Transkription bei Prokaryoten Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt. Elemente Gene Die zelluläre DNA legt die Nukleotidsequenz jeder RNA resp. die Aminosäurenfolge jedes Proteins fest. Einen DNA-Abschnitt, welcher für die Synthese eines funktionsfähigen biologischen Produktes (Protein via mRNA oder tRNA resp. rRNA) erforderlich ist, bezeichnet man als Gen. Die Gesamtzahl der Gene eines Organismus nennen wir Genom. Oft sind Gene in prokaryotischen Zellen, welche für verschiedene Proteine kodieren, als Gruppe hinter einem gemeinsamen Promotor-Operator angeordnet. Eine solche Anordnung bezeichnet man als Operon. Diese Anordnung gestattet eine simultane, koordinierte Regulation mehrerer Gene. Das Chromosom von Escherichia coli besteht aus einem einzigen ringförmigen DNA Molekül von ungefähr 4.6 x 106 Basenpaaren. Das ist genug DNA um für etwa 4300 verschiedene Proteine zu kodieren. DNA-abhängige RNA-Polymerasen Alle zellulären RNA-Polymerasen sind aus mehreren Untereinheiten aufgebaut. Die RNAPolymerasen von Bakterien bestehen aus 6 Untereinheiten: RNA-Polymerase von E. coli Untereinheit Anzahl pro Komplex α 2 β 1 β‘ 1 ω 1 σ* 1 Molekulargewicht (kDa) 36 150 155 6 70 1 Funktion DNA-Bindung Nukleotidbindung Matrizenbindung Initiation * Bakterienzellen enthalten in ihren RNA-Polymerasen verschiedene σ Untereinheiten, die für die Transkription unterschiedlicher Gengruppen verantwortlich sind. Die RNA-Polymerase kann funktionell und strukturell unterteilt werden: die 2 α, β, β' und ωUntereinheiten werden als Core-Protein (Core=Kern) bezeichnet. Zusammen mit der σ Untereinheit bilden sie das Holoenzym: Funktionen der RNA-Polymerase-Untereinheiten • Die β -Untereinheit ist hauptsächlich für die Bindung der Nukleotide (ATP, GTP, UTP, CTP) verantwortlich und spielt eine Rolle bei der Einleitung der RNA-Synthese. Dies kann dadurch gezeigt werden, dass das Antibiotikum Rifamycin durch Binden an die β - Untereinheit den Start der Transkription verhindert. Auch chemische Untersuchungen sprechen für eine Aufgabe beim Start, denn das erste Nukleotid am 5'-Ende der RNA lässt sich kovalent an die Seitengruppe einer Aminosäure in der β - Untereinheit binden. Die β - Untereinheit ist auch an der Wechselwirkung mit der RNA beteiligt. • Die β' -Untereinheit hat als wichtigste Aufgabe die Bindung des Enzyms an den Matrizenstrang, die DNA. • Die α-Untereinheiten halten das Enzym zusammen. Wie sich aus Untersuchungen über die Zusammenlagerung der getrennten Untereinheiten ergab, bildet sich zuerst ein Dimer aus den beiden α-Untereinheiten, an welches sich nacheinander die β - und die β'-Untereinheiten lagern. Die α -Untereinheiten vermitteln auch Kontakte des Enzyms mit der DNA in der Region des Promotors. • Die σ- Untereinheit hat die spezielle Aufgabe, Startstellen der Transkription von BakterienGenen (-35 und -10 Position) zu erkennen. Mechanismus Der Grund-Vorgang Alle RNA-Arten einer Zelle werden durch einen im Prinzip gleichartigen Mechanismus gebildet: es wird eine Abschrift der Nukleotidfolge in einem Genabschnitt erstellt. Man bezeichnet das Umschreiben von DNA in RNA als Transkription. 2 Die für die Transkription notwendigen Enzyme heissen RNA-Polymerasen, oder genauer gesagt DNA-abhängige RNA-Polymerasen. Die genauere Bezeichnung ist dann nützlich, wenn man beispielsweise DNA-abhängige von RNA-abhängigen Polymerasen unterscheiden möchte. Manche Viren, die als genetisches Material RNA tragen, benötigen nämlich für ihre Vermehrung RNA-abhängige RNA-Polymerasen. Die RNA-Polymerase kopiert die Nukleotidfolge des DNA-Matrizen-Stranges nach den Regeln der Basenpaarung. Dort, wo in der DNA ein Guanin-Baustein steht, wird in der RNA ein CytosinNucleotid eingebaut, und umgekehrt. Komplementär zu einem Thymin in der DNA wird ein Adenin-Nucleotid und komplementär zu einem Adenin- ein Uracil-Nucleotid in die RNA eingebaut. Uracil nimmt also in der RNA die Stelle des Thymins ein. Die RNA-Polymerase knüpft ein Nucleotid nach dem anderen an das 3' OH-Ende einer wachsenden RNA-Kette. Aufgabe: Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA Strang aufzuschreiben: 3'-GCATCTGCATTCGA-5' Lösung: S. 12 Die Promotor-Operator-Region Die RNA-Synthese muss präzise an einer Stelle in einem Gen beginnen. Es darf auch nicht irgendein Strang transkribiert werden, sondern nur der Strang, dessen Transkript die genetische Information trägt, der codogene oder Sinnesstrang. Die RNA-Polymerase (Holoenzym) bindet bevorzugt an Stellen auf der DNA, die vor einem Genanfang liegen. Eine solche Erkennungs- und Bindungsstelle nennt man Promotor. Im Genom von E. coli sind die Nukleotidsequenzen von vielen verschiedenen Promotoren bekannt. Wenn man sie vergleicht, so fallen einige Regelmässigkeiten auf: • In dem Bereich, der etwa 10 Basenpaare stromaufwärts vor dem Startpunkt der RNASynthese liegt (als stromaufwärts werden die Sequenzen vor dem Startpunkt, stromabwärts solche hinter dem Startpunkt, also innerhalb der transkribierten Sequenz liegende Sequenzen bezeichnet), kommt eine Sequenz von Nukleotiden vor, die eine mehr oder weniger grosse Ähnlichkeit mit der Folge 5'-TATAAT-3' hat. Diese Region wird als Pribnow-Box (nach ihrem Entdecker), als TATA-Box oder einfach als -10-Region bezeichnet (wobei als +1 das Nukleotid am Startpunkt der RNA-Synthese angegeben wird, also das erste Nukleotid der RNA). 