-
aij bjs ).
tet, dass ein unitärer Operator eine orthonormale Basis
j=1
auf eine andere orthonormale Basis abbildet, weswegen
Die Multiplikation zweier Matrizen ist assoziativ, aber
nicht kommutativ. Das bedeutet, dass im allgemeinen
gilt
AB 6= BA.
unitäre Operatoren einem Basiswechsel entsprechen.
Vektoren sind Matrizen mit nur einer Spalte. Daher
können sie mit Hilfe der oben genannten Regel mit
Operatoren sind lineare Abbildungen von einem Vektorraum auf den gleichen Vektorraum (A
: V → V ).
Matrizen multipliziert werden. Zu den Matrizen gibt
es Vektoren mit folgender Eigenschaft:
Man kann zeigen, dass man diese Abbildungen als Pro-
A|vi = λv |vi.
dukt des Vektors in Komponentenschreibweise mit einer quadratischen Matrix auassen kann. Nun erwähnen wir noch einige Operatoren mit speziellen Eigenschaften.
heiÿt dann Eigenvektor von
A, λv
heiÿt Eigenwert.
Die Eigenwerte der selbstadjungierte Operatoren sind
Zu jedem Operator
den wir mit
|vi
A
†
A gehört ein adjungierter Operator,
bezeichnen. Er erfüllt folgende Glei-
chung
rein reell, da
λv = λv hv|vi = hv|Avi = hAv|vi = λ∗v hv|vi = λ∗v .
hv|Awi = hA† v|wi∀v, w ∈ V.
Es gilt
Die Matrix des Operators erfüllt folgende Eigenschaft:
a†ij = (aji )∗ .
λv = λ∗v ,
also muss
λv ∈ R
sein. Eine weite-
re Eigenschaft selbstadjungierter Operatoren ist, dass
ihre Eigenvektoren orthogonal aufeinander stehen.
Aus jedem Eigenvektor könnte man unendlich viele an-
Man vertauscht bei jeder Komponente die Zeile und
die Spalte und ersetzt sie gleichzeitig durch ihr komplex Konjugiertes. Operatoren, für die gilt
dere Eigenvektoren erzeugen, indem man sie mit einem
Faktor multipliziert. Alle Vektoren, die so entstehen,
erfüllen auch die Gleichung
A|v 0 i = λ0v |v 0 i
A = A† ,
heiÿen selbstadjungiert.
mit
|vi = k|v 0 i.
Ein inverser Operator hebt die Wirkung eines Opera-
Deswegen können wir ohne Einschränkungen die Ei-
A−1
genvektoren auf die Länge 1 normieren. Diese bilden
tors wieder auf. Ist also
A,
der inverse Operator zu
eine Basis bzw. können zu einer Basis ergänzt werden.
dann gilt
AA−1 = 1 = A−1 A
bzw.
Quantenmechanik anwenden, um quantenmechanische
A−1 A|vi = |vi
8
Nun können wir die Operatoren in den Gesetzen der
∀v ∈ H.
Systeme zu beschreiben.
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Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
5 Der Stern-Gerlach-Versuch
(Anissa Zeghuzi, Katharina Rettig)
Nach der klassischen Physik wird angenommen, dass je-
Spin als eine Drehung beschreiben, obwohl das phy-
des System einen genau denierten und messbaren Zu-
sikalisch kein vollständig korrektes Bild ist. Wäre der
stand hat und auÿerdem jeder Ursache eine durch Na-
Spin eine Drehung, würde man im Sinne der klassi-
turgesetze bestimmte und vorhersagbare Wirkung folgt
schen Physik davon ausgehen, dass sich auf dem De-
(Kausalität). Aus diesen beiden Annahmen ergibt sich
tektor ein groÿer diuser Fleck ergibt, da die Dre-
die Idee des Determinismus. Sie wurde 1814 prominent
hung kontinuierlich und in alle Raumrichtungen erfol-
von dem französischen Mathematiker Pierre-Simon de
gen sollte. Man erkennt jedoch zwei scharf getrenn-
Laplace formuliert. Dem Laplaceschen Determinismus
te Flecken. Der Grund dafür ist, dass der Spin keine
zufolge benötigt man das Wissen über Position und
kontinuierliche Gröÿe ist. Entlang einer Achse gibt es
Geschwindigkeit aller Teilchen eines abgeschlossenen
nur zwei mögliche Spins:
Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt (Anfangszu-
dies Spin up und Spin down, mathematisch werden die
stand) und die Kenntnis aller Naturgesetze, um die Zu-
Zustände als
kunft des jeweiligen Systems vorherzusagen und seine
te sind Vielfache des Planckschen Wirkungsquantums.
Vergangenheit zu rekonstruieren. Man nennt ein über-
Aufgrund der Diskontinuität des Spins sprach man, als
menschliches Wesen mit diesem Wissen den Laplace-
man den Stern-Gerlach-Versuch zum ersten Mal durch-
schen Dämon.
führte, von Raumquantisierung.
|+i
und
+~/2
|−i
und
−~/2.
Man nennt
ausgedrückt. Die Spinwer-
Die Silberatome werden je nach Spin-Richtung (Spin
up oder Spin down) zur Hälfte nach oben und zur Hälfte nach unten abgelenkt. Wenn ein Teil dieser Atome (in diesem Fall die Teilchen mit Spin down) aufgefangen wird und man den anderen Teil (Spin up)
erneut durch ein inhomogenes Magnetfeld schieÿt, das
so ausgerichtet ist wie bei der ersten Messung, erkennt
man nur einen Fleck. Diese Beobachtung entspricht der
Abb. 1.3: Stern-Gerlach-Versuch. Die Silberatome werden
von einem inhomogenen Magnetfeld (hier in y -Richtung)
abgelenkt. Auf dem Schirm nden wir zwei Komponenten.
Erwartung der klassischen Physik. In einem anderen
Wie der Versuch der beiden Physiker Otto Stern und
ne andere Richtung (z. B. in
Walther Gerlach von 1922 zeigt, wird es problematisch,
ist. Jetzt erkennt man wieder zwei Flecken auf dem
an dieser Idee der klassischen Physik festzuhalten.
Detektor. Die Teilchen, die in
Bei dem Experiment werden magnetische Eigenschaften von Teilchen untersucht. Für den Versuch werden
Silberatome verwendet. Diese sind elektrisch neutral
und besitzen in der äuÿeren Schale nur ein Elektron.
Versuch ltert man erneut die Teilchen mit der Eigenschaft
y -Spin-down
heraus und lenkt die übrigen
Teilchen durch ein inhomogenes Magnetfeld, das in ei-
Spin haben, besitzen in
z -Richtung)
ausgerichtet
y -Richtung den selben
z -Richtung wieder zu fünfzig
Prozent verschiedene Spins. Auch das ist nicht überraschend, da die Komponenten unabhängig voneinander
sein könnten.
Nach der klassischen Physik dürften die Silberatome in
In einem weiteren Experiment wird der Spin im eben
einem Magnetfeld nicht abgelenkt werden, da sie elek-
beschriebenen Versuch ein weiteres Mal in
trisch neutral sind. In der Versuchsdurchführung wer-
gemessen und überraschenderweise entstehen zwei Fle-
den diese Silberatome auf einen Detektor geschossen.
cken:
y -Richtung
Bei dem Durchlauf der Atome durch ein homogenes
Magnetfeld erkennt man einen diusen Fleck auf dem
Detektor. Wenn nun die Silberatome durch ein inhomogenes Magnetfeld geschossen werden, das z. B. in
y -Richtung
verläuft (die Richtung ist beliebig), treen
die Silberatome an zwei separierten Stellen auf dem
Detektor auf (s. Abb. 1.3).
