Vortrag - Psychosomatik Basel

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Anpassungsstörung
und
Jürgen Bengel und Martin Härter
Akute Belastungsstörung
Abteilung für Rehabilitationspsychologie
Institut für Psychologie
Universität Freiburg

Jürgen Bengel
Institut für Psychologie
Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Vortrag UniversitäAbt.
tsspital
Basel, 21. September 2010
Fallbeispiel Frau D.
48 Jahre, allein erziehende Mutter einer 15-jährigen Tochter, seit zehn
Jahren geschieden, seit drei Jahren arbeitslos
Vor vier Monaten habe ihre 15-jährige Tochter einen schweren Unfall
gehabt, bei dem sie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe. Seit
diesem Ereignis mache sie sich ständig Sorgen um sie. Sie habe
furchtbare Angst, dass sie nie wieder ganz gesund werde. Ihre Tochter
gehe wegen der Unfallfolgen momentan nur stundenweise zur Schule.
Jetzt, wo sie selbst viel zu Hause sei, passe sie immer auf die Tochter
auf und schaffe es nicht mehr, sich auszuruhen oder etwas für sich zu
tun. Sie sei ständig angespannt und schlafe nur noch ganz schlecht.
Oft streite sie mit ihrer Tochter, weil diese nicht auf ihre Gesundheit
achte. Hinterher mache sie sich Vorwürfe und sei ganz deprimiert. Sie
habe auch nicht mehr die Nerven, sich mit Freunden oder Nachbarn zu
unterhalten. Da sie immer nach der Tochter fragten, gehe sie ihnen aus
dem Weg. Hilfe oder Unterstützung bekomme sie keine, sie fühle sich
völlig allein gelassen.
F 43.22 Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 2
Fallbeispiel Herr M.
36 Jahre, kommt drei Tage nach Rückkehr von einer Klettertour in die Ambulanz.
Am zweiten Tag der Klettertour sei einer aus der Gruppe sechs Meter in die Tiefe
gestürzt; es sei noch offen, ob er nicht querschnittsgelähmt bleibe. Er mache sich
Vorwürfe, weil er der Bergsteiger der Gruppe mit der meisten Erfahrung sei. Kurz
vor dem Unfall habe er noch gedacht habe, er müsse noch mal alles checken,
habe es dann aber aus irgendeinem Grund nicht gemacht.
Direkt nach dem Unfall und auch am Abend sei es allen und auch ihm „den
Umständen entsprechend“ gegangen. Seit dem Nachmittag des nächsten Tages
werde er jedoch das Bild von dem am Boden liegenden jungen Freund nicht los,
ebenso wenig auch Gedanken daran, dass er kurz davor habe die Sicherungen
prüfen wollen.
Die anderen seien ebenfalls sehr betroffen, aber keinem ginge es so schlecht wie
ihm. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, wie die Bergwacht gekommen sei
und ob er überhaupt richtig geholfen habe. Seit vorgestern habe er kaum noch
geschlafen, ständig kreisten die Gedanken nur um den Unfall, er stehe neben sich.
Gestern habe er die Freundin des verunglückten Mannes getroffen. Hinterher habe
er sich Vorwürfe gemacht, dass er ihr gegenüber kein Mitgefühl habe empfinden
können. Er glaube, keiner sage es, aber alle dächten, er habe Schuld an dem
Unfall. Es würde nichts mehr so sein wie vorher, er glaube nicht, dass er jemals
wieder Freude am Leben werde haben können oder dürfen.
F43.1 Akute Belastungsreaktion (bzw. Akute Belastungsstörung)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 3
Gliederung