3 • In dem Bereich, der etwa 35 Nukleotide stromaufwärts vom Start liegt (also in der -35 Region), gibt es innerhalb eines AT-reichen Abschnitts eine zweite Folge von oft vorkommenden Nucleotiden, häufig 5'-TTGACA-3': Die Abbildung zeigt einen Muster-Promotor. Man spricht von einer Konsensus-Sequenz, weil die meisten natürlich vorkommenden Promotoren im Genom von E. coli in mehreren Positionen mit der Mustersequenz übereinstimmen. Es stimmt jedoch fast kein Promotor genau mit der Konsensus-Sequenz überein. Natürliche Abweichungen von der Konsensus-Sequenz beeinträchtigen die Effizienz der RNA-Polymerase-Bindung und der Transkriptionsinitiation. Die -35- und -10-Sequenzen werden durch DNA-Abschnitte, die stromaufwärts oder stromabwärts liegen, beeinflusst. Diese Regionen, welche entweder vor der -35 Region oder aber nach dem Startpunkt liegen, nennt man Operator. Initiation Die Initiation der Transkription ist ein wichtiger Angriffspunkt für die Kontrolle der Genexpression. Häufig ist die Entscheidung darüber, ob an einem bestimmten Promotor initiiert wird oder nicht, der wichtigste oder gar einzige Schritt bei der Festlegung, ob ein Gen ausgeprägt werden soll. Wie wird nun die Fähigkeit der RNA Polymerase, an einem bestimmten Promotor zu initiieren, kontrolliert? Wir teilen zunächst die Promotoren in zwei Klassen ein: • Einige Promotoren können vom RNA-Polymerase-Holoenzym allein erkannt werden; in diesen Fällen wird ein zugänglicher Promotor immer transkribiert. Die Verfügbarkeit eines Promotors wird durch Bindung von Proteinen festgelegt. Diese wirken entweder direkt am Promotor, indem sie der RNA Polymerase den Zugang versperren, oder indirekt über die Kontrolle der Genomstruktur in dem betreffenden Bereich. • Andere Promotoren können die Transkription alleine nicht angemessen unterstützen; es werden zusätzliche Proteinfaktoren benötigt, damit die Initiation stattfinden kann. Diese Proteinfaktoren wirken gewöhnlich, indem sie DNA Sequenzen erkennen, die sich in der Nähe der von der RNA-Polymerase gebundenen Sequenz befinden oder sogar mit dieser überlappen. Die RNA-Polymerase bindet schwach an irgendeine Stelle auf der Bakterien-DNA. Von dort gleitet sie der DNA entlang, d.h. sie löst und bindet sich abwechslungsweise, bis sie auf eine Promotor-Sequenz trifft. Dort bleibt sie haften. Bei dieser Bindung spielt die σ-Untereinheit der RNA-Polymerase eine wichtige Rolle: sie verringert einerseits die Wechselwirkung der RNAPolymerase mit unspezifischer DNA und erkennt andererseits (im Verbund des Holoenzyms) die 4 Nukleotid-Sequenzen sowohl in der -10-Region als auch in der -35-Region und vermittelt so die spezifische Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor. Die Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor ist nur der erste Schritt der Initiation. Ihr folgt rasch der Übergang vom geschlossenen in den offenen Promotor-Komplex. Damit einher geht eine Entwindung der DNA Doppelhelix in einem Abschnitt von etwa 12 Basenpaaren um den Transkriptionsstart. Die Konformation der RNA-Polymerase wird verändert, und sie bedeckt nun einen Abschnitt von ungefähr 80 Basenpaaren im Promotor. Nun beginnt die eigentliche Transkription, indem die RNA-Polymerase ein kurzes Stück RNA synthetisiert, das etwa 10 Nucleotide lang ist. Abhängig von der Art der Promotor-Sequenz und den Bedingungen kann sich eine solche abgebrochene RNA-Synthese vielfach wiederholen, ohne dass die RNA-Polymerase ihre Position verändert oder verlässt: sie steht also still. Man spricht vom Initial-Transkriptionskomplex. Erst wenn die RNA-Stücke eine Länge von 12 oder mehr Nukleotiden erreichen, geht der IntialTranskriptionskomplex in den Elongationskomplex über. Die σ-Untereinheit fällt ab, das CoreProtein verlässt den Promotor und begibt sich auf den Weg entlang des Matrizenstranges. Die RNA-Polymerase nimmt dabei eine neue Konformation an, denn sie bedeckt nur noch einen DNA Abschnitt von etwa 30 Basenpaaren. Elongation Das Prinzip der Kettenverlängerung liegt in der ständigen Wiederholung der Reaktionsfolge: Auswahl des passenden Nukleotids, Anheftung an das 3'-OH-Ende der letzten Base und Bewegung des Enzyms relativ zur DNA-Matrize. Dies läuft bei optimalen Bedingungen mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 30-60 Nucleotiden pro Sekunde ab. 5 Alle Nukleinsäuren werden aus Nukleosidtriphosphaten synthetisiert. Die untenstehende Abbildung zeigt die Kondensationsreaktion zwischen der 5' Triphosphatgruppe des hinzukomrnenden Nukleotids und der 3'OH-Gruppe des letzten an die Kette gehängten Nukleotids. Das neue Nukleotid verliert seine zwei endständigen Phosphatgruppen (γ und β); seine α-Phosphatgruppe wird für die Phosphodiesterbindung verwendet. Die Wanderung der RNA-Polymerase entlang der DNA ist keine gleichförmige Bewegung: abhängig von der Nukleotid-Sequenz kann es manchmal zu Verzögerungen oder gar zum Stillstand kommen. Um diese Probleme zu bewältigen, benötigt die RNA-Polymerase zusätzliche Elongationsfaktoren, die mit der aktiven RNA Polymerase in Wechselwirkung treten und sie, je nach Bedarf, wieder verlassen. Verhalten der RNA-Polymerase bei einem Stillstand Stillstände in ihrer Wanderung bewältigt die RNA-Polymerase durch neue Anläufe; ein endständiges Stück bis zu einer Länge von 9 Nukleotiden wird vom 3'-OH-Ende der RNA abgeschnitten. Dann werden, als neuer Anlauf zur Überwindung der Blockierung, einige neue Nukleotide synthetisiert. Dazu braucht die RNA-Polymerase die Hilfsproteine Gre A und Gre B, die sich bei einem Stillstand an die RNA-Polymerase binden. Weder die RNA-Polymerase noch die Hilfsproteine können das Abschneiden des RNA-Endes allein durchführen. Eine Funktion der Proteine Gre A und Gre B ist die Aktvierung einer Schneideaktivitat der RNA-Polymerase. Die Abtrennung von RNA-Stücken, die bis zu 9 Nukleotide lang sind, setzt eine enge Bindung des wachsenden RNA-Endes mit der RNA-Polymerase voraus. Entsprechende Experimente zeigen, dass die isolierte RNA-Polymerase auch in Abwesenheit von DNA effzient an RNA binden kann. Termination Das Ende eines transkribierten Abschnittes auf der DNA bezeichnet man als Terminator-Region. An dieser Stelle kommt die RNA-Polymerase gezielt zum Stillstand. Es folgt eine Ablösung von RNA und Enzym von der DNA. Bei E. coli unterscheidet man zwei Arten der Termination: 6 Rho-abhängige Termination Das Rho-Protein besteht aus sechs identischen Untereinheiten mit einem Molekulargewicht von je etwa 50 kDa. Es bindet an die gerade gebildete RNA in der Nähe des Terminators und vermittelt so die Ablösung der RNA vom Enzym und von der DNA. Dazu ist die Bereitstellung chemischer Energie in Form von ATP notwendig. Eine der Funktionen des Rho-Proteins ist die