Der Grund für diese Ablenkung ist der sogenannte
Spin. Dieser ist eine magnetische Eigenschaft eines Teil-
Abb. 1.4: Sequentieller Stern-Gerlach-Versuch. Messung
des Spins in y -Richtung, dann in z -Richtung und wieder
in y -Richtung.
chens. In einem inhomogenen Magnetfeld verhält sich
das Teilchen so, als hätte es in seinem Inneren eine
Vorher wurden allerdings wie man klassisch argumen-
sich drehende elektrische Ladung. In diesem Experi-
tieren würde schon die Teilchen, die in
ment kann man davon ausgehen, dass man den Spin
Spin down hatten, herausgeltert. Das bedeutet, dass
des äuÿeren Elektrons des Silberatoms misst, da sich
die erste Messung durch die zweite unbrauchbar wur-
die anderen Komponenten, die zu einer Ablenkung füh-
de und die Teilchen in der dritten Messung keine Ab-
ren könnten, ausgleichen. Mathematisch kann man den
hängigkeit von der ersten Mssung zeigen. Aus diesen
y -Richtung
9
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Akademie Braunschweig 2006-2
Versuchsergebnissen lassen sich verschiedene Interpre-
plementäre Gröÿen sind neben den verschiedenen Kom-
tationen ableiten. Das Problem, dass bei der Messung
ponenten des Spins (Spin in verschiedene Richtungen)
z -Komponente des Spins das Wissen über den Zustand der y -Komponente verloren geht und sich eine
z. B. Ort und Impuls eines Teilchens. Nach der Kopen-
zufällige Verteilung ergibt, wird durch den Begri der
von Teilchen vor der Messung nicht genau bestimmt,
Komplementarität beschrieben. Der Begri wurde von
deshalb kann es auch kein Wesen geben, das die völlig
Niels Bohr ausformuliert und ist ein wichtiger Bestand-
zufälligen Messergebnisse voraussagen kann (Laplace-
teil der Kopenhagener Deutung. Er besagt, dass es bei
scher Dämon). Die Kopenhagener Deutung verzichtet
der genauen Kenntnis einer Gröÿe nicht möglich ist,
demnach auf das Prinzip des Determinismus.
der
vorauszusagen, was bei einer Messung der komplementären Gröÿe geschieht. Das wird quantitativ durch die
Heisenbergsche Unschärferelation ausgedrückt. Kom-
hagener Deutung sind komplementäre Eigenschaften
Um das Experiment mathematisch zu beschreiben,
führt man zunächst einige Axiome ein, die eindeutige
Grundlagen für die Berechnung legen.
6 Axiome der Quantenmechanik
(Carina Martschinke, Andreas Landig, Fanny Yang, Miriam Boxriker)
Im folgenden schildern wir die Axiome der Quantenme-
Superpositionen sind fundamentaler Bestandteil der
chanik auf der Basis von Johann von Neumanns Vor-
Quantenmechanik.
gehensweise [2].
Axiom 2 Observable werden durch selbstadjungierte
Axiom 1 Reine Zustände eines quantenmechanischen
Operatoren beschrieben.
Systems werden durch Vektoren der Länge eins im Hilbertraum beschrieben.
Axiom 3 Die möglichen Messergebnisse einer Obser-
|ai ein
A|ai = a|ai. Die
System im Zustand |ψi
vablen sind die Eigenwerte des Operators. Sei
Da die quantenmechanischen Zustände durch Vekto-
Eigenvektor zum Operator
A
ren beschrieben werden, lassen sie sich durch Addition
Wahrscheinlichkeit, an einem
zu neuen Zuständen zusammensetzen (sog. Superpositi-
den Wert
on ). Das erste Axiom beinhaltet somit das Superpositi-
Ausdruck (Bornsche-Regel):
a
mit
zu messen ist gegeben durch den folgenden
onsprinzip, welches anhand des Gedankenexperiments
Pψ (a) = |ha|ψi|2 .
Schrödingers Katze erklärt werden kann:
•
Eine Katze wird in einem Kasten eingesperrt.
•
Betrachtet man die Katze als quantenmechani-
Nach der Messung ist das System im Eigenzustand der
zum gemessenen Wert gehört.
sches Objekt, kann sie sich in zwei Zuständen benden. Sie kann entweder tot oder lebendig sein.
Wie oben erwähnt können diese zwei Zustände zu
einem neuen Zustand addiert werden. Somit ist
•
(1.2)
Zur Beschreibung der Observable verwenden wir selbstadjungierte Operatoren, da deren Eigenwerte wie auch
die Messergebnisse reelle Zahlen sind.
die Katze in diesem Überlagerungszustand weder
Wird eine Messung an einem System durchgeführt, be-
tot noch lebendig. Sie bendet sich in einer Su-
ndet es sich danach im Eigenzustand. Wiederholt man
perposition.
diese Messung, ergibt sich für die Wahrscheinlichkeit,
Wird der Kasten geönet nimmt der überlagerte
den selben Messwert zu erhalten nach (1.2) [5]:
P|ai (a) = |ha|ai|2 = 1.
Zustand der Katze einen konkreten Wert an, die
Katze ist entweder tot oder lebendig.
In der Bornschen Regel ist elementar enthalten, dass
Der eigentliche Grund des Gedankenxperiments war,
wir die Realität mit Wahrscheinlichkeiten beschreiben.
herauszunden, ob die Quantenmechanik auf makro-
Das heiÿt, dass das deterministische Prinzip der klas-
skopische Systeme anwendbar ist. Ein radioaktives Ma-
sischen Physik aufgegeben wird. Dieser Ansatz wur-
terial, welches durch seinen Zerfall einen Mechanismus
de z. B. von Albert Einstein kritisiert (vgl. Abschnitt
auslöst, stellte das quantenmechanische Objekt dar.
1.10).
Zerfällt das Material, wird ein Mechanismus ausgelöst.
Dieser zerstört eine Giftampulle und tötet dadurch die
Katze (makroskopisches Objekt). Wenn Superpositionen für das quantenmechanische System (radioaktiver
Kern) möglich sind, warum dann nicht auch für die
Katze?
10
Das Axiom erlaubt es uns, den Erwartungswert einer
Observablen bezogen auf ein System im Zustand
|ψi
zu berechnen:
hAi :=
X
a
Pψ (a)a,
(1.3)
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Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
wobei die Summe über alle möglichen Messergebnisse
Ein Beispiel ist der Hamiltonoperator für das Wasser-
läuft. Die Gleichung (1.3) lässt sich wie folgt vereinfa-
stoatom. Die Energie eines Elektrons in diesem Sys-
chen:
tem ist die Summe aus der kinetischen und potentiellen
hAi =
X
Energie (im elektromagnetischen Feld des Kerns). Der
|ha|ψi|2 a
Ausdruck in der klassischen Mechanik würde wie folgt
a
=
lauten:
X
hψ|aiaha|ψi
Eges
a
=
X
= Ekin + Epot
hψ|Aaiha|ψi
=
a
= hψ|A
X
|aiha|ψi
r
e2
p2
+ ,
2m
r
ist hier der Abstand zum Atomkern. Der Hamilton-
operator ergibt sich, indem man den Impuls durch den
a
= hψ|Aψi.
(1.4)
Impulsoperator und den Ort durch den Ortsoperator
ersetzt. In der Ortsbasis ausgedrückt sieht der Impuls-
Da wie oben erwähnt, die Eigenwerte der selbstadjungierten Operatoren reelle Zahlen sind, ergeben sich
auch für die Erwartungswerte und für die Wahrschein-
operator folgendermaÿen aus:
~ ∂
i ∂x .
P=
Damit ist der Hamiltonoperator in der Ortsbasis
lichkeiten reelle Zahlen.
P2
+ V (r)
2m
e2
~2 ∂ 2
= −
+
.
2m ∂x2
r
H =
Ut gibt an,
wie sich der Zustand des beobachteten Systems zeitlich
Axiom 4 Der Zeitentwicklungsoperator
ändert. Er ist deniert als
Ut = e
H
wobei
−iHt
~
|ai der Observablen
A gleichzeitig ein Eigenzustand des Hamiltonoperators
Falls der gemessene Eigenzustand
,
der Operator zur Observablen Energie ist.
