Biologische Wirkung ionisierender Strahlung

Werbung
Stochastische und deterministische
Strahlenwirkung:
IONIR: Strahlenbiologie
1
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Die DNA ist das Ziel der ionisierenden Strahlung und die Ursache der
biologischen Wirkung:
• Mikrobestrahlungen zeigen, daß eine Zellabtötung bei Bestrahlung des
Zytoplasmas wesentlich höhere Dosen erfordert als eine Bestrahlung des
Zellkerns
• Isotope mit kurzreichweitiger Strahlung töten Zellen nur effizient ab, wenn
sie in die DNA eingebaut werden;
• Chromosomenabberationen nach Bestrahlung korrelieren eng mit der
Zellabtötung
• Faktoren, die die Zellabtötung durch Bestrahlung verändern (z.B.: LET)
verändern gleichsinnig auch Chromosomenschäden;
• Bestimmte genetische Erkrankungen, die mit einer Einschränkung der
DNA-Reparatur einhergehen, sind mit einer erhöhten zellulären
Strahlenempfindlichkeit verbunden.
IONIR: Strahlenbiologie
2
1
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Das Dilemma strahlenbiologischer
g
Experimente:
Ein strahlenbiologisches
Primärereignis kann mannigfaltige
Auswirkungen haben
Und:
Eine Bestrahlung in vitro liefert
oftmals andere Ergebnisse als in
d Z
der
Zelle
ll
IONIR: Strahlenbiologie
3
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Durch Röntgenstrahlen werden pro Gy in jeder Zelle 4 400 – 5 600
DNA-Schäden erzeugt:
Die häufigsten Läsionen sind Basenschäden mit 3 000 – 4 000
pro Zelle und Gy (70%).
Die zweithäufigsten Schäden sind Einzelstrangbrüche mit etwa
1 000 Schäden pro Zelle und Gy (20%).
Seltene Ereignisse sind Doppelstrangbrüche mit 40 Schäden pro
Zelle und Gy (1%).
Gehäufte Läsionen (2 oder mehr Basenschäden, Kombinationen
aus Basenschäden und Strangbrüchen): 200 – 400 Schäden pro
Zelle und Gy (5%).
DNA–DNA und DNA-Protein-Vernetzungen: 150 - 200 Schäden pro
Zelle und Gy (4%).
2
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Es gibt kein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip bei der Wirkung
ionisierender Strahlung:
• singuläre Wirkungsmechanismen
• multiple Wirkungsmechanismen
IONIR: Strahlenbiologie
5
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Ist die Wirkung der unterschiedlichen Strahlenarten (Photonen,
Protonen,…) immer gleich ???
Jeder Punkt repräsentiert eine WW
IONIR: Strahlenbiologie
6
3
Mutationen:
Chromosomenabberationen nach
Bestrahlung:
Dizentrische (ausgefüllte Pfeile)
und Azentrische Chromosomen
(offene Pfeile) in menschlichen
Lymphozyten nach Bestrahlung
mit 3 Gy Röntgenstrahlung.
(Fritz-Niggli Abb. 59)
IONIR: Strahlenbiologie
7
IONIR: Strahlenbiologie
8
Mutationen:
(Fritz-Niggli Tab29)
4
Mutationen:
• Ionisierende Strahlung gleich welcher Art erzeugt Mutationen in allen
Lebewesen;
• Während sich einzelene DNA-Schädigungen (Vormutationszustände)
durch äussere Faktoren beeinflussen lassen, bleibt die einmal fixierte
Mutation im Erbgut erhalten;
• ionisierende Strahlung erzeugt ein breites Spektrum von Mutationen
(Gen- und Chromosomenänderungen);
• Eine natürliche (spontane) Mutation kann von einer
strahleninduzierten
M t ti nicht
Mutation
i ht unterschieden
t
hi d werden;
d
(Fritz-Niggli Tab29)
IONIR: Strahlenbiologie
9
Mutationen:
Nomenklatur von Chromosomenabberationen:
(Fritz-Niggli Abb. 58)
IONIR: Strahlenbiologie
10
5
Mutationen:
Chromosomenabberationen nach
Bestrahlung:
Dizentrische (ausgefüllte Pfeile)
und Azentrische Chromosomen
(offene Pfeile) in menschlichen
Lymphozyten nach Bestrahlung
mit 3 Gy Röntgenstrahlung.
(Fritz-Niggli Abb. 59)
IONIR: Strahlenbiologie
11
Mutationen:
Chromosomenabberationen nach
Bestrahlung:
Translokationen in HamsterZellen nach Bestrahlung mit 1
Gy Röntgenstrahlung.