Kriterien und Differentialdiagnose

Stressorkriterium

Chronische Krankheit als Stressor

Ätiologiemodell – Schutz- und Risikofaktoren

Beratung und Therapie
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 4
Kriterien Anpassungsstörung F43.2
A Identifizierbare psychosoziale Belastung, von einem nicht
außergewöhnlichen oder katastrophalem Ausmaß; Beginn
der Symptome innerhalb eines Monats.
B Symptome und Verhaltensstörungen, wie sie bei F3, F4
und F91(Sozialverhalten) vorkommen; keine spezifische
Störung.
C Symptome sind nicht Ausdruck einer Einfachen Trauer
D Die Symptome dauern nicht länger als sechs Monate nach
Ende der Belastung oder ihrer Folgen an, außer bei der
längeren depressiven Reaktion (F 43.21).
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 5
Klassifikation von Anpassungsstörungen (ICD-10)
 Kurze depressive Reaktion (F43.20)
 Längere depressive Reaktion (F43.21)
 Angst und depressive Reaktion gemischt (F43.22)
 Mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen
(F43.23)
 Mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens (F43.24)
 Mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten
(F43.25)
 Mit sonstigen spezifischen deutlichen Symptomen (F43.28)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 6
Prävalenz der Anpassungsstörungen
 0.6% Frauen, 0.3% Männer, Allgemeinbevölkerung
(Ayuso-Mateos et al., 2001)
 10-30% Anteil an psychischen Störungen
 Häufigste Diagnose bei körperlichen Erkrankungen
 Häufigste Diagnose in der stationären psychosomatischen
Rehabilitation
Forschungsstand unsicher, auch durch Verlauf
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 7
Kriterien Akute Belastungsreaktion F43.0
 Zeitlicher Zusammenhang zwischen Belastung und Beginn der
Symptome
 Gemischtes und gewöhnlich wechselndes Bild: „Betäubung“,
dann Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität und
Rückzug
 Kein Symptom längere Zeit vorherrschend
 Reaktion beginnt innerhalb weniger Minuten, wenn nicht sofort
 Symptome rasch rückläufig: klingen innerhalb von wenigen
Stunden ab, wenn Entfernung aus belastender Umgebung möglich
 Keine Verschlechterung einer bestehenden Störung
 Vorgeschichte mit psychischen Störungen spricht nicht gegen
Diagnose.
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 8
Kriterien Akute Belastungsstörung (DSM-IV)
A Traumatisches Ereignis
B Dissoziative Symptome (emotionale Taubheit,
Depersonalisationserleben, Derealisation, ....)
C Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses (wiederkehrende
Bilder, Gedanken, Träume, Flashback-Episoden, etc.)
D Vermeidung von Reizen, die an das Trauma erinnern
E Symptome von Angst oder erhöhtes Arousal
F Beeinträchtigungen in wichtigen Funktionsbereichen
G Mindestens 2 Tage und höchstens 4 Wochen, innerhalb
von 4 Wochen nach dem traumatischen Ereignis
9
Anpassungs- und Belastungsstörungen
Bengel & Hubert, 2010, mod. nach Möller et al., 2005, ergänzt um ABS nach DSM
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 10
Differentialdiagnostische Aspekte AD
Differentialdiagnose
Depressive
Störung
Überlappende
Merkmale
Differenzierende
Merkmale
−Stressor
−Depressive Symptome
−Vegetative Symptome
−Ausprägung der
Symptome
−Dauer der Symptomatik
Generalisierte
Angststörung
−Stressor
−Angstsymptome
Andere
Angststörungen
(F41.2 / F41.3)
−Stressor
−Angstsymptome
Somatoforme
Störungen und
Chronische
Erschöpfung
−Depressive Symptome
−Angstsymptome
−Vegetative Symptome
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
−Anhaltende Ängste und
Sorgen, die sich nicht auf
ein Objekt oder Ereignis
beziehen
−Schwere der Symptome
−Multiple körperliche
Symptome
−Dauer der Symptomatik
Bengel - 11
Unschärfe der Störungsklassifikation
 Abgrenzung von normaler Belastungsverarbeitung?
Kontinuum bei Formen der Belastungsverarbeitung
und zeitlichem Verlauf
 Grenzziehung zu spezifischen Störungskategorien
 Vor allem verwendet, wenn Kriterien für eine
spezifische Störung nicht erfüllt: „Restkategorie“
 Bei Stressoren mit „offenem Ende“ (z. B. chronische
Krankheit) - Zeitkriterium nicht eindeutig anwendbar
(Baumeister & Kufner, 2009; Bengel & Hubert, 2010)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 12
Subtypen von affektiven Störungen / MD
 Subtypen nach Lebensereignis / Stressor (ätiologisch)
 Subtypen nach Symptomatik / Syndrom (strukturell)
(Subtypen nach Behandlungsansprechbarkeit)
Dimensionales versus kategoriales Konzept
Anpassungsstörung:
 Subsyndromale PTBS
 Anpassungsstörung ängstlicher Typ
 Posttraumatische Verbitterungsstörung
Kriterium der klinischen Signifikanz, Ein- und Ausschlusskriterien
(Baumeister & Kufner, 2009; Baumeister, Maercker & Casey, 2009; Baumeister & Parker, 2010)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 13
Gliederung