Man berechnet den zeitabhängigen Zustand
|ψ, ti = Ut |ψ, t = 0i.
ist (auch stationäre Zustände genannt), ndet keine
Änderung des Messwertes mit der Zeit statt, das heiÿt
A bei wiederholter Messung nochmals
a messen. Dies ist am folgenden Beispiel gut erkennbar:
man würde für
(1.5)
Aus
H|ai = E|ai
• Ut
ist eine unitäre Matrix.
folgt
• ~
ist die Plancksche Konstante geteilt durch
• t
ist der Zeitparameter. Der Zeit entspricht kein
2π .
|a, ti = Ut |ai
Operator, sie ist also in diesem Ansatz keine Observable.
• H
•
heiÿt der Hamiltonoperator.
k!
funktion für Operatoren denieren:
e
A
=
∞
X
Ak
k=0
k!
.
Die Wahrscheinlichkeit, denselben Messwert
halten, ist also nach beliebiger Zeit
Man kann statt des Operators
Grenzfall zu enthalten). Somit kann man manchmal
H|ψ, ti = i~
a
zu er-
100%.
die Zeitentwicklung
∂
|ψ, ti.
∂t
Für das oben angeführte Beispiel des Hamiltonoperators in der Ortsbasis würde folgende Gleichung gelten:
über die klassische Mechanik diese Operatoren bestimmen.
Ut
t
nach der Zeit ableitet, erhält man aus Gleichung (1.5):
le Hamiltonoperatoren, welche oft von der klassischen
der Quantenmechanik fordert, die klassische Physik als
a
auch als Dierentialgleichung angeben. Indem man
Für jede physikalische Situation benutzt man spezielPhysik motiviert sind (Korrespondenzprinzip, das von
|ai.
e
= |ha|ai|2
= 1.
.
Analog dazu kann man auch die Exponential-
=
2
iEt
P|a,ti (a) = ha|e ~ |ai
iEt 2
= e ~ |ha|ai|2
Ausdruck darstellen:
k=0
|ai
−iEt
~
zu messen:
Exponentialfunktion kann man durch folgenden
∞
X
xk
−iHt
~
Das bedeutet für die Wahrscheinlichkeit, den Wert
Rechnen mit Operatoren im Exponenten: Die
ex =
= e
i~
∂
~ ∂2
|ψ, ti =
|ψ, ti − V |ψ, ti.
∂t
2m ∂x2
11
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Akademie Braunschweig 2006-2
Erwin Schrödinger entwickelte diese Gleichung, bevor
tenmechanischen Teilchen deterministisch beschrieben,
das Axiom in obiger Fassung formuliert wurde [6]. Er
wie man es von der klassischen Physik bis dahin ge-
war zum einen nicht einverstanden mit der Idee von
wohnt war. Später stellte sich jedoch heraus, dass das
Quantensprüngen, die Heisenbergs Ansatz mit Matri-
Problem nur dann nicht auftritt, solange keine Mess-
zen suggerierte. Ihm stellte Schrödinger seine Glei-
prozesse stattnden.
chung, welche die Zustandsänderungen als Wellenfunktion darstellt, entgegen. Allerdings zeigte von Neumann
später, dass beide Formulierungen mathematisch äquivalent sind. Zum anderen glaubte Schrödinger auch,
das Problem des fehlenden Determinismus in der Quantenmechanik gelöst zu haben. Denn mit dieser Gleichung wird die Entwicklung der Zustände der quan-
Schrödinger schate es also nicht, sein Ziel zu erreichen, in der Quantenmechanik die Prinzipien der klassischen Physik zu erhalten. Der Unterschied zu Heisenbergs Ansatz besteht letztlich nur darin, dass die
Gleichung einfacher zu lösen ist als die Rechnung mit
Matrizen im Exponenten.
7 Das Stern-Gerlach-Experiment in der Quantenmechanik
(Katharina Rettig und Stefan Toman)
Um das Stern-Gerlach-Experiment zu verstehen, wer-
Nun brauchen wir noch den Operator
den wir es nun in den mathematischen Formalismus der
genvektoren
|x+i
Quantenmechanik übertragen. Man kann die Ergebnisse nach Axiom 1 in einem zweidimensionalen Vektorraum darstellen, da bei den Messungen nur zwei Werte möglich sind (+~/2 und
wir
|z+i
und
|z−i
−~/2).
y -Richtung
~ 0 −i
Sy =
2 i 0
Analog gehen wir für die
sis bilden. Sie sind die Eigenvektoren des Operators
z -Richtung mit den Eigenwerten
+~/2 und −~/2. Da wir für die Observable Spin in
z -Richtung einen Operator brauchen, wie in Axiom 2
gefordert wird, müssen wir einen nden, der |z+i und
|z−i als Eigenvektoren hat. Ein Operator, der das erzur Spinmessung in
füllt, ist
Sz =
~
2
x-Richtung
1 0
.
0 −1
gende Bedingungen: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein
|z+i
in den Zustand
|x+i
wechselt, beträgt laut dem Experiment 50%. Das gleiche gilt für
|x−i,
damit die Summe der Wahrschein-
|y+i =
Zustand
|z+i
in den Zustand
|hx − |z+i|2
=
=
=
das gleichzeitig:
|hx − |z+i|2 =
1
.
2
und
Desweiteren sollen die Vektoren
|x+i
=
und
|x−i
miert sein. Aus diesen Bedingungen können wir
und|x−i errechnen
|x−i =
12
springt, berechnet
1
2
|(hz + | + hz − |)|z+i|
2
1
2
|hz + |z+i + hz − |z+i|
2
1
2
|hz + |z+i|
2
1
.
2
Wie man erwartet, erhält man für die Erwartungswerte
senk-
recht aufeinander stehen und auf die Länge 1 nor-
|x+i =
x−
sich zu
Nach der Bornschen Regel (siehe Axiom 3) bedeutet
1
2
1 1
√
2 i
1
1
√
.
−i
2
Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Teilchen aus dem
lichkeiten 1 ergibt.
|hx + |z+i|2 =
vor und erhalten:
1
√ (|z+i + i|z−i) =
2
1
√ (|z+i − i|z−i) =
2
|y−i =
ausrechnen. Dazu stellen wir fol-
Teilchen aus dem Zustand
mit den Ei-
z -Basis
mit den Eigenvektoren
Nun wollen wir die Zustandsvektoren der Messergebnisse in
Sx
der
Die Vektoren, die
nennen, sollen eine kanonische Ba-
|x−i. Er ist in
~ 0 1
.
Sx =
2 1 0
und
1 1
1
√ (|z+i + |z−i) = √
2 1
2
1
1
1
√ (|z+i − |z−i) = √
.
−1
2
2
|x+i
hSx i, hSy i und hSz i den Wert 0, denn in 50% der Fälle
erhalten wir das Messergebnis +~/2, in den restlichen
50% jedoch −~/2, was einen Durchschnitt von 0 ergibt.
Damit wurde der Stern-Gerlach-Versuch komplett in
der Sprache der Quantenmechanik ausgedrückt. Analog könnte man beispielsweise auch errechnen, mit
welchen Wahrscheinlichkeiten welche Werte auftreten,
wenn wir den Spin nicht entlang einer der kartesischen Koordinaten-Achsen messen, sondern in beliebigen Richtungen.
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8 Heisenbergsche Unschärferelation
(Stefan Günther und Tobias Münker)
Die Unschärferelation wurde 1927 von Werner Heisen-
Auÿerdem gilt folgende Zerlegung:
berg formuliert [7]. Mit ihr lässt sich die in Experimenten beobachtete Komplementarität von Observa-
∆A ∆B =
blen erstmals rechnerisch begründen.
Zur Herleitung führen wir zunächst den Abweichungsoperator
∆A := A − hAi
ein, wobei
hAi
mit der Eins-
1
1
[∆A , ∆B ] + (∆A ∆B + ∆B ∆A ) .