Trennung der Wasserstoffbrücken zwischen komplementären DNA- und RNA-Strängen (Helikase-Aktivität). Einfache (oder Rho-unabhängige) Termination Rho-unabhängige Termination wird durch spezifische Sequenzen in der DNA (und damit in der RNA) bestimmt. Eine solche Sequenz findet sich am Ende vieler Transkriptionsabschnitte im Bakteriengenom. Sie besteht aus Folgen von GC-Nukleotiden mit einem anschliessenden Block von Adenin-Resten. Nach der Transkription dieser Terminationssequenz kann die gerade synthetisierte RNA eine Doppelstrangstruktur mit einem Stamm aus 4-10 GC-Basenpaaren und mit einer Schleife von 3-8 Nukleotiden bilden. Vermutlich interagiert der RNA-Doppelstrang mit der RNA-Polymerase und verändert dadurch die Konformation des Enzyms, so dass der Komplex aus RNA, Enzym und DNA auseinanderfällt: 7 • • • Der Poly(U)-Bereich wird von der RNA-Polymerase synthetisiert. Durch die intramolekulare Paarung komplementärer Sequenzen in der RNA wird eine Haarnadel gebildet, wodurch ein Teil des RNA-DNA-Hybrids zerstört wird. Der verbleibende AU-Hybridbereich ist relativ instabil, und die RNA dissoziert vollständig von der DNA ab. Hinweis: Im Atelier können Sie sich das Video "Transkription bei Prokaryoten" ansehen. Die Produkte Alle Klassen von RNA, also mRNA (dient als Matrize bei der Translation), rRNA (ist am Aufbau der Ribosomen beteiligt) und tRNA (sie bindet und liefert bei der Translation die Aminosäuren), werden in E. coli Zellen mit etwa gleicher Rate synthetisiert. Trotzdem ist nur ein Anteil von 5-10 % der Gesamt-RNA einer Bakterienzelle vom Typ der mRNA, 75-80% ist rRNA, der Rest tRNA. Diese Werte mögen erstaunen, wenn man bedenkt, dass zu einer gegebenen Zeit 1000 oder mehr proteinkodierende E. coli-Gene transkribiert werden und mRNA liefern, während nur 7 rRNAGene und etwa 50 tRNA-Gene transkribiert werden. Die Ursache liegt darin, dass mRNA bald nach ihrer Synthese wieder abgebaut wird, während rRNA und tRNA für längere Zeit erhalten bleiben. Die Halbwertszeit durchschnittlicher bakterieller mRNA liegt im Bereich von wenigen Minuten. Dies mag verschwenderisch erscheinen. Es hat aber für Bakterien den Vorteil der grösseren Flexibilität, denn die Bakterienzellen können ihre Genexpression rasch umstellen. Neue Transkripte können produziert werden und in der Zelle zu wirken beginnen, ohne dass ihr Effekt für längere Zeit von der Aktivität früher synthetisierter mRNA überdeckt wird. Die stabilen RNA-Arten sind Bestandteile des Proteinsynthese-Apparates. Mehr dazu finden Sie im Kapitel "Translation". Hinweis: Im Atelier können Sie sich am Geschichtsposten über die Entdeckung der Synthese von rRNA von 1962 informieren ("Yankofsky & Giacomoni, 1962"). Regulation der Transkription Im Stoffwechsel von Bakterien sind sehr oft mehrere Enzyme an einer biochemischen Reaktionsfolge beteiligt. Ihre Synthese wird erniedrigt, wenn das Substrat fehlt und erhöht, sobald das Substrat erscheint. Aus dieser Verhaltensweise erklären sich die zentralen Merkmale der Organisation bakterieller Gene. Gewöhnlich sind die Gene in Gruppen angeordnet, sog. Operons, welche für mehrere Proteine, die für einen bestimmten Stoffwechselweg benötigt werden, kodieren. Eine solche Transkriptionseinheit wird in eine einzige polycistronische mRNA transkribiert, die dann durch die Ribosomen in die einzelnen Proteine translatiert wird. 8 Die Synthese von Enzymen als Antwort auf das Erscheinen eines spezifischen Substrats nennt man Induktion. Dieser Regulationstyp ist bei Bakterien weit verbreitet. Das Musterbeispiel für diese Art von Kontrollmechanismen liefert das Lactose-Operon von E. coli. Wenn man E. coli Zellen in Abwesenheit eines β-Galaktosids wachsen lässt, enthalten sie sehr wenige Moleküle des Enzyms β -Galaktosidase - vermutlich weniger als 5. Die Aufgabe dieses Enzyms ist es, β -Galaktoside in seine Zuckerkomponenten zu spalten; z.B. wird Lactose in Glucose und Galactose gespalten, welche dann weiter abgebaut werden. In Abwesenheit des Substrates ist kein Bedarf für das Enzym. Wenn ein geeignetes Substrat zugegeben wird, erscheint die Enzymaktivität in Bakterien sehr schnell. Innerhalb von einigen Minuten liegt bereits eine geringe Menge an Enzym vor, und bald darauf können es bis zu 5000 Enzymmoleküle pro Bakterium sein. Enfernt man das Substrat wieder aus dem Medium, so hört die Enzymsynthese genau so schnell wieder auf, wie sie begonnen hat. Die Transkription kann also entweder negativ (Repression) oder positiv (Stimulation) beeinflusst werden. Das Lac-Operon von E. coli: Beispiel einer Enzyminduktion Das Lac-Operons enthält die drei Strukturgene lacZ, lacY und lacA. Es sind die Gene, die die Information zur Synthese von Enzymen des Lactose-Stoffwechsels tragen. Die Aktivität dieser Gene unterliegt einer genauen Regulation, denn im lactose-freien Nährmedium werden in einer Bakterienzelle nur wenige Moleküle der Lactose verwertenden Enzyme gebildet. In Gegenwart von Lactose als einziger Kohlenstoffquelle nimmt die Menge an Lactose-Enzymen um mehr als das 1000-fache zu. Der Grund dafür ist, dass die von der Zelle aufgenommene Lactose bzw. ein Umwandlungsprodukt (Allolactose) die Transkription des Lac-Operons anregt. 