Kriterien und Differentialdiagnose

Stressorkriterium

Chronische Krankheit als Stressor

Ätiologiemodell – Schutz- und Risikofaktoren

Beratung und Therapie
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 14
Zirkularität
Trauma
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
PTBS
Bengel - 15
Kritische und traumatische Lebensereignisse
 Deutliche Veränderung der schulischen und beruflichen Situation
 Deutliche Veränderung der häuslichen und familiären Situation
 (Schwere, chronische) körperliche Erkrankung
 Schwerer Unfall, schwere Verletzung
 Verlust einer nahe stehenden Bezugsperson
 Sexuelle Gewalt, Vergewaltigung
 Erleben von Naturkatastrophen
 Erleben von technischen Katastrophen
 Erleben von krimineller Gewalt
 Kriegserlebnisse, Kriegsgefangenschaft, Geiselhaft, Folter
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 16
A-Kriterium – Kontroverse

Nach Revisionen des A-Kriteriums Zusammenhang zwischen Ereignissen /
Exposition und posttraumatischem Syndrom noch immer unklar

Vergewaltigung, Folter versus Geburt, Fernsehbericht über 9/11

Symptomatische Beschreibung der PTBS hingegen zunehmend valide, nicht
jedoch die Anpassungsstörung
A-Kriterium verleitet zu Tautologie
Bedard-Gilligan & Zoellner, 2008; North et al., 2009; Weathers & Keane, 2007; Baumeister & Kufner, 2009
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 17
Probleme und Thesen
 Fokus auf Stressor (A-Kriterium)
 Schlussfolgerung häufig: Erleben traumatisches
Ereignis = PTBS
 Vernachlässigung anderer psychischer Störungen als
Folge kritischer Ereignisse
 Vernachlässigung unterschwelliger Probleme als Folge
kritischer Ereignisse
 Vernachlässigung von Risiko- und Schutzfaktoren
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 18
Inhaltliche Klassifikation von Stressoren
(Bengel & Hubert, 2010; modifiziert nach R. Bastine)
Stressor
Beschreibung
Beispiele
Alltagsstressoren,
belastende
Alltagsereignisse
(Mikrostressoren)
Situationen und Ereignisse des täglichen
Lebens, die (bei Häufung verstärkt)
Missempfinden bewirken (können)
Ärgernis mit
Haushaltsführung,
Konflikt im
Arbeitsleben
Kritische
Lebensereignisse
(Makrostressoren)
Subjektiv belastende Lebensumstände, die
räumlich und zeitlich begrenzt sind.
normativ oder nicht-normativ,
erwartbar oder plötzlich,
positiv oder negativ in ihrer Valenz
Verlassen des
Elternhauses
(normativ, erwartet),
plötzlicher Tod einer
nahe stehenden
Person (unerwartet)
Traumatische
Ereignisse
(Makrostressoren)
Typ-I-Trauma(tisches Ereignis): einmalig,
begrenzte Dauer
Typ-II-Trauma(tische Ereignisse):
wiederholte, lang andauernde
Ereignisse
Schwerer
Verkehrsunfall,
Naturkatastrophe
(Typ-I), fortgesetzter
sexueller Missbrauch
(Typ-II)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 19
Verlauf nach Stressoren (erweitert nach AWMF, 2009)
Traumatisches Ereignis
KLE
Akute
PTBS
Integration
Kompensation
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 20
Gliederung