2
2
Der zweite Summand ist ein selbstadjungierter Operator. Es gilt weiterhin
matrix multipliziert werden muss, um die Addition zu
ermöglichen. In der Basis der Eigenvektoren von
genwerte von
[∆A ; ∆B ] = [A; B] ,
A
sind auf seiner Diagonalen die Abweichungen der Ei-
und mit
(AB)† = B† A†
A vom Erwartungswert angeordnet, wäh-
Streuung um den Erwartungswert der Messergebnisse
an diesem Zustand. Da
A
hAi
∆A .
und
giert sind, gilt dies auch für
beide selbstadjun-
Der Erwartungswert des Varianzoperators
(1.9)
folgt
†
[A, B] = − [A; B] .
rend alle anderen Werte 0 sind. Durch Anwenden des
Operators auf einen Eigenvektor erhält man somit die
(1.8)
Das bedeutet, der Operator
[A, B]
verhält sich gemäÿ
Gleichung (1.6). Wenn wir den Erwartungswert auf beiden Seiten von Gleichung (1.8) bilden, so ist der Erwartungswert (vgl. Gl. 1.4) des ersten Summanden auf
∆2A
ist nun
h∆2A i = h(A − hAi)(A − hAi)i = hA2 i − hAi2 .
der rechten Seite demnach eine imaginäre Zahl, der Erwartungswert des zweiten Summanden eine reelle Zahl.
Deshalb kann man in der Zerlegung (1.8) termweise
den Betrag des Erwartungswertes bilden und quadrie-
Er gibt den Erwartungswert des Quadrats der Abwei-
ren, was bei Darstellung in der komplexem Zahlenebe-
chung an. Das Quadrieren ermöglicht eine leichtere Ab-
ne dem Satz des Pythagoras entspricht. Dadurch erhält
schätzung, da sich daraus ausschlieÿlich positive Werte
man:
ergeben.
|h∆A ∆B i|2
Für einen Operator gelte
C = −C† .
Dann muss der Ausdruck
(1.6)
hψ|C|ψi
eine rein imaginäre
1
|h[∆A ; ∆B ]i|2
4
1
+ |h(∆A ∆B + ∆B ∆A )i|2
4
1
>
|h[∆A , ∆B ]i|2 .
4
=
Zahl sein, da gilt:
Die Anwendung von Gleichung (1.7) ergibt:
−hψ|C|ψi = −hC† ψ|ψi = −hψ|C† ψi∗ = hψ|Cψi∗ .
Anschaulich kann dieser Zusammenhang in der kom-
1
|h[∆A ; ∆B ]i|2 6 h∆2A ih∆2B i.
4
plexen Zahlenebene dadurch erklärt werden, dass eine
Es ergibt sich mit Gleichung (1.9) die allgemeine Form
Punktspiegelung der Zahl
α
am Koordinatenursprung
∗
(−α) und ihre Spiegelung an der reellen Achse (α ) nur
dann identisch sind, wenn
α
auf der imaginären Achse
liegt (vgl. Abschnitt 1.4.1).
Durch Quadrieren der Cauchy-Schwarz-Ungleichung
(1.1) erhält man:
2
Sie besagt, dass das Produkt der Varianzen (oder auch
und
w = ∆B |ψi
A und B immer grö-
ÿer als ein fest bestimmter Wert ist, welcher von de-
2
|hv|wi| 6 |v| · |w| = hv|vi · hw|wi.
v = ∆A |ψi
1
|h[A; B]i|2 6 h∆2A ih∆2B i.
4
Unschärfen) von zwei Observablen
2
Mit
der Heisenbergschen Unschärferelation:
ren Kommutator abhängt. Die Unschärferelation gilt
ergibt sich nach Ein-
setzen
für alle Zustände, wobei die in ihr enthaltenen Erwartungswerte abhängig vom beliebig gewählten Zustand
des Systems sind. Der Kommutator zweier Observablen
2
|h∆A ψ|∆B ψi| 6 h∆A ψ|∆A ψi · h∆B ψ|∆B ψi.
kann als Maÿ für deren gegenseitige Beeinussung betrachtet werden. Wenn der Kommutator zweier Observablen 0 ergibt, so sind diese voneinander unabhängig
Da
∆A
selbstadjungiert ist, gilt
und gleichzeitig exakt bestimmbar.
|h∆A ψ|∆B ψi|2 = |hψ|∆A ∆B ψi|2 .
Da sich die Unschärferelation aus den ersten drei Axiomen der Quantenmechanik herleitet, ist im Falle von
Mit der Denition des Erwartungswerts (Gl. 1.4) folgt
deren Gültigkeit die Unschärfe gemäÿ der Kopenhagener Deutung fester Bestandteil der Natur und nicht nur
|h∆A ∆B i|2 6 h∆2A ih∆2B i.
(1.7)
die Folge fehlerhafter Messungen.
13
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Ein oft angeführter Spezialfall der Unschärferelation
beschreibt die Beziehung zwischen Ortsunschärfe
und Impulsunschärfe
∆p
∆x
mit
Akademie Braunschweig 2006-2
dem Impulsmessgerät, sondern ist von vornherein in
der Natur des Teilchens enthalten.
Für makroskopische Objekte wird jedoch die Impulsun-
~2
6 h∆2x ih∆2p i.
4
schärfe gegenüber dem Impuls und die Ortsunschärfe
gegenüber der Länge so klein, dass wir sie als scharf
Dabei resultiert die Unschärfe des Ortes laut Quan-
wahrnehmen.
tenmechanik jedoch nicht aus der Wechselwirkung mit
9 Verschränkung
(Henrike Gätjens und Marco Aliprandi)
Die Verschränkung ist eine besondere quantenmecha-
Einzelsysteme unabhängig voneinander zu beschreiben.
nische Eigenschaft: Zwei oder mehr Teilchen sind dann
Sie benden sich in einem verschränkten Zustand. Tat-
verschränkt, wenn sie nicht unabhängig voneinander
sächlich treten solche Kombinationen sehr viel häu-
beschrieben werden können.
ger auf als die oben beschriebenen Produktzustände,
Z. B. kann man zwei Spinsysteme
A
und
B,
die gleich-
zeitig betrachtet werden, normalerweise als getrennt
verschränkte Zustände sind in der Quantenmechanik
somit durchaus der Normalfall.
bzw. trennbar auassen. Diese Eigenschaft nennt man
Der oben stehende Formalismus beschreibt die Nichtlo-
Seperabilität. Das Gesamtsystem kann durch ein Pro-
kalität. Es handelt sich um ein physikalisches Konzept,
dukt aus den jeweiligen Eigenvektoren beschrieben
das mögliche Interaktionen zwischen zwei verschränk-
werden. Wir betrachten nun zwei Spinsysteme
B,
A
und
die z. B. folgende Zustände annehmen können:
ten Zustände beschreibt. Für die Verschränkung ist der
Ort der beiden Systeme und deren Entfernung unwichtig, sie kann auch bestehen, wenn
|v1 i = |+iA |−iB
|v2 i = |−iA |+iB .
A
und
B
räumlich
getrennt sind.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen einem ver-
Wenn man nun das erste Axiom der Quantenmecha-
schränkten Zustand und den Messungen, die an einem
nik auf das gesamte System anwendet, kann man diese
der beiden verschränkten Systeme durchgeführt wer-
beiden Zustände zu einem neuen Zustand kombinieren,
den. Die Verwicklung der beiden Systeme ermöglicht
der wiederum ein möglicher Zustand das Gesamtsys-
bei einer Messung von einem der Teilsysteme Informa-
tems ist. Dieses wird beschrieben durch
tionen über das andere aus dem Ergebnis herauszuar-
1
|ψi = √ [|+iA |−iB − |−iA |+iB ] .