9 Die drei Gene des Lac-Operons: • lacZ kodiert für das Enzym β -Galactosidase, dessen aktive Form ein Tetramer aus 4 Untereinheiten von gesamthaft ca. 500'000 Dalton ist. Jede Untereinheit hat 1023 Aminosäuren. Damit ist die β -Galactosidase eines der grössten Proteine der Bakterienzelle. Sie spaltet das Disaccharid Lactose in Glucose und Galactose, die dann jeweils über eigene Stoffwechselwege zur Gewinnung zellulärer Energie abgebaut werden. • lacY codiert für die β -Galactosid-Permease, eine membrangebundene 30'000 Dalton schwere Proteinkomponente des Transportsystems. Dieses Carrier-Protein erleichtert der Zelle die Aufnahme von Lactose. • lacA codiert für die β -Galactosid-Transacetylase, ein Enzym, das eine Acetylgruppe von Acetyl-CoA auf β -Galactoside überträgt. Die physiologische Bedeutung dieses Enzyms für den Bakterienstoffwechsel ist nicht bekannt. Ausser Lactose können mehrere andere Galactoside die Synthese der drei Proteine induzieren, darunter sind auch solche Galactoside, die von der β-Galactosidase nicht gespalten werden können. Der stärkste Induktor, Isopropyl-β-D-thiogalactosid (IPTG), gehört zu dieser Gruppe von Galactosiden. Die Gene des Lac-Operons werden transkribiert, es sei denn, das Regulatorprotein schaltet sie ab. Eine Mutation, die den Regulator inaktiviert, lässt die Gene im exprimierten Zustand verharren. Da es die Funktion des Regulators ist, die Expression der Strukturgene zu verhindern, wird er Repressor genannt. Das Konzept, nach dem zwei verschiedene Genklassen anhand ihrer Funktion voneinander unterschieden werden, wurde im Jahre 1961 von F. Jacob und J. Monod in ihrer klassischen Formulierung des Operon-Modells vorgeschlagen. Das Operon ist eine Einheit der Genexpression mit Strukturgenen und den Elementen, die deren Expression kontrollieren. Die Aktivität des Operons wird durch ein (oder mehrere) Regulatorgen(e) kontrolliert, dessen (deren) Proteinprodukt(e) mit den Kontrollelementen interagieren. Die Regulation der Transkription des Lactose-Operons Die drei Gene lacZ, Y, und A werden in eine einzige mRNA transkribiert, ausgehend vom Promotor Plac. Die Möglichkeit, die Transkription bei Plac zu initiieren, wird durch das Repressorprotein kontrolliert, welches vom Regulatorgen LacI kodiert wird: 10 In Abwesenheit eines Induktors wird die Gengruppe nicht transkribiert. Gibt man einen Induktor hinzu, so startet die Transkription an Plac und läuft über die Gene bis zum Terminator hinter lacA. Damit ergibt sich koordinierte Regulation: alle Gene werden miteinander exprimiert (oder nicht exprimiert). Die Lac-mRNA ist instabil und wird mit einer Halbwertszeit von ca. drei Minuten abgebaut. Diese Eigenschaft erlaubt eine schnelle Umkehrung der Induktion: die Transkription hört auf, sobald der Induktor entfernt wird; in sehr kurzer Zeit ist sämtliche lacmRNA zerstört, und die Zelle stoppt die Produktion der Enzyme. Das Lac-Operon enthält das Strukturgen lacZ für die β-Galactosidase und das Gen lacY für das Transportprotein (Permease), welches das Substrat in die Zelle führt. Wie soll jedoch der Induktor in die Zelle gelangen, um den Prozess der Induktion zu starten, wenn sich das Operon in reprimiertem Zustand befindet? Zwei Prozesse dürften sicherstellen, dass immer minimale Mengen von β-Galactosidase und Permease in der Zelle vorhanden sind, welche ausreichen, die Transkription in Gang zu setzen: Die Expression des Operons wird auf einem Grundniveau gehalten; sogar wenn die Transkription nicht induziert ist, wird das Operon mit einer Minimalrate exprimiert (ca. 0.1% des induzierten Niveaus). Ausserdem können einige Induktoren möglicherweise über ein anderes Aufnahmesystem in die Zelle eindringen. Das Repressorprotein besitzt eine sehr hohe Affinität zum Operator. In Abwesenheit des Induktors bindet es dort. Wenn aber der Induktor vorhanden ist, bindet dieser den Repressor und bildet einen Repressor/lnduktor-Komplex, welcher nicht mehr an den Operator bindet. Somit hat der Repressor eine Doppelfunktion: einerseits kann er die Transkription verhindern, andererseits 11 kann er den Induktor erkennen. Wenn der Induktor bindet, verändert er die Konformation des Repressors derart, dass die Affinität für die Bindungsstelle an der DNA stark herabgesetzt wird. Neben der oben beschriebenen Repression existiert für das Lac-Operon auch der andere Typ der Regulation, nämlich die Stimulation. Bei der Stimulation wird die Transkription des Operons dramatisch verstärkt. Dies ist der Fall, wenn im Medium Lactose vorhanden ist, aber keine Glucose. Bei Glucose-Mangel steigt die cAMP Konzentration (zyklisches AMP) stark an. cAMP bindet an ein Rezeptor-Protein (CAP=cAMP-bindendes Protein). Dieser Komplex bindet dann an den Operator, stimuliert die Bindung der RNA-Polymerase und sorgt damit für eine verstärkte Transkription. Quellennachweis • • • • Lehninger: "Prinzipien der Biochemie", 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN 3-86025-106-6: Seiten 377, 977, 981,1073-1087 Knippers R.: "Molekulare Genetik", 6. neubearbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart. New York; ISBN 3-13477006-7,1996: Seiten 29, 47-55, 71, 303, 310 ff Alberts et al: "Molekularbiologie der Zelle", 3. Auflage; VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim (D), ISBN 3-527-300554,1995, Seiten 43, 113, 399, 476, 493-500 Lewin B.: ,,GeneU, 2. Auflage, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim (D) 1991, ISBN 3-527-28052-9, Seiten 262 ff, 307 ff, 537 ff, 585 ff, 600 Hinweis: In der „Lese-Ecke“ stehen Ihnen Lehrbücher zum vertieften Studium zur Verfügung Lösungen • Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA-Strang aufzuschreiben: 3'-GCATCTGCATTCGA-5' Die Lösung sieht folgendermassen aus: 5'-CGUAGACGUAAGCU-3' Uebungsaufgaben mit Lösungen finden Sie in der Internetversion des Ateliers! Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle! 12 Transkription bei Eukaryoten Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt. Die Transkription bei Eukaryoten verläuft nach den gleichen Prinzipien wie die Transkription bei den Prokaryoten; es gibt jedoch einige wichtige Unterschiede: Chromatin-Remodellierung Die DNA eukaryotischer Zellen ist als Chromatin organisiert. Die Transkription einzelner Gene bedingt vorgängige Veränderungen in der lokalen Chromatinstruktur, welche Gene für den Transkriptionsapparat zugänglich machen: • • • • Jede Zelle transkribiert zu einem gewissen Zeitpunkt nur einen Teil ihres Genoms. Nicht-transkribierte Gene und benachbarte DNA-Regionen sind sehr dicht gepackte DNAProtein-Komplexe (Heterochromatin). Transkribierte Gene und benachbarte DNA-Regionen sind weniger dicht gepackt (Euchromatin) und teilweise sogar frei von Histonen. Die Aufhebung der Heterochromatin-Struktur wird durch DNA-bindende Proteine und Acetylierung von Histonen erreicht. Diese Vorgänge werden als Chromatin-Remodellierung bezeichnet