Kriterien und Differentialdiagnostik

Stressorkriterium

Chronische Krankheit als Stressor

Ätiologiemodell – Schutz- und Risikofaktoren

Beratung und Therapie
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 21
Prävalenz PTBS bei körperlicher Krankheit in %
HIV und Aids
Behandlung auf Intensivstation
Unzureichende Sedierung bei OP
Krebs
15-64
0-64
56
2-46
Verbrennungen
Herztransplantation
Herzchirurgischer Eingriff
Lebertransplantation
18-45
10-38
5-19
4
Hoher Anteil passagerer Symptomatik? Zeitpunkt der Erhebung! Diagnostische Kriterien!
Davydow et al., 2008; Griffiths et al., 2007; Krauseneck et al., 2005; Vranceanu et al., 2008
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 22
Erkrankung versus andere Traumata
 Bedrohung nicht durch äußere Umwelt, sondern durch
internen Stressor
 Trennung Bedrohung – Person nicht möglich
 Belastung weniger durch Erinnerung an vergangenes
Ereignis, sondern durch zukünftige (und dadurch
unspezifischere) Lebensbedrohung
(Ausnahme z.B. Herzinfarkt; Behandlung einiger gravierender
Erkrankungen, die als Todesbedrohung erlebt werden können)
 „Informationstrauma“ (Bedrohung eine Information)
 Intrusionen durch Rumination
Zöllner & Maercker, 2005
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 23
Gliederung

Kriterien und Differentialdiagnose

Stressorkriterium

Chronische Krankheit als Stressor

Ätiologiemodell – Schutz- und Risikofaktoren

Beratung und Therapie
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 24
Multifaktorielles Rahmenmodell für Belastungsstörungen
Vor Auftreten
des Stressors
Während
Einwirkung des
Stressors
Ereignisfaktoren
• Schwere, Dauer
Risikofaktoren
Nach Ende der
Einwirkung des
Stressors
Aufrechterhaltende
Faktoren
• z.B.
Gedankenunterdrücken
• u.a. Geschlecht 
Prozesse nach
dem Ereignis
Schutzfaktoren
• z.B. soz.
Unterstützung
Initiale Reaktion
der Person
• u.a. negative
Emotionen
Gesundheitsfördernde Faktoren
•Z.B. Soz.
Unterstützung
Resultate
Störungsbilder
Psychosoz.
Konsequenzen
Persönliche
Reifung
modifiziert nach Maercker, 2009
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 25
Risiko- und Schutzfaktoren vor Stressor

Kritische LE im letzten Jahr

Wohlbefinden,
Lebenszufriedenheit

Alltagsstressoren

Negative Kindheitserfahrungen

Soziale Unterstützung

Psychopathologie in
Familienanamnese

Kommunikationsfähigkeit

Hoher Selbstwert, Ich-Stärke

Psychiatrische Vorgeschichte

Gesundheitsstatus / Fitness

Neurotizismus; negative
Affektivität

Vorbereitung

Starke Erschöpfung

Körperliche Störungen


Weibliches Geschlecht
Frühere Stressoren

Niedrige Intelligenz

Niedriger sozioökonomischer
Status
Risiko- und Schutzfaktoren während Stressor
 Emotionale Reaktion während des traumatischen
Ereignisses
 Wahrgenommene Bedrohung während des
traumatischen Ereignisses
 Schwere des Ereignisses (u.a. aktiv beteiligt statt
Zeuge)
 Dissoziation
 Informationsverabeitung während des Ereignisses
 Wahrgenommene Kontrolle
Risiko- und Schutzfaktoren nach Stressor – 1
 Gedankenunterdrückung
 Grübeln / Rumination
 Katastrophisieren oder dichotome
Verletzung / Level akuter
Bewertungsmuster
Schmerzen
 Negative Kognitionen
Desorganisation des
- über die Welt, Andere, sich
Traumagedächtnisses /
selbst
Schwierigkeiten, zu erinnern
- über Trauma und dessen Folgen
Vermeidungsverhalten
 Negativer Attributionsstil
Sicherheitsverhalten
negative Ereignisse stabil und
global attribuieren
Dissoziation
 Gefühl der gegenwärtigen
Bedrohung
 Level akuter psychischer
Symptome