2
Der Zustand des Gesamtsystems lässt sich nicht mehr
als Produkt von zwei Einzelzuständen der Systeme
und
B
A in der
x-Richtung den Spinwert +~/2 misst, so ist der Spin
in x-Richtung beim anderen System notwendigerweise
−~/2. Der Zustand des Gesamtsystems kann nach der
beiten. Falls man beispielsweise beim System
(1.10)
A
darstellen. Sie sind nun auf eine Weise mitein-
Messung wieder als Produkt zweier Faktoren beschrieben werden, der verschränkte Zustand ist aufgehoben.
ander verbunden, die es unmöglich macht, die beiden
10 Einstein-Podolski-Rosen-Experiment
(Carina Martschinke und Andreas Landig)
Das EPR-Experiment ist ein Gedankenexperiment
lichkeit ohne Wahrscheinlichkeiten auskommen müsse.
der Physiker Albert Einstein, Boris Podolski und Na-
Sie gaben Denkansätze für eine Theorie mit versteckten
than Rosen, welche im Jahre 1935 ihre Kritik an der
Variablen, um am deterministischen Prinzip der klas-
Quantenmechanik zum Ausdruck brachten [8]. Ihre
sischen Physik festhalten zu können.
Hauptkritikpunkte waren dabei zum einen die elementare Wahrscheinlichkeit, welche durch die Bornsche Regel zum Ausdruck kommt, sowie die verschränkten Zu-
Um das Gedankenexperiment verstehen zu können,
müssen die folgenden Begrie erklärt werden:
stände der Quantenmechanik. Die Autoren waren überzeugt, dass eine fundamentale Beschreibung der Wirk-
•
Eine Forderung von Einstein, Podolski und Rosen ist die Lokalität : Die Teilchen eines Systems
14
Akademie Braunschweig 2006-2
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Abb. 1.5: Einstein-Podolski-Rosen-Experiment in der klassischen (rechts) und der quantenmechanischen Deutung.
wechselwirken nur dann miteinander, wenn sie
sich in unmittelbarer Nähe benden.
10.2 Quantenmechanische Deutung des Experiments
Die Quantenmechanik geht davon aus, dass wir auch
nach der räumlichen Trennung der beiden Teilchen
noch ein verschränktes System
S A0 B 0
haben, was ge-
gen die Lokalität verstöÿt. Damit ist die Quantenme-
•
Für die Quantenmechanik ist der Begri der
Komplementarität von zentraler Bedeutung: Wir
können nicht gleichzeitig über zwei komplementäre
Messgröÿen
Objekts
Auskunft
eines
quantenmechanischen
geben.
Dies
ist
durch
die
Heisenbergsche Unschärferelation quantitativ beschreibbar.
chanik eine nichtlokale Theorie. Wenn wir z. B. das
Elektron in
x-Richtung
iger Wahrscheinlichkeit
messen, erhalten wir zu 50%-
|x+i
bzw.
|x−i und damit ist
x-Komponente
mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit die
des Positrons wegen der Gesamtspinerhaltung entgegengesetzt. Nach den Prinzipien der Quantenmechanik
kann man aus der zweiten Messung des Positrons in
y -Richtung
nicht auf den Spin des Elektrons in dieser
Raumrichtung schlieÿen. Das würde gegen die Kom10.1 Gedankenexperiment
plementarität verstoÿen. Nach der Messung eines der
beiden Teilchen besteht keine Verschränkung mehr.
Im Gedankenexperiment (s. Abb.1.5) werden zwei Photonen
A
und
B
zur Kollision gebracht. Der Gesamt-
spin der beiden sei Null. Wenn die Photonen Energie-
reich genug sind, können ein Elektron (e
) als auch
⊕
das dazugehörende Antiteilchen (Positron e ), entstehen (Paarbildung). Die zwei Teilchen bilden nun ein
verschränktes System
SAB
mit dem Gesamtspin 0, we-
gen der Drehimpulserhaltung. Nun folgt die räumliche
Trennung der beiden Teilchen. Mit Hilfe eines inhomogenen Magnetfelds wird danach, wie im Stern-GerlachExperiment beschrieben, der Spin des Elektrons in eine
beliebige Raumrichtung (z. B.
x-Richtung)
gemessen.
Da der Gesamtspin 0 sein muss, folgt aus der Messung
des Elektrons, dass das Positron in der selben Richtung
gemessen den entgegengesetzten Spin (wenn Elektron
|x+i, dann Positron |x−i) haben muss. Auÿerdem wird
gleichzeitig noch in einer zweiten Messung der Spin des
Positrons in einer anderen Richtung bestimmt.
10.3 Erklärung von Einstein, Podolski und Rosen
Im Gegensatz zur quantenmechanischen Deutung sagen EPR, dass Positron und Elektron im Moment der
räumlichen Trennung sich über jede beliebige Raumrichtung im Sinne der Gesamtspinerhaltung 0 verständigen würden. Die Raumrichtung der Messung spielt
dabei keine Rolle. Nach EPR bilden die zwei Teilchen
nach ihrer Trennung damit zwei eingenständige Systeme (SA0 bzw.
SB 0 )
und sind nicht mehr verschränkt.
Laut EPR kann durch die zweite Messung, die des Po-
y -Richtung, auch der Spin des Elektrons in
y -Richtung ermittelt werden. Für EPR ist es möglich,
sowohl über die x-Komponente als auch über die y -
sitrons in
Komponente des Spins der beiden Teilchen gleichzeitig
15
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Auskunft zu geben. Beide Teilchen haben sich auf einen
Akademie Braunschweig 2006-2
bestimmten Spin in jeder Richtung festgelegt und benden sich nicht in einem gemeinsamen Zustand.
Bis zu Einsteins Tod war nicht klar, welche Deutung
die richtige ist. Die Bellschen Ungleichungen, welche im
folgenden erläutert werden, können diese Frage klären.
11 Bellsche Ungleichungen
(Anna Schmalen und Noemi Skorzinski)
Wie
bereits
im
vorangegangenen
Kapitel
erwähnt,
war für Einstein, Podolski und Rosen die Quanten-
B
der Zustand
groÿe
N
|c+i
gemessen wird. Für ausreichend
können wir dies ausdrücken als:
theorie aufgrund von zwei grundlegenden Prinzipien
inakzeptabel:
die
Nichtlokalität
und
die
P (a+; c+) =
Unbe-
stimmtheit grundlegender physikalischer Eigenschaften. Sie versuchten ihre Ansichten mit Hilfe des EPRExperimentes zu untermauern. In seiner ursprüngli-
Da alle Wahrscheinlichkeiten gröÿer oder gleich Null
sind, kann man auch schreiben:
chen Form konnte dieses Gedankenexperiment jedoch
P (a+; c+) 6
keine der beiden Theorien widerlegen oder bestätigen.
Erst nach dem Tod Einsteins gelang es dem Physiker
=
John Bell zu beweisen, dass beide Theorien in bestimmten Fällen zu unterschiedlichen Vorhersagen führen,
was der erste Schritt zur Widerlegung von Einsteins
Theorie war [10].
c
Dies ist eine der Bellschen Ungleichungen. Sie muss
11.2 Quantenmechanische Behandlung
Bell ging dabei von drei beliebigen Messrichtungen
und
=
N3 + N4 + N2 + N6
N
N3 + N4
N2 + N6
+
N
N
P (a+; b+) + P (b+; c+).
nach Einsteins Argumentation in allen Fällen gelten.
11.1 Bells Argumentation
b
N2 + N4
.
N
a,
aus. Einstein zufolge einigen sich die Teil-
chen bereits im Moment der Trennung für jede mög-
Nun wollen wir die Situation mit Hilfe der Quantenmechanik untersuchen.
liche Messrichtung über ihre jeweiligen Messwerte gerade so, dass sie in der gleichen Richtung immer den
Gesamtspin Null haben. Deswegen kann man aufgrund
der Messung an einem Teilchen (laut Einstein) auf den
Zustand des anderen schlieÿen.