und sind Voraussetzung für die Transkription. RNA Polymerasen Im Gegensatz zu prokaryotischen Zellen besitzen eukaryotische Zellen nicht nur eine, sondern gleich drei verschiedene RNA-Polymerasen: RNA-Polymerase I, II und III. • • • Die RNA-Polymerase I befindet sich im Nucleolus und transkribiert diejenigen Gene, die für ribosomale RNA (18S, 28S) kodieren. Die RNA-Polymerase II transkribiert vorwiegend Gene, welche für Proteine kodieren. Die RNA-Polymerase III synthetisiert die kleineren RNAs wie tRNA, ribosomale 5S-RNA und einen Teil der kleinen Kern-RNA-Arten (snRNA=small nuclear RNA). Wie die prokaryotische RNA-Polymerase sind sie alle sehr gross und aus mehreren Untereinheiten aufgebaut. Und wie jede andere Polymerase synthetisieren sie neue Ketten in 5' -> 1 3' Richtung. Diese RNA-Polymerasen erkennen Promotoren, welche sich strukturell stark voneinander unterscheiden. Wir wollen nur die RNA-Polymerase II-Gene näher betrachten: Eukaryotisches protein-kodierendes Gen Das Genom des Menschen enthält schätzungsweise 30'000-50'000 Gene, welche für Eiweisse kodieren. In ihrem grundsätzlichen Aufbau gleichen sie den prokaryotischen Genen: Die Promoter-Region: Wie die prokaryotischen Promotoren enthalten auch die RNA-PolymeraseII-Promotoren Bindungsstellen für die RNA-Polymerase und für Proteine, die diese Bindung modulieren können (UAS, upstream activating sequence). Die TATA-Box, analog der PribnowBox in Prokaryoten, bestimmt den Transkriptions-Start bei Position +1. Viele RNA-Polymerase II-Promotoren haben noch eine Enhancer (Verstärker)-Region. Sie kann, wie in der Abbildung dargestellt, vor dem eigentlichen Promoter liegen, kommt aber nicht selten hinter dem Gen oder gar mitten im Gen (z.B. in einem Intron) vor. Die Enhancer-Region stimuliert die Transkription des Gens mittels Proteinen, welche an diese DNA-Sequenz binden. Transkribierte Region: Der Anfang der transkribierten Region, Position +1, heisst cap site, weil nach dem Beginn der Transkription die entstehende mRNA am ersten Nukleotid durch Anhängen der Cap-Struktur modifziert wird. Die Cap-Struktur wird durch Uebertragung von GTP auf die 5' terminale Base und Methylierung von Guanin in Position 7 synthetisiert. Die Cap-Struktur schützt die mRNA gegen Abbau durch Nukleasen und ist wichtig für die Translation. Termination: Nach dem Passieren der Poly(A)-Addierungs-Sequenz AAUAAA auf der neusynthetisierten RNA pausiert die RNA-Polymerase II, assoziierte Proteine erkennen die Sequenz AAUAAA und die Transkription stoppt. Ein Enzymkomplex bindet an die Poly(A)Addierungs-Sequenz AAUAAA der RNA, schneidet sie 10 - 15 Nukleotide weiter hinten (3' Richtung) und hängt 50-150 Adenosine (Poly(A)-Sequenz) an. Anordnung von Genen: In höheren Eukaryoten finden wir sehr oft Gene, die für das gleiche oder sehr ähnliche Proteine kodieren, sog. Gen-Familien. In der Regel werden nur wenige Gene, oft 2 gar nur ein Gen aus einer Gen-Familie exprimiert. Die nicht-funktionellen Mitglieder der GenFamilie werden als Pseudogene bezeichnet. Eukaryoten haben, im Gegensatz zu Prokaryoten, Gene nicht in Operons organisiert. Genom-Grössen: Vergleicht man die Genom-Grössen von Zellen, so stellt man fest, dass sie mit zunehmendem Entwicklungsstand während der Evolution zunehmen. Eigenartigerweise stimmt diese Beziehung innerhalb der Eukaryoten nicht generell. So variiert die Genom-Grösse innerhalb der Amphibien von 109 bis 10 11 Basenpaaren. Zudem sind die Genome grösser, als man aus der Anzahl Gene (10'000 - 100'000) in eukaryotischen Zellen erwarten würde. Aus dieser Beobachtung ergibt sich, dass nur ein kleiner Teil des Genoms von höheren Eukaryoten für Protein kodiert. Was ist die restliche DNA und welche Funktion hat sie? Die Genome von höheren Eukaryoten enthalten neben den einzelnen Genen noch hoch- und mittel-repetierte DNASequenzen. Zu den hochrepetierten Sequenzen gehören DNA-Abschnitte von 300 - 1000 Basenpaaren Länge, die bis zu 100'000-fach wiederholt vorkommen. Ihre Funktion ist nicht bekannt. Zu den mittel-repetierten Sequenzen gehören die Gene für ribosomale RNA und tRNAs. Diese Gene sind repetiert, weil grosse Mengen der entsprechenden Gen-Produkte von der Zelle benötigt werden. Regulation der Transkription Die Regulation der Transkription ist aus mehreren Gründen von grosser Bedeutung: 1. Der gesamte Prozess der Transkription und Translation ist sehr energieaufwendig und sollte daher auf das notwendige Mass beschränkt sein. 2. Durch verstärkte oder verminderte Synthese eines Enzyms kann dessen Konzentration in der Zelle erhöht resp. erniedrigt und dadurch der Stoffwechsel reguliert werden. 3. Bei höheren Organismen sind viele Merkmale, die im Verlaufe der Entwicklung ausgebildet werden, genetisch determiniert. Die hierfür verantwortlichen Gene müssen also in bestimmten Entwicklungsphasen "angeschaltet" werden, um ihre Funktion zu erfüllen. Die Genregulation bei Eukaryoten wurde erst durch die Methoden der Analyse, Sequenzierung und Veränderung (Deletion, Mutation) definierter Genabschnitte einer gezielten Untersuchung zugänglich. Ein Ansatz bestand zunächst darin, DNA Strukturen in der Umgebung gleichartig regulierter Gene miteinander zu vergleichen und strukturell ähnliche Abschnitte zu benennen und ihre Funktion zu analysieren. Durch Verwendung der geschilderten Methoden ist es gelungen, DNA-Abschnitte zu beschreiben, die die Expression eines Gens beeinflussen. Die TATA-Box und UAS als Teil der Promotorstrukturen wurde bereits genannt. Eine Sequenzklasse, die zunächst bei EukaryontenViren beschrieben, dann aber auch für zelluläre Gene gefunden wurde, sind die EnhancerElemente, welche die Aktivität der Promotoren drastisch steigern. Wichtige Tatbestände zur Genregulation: • • Transkriptionsfaktoren regulieren die Bindung der RNA-Polymerase an Promotoren. Die allgemeinen Transkriptionsfaktoren sind für die Ablesung aller Gene notwendig: Der Faktor IID bindet an die TATA-Box von Polymerase II-Genen und ermöglicht damit die Bindung weiterer Faktoren (TFI, IIA, 2B, etc.) in einem grossen