Risiko- und Schutzfaktoren nach Stressor – 2
 Fähigkeit zur Regulation negativer
Emotionen
 Sich anderen öffnen
 Soziale Unterstützung
Insel Kauai, Hawaii – E. Werner
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 30
Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen
 Personale Schutzfaktoren
- Körperliche Schutzfaktoren
- Kognitive und affektive Schutzfaktoren
- Interpersonelle Schutzfaktoren
 Familiäre Schutzfaktoren
- Strukturelle Familienmerkmale
- Familiäre Beziehungen
- Merkmale der Eltern
 Soziale Schutzfaktoren
- Soziale Unterstützung
• Beziehung zu Erwachsenen
• Kontakte zu Gleichaltrigen
- Qualität der Bildungsinstitutionen
(www.bzga.de; siehe Bengel et al., 2009)
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 31
Resilienz und Schutzfaktoren
Schutzfaktoren (Bewältigungsdispositionen)
 Selbstwirksamkeitserwartung
 Optimismus, positives Selbstkonzept
 Soziale Unterstützung
Mögliche Wirkungen:
• Realistische Risikowahrnehmung
• Puffern von Belastungen
• Direkte Wirkung auf das physiologisches System / Immunsystem
• Adäquates Vorsorge- und Gesundheitsverhalten
• Wechselwirkung zwischen Risiko/Schutzfaktoren, Umwelt, Genen
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 32
Gliederung

Kriterien und Differentialdiagnose

Abgrenzung und Weiterentwicklung

Stressorkriterium

Chronische Krankheit als Stressor

Ätiologiemodell – Schutz- und Risikofaktoren

Beratung und Therapie
- Anpassungsstörungen
- Akute Belastungsreaktion
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 33
Behandlung nach kritischen Ereignissen
Umfang und Intensität der therapeutischen
Maßnahmen abhängig von
 Schwere des Ereignisses
 Schwere der Symptomatik
 Individuelle Risiko- und Schutzfaktoren
Becker & Bengel, 2009
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 34
Kurzanleitung für die Exploration
 Anlass der Kontaktaufnahme und formaler Überweisungsweg
 Aktuelle Symptomatik und bisheriger Verlauf
 Suizidalität
 Kritisches oder traumatisches Ereignis
 Subjektives Erklärungsmodell für die Symptome und Beschwerden
 Versuche der Problembewältigung
 Risikofaktoren und Schutzfaktoren
 Soziales Netz und Einbindung
 Krankheitsanamnese und komorbide Störungen
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 35
Systematik der Frühinterventionen
A Psychische erste Hilfe und psychosoziale Akuthilfen
B Unspezifische Interventionsstrategien
C Spezifische Interventionsstrategien
Zeitfenster: bis 3 Monate nach Ereignis
AWMF, 2009; Bengel & Becker, 2009
A Psychische erste Hilfe und psychosoziale Akuthilfen
Zeitfenster: Akut, erste 48 Stunden