Messen zwei Beobachter
A
und
B
jeweils an einem der
beiden Teilchen den Spin in einer der drei Richtungen
a, b
c, ergeben sich acht Möglichkeiten. Wird der
N -mal durchgeführt, geben wir die Anzahl der
jeweiligen Ergebnisse durch N1 bis N8 an, wie in der
oder
Versuch
folgenden Tabelle.
Abb. 1.6: Lage der Messrichtungen in der x-y -Ebene.
Dafür wählen wir die drei Messrichtungen
a, b
und
c
so, dass
Anzahl
N1
N2
N3
N4
N5
N6
N7
N8
Teilchen A
(a+, b+, c+)
(a+, b+, c−)
(a+, b−, c+)
(a+, b−, c−)
(a−, b+, c+)
(a−, b+, c−)
(a−, b−, c+)
(a−, b−, c−)
Teilchen B
(a−, b−, c−)
(a−, b−, c+)
(a−, b+, c−)
(a−, b+, c+)
(a+, b−, c−)
(a+, b−, c+)
(a+, b+, c−)
(a+, b+, c+)
•
•
alle in einer Ebene liegen,
zwischen
kel
ϑ
a und b bzw. zwischen b und c der Win-
liegt,
•
die a-Richtung parallel zur x-Achse liegt (|a±i =
√
(|+i ± |−i)/ 2),
•
die
z -Achse
senkrecht auf der Ebene steht.
Um die Basisvektoren zur
b-
ten, dreht man die Basis zu
Wir untersuchen die EPR-Wahrscheinlichkeit dafür,
dass am Teilchen
16
A der Zustand |a+i und am Teilchen
Winkel
ϑ
bzw.
und
a
c-Richtung zu erhalz -Achse um den
an der
2ϑ.
|c+i = Dz (2ϑ)|a+i.
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Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
A der Wert +~/2 in a-Richtung geB im Zustand |a−i, da sich die Teil-
Wird am Teilchen
messen, dann ist
Demnach müsste mit der Bellschen Ungleichung gelten:
?
chen im verschränkten Zustand Gleichung (1.10)
1
√ [|+iA |−iB − |−iA |+iB ]
2
benden. Auÿerdem berechnet man
sin2 ϑ 6 2 sin2
Für das Beispiel
ϑ=
π
4 bedeutete das:
sin2
π
4
|c+i:
1
|c+i = √ (e−iϑ |+i + eiϑ |−i.
2
ϑ
.
2
?
6 2 sin2
π
8
?
0, 5 6 0, 3
Mithilfe der Bornschen Regel kann man nun die Wahrscheinlichkeiten dafür berechnen, dass an
Damit ist die Bellsche Ungleichung verletzt, was bedeu-
Richtung
tet, dass sich der quantenmechanische Ansatz und der
B in b+~/2 gemessen wird, wenn das Teilchen zuvor im |a−i Zustand war. Da die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass A im |a−i Zustand ist, 50% beträgt, muss
man, um die Wahrscheinlichkeit P (a+; c+) zu erhalten,
diese Wahrscheinlichkeit noch mit
P (a+; c+)
1
2 multiplizieren,
1
|hc + |a−i|2
2
1
sin2 ϑ.
2
=
=
Ebenso gilt für die anderen Wahrscheinlichkeiten:
P (b+; c+)
=
P (a+; b+)
=
1
sin2
2
1
sin2
2
ϑ
2
ϑ
.
2
Einsteins nicht nur in der Erklärung bzw. Interpretation unterscheiden, sondern auch zu unterschiedlichen
Vorhersagen führen, die experimentell überprüft werden können.
Als man dank fortgeschrittener technischer Möglichkeiten in der Lage war, analoge Experimente zum EPRExperiment, welches bisher nur ein Gedankenexperiment gewesen war, durchzuführen, bestätigten sich die
mit der Quantentheorie errechneten Wahrscheinlichkeiten [11]. Die Bellschen Ungleichungen waren also tatsächlich falsch, was bedeuten musste, dass Einstein eine falsche Annahme gemacht haben muss. Die meisten
Physiker gehen davon aus, dass dies die Annahme der
Lokalität ist (vgl. ausführlicher [12]).
12 Kopenhagener Deutung, Messproblem, Kollaps
(Stefan Günther und Tobias Münker)
Die
Quantenmechanik
sischer Physik die Theorien stets universelle Gültigkeit
stammt von dem Mathematiker Johann von Neumann
erste
Axiomatisierung
der
beanspruchten und keine Beeinussung der beobach-
[2]. Mit ihrer Hilfe erbrachte er auch den Nachweis
teten Gröÿen durch die Beobachtung selbst angenom-
der Äquivalenz von Schrödingers Wellen- und Heisen-
men wurde. Auÿerdem entschärft Borns Wahrschein-
bergs Matrixdarstellung. Bei den bereits eingeführten
lichkeitsinterpretation der Wellenfunktion, die auch
vier Axiomen der Quantenmechanik handelt es sich um
Bohr verwendet, den Widerspruch zwischen Teilchen
Umformulierungen der Beschreibung von Neumanns.
und Wellen, indem sie die letzteren als Wahrschein-
Die Kopenhagener Deutung war lange Zeit die verbreitetste Deutung dieses zur Beschreibung der quantenmechanischen Phänomene verwendeten Formalismus.
Sie wurde 1927 von der Arbeitsgruppe um Niels Bohr
formuliert, zu der unter anderem auch Werner Heisenberg gehörte [7, 13]. Anlass waren die Beobachtung von
Quanten entweder als Welle oder als Teilchen, die Tatsache, dass man bei den gleichen Teilchen beim Messen der gleichen Eigenschaft unterschiedliche Messergebnisse erhält, sowie das ausschlieÿliche Auftreten reiner Zustände bei Messungen. Eine zentrale Rolle spielt
Bohrs Prinzip der Komplementarität, welches besagt,
dass es zwei nebeneinander existierende Beschreibungen der Quantenwelt gibt, von denen immer genau
eine auf eine bestimmte Situation anwendbar ist, in
lichkeitswellen im abstrakten Hilbertraum betrachtet.
Die Welle ist also nicht das Teilchen, sondern nur eine
Wahrscheinlichkeitsangabe für mögliche Ergebnisse im
Falle einer Messung. Dies geht mit der operationalistischen Position Bohrs einher, wonach die Aufgabe der
Physik lediglich darin besteht, Beziehungen zwischen
Messergebnissen zu erforschen und andere Messergebnisse vorherzusagen. Er argumentiert, die Realität werde dem Physiker nur durch Messung zugänglich und
somit bleibe die Realität hinter der Messung verborgen. Deshalb könne man nur die Messungen gerechtfertigt zum Gegenstand der Wissenschaft machen. Weiterhin beinhaltet die Kopenhagener Deutung aufgrund
der Wahrscheinlichkeitsinterpretation die Aufgabe des
Determinismus.
der Sprache der anderen zu reden aber sinnlos wäre.
Dies ist eine revolutionäre Vorstellung, da in der klas-
17
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
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klassische Begrie wie den Ort (etwa des Messzeigers)
12.1 Messproblem
beschreibbar sind. Dies bedingt, dass je nachdem, welEs stellt sich die als Mess- oder Kollapsproblem be-
cher klassische Begri in einer bestimmten Beobach-
zeichnete Frage, warum ein in Superpositon, also in
tungssituation anwendbar ist, der jeweils komplemen-
der Linearkombination möglicher reiner Zustände, be-
täre Begri nicht verwendbar ist. Daher ist eine Rede
ndliches System bei Messung plötzlich in einen rei-
über die durch die Unschärferelation festgelegten Gren-
nen Zustand übergeht. Dieser Übergang wird auch als
zen hinaus sinnlos.
Kollaps bezeichnet. Genaugenommen besagt dies einen
Widerspruch zwischen dem 3. und 4. Axiom der Quantenmechanik.