(Fritz-Niggli Abb. 60)
IONIR: Strahlenbiologie
12
6
Mutationen:
Chromosomenabberationen = Biologisches
Dosimeter (?)
(Fritz-Niggli Tab. 32)
Zahl der Chromosomenabberationen in 386 Hiroshima-Überlebenden
Problem: Abhängigkeit der Mutationsrate vom Alter, von Umwelteinflüssen
(Medikamente, Chemikalien, etc.)
IONIR: Strahlenbiologie
13
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Es gibt unterschiedliche biologisch-chemische Mechanismen der
Wirkung ionisierender Strahlung:
• direkte Wirkung
g
• indirekte Wirkung
IONIR: Strahlenbiologie
14
7
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Medium, das Wirkung der ionisierenden Strahlung auf DNA vermittelt: Wasser
IONIR: Strahlenbiologie
15
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Wie können direkte und indirekte Strahlenwirkungen im Experiment
unterschieden werden?
Konzentration der Moleküle in der Lösung variieren!
IONIR: Strahlenbiologie
16
8
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Strahlenchemie des Wassers:
H 2 O → H 2 O + + e aq
Ionisation
H 2 O → H + OH
S l
Spaltung
*
*
H 2 O + + H 2 O → H 3 O + + OH *
e aq + H 3 O +
Folgeprodukte
→ H* + H 2O
H * + OH *
e aq + H 2 O
Primäre Reaktionen
→ H 2O
+
H* + H*
Rekombination zu
stabilen molekularen
Verbindungen
→ H 2O
→ H2
e aq + e aq + 2 H 2 O → H 2 + 2 OH −
OH + OH
*
*
→ H 2O 2
Lebensdauer des hydratisierten
Elektrons ca. 200 – 500 µs
IONIR: Strahlenbiologie
17
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Strahlenchemie des Wassers:
Ausbeute von Radiolyseprodukten nach Bestrahlung:
G gibt die Zahl der veränderten bzw
bzw. gebildeten Einheiten (Atome
(Atome, Radikale,
Radikale
Ionen) je 100 eV absorbierter Energie an
Bei Hoch-LET-Strahlung
überwiegen die
molekularen Produkte, bei
Niedrig-LET-Strahlung die
Radikale!!!
⇒ Bahnspuren
B h
!!
IONIR: Strahlenbiologie
18
9
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Anwesenheit von molekularem Sauerstoff (Sauerstoffeffekt):
e aq + O 2
→ O −2
H + O2
→ HO *2
*
HO *2 + HO *2
→ H 2O 2 + O 2
O 2− + O 2− + 2 H *
→ H 2O2 + O2
OH-Radikale reagieren nicht mit O2 !!
Folgeprodukte
In sauerstoffhaltiger Atmosphäre entsteht in erhöhtem Maße H2O2 unter gleichzeitiger
Rückbildung eines Teils des verbrauchten O2
e aq + H 2 O 2
→ OH * + OH −
H2O2 wird unter Bestrahlung laufend wieder zersetzt, wobei OH-Radikale gebildet werden.
Insgesamt: Unter O2-Atmosphäre entstehen mehr OH-Radikale !!
IONIR: Strahlenbiologie
19
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Einfluß des Sauerstoffgehalts in den Zellen auf die Strahlenwirkung:
Strahlendosis unter anoxischen Bedingungen
Oxygen Enhancement Ratio: OER = Strahlendosis unter oxischen Bedingungen
IONIR: Strahlenbiologie
20
10
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Einfluß des Sauerstoffgehalts in den Zellen auf die Strahlenwirkung:
Beispiel Strahlentherapie:
Therapieversagen als Funktion des Sauerstoffgehalts in den Tumorzellen
IONIR: Strahlenbiologie
21
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Sauerstoffeffekt:
Existiert nicht bei Hoch-LET-Strahlung !!
IONIR: Strahlenbiologie
22
11
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Warum gibt es keinen Sauerstoffeffekt bei Hoch-LET-Strahlung:
Eine schlüssige Erklärung existiert nicht !!!!
Hypothesen:
• Durch Radikalreaktionen innerhalb der Bahnspur wird der Primärschaden
augenblicklich fixiert, so dass O2 keine Chance zur Wechselwirkung erhält;
• Die hohen Lokaldosen in der Bahnspur bedingen eine strahlenchemische
Bindung des O2, d.h. es lassen sich in der Zelle gar keine oxischen
Bedingungen schaffen;
• Innerhalb der Bahnspur werden strahlenchemische Produkte (z.B. O2
selbst) gebildet, die wie Sauerstoff sensibilisierend wirken in diesem Fall
gibt es keine anoxische Bestrahlung.
IONIR: Strahlenbiologie
23
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Mögliche Erklärung für das Nicht-Vorhandensein des
Sauerstoffeffekts bei Hoch-LET-Strahlung:
OH * + OH *
H 2 O 2 + OH
→ H 2O 2
In geringem Maße wird auch in
→
HO *2
HO *2 + HO *2
→
O 2 + H 2O 2
HO *2 + OH *
→
O 2 + H 2O
*
+ H 2O
sauerstofffreier Lösung molekularer
Sauerstoff entstehen, aber
Reaktionsgeschwindigkeit ist gering.
Prozess könnte aber bei hohen H2O2Konzentrationen relevant sein
IONIR: Strahlenbiologie
24
12
Strahlenchemie der DNS:
a: Einzelstrangbrüche (ESB)
b: Doppelstrangbrüche (DSB)
c: Basenveränderungen
d B
d:
Basenverlust
l t
e: denaturierte Zonen (PyrimidinDimere, -Trimere)
f: intramolekulare Vernetzungen
g: DNS-Protein-Vernetzungen
Größenordnung radiogener Schädigungen je Zelle
und Gy:
• Basenschädigungen:
3000
• Einzelstrangbrüchen:
1.000
• Doppelstrangbrüche:
10
• Chromosomenabberation:
10-1
• Mutationen:
10-5
• Krebsentstehung
10-14
IONIR: Strahlenbiologie
Die genaue
mikroskopische
Wirkungskette der DNASchädigung nach
Bestrahlung ist nicht
bekannt !!!
25
Strahlenchemie der DNS:
Anzahl der Doppelstrangbrüche nach Bestrahlung (Niedrig-LET-Strahlung):
Quadratische
Dosisabhängigkeit
:
Für einen DSB
braucht es mehr
als einen Treffer !!
ESB/DSB etwa
10:1 bis 20:1
Bestrahlung der DNS in wässriger Lösung.
Helle Kreise: in Luft, Dunkle Kreise: in
Stickstoff
Intrazelluläre Bestrahlung der DNS. Helle
Kreise: in Luft, Dunkle Kreise: in Stickstoff
Anzahl der DSB bei intrazellulärer Bestrahlung um Faktor 1000 kleiner als in
wässriger Lösung ⇒ Reparaturprozesse innerhalb der Zelle !!!!
(Kiefer Abb 6.9 und
6.10)
IONIR: Strahlenbiologie
26
13
Strahlenchemie der DNS:
LET-Abhängigkeit von ESB und DSB:
(Kiefer Abb 6.11)
DSB spielen zentrale Rolle bei Betrachtung der Zellschädigung –
aber auch diese Schädigungen sind in der Zelle reparabel !!
IONIR: Strahlenbiologie
27
Reparatur von DNASchäden:
Exzisionsreparatur:
a: normale DNA-Kette;
b: Basen-Dimer
Basen Dimer infolge einer
Bestrahlung,
Strang wird in der Nähe des Dimers
aufgeschnitten (Inzision), Beginn des
Reparaturprozesses
c, d: durch Polymerase werden
Nukleotide einschließlich dem
Dimer entfernt und neue Basen
eingebaut (Exzision);
e: Strang wird geschlossen
Was ist bei beidseitigen Dimeren ??
Xeroderma pigmentosum (Sonnenlichtüberempfindlichkeit,
Hauttumore): Inzisionsschritt nicht möglich
IONIR: Strahlenbiologie
(Fritz-Niggli Abb 56)
28
14
Reparatur von DNASchäden:
Postreplikationsreparatur:
a: DNA-Kette mit BasenDimeren (•);
b: an den Dimeren werden Lücken bei der
Neusynthetisierung des Strangs gelassen
c: Auffüllen der Lücken durch
Austauschstücke aus „alter“ DNA
e: Schliessen der Lücken durch Reparatursynthese
Was ist
W
i t bei
b i üb
überlappenden
l
d Lü
Lücken
k
??
(Kiefer Abb 13.5)
⇒ Die Schäden werden nicht repariert, sondern verbleiben in der
DNA,
können bei der nächsten Replikation jedoch (durch Exzision)
repariert
IONIR: Strahlenbiologie
werden.
29
Reparatur von DNASchäden:
„SOS“-Reparatur:
Kommt bei nicht möglicher ExzisionsReparatur zum Tragen (zwei
gegenüberliegende Dimere in enger
Nachbarschaft)
⇒ Die Schäden werden nicht repariert, sondern
die
Mutation wird fixiert !!!!!!
IONIR: Strahlenbiologie
(Kiefer Abb 13.6)
30
15
Zelltod:
Schematische Darstellung des Zellzyklus-Kontrollsystems:
G1-Phase: Zellwachstum
S-Phase: Synthese der DNA
G2-Phase: Zellwachstum, Kontrolle ob Reproduktion der DNA erfolgreich
M-Phase: Mitose - Zellteilung
(G0-Phase: Ruhephase-Zelle inaktiv)
IONIR: Strahlenbiologie
(Kiefer Abb 13.6)
31
Zelltod:
• Nekrose: Auflösung
g der Zelle durch Denaturierung
g von Proteinen
und enzy-matischer "Verdauung" der Zellbestandteile. Letztlich kommt
es zur Auflösung der Zellmembran, damit gelangen Bestandteile der
Zelle in den extrazellulären Raum, wodurch Entzündungsreaktionen
ausgelöst werden können;
• Apoptose: programmierter Zelltod, der im Vergleich zur Nekrose
schnell abläuft und durch die intrazellulären Kontrollmechanismen
ausgelöst
g
wird. Im Unterschied zur Nekrose kommt es bei der
Apoptose zu keinem Entweichen von Zellbestandteilen in den
extrazellulären Raum, so daß keine Entzündungsreaktionen ausgelöst
werden.
IONIR: Strahlenbiologie
32
16
Strahlensensitizer und -desensitizer:
Schematische Darstellung der möglichen
Wirkung von Strahlensensitizern und
-desensitizern:
desensitizern:
• Oxydationsmittel (Elektronenaufnahmer)
wirken als Sensitizer ⇒ vermehrte
Produktion von Radikalen;
• Redoxmittel (Elektronenspender) wirken
als Desensitizer ⇒ Reduktion der
Radikale;
(Fritz-Niggli Abb 47)
IONIR: Strahlenbiologie
33
Strahlendesensitizer
(Radioprotectoren):
Organische Verbindungen mit sulfhydryl-Gruppen (-SH):
Cystein, Cysteamine
SH – CH2 – CH2 – NH2
NH2
SH – CH2 – CH –
COOH
Wirkung:
Verringerung der Zahl freier Radikale im Zellkern (Reaktion mit freien Radikalen)
Wirksamkeit:
Dosis-Reduktionsfaktor ≈ 2.5 – 3
Nachteil:
Toxizität !!!!!!!
IONIR: Strahlenbiologie
34
17
Strahlendesensitizer (Radioprotectoren):
Verbesserung (etwa 1960):
Abschirmen der Sufhydryl-Gruppe mit Phosphat:
(Hall: Tab 9.1)
IONIR: Strahlenbiologie
35
Strahlendesensitizer (Radioprotectoren):
Eingesetzte Radioprotektoren:
(Hall: Tab 9.2)
IONIR: Strahlenbiologie
36
18
Strahlendesensitizer (Radioprotectoren):
Anreicherung von Amifostin im Gewebe:
Injektion von 200 mg/kg
⇒ Schutz des gesunden Gewebes möglich ???
(Hall: Abb 9.2)
IONIR: Strahlenbiologie
37
Strahlensensitizer und -desensitizer:
Experimenteller Hinweis für die Richtigkeit des Modells:
Einfacher Zusammenhang
zwischen dem Redox-Potential
des Sensitizer-Moleküls und der
Konzentration der Substanz, die
zu einem bestimmten
Sensitizer-Effekt führt (hier: 1,6fache Sensibilisierung)
(Kiefer Abb 9.14)
Symbole in Abbildung:
x: Sauerstoff
o: 2-Nitroimidazole
•: 5-Nitrimidazole
:5
5-Nitro—2-fuvaldoxim
Nitro 2 fuvaldoxim
Δ: p-Nitroacetophenon
(alles aromatische
Verbindungen mit NO2Gruppen)
ABER: Es gibt auch auf biologischer Ebene eine Vielzahl von Substanzen, die
strahlensensibilisierende Wirkung haben (Inhibierung von Reparaturprozessen)
IONIR: Strahlenbiologie
38
19
Biologische Wirkung ionisierender Strahlung
Anmerkung: 1 erg = 10-7 J
IONIR: Strahlenbiologie
39
20
Herunterladen