Emotionale und soziale Unterstützung
Befriedigung basaler Bedürfnisse
Nondirektive unterstützende Kontaktaufnahme
Dosierte Informationsvermittlung
Unterstützung von äußerer und innerer Sicherheit
(AWMF, Evidenzbewertung: E III)
A Akuthilfen - Evaluation
 Angebot nach einem traumatischen Ereignis – unabhängig
von der wahrgenommenen oder diagnostizierten Belastung
 Inanspruchnahme freiwillig
 Angepasst an die Bedürfnisse der Betroffenen
 Kein Drängen, direkt nach dem traumatischen Ereignis
über emotionale Reaktionen zu sprechen
 Annahme: Bewältigungsmöglichkeiten werden
verbessert
 Nicht empirisch validiert(-bar)
 Konsens unter Experten (E III)
ACPMH, 2007; Gray & Litz, 2005
B Unspezifische Interventionsstrategien
 Psychoedukation
 Screening bzgl. Symptome und Risikofaktoren
 Monitoring bzgl. Verlauf und
Symptomentwicklung
 Unterstützung sozialer Vernetzung, praktische
und soziale Unterstützung
 Indikationsstellung zu weiterführender
Versorgung
 Mitversorgung von wichtigen Bezugspersonen
(AWMF, Evidenzbewertung: E III)
B Unspezifische Interventionen – Evaluation
 Hohe Raten an Spontanremission; cave Chronifizierung
bei Teilgruppe – siehe Risikofaktoren (Bengel, 2003; NICE, 2005)
 Bei leichten Symptomen, die weniger als vier Wochen
nach dem Trauma andauern: watchful waiting (NICE, 2005)
 Annahme: Bewältigungsmöglichkeiten werden verbessert
 Nicht empirisch validiert(-bar), Konsens unter Experten
(E-III)
 Zugang zu weiterführender Diagnostik
Kontroversen:
Anwendung bei allen Personen versus Personen mit
Symptomen
Watchful waiting versus spezifische Interventionen
C Spezifische Interventionsstrategien
 Kognitive Verhaltenstherapie (E I)
 EMDR (E III)
 Psychodynamische Methoden (E III)
 Hypnotherapeutisch-imaginativeTechniken (E III)
 Pharmakotherapie im posttraumatischen Akutzeitraum
(E II-III)
- Unruhezustände, Schlafstörungen: sedierende
Antidepressiva
- psychotische Dekompensation: Antipsychotika
(AWMF, Evidenzbewertung: insgesamt E III)
Indikationskriterien für Frühmaßnahmen
 Schweres traumatisches Ereignis, z.B. sexuelle Gewalt
 Kontrollverlust, Angst und Hilflosigkeit
 Belastende Lebensereignisse / frühere Traumatisierungen
 Weitere Risikofaktoren, z. B. psychische Störunge
 Eigene Schuldzuschreibung und negative Zukunftserwartung
 Vermeidende Bewältigungsstrategien, Suizidgedanken
 Geringe soziale Unterstützung
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 42
Zusammenfassung und Fazit
 Unscharfe Diagnose, Restkategorie, wenig
untersucht und beforscht
 Hohe Prävalenz und relevante Diagnose
 Problem „Stressor“ - Beziehung zwischen
traumatischem Ereignis und Reaktion
 Berücksichtigung unterschwelliger Folgen
 Gewichtung von Risiko- und Schutzfaktoren
 Indikation zu psychotherapeutischer Versorgung
 Kein spezifisches therapeutisches Vorgehen
 Leitlinien zu Frühinterventionen
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 43
Literaturhinweise Freiburger Arbeitsgruppe
Baumeister, H. & Kufner, K. (2009). It is time to adjust the adjustment disorder category. Current Opinion in Psychiatry, 22,
409-412.
Baumeister, H., Maercker, A. & Casey, P. (2009). Adjustment disorders with depressed mood: A critique of its DSM-IV and
ICD-10 conceptualization and recommendations for the future. Psychopathology 42, 139-147.
Baumeister, H. (2008). Anpassungsstörungen im Sinne einer reaktiven Depression: Charakteristika und Prävalenzraten der
deutschen Allgemeinbevölkerung. Psychosomatik und Konsiliarpsychiatrie, 2, 91-96.
Becker, K. & Bengel, J. (2009). Belastungs- und Anpassungsstörungen. In J. Bengel & M. Jerusalem (Hrsg.), Handbuch der
Gesundheitspsychologie und Medizinischen Psychologie (S. 416-426). Göttingen: Hogrefe.
Bengel, J. (Hg.) (2004). Psychologie in Notfallmedizin und Rettungsdienst. Berlin: Springer.
Bengel, J. & Becker, K. (2009). Psychologische Frühinterventionen. In A. Maercker (Hrsg.), Posttraumatische
Belastungsstörungen (3. Auflage). Berlin: Springer.
Bengel, J. & Hubert, S. (2010). Anpassungsstörung und Akute Belastungsreaktion. Göttingen: Hogrefe.
Bengel, J., Meinders-Lücking, F. & Rottmann, N. (2009). Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen – Stand der Forschung
zu psychosozialen Schutzfaktoren für Gesundheit. Köln: BzGA.
Frommberger, U., Hecht, H. & Bengel, J. (2009). Anpassungsstörungen. In M. Berger (Hrsg.), Psychische Erkrankungen.
Klinik und Therapie (3. Auflage, S. 697-708). München: Urban & Schwarzenberg.
Härter, M., Baumeister, H. & Bengel, J. (Hg.) (2007). Psychische Störungen bei körperlicher Krankheit. Berlin: Springer.
Helmes, A., Schumacher, M. & Bengel, J. (2007). Interventionen bei psychischen Belastungen und Störungen bei körperlichen
Erkrankungen. In M. Härter, H. Baumeister & J. Bengel (Hrsg.), Psychische Störungen bei körperlichen Erkrankungen (S.
83-95). Berlin: Springer.
Pieper, G. & Bengel, J. (2008). Traumatherapie in sieben Stufen. Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual (SBK). Bern:
Huber.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Bengel
Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Institut für Psychologie, Universität Freiburg
Engelbergerstraße 41, D-79085 Freiburg, Deutschland
Tel.: 0761 – 203-2122, Fax: -3040, [email protected]
Abt. Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Bengel - 44
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