Auch bei von Neumann wird Messung als primitiver
Begri behandelt, welcher keine weitere Erklärung erfährt. Er trennt scharf zwischen Beobachter und beob-
Die Kopenhagener Deutung gibt auf diese Frage keine
achtetem System, wobei aber von ihm keine eindeutige
Antwort, sondern verwendet den Begri Messung als
Grenze angegeben wird.
unerklärten Grundbegri.
Ein Versuch, eine solche Erklärung zu geben und somit
das sogenannte Demarkationsproblem zu beantworten
12.2 Was genau ist eine Messung?
besteht darin, auf die Grenze zwischen Mikro- und
Makroskopie zu verweisen. Messung wird folglich als
Damit bleibt unklar, was genau eine Messung aus-
Wechselwirkung des gemessenen mikroskopischen Sys-
macht, was genau also das System kollabieren lässt. Bei
tem mit einem makroskopischen Messsystem deniert.
Schrödingers Katze wäre zum Beispiel möglich, dass
Allerdings verschiebt dies das Problem auf die Grenz-
schon der radioaktive Zerfall, das Auslösen des Mecha-
ziehung zwischen Mikro- und Makrokosmos.
nismus, das Zerstören der Giftampulle oder spätestens
das Töten der Katze als Messung gilt und einen Kollaps herbeiführt. Man könnte aber auch behaupten,
dass dies erst durch das Erfassen des Zustandes mit
dem Bewusstsein des Beobachters geschieht, welcher
die Kiste önet.
Nach Wigner ist eine Messung eine Wahrnehmung
durch das Bewusstsein. Dies bedürfte ebenfalls einer
klaren Unterscheidung reiner physikalischer Systeme
von Systemen mit Bewusstsein.
Eine ganz andere Lösung besteht in der Aufgabe des
Bohr verwendet den aus der Alltagssprache entlehnten Messbegri in der Kopenhagener Interpretation zunächst im Sinne der klassischen Physik und begründet die Vorrangigkeit des klassischen Vokabulars damit, dass Messungen letztlich nur unter Rückgri auf
Kollapspostulats in weiteren, an anderer Stelle thematisierten Theorien. Damit wird die Notwendigkeit umgangen zu denieren, was eine zum Kollaps führende
Messung ist. Nichtkollapstheorien führen jedoch zu anderen Problemen.
13 Viele-Welten- und Viele-Bewusstseine-Theorien
(Miriam Boxriker und Fanny Yang)
Die Kopenhagener Deutung liefert eine unbefriedigende
mung des Menschen begründet. Allein das Bewusstsein
Antwort für das Messproblem. Die verschiedenen Pro-
sei unfähig, die verschiedenen Zustände der Welt gleich-
blemfelder sind: die externe Stellung des Beobachters,
zeitig wahrzunehmen. Es gibt somit in dieser Theo-
die Annahme eines Kollapses der möglichen Zustände
rie keinen Kollaps. Ein System verändert sich objektiv
bei einer Messung und die unklare Trennung von Mess-
kontinuierlich und deterministisch.
apparat und gemessenem System. Ein Vorschlag ist, die
Welt in mikroskopische und makroskopische Systeme
aufzuteilen, wobei trotzdem das Demarkationsproblem
nicht gelöst wurde. Es blieb unklar, wo die Grenze zwischen den beiden Systemen zu ziehen sei. Everett unterbreitete deswegen eine neue Idee.
1957 schlug er vor, die gesamte Welt in Übereinstimmung mit dem mathematischen Formalismus quantenmechanisch zu betrachten. Der Beobachter ist also Teil
des Systems, das gemessen wird. Das bedeutet, dass
alle möglichen Zustände tatsächlich existieren und die
Welt sich in Superposition bendet. Bei einer Messung ndet man allerdings nur ein Ergebnis, obwohl die
Überlagerung weiterhin besteht. Das eindeutige Messergebnis sieht Everett in der subjektiven Wahrneh-
18
Zusammenfassend sind dies die Vorschläge Everetts.
Wie er sie aber genau anwenden wollte, blieb in Folge
der unpräzisen Darstellung schleierhaft. Deshalb wurde
Everetts Ansatz Grundlage verschiedener verfeinerter
Theorien. Die zwei bekanntesten sind die Viel-Weltenund Viele-Bewusstseine-Theorie.
Die Viele-Welten-Theorie wurde in den 1960er und 70er
von Bryce Seligman DeWitt aufgestellt [14]. Sie besagt, dass für jeden in Superposition beschriebenen Zustandsvektor eine Welt existiert. Jedes Mal wenn ein
Quantenübergang stattndet (unabhängig von Messungen), spaltet sich die Welt in so viele Welten auf,
wie es mögliche Messergebnisse gibt, die jeweils einem
eigenen Eigenzustand entsprechen. Die Entwicklung ei-
Akademie Braunschweig 2006-2
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
ner Welt an sich ist vollkommen deterministisch. Keine
Zuständen, noch aus einer naiven Wahrscheinlichkeit,
Welt interagiert mit irgend einer anderen. Es ndet al-
sich zwischen verschiedenen Zuständen zu entscheiden.
so auch hier kein Kollaps statt.
Auch die Viele-Bewusstseine-Theorie wirft Fragen auf.
Folgendes wurde bei dieser Theorie kritisiert: Wie er-
Warum
klärt man sich die Tatsache, dass man mit einer Wahr-
wahr, die die Quantenmechanik vorhersagt? Der Ver-
scheinlichkeit, die die Quantenmechanik voraussagt,
dacht liegt nahe, dass es sich hierbei nur um eine Ver-
bestimmte Zustände misst, und nicht naive Wahr-
lagerung des Kollapsproblems handelt.
scheinlichkeiten, das heiÿt für jede Möglichkeit die
gleiche Wahrscheinlichkeit erhält? Egal welche Wahrscheinlichkeit man für zwei Zustände bei einer Messung nach dem quantenmechanischen Formalismus errechnet, ndet man bei der Viele-Welten-Theorie eine
Wahrscheinlichkeit von 50% für beide Zustände, da genau zwei Welten entstehen, in denen einmal der eine
und einmal der andere verwirklicht wird. Ferner hängt
von der Wahl der Basis die Wahrscheinlichkeit ab, mit
der ein Zustand gemessen wird. Deswegen muss man
aus einer sehr groÿe Anzahl an unterschiedlichen Basen
eine einzige (präferierte Basis) auswählen. Es ist aber
nicht klar, wie diese Basis gewählt werden soll (vgl. [16,
S. 627]).
nimmt
man
gerade
die
Wahrscheinlichkeit
Ein weiteres Problem brachten Supervenienz-Vertreter
zur Sprache. Supervenienz bezeichnet eine Beziehung
zwischen zwei Ebenen, in diesem Fall zwischen Gehirn
(materiell) und Geist (mental). Dabei ist diese Beziehung nur in einer Richtung implikativ. D. h. wenn der
Geist einen Zustand erkennt, muss sich zwangsläug
die Aktivität des Gehirns ändern. Umgekehrt muss eine Veränderung der Aktivität des Gehirns allerdings
nicht bedeuten, dass der Geist auch etwas anderes
wahrnimmt. Zahlreiche Vertreter einer Supervenienzbeziehung zwischen Mentalem und Neuronalem hielten
die Viele-Bewusstseine-Theorie für einen Widerspruch
zum Supervenienz-Prinzip, da die gleichzeitige Existenz verschiedener Bewusstseine bei einem Menschen
Die Viele-Bewusstseine-Theorie wurde in den 1970er
eine gleichzeitige Existenz verschiedener Gehirne zur
Jahren entwickelt. Zu dieser Theorie äuÿerte sich unter
Folge haben müsste. Dies wäre biologisch unmöglich.
anderem H. Dieter Zeh. Es existiert im Gegensatz zu
DeWitt nicht für jeden möglichen Zustand eine Welt,
sondern ein Bewusstsein. Es gibt nur eine Welt, aber
in jedem Menschen eine Überlagerung an subjektiven
Bewusstseinen, die jeweils einen Zustand wahrnehmen
können. Die aktuale Wahrnehmung eines Zustandes
entsteht also weder aus einem Kollaps von möglichen
Das Ziel von Everett, der Viele-Welten- und VieleBewusstseine-Theorien war, den bei der Kopenhagener
Deutung vorhandenen Kollaps aus der Interpretation
der Quantenmechanik herauszuhalten. So sollte eine in
sich schlüssige und unkontroverse Theorie entstehen.
Dies ist nicht gelungen, wie an den Einwänden anderer
Physiker oder Philosophen zu sehen ist.
14 Putnam ein Philosoph schaut auf die Quantenmechanik
(Anissa Zeghuzi und Henrike Gätjens)
Hilary Putnam (*1926) ist ein amerikanischer Philo-
Putnam hat drei Anforderungen an eine Interpretati-
soph, der in seinem 1965 verfassten Text A philoso-
on der Quantenmechanik: Erstens muss sie davon aus-
pher looks at quantum mechanics [15] verschiedene In-
gehen, dass ein System durch eine Messung gestört
terpretationen der Quantenmechanik für unzureichend
wird. Desweiteren soll dieses System als Wellenfunk-
erklärt. Im Folgenden wird sein wissenschaftstheoreti-
tion beschrieben werden, die allerdings keine physika-
scher Standpunkt sowie seine Kritik an der Kopenha-
lische Welle im Raum, sondern eine abstrakte Wahr-
gener Deutung dargestellt. Putnam spricht sich klar
scheinlichkeitswelle ist. Auÿerdem muss die Interpre-
gegen den Operationalismus aus, der besagt, dass ei-
tation eine einheitliche Erklärung des Phänomens der
ne physikalische Gröÿe und deren Anwendungsbereich
Superposition liefern [15, S. 147f].
allein durch experimentelle Verfahren deniert werden
kann. Physikalische Begrie zu verwenden hat nichts
damit zu tun, die Existenz bestimmter Gröÿen anzunehmen. Ganz anders sieht dies der wissenschaftstheoretische Realismus, wie Putnam ihn vertritt. Elektrische Ladung etwa sei ein Teil der Realität und charakterisierbar hinsichtlich formaler Eigenschaften (die Ladung kann nur bestimmte Werte annehmen), der sie regierenden Naturgesetze und bestimmter physikalischer
Eekte. Messungen sind nur eine allerdings wichtige Putnam
behandelt
wichtige
Kollaps-
sowie
Nicht-
Kollaps-Theorien. Den Kollapstheorien zufolge kollabieren die Teilchen entweder durch Wechselwirkung
mit dem Messsystem oder spontan. Die Nicht-KollapsTheorien kommen ganz ohne Reduktion von Superpositionen aus und führen entweder versteckte Variablen
oder parallel existierende Zustände ein. Im Folgenden
werden zunächst die Positionen Putnams zu Kollapstheorien dargelegt.
Untermenge physikalischer Interaktionen [15, S. 131f],
De Broglies Interpretation ist für Putnam unplausi-
aber nicht von theoriefundierender Bedeutung.
bel, weil sie quantenmechanische Systeme als wirkli-
19
Kurs 2.1 Quanten: Mathematik und Philosophie einer physikalischen Idee
Akademie Braunschweig 2006-2
che Wellen mit Teilcheneigenschaften beschreiben will
mann von real existierenden Zuständen in Superpositi-
[15, S. 133f]. Die Wellendarstellung scheint nur auf den
on aus. Bei der Messung wird diese Superposition zer-
ersten Blick intuitiv anschluÿfähig an klassische Vor-
stört, um einen genauen Wert zu erhalten [16, S. 621].
stellungen von Wellen. Allerdings sind die Amplituden
Problematisch daran ist der ungeklärte Zusammenhang
jener Wellen komplex und nicht reellwertig und der
zwischen Schrödingerdynamik und Kollapspostulat.
Raum, in dem sich die Wellen ausbreiten, ist nicht mit
dem dreidimensionalen Raum gleichzusetzen.
Auÿerdem
befasst
sich
Putnam
mit
der
Ghirardi-
Rimini-Weber-Theorie (GRW). Hier gibt es keinen äu-
Max Born wiederum behauptet mit seinem Nichtstö-
ÿeren Verursacher für den Kollaps. Stattdessen besteht
rungsprinzip [15, S. 138], dass die Eigenschaften einer
für jedes einzelne Teilchen eine sehr geringe Wahr-
Observablen durch eine Messung nicht verändert wer-
scheinlichkeit, in einen genau denierten Zustand zu
den. Nach der Messung erwerbe ich lediglich genaue
springen. Man kann es sich bei makromolekularen Grö-
Kenntnis über den direkt vorher in gleicher Weise be-
ÿen so vorstellen, dass sich diese Wahrscheinlichkei-
stehenden Zustand. Die als in Superpositionen bend-
ten aufsummieren. Aus diesem Grund sind makromo-
lich beschriebenen Zustände sind keine Zustände der
lekulare Gegenstände genau lokalisierbar und nicht un-
Welt, sondern unserer Kenntnis bzw. Unkenntnis. Was
scharf. Putnam sieht die zuletzt genannte Theorie in-
kollabiert, ist nur unsere Unkenntnis: nach der Mes-
sofern im Vorteil, als sie das Problem der Lokalisie-
sung besitzen wir genaue Kenntnis. Welcher Wert dabei
rung bei makromolekularen Objekten löst [16, S. 613f].
mit welcher Wahrscheinlichkeit resultiert, ist allerdings
Allerdings hat die GRW-Theorie auch Schwächen. Die
mittels der Bornschen Regel bezierbar. Die Annahme
Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass die kom-
der Nichtstörung wurde jedoch bald experimentell wi-
plementäre Gröÿe (Impuls) unendlich unbestimmt ist,
derlegt.
wenn ein Teilchen einen vollkommen scharfen Ortszu-
Die Kopenhagener Deutung schlieÿt eine Störung des
Systems durch die Messung ein [15, S. 140]. Entscheidend ist der operationalistische Standpunkt Bohrs.
Dieser äuÿert sich in der Annahme, dass ein Teilchen
stand annimmt. Da sie somit auch beliebig groÿ sein
könnte, würde dies gegen den Energieerhaltungssatz
verstoÿen. Um dies zu vermeiden, beschränken GRW
ad hoc die Schärfe des Ortszustands [16, S. 628f].
und seine Eigenschaften erst dann existieren, wenn man
Die Bohmsche Theorie gehört zu den Nicht-Kollaps-
eine Messung durchführt. Davor ist es nach Bohr sinn-
Theorien mit versteckten Variablen. Das heiÿt, die Teil-
los, von Gröÿen wie Geschwindigkeit, Ort oder Spin
chen haben immer einen bestimmten Ort und eine Ge-
eines Teilchens zu sprechen. Das Problem der Superpo-
schwindigkeit und bewegen sich nach der Schrödinger-
sition stellt sich in der Kopenhagener Deutung daher
gleichung. Uns sind jedoch die genauen Anfangszustän-
nicht, folglich bleibt die dritte Anforderung an eine In-
de unbekannt. Die Verteilung der Anfangswerte folgt
terpretation der Quantenmechanik problematisch [15,
aber genau den Wahrscheinlichkeiten, welche der quan-
S. 144]. Zusätzlich legte Putnam in seinem späteren
tenmechanische Formalismus vorhersagt [16, S. 622f].
Text A philosopher looks at quantum mechanics again
von 2005 [16] explizit dar, dass Bohr keine Interpretation der Quantenmechanik liefert, sondern allein den
wissenschaftstheoretischen Realismus verneint. In einer Variante der Kopenhagener Deutung geht von Neu-
Putnam kommt zu dem Schluss, dass die GRW- oder
die Bohmsche Theorie die aussichtsreichsten Kandidaten für eine befriedigende Interpretationen sind [16,
S. 630f].
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