Protein-Komplex. Dieser Transkriptionsfaktor-Komplex ist nötig, aber nicht ausreichend, für effiziente Erkennung des 3 Promoters durch die RNA-Polymerase. Es braucht noch spezifische Transkriptionsfaktoren, welche eine DNA-Bindungsstelle haben, mit welcher sie die UAS (upstream activating sequences)erkennen, und eine Sequenz, mit welcher sie die allgemeinen Faktoren binden. Es ist dann dieser Superkomplex aus allgemeinen und spezifischen Faktoren, welcher die RNAPolymerase bindet und damit die Transkription des Gens ermöglicht: Fig.: TF, Transkriptionsfaktor; UAS, upstream activating sequence; TBF, TATA-binding factor; TAF, TATA-associated factor; Pol II, RNA-Polymerase II. • • Unter den spezifischen Faktoren gibt es neben den stimulierenden auch inhibierende Faktoren. Es ist dann für jedes Gen die Kombination der stimulierenden und inhibierenden Faktoren, welche den Grad der Ablesung bestimmen Da die Anwesenheit und die Aktivität der spezifischen Transkriptionsfaktoren durch die Zelle verändert werden kann, ergibt sich für jedes Gen die Möglichkeit der vielfältigen Regulation. Diese Regulation kann zudem durch andere Zellen im Organismus beeinflusst werden. So können z.B. Wachstumsfaktoren oder Hormone an Rezeptoren der Zelle binden und über eine Kaskade von Proteinen die Aktivität von Transkriptionsfaktoren beeinflussen. Sehr oft liegen spezifische Transkriptionsfaktoren in inaktiver Form im Zytoplasma der Zelle und die Aktivierung führt zum Transport des Faktors in den Zellkern: 4 Figur: Die Bindung des Hormons an den Rezeptor führt zur Aktivierung einer Signaltransduktionskette. • • Transkription findet wahrscheinlich an bestimmten Stellen im Zellkern statt: transkribierte und nicht-transkribierte DNA-Abschnitte sind räumlich getrennt. Der Transkriptionsort im Kern für DNA, welche für rRNA kodiert, ist der Nukleolus Introns, Exons und Splicing Die Vorstufen der meisten eukaryotischen mRNA-Moleküle enthalten die kodierende Sequenz nicht in ununterbrochener Reihenfolge. Es sind vielmehr ein oder mehrere Stücke nicht in Protein zu übersetzende Basensequenzen eingeschoben. Dies bedeutet, dass die Gene, an denen diese Prä-mRNA synthetisiert wurde, durch entsprechende DNA-Abschnitte unterbrochen sind. Man bezeichnet die nicht-kodierenden Sequenzen als Introns und die kodierenden Sequenzen als Exons. Das primäre Transkript der Polymerase II ist eine hochmolekulare RNA, die auch Prä-mRNA genannt wird. Die Umwandlung (Prozessierung) der Prä-mRNA zur reifen mRNA beginnt damit, dass am 5'-Ende die sog. Cap-Struktur angehängt wird (siehe oben). 5 Die zunächst transkribierten Intronabschnitte werden im Verlaufe der Reifung der Prä-mRNA herausgeschnitten, und die kodierenden Abschnitte der mRNA werden zusammengefügt. Diesen Vorgang, den man in Analogie zum Spleissen von Tauwerk als das Splicing der RNA bezeichnet. Wir unterscheiden 3 Typen (I,II und III) von Introns in eukaryotischen Genen. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art und Weise, wie sie aus der Vorläufer-RNA entfernt werden. Nur Typ III kommt in protein-kodierenden Genen vor: • • • Typ I schneidet sich selber heraus ("self-splicing", katalytische RNA). Typ II benötigt Proteine für effizientes Herausschneiden Typ III benötigt komplexe Protein-RNA-Partikel (snRNP's, small nuclear ribonucleoprotein particles) zum Splicing. Typ III Introns finden wir in den für Eiweiss kodierenden Genen in höheren Eukaryoten. Die RNA-Sequenzen über die Exon-Intron Grenze am Anfang und am Ende der Introns sind immer ähnlich oder identisch (konserviert). Sie werden durch RNP's erkannt, indem der RNA-Anteil dieser Partikel mit der hnRNA hybridisiert. Die Reaktionen, welche zum Ausschneiden des Introns und Ligieren der Exons führen, sind nicht im Detail bekannt, doch nimmt man heute an, dass diese Reaktionen von den RNA-Anteilen der snRNP's katalysiert werden. Eine interessante ungeklärte Frage ist diejenige nach der Entstehungsweise von Introns während der Evolution. Es gibt Prä-mRNAs, welche nicht immer gleich gespleisst werden, d.h. es können von einer hnRNA mehrere unterschiedliche mRNAs angefertigt werden. Dieses Phänomen bezeichnen wir als "Alternatives Spleissen" (alternative splicing). Alternatives Spleissen wird reguliert und kann die kodierende Kapazität eukaryotischer Genome beträchtlich erhöhen. Fertig modifizierte RNA wird als mRNA (messenger RNA) bezeichnet. Sie wird vom Kern ins Zytoplasma der Zelle transportiert, wo sie von Ribosomen gebunden und transliert wird. Hinweis: Sie können sich im Atelier das Video "Transkription bei Eukaryonten" ansehen. Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle! 6 Translation bei Prokaryoten und Eukaryoten Einleitung Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt. Die Translation, die Übersetzung der mRNA in eine Aminosäuresequenz, bildet nach der Transkription und Modifikation des Transkripts die letzte Stufe auf dem Weg der Expression eines Gens in ein Protein. Wegen des Fehlens einer Kernmembran laufen bei Prokaryoten die Prozesse Transkription und Translation fast gleichzeitig ab: während ein Gen noch transkribiert wird, setzt an der dabei entstehenden mRNA schon die Translation ein. Bei Eukaryoten laufen die Prozesse Transkription und Translation von einander getrennt ab: die Transkription findet im Kern, die Translation im Cytoplasma statt. Während der Translation wird die Basensequenz einer mRNA nach den Regeln des genetischen Codes in eine Aminosäuresequenz übersetzt: jeweils drei aufeinanderfolgende Basen bestimmen, welche Aminosäure in die wachsende Polypeptidkette eingebaut wird. Dies geschieht unter Vermittlung von Transfer-RNAs, welche die nötigen Aminosäuren transportieren, und Ribosomen, den biochemischen Maschinen für die Translation. Hinweis: Im Atelier können Sie sich ein Video zum Thema Translation ansehen. Betrachten wir vorerst die für die Translation nötigen Komponenten: Prokaryotische messenger RNA (mRNA) Über die mRNA wurde bereits im Kapitel "Transkription" berichtet. Hier nochmals das Wichtigste in Kürze: Prokaryotische Gene sind oft als Operons organisiert, was bedeutet, dass mehrere Gene auf einmal transkribiert werden können. Eine solche mRNA enthält deshalb auch mehr als eine kodierte Aminosäuresequenz, sie ist polycistronisch: 1 Jeder Abschnitt besteht aus einer Ribosomenbindungsstelle (Shine-Dalgarno-Sequenz, S/D) und einem Start- und einem Stop-Codon (UAA, UAG oder UGA), welche den zu translatierenden Bereich begrenzen (ein Codon ist ein Basentriplett. Näheres dazu: siehe Kapitel "Der genetische Code"). Eukaryotische messenger RNA (mRNA) Das primäre Transkript erhält durch Übertragung von GTP und Methylierung von Guanin in Position 7 eine Cap-Struktur am 5'-Ende und einen Poly-A-Schwanz am 3'-Ende. Die so modifizierte RNA nennt man hnRNA (heterogene nukleäre RNA) oder auch "pre-messengerRNA". Diese Vorläufer-RNA reift im Kern durch Splicing zur eigentlichen mRNA, bei welcher die nicht-kodierenden Abschnitte (Introns) entfernt sind: Die mRNA passiert die Kernporen und gelangt so ins Cytoplasma. Dort erfüllt sie ihren eigentlichen Zweck, sie wird übersetzt ("transliert"). Die mRNA ist nämlich Uebermittler (Bote) der genetischen Information zwischen Kern und Cytoplasma: sie dient als Matrize für die Übersetzung von Nukleotidsequenzen in Aminosäurensequenzen. Transliert wird aber nur derjenige Abschnitt der mRNA, welcher vom Startcodon AUG bis zu einem Stopcodon (UAA, UAG oder UGA) reicht. Aminosäuren Aminosäuren (AS) sind die Bausteine von Proteinen. Da 20 verschiedene AS in Proteine eingebaut werden, ist die Formenvielfalt und der Reichtum an funktionell unterschiedlichen Proteinen kaum zu ermessen. AS enthalten eine saure Carboxy- (COOH) und eine basische Aminogruppe (NH2) am α Kohlenstoff-Atom, welches ausserdem mit einem Wasserstoffatom (H) und einem von AS zu AS verschiedenen Rest (R) verknüpft ist. Das α -C-Atom ist also asymmetrisch substituiert. Von den beiden enantiomeren Formen weisen alle in Proteinen vorkommenden AS die gleiche Stereochemie auf. Sie weisen die S-Konfiguration auf und gehören somit zur sogenannten LReihe: 2 Die 20 AS unterscheiden sich einzig im Rest R, dessen Struktur, Grösse, elektrische Ladung und damit auch Wasserlöslichkeit variiert. AS unterteilt man häufig nach den chemischen Eigenschaften der Seitenkette in fünf Hauptklassen: es gibt unpolare und aliphatische, aromatische, polar-ungeladene, polar-negativ geladene und polar-positiv geladene AS: Die meisten Bakterien können ihren Bedarf an AS durch Biosynthese decken. Für den Menschen sind fast die Hälfte der AS essentiell - er muss sie also mit der Nahrung aufnehmen. Es sind dies Valin, Leucin, Isoleucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Histidin und Arginin (Arg nur bei Kindern). 3 Transfer RNA (tRNA) Die Aminosäuren, die bei der Translation gemäss dem genetischen Code an die wachsende Polypeptidkette angehängt werden, erkennen die Codons auf der mRNA nicht wie Enzyme ihre Substrate nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip". Für die Vermittlung zwischen der mRNA mit ihren Codons und den dazu passenden Aminosäuren ist ein besonderer Adapter notwendig - die Transfer RNA oder tRNA. Eine tRNA besteht aus einem linearen Strang aus 70 - 90 Nukleotiden und zeichnet sich durch ihre besondere Faltung aus, welche für ihre Aufgabe als Adapter von entscheidender Bedeutung ist: Vier kleinere Abschnitte bilden durch intramolekulare Basenpaarung eine Doppelhelixstruktur aus, so dass die tRNA eine Sekundärstruktur erhält, die einem "Kleeblatt" gleicht. Eine geringe Anzahl Basenwechselwirkungen formen die tRNA in ihre Tertiärstruktur. Sie erinnert an einen Haken oder ein "L": Sofort nach der Transkription wird die tRNA modifiziert: Sie erhält an ihrem 3'-Ende durch ein spezielles Enzym die Basenfolge CCA angehängt, und ungefähr 10% der Nukleotide werden chemisch verändert, zum Teil methyliert oder sulfatiert: 4 Das eine Ende des "L" bildet das Anticodon, ein Basentriplett, das mit dem komplementären Triplett (dem Codon) einer mRNA basenpaart. Das andere Ende trägt die Bindungsstelle für eine Aminosäure. Enzyme, die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, koppeln am 3'-Ende der CAASequenz die Carboxygruppe derjenigen Aminosäure, welche zum entsprechenden Anticodon gehört. Dieser Vorgang, bei welchem tRNAs mit entsprechenden Aminosäuren beladen werden, nennt man Aminoacylierung. Die Reaktion verbraucht ATP und verläuft in zwei getrennten Schritten. Der erste führt zu einer aktivierten Aminosäurezwischenstufe, bei der die Carboxylgruppe mit AMP verknüpft ist. Dieses Zwischenprodukt ist sehr reaktionsfreudig und bleibt am Enzym gebunden, bis das AMP durch den zweiten Reaktionsschritt durch das tRNAMolekül ersetzt wird, so dass eine Aminoacyl-tRNA und freies AMP entstehen: Eine Zelle enthält 20 verschiedene Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, für jede Aminosäure eine. Das bedeutet, dass diese Enzyme sowohl die korrekte Aminosäure als auch die dazu passende(n) tRNA(s) erkennen müssen. Aminosäuren werden aufgrund ihrer charakteristischen Seitengruppe identifiziert, bestimmte Nukleotid-Sequenzen des Kleeblattes erlauben die Unterscheidung einzelner tRNAs. Wieviele verschiedene tRNAs gibt es? 61 der 64 Codons codieren für Aminosäuren. Es wäre deshalb naheliegend, dass auch 61 Anticodons und damit 61 verschiedene tRNAs bei Translationen bereitstehen müssten. Dem ist aber nicht so. Interessanterweise genügen ungefähr die Hälfte tRNAs, um die 61 Codons zu entziffern! Der Grund ist darin zu suchen, dass nur die ersten beiden Basen des Anticodons eine genaue Basenpaarung verlangen, die dritte Base hingegen wegen ihrer besonderen sterischen Anordnung auch alternative Paarungen zulässt, also z.B. G mit U statt mit C, etc. Diese als Wobble-Basenpaarung bezeichnete Codon-Anticodon-Wechselwirkung erlaubt es, dass verschiedene Codons, die für dieselbe Aminosäure codieren und sich nur in ihrem dritten Nukleotid unterscheiden, oft durch dieselbe tRNA entziffert werden: 5 Die Wobble-Basenpaarung Die kurze Doppelhelix, die sich durch Basenpaarung zwischen dem Codon und Anticodon ausbildet, besitzt nicht die exakte Konfiguration einer üblichen RNA-Helix, sondern ihre Dimensionen sind leicht verändert. Infolgedessen können sich an der Wobble-Position (zwischen dem ersten Nucleotid des Anticodons und dem dritten Nucleotid des Codons) unübliche Basenpaare ausbilden. Auf diese Weise kann sich ein einziges Anticodon mit mehr als einem Codon paaren, und eine tRNA kann mehr als ein Mitglied einer Codonfamilie entziffern. Allerdings sind die Regeln für die Basenpaarung an der Wobble-Position nicht vollkommen flexibel, sondern es sind nur wenige unübliche Basenpaare möglich. Am häufigsten sind folgende Kombinationen: Inosin kann mit C, A und U Basenpaarungen eingehen In einigen tRNAs handelt es sich beim WobbleNucleotid des Anticodons um Inosin (I), eine desaminierte Form von Guanin. Inosin kann nicht nur mit C eine Basenpaarung eingehen, sondern auch mit A und U. Durch das "Wobbeln" vermindert sich die Zahl der zur Entzifferung des genetischen Codes erforderlichen tRNAs. Allerdings bleiben die Regeln des genetischen Codes unangetastet, und die Polymerisation eines durch Translation synthetisierten Polypeptids erfolgt streng gemäss der Nucleotidsequenz der entsprechenden mRNA. Wenn z.B. 31 tRNAs 20 Aminosäuren binden, muss es zwangsläufig Aminosäuren geben, welche an mehr als ein tRNA-Molekül binden können. Zwei tRNAs, die dieselbe Aminosäure transportieren, nennt man Isoakzeptoren. Kurzschreibweise: eine für Glycin spezifische tRNA bezeichnet man als tRNAGly. Hat sie nach der Aminoacylierung Glycin gebunden, stellt man sie mit Gly-tRNAGly dar. Hinweis: Robert Holley gelang 1965 die Sequenzierung einer tRNA. Dafür erhielt er 1968 den Nobelpreis. Das entsprechende Dokument ("R. Holley, 1965") finden Sie am Geschichtsposten im Atelier. Aufgabe: In den Mitochondrien des Menschen sind für die Proteinsynthese lediglich 22 verschiedene tRNAs erforderlich. Wie ist das möglich? Lösung: S. 23 6 Ribosomale RNA (rRNA) Wie der Name vermuten lässt, sind ribosomale RNA-Moleküle Bestandteil der Ribosomen. Ribosomen sind Multienzymkomplexe aus RNA und vielen verschiedenen Proteinen. Jedes Ribosom besteht aus einer grossen und einer kleinen Untereinheit. Das Ribosom ermöglicht den engen Kontakt zwischen den Codons der mRNA und den Anticodons der tRNAs (für welche zwei Bindungsstellen am Ribosom existieren, eine P- und eine A-Bindungsstelle) und sorgt für die korrekte Position des Leserasters. Auf der grossen ribosomalen Untereinheit liegt das Peptidyltransferase-Zentrum, eine Stelle, welche die Bildung einer Peptidbindung zwischen der Carboxygruppe am Ende einer wachsenden Polypeptidkette und der freien Aminogruppe einer Aminosäure katalysiert. Früher glaubte man, dass nur Proteine die für katalytische Reaktionen notwendige komplexe räumliche Struktur ausbilden könnten. Seit der Entdeckung der selbst-spleissenden RNA weiss man aber, dass auch Nukleinsäuren katalytische Aktivitäten haben können. RNA-Moleküle, die katalytische Aktivität besitzen, nennt man Ribozyme. Heute wissen wir, dass das Peptidyltransferase-Zentrum aus katalytisch aktiver RNA besteht, d.h. die Bildung der Peptidbindung wird durch eine Base der 28S rRNA katalysiert. Prokaryotische Ribosomen Prokaryotische Ribosomen haben eine Molmasse von ungefähr 2 500 000 Dalton und eine Grösse von etwa 29 nm x 21 nm. Der Sedimentationskoeffizient beträgt 70S für das ganze Ribosom, 30S für die kleine und 50S für die grosse Untereinheit. Eukaryotische Ribosomen Eukaryotische Ribosomen haben eine Molmasse von ungefähr 4 200 000 Dalton und sind grösser (32 nm x 22 nm) als prokaryotische Ribosomen. Ihre grosse Untereinheit weist einen Sedimentationskoeffizienten von 60S auf, die kleine Untereinheit einen von 40S und das vollständige Ribosom einen von 80S. 7 Sedimentationsanalyse Ribosomen sind wie viele Makromoleküle und hochmolekulare Strukturen so gross, dass die Abschätzung ihrer Molmasse früher Schwierigkeiten bereitete. Deshalb bestimmte man die Grösse solcher Strukturen durch Analyse der Sedimentationsgeschwindigkeit. Mit dieser Methode ermittelt man die Geschwindigkeit, mit der ein Molekül oder ein Partikel durch eine dichte Lösung (oft Saccharose) sedimentiert, wenn es einer hohen Zentrifugalkraft (100 000 g oder mehr) ausgesetzt wird. Der Sedimentationskoeffizient wird mit einem S-Wert angegeben (S = Svedberg-Einheit, nach dem Schweden Svedberg, der Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts die erste Ultrazentrifuge baute). Der S-Wert hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Molmasse und von der Form des Makromoleküls. Die Zusammensetzung prokaryotischer und eukaryotischer Ribosomen (N* = Nucleotide): Ribosom Sedimentationskoeffizient Molmasse (Dalton) Anzahl der Untereinheit grosse Untereinheit Sedimentationskoeffizient Molmasse (Dalton) RNA-Moleküle Anzahl Grössen Anzahl der Polypeptide kleine Untereinheit Sedimentationskoeffizient Molmasse (Dalton) RNA-Moleküle Anzahl Grössen Anzahl der Polypeptide Prokaryoten Eukaryoten 70S 2 500 000 2 80S 4 200 000 2 50S 1 590 000 60S 2 820 000 2 23S = 2 904 N* 5S = 120 N 34 3 28S = 4 718 N 5,8S = 160 N 5S = 120 N 49 30S 930 000 40S 1 400 000 1 16S = 1 541 N 21 1 18S = 1 874 N 33 8 Die grosse Untereinheit prokaryotischer Ribosomen enthält 34 Proteine und 2 verschiedene rRNA-Moleküle: eine 5S rRNA mit 120 Nukleotiden und eine 23S rRNA (2904 Nukleotide lang). Die kleine Untereinheit birgt 21 Proteine und nur ein RNA-Molekül, die 16S rRNA mit 1541 Nukleotiden (zum Vergleich: tRNA: 4S). Die grosse Untereinheit eukaryotischer Ribosomen trägt gar 49 Proteine und 3 verschiedene rRNA-Moleküle: eine 5S rRNA mit 120 Nukleotiden, eine 5.8S rRNA (160 Nukleotide) und eine 28S rRNA (4718 Nukleotide). Die kleine Untereinheit besteht aus 33 Proteinen und einer 18S rRNA mit 1874 Nukleotiden. Synthese und Zusammenbau der Ribosomen Die verschieden grossen rRNA-Moleküle müssen in etwa gleicher Anzahl synthetisiert werden. Die Synthese gleicher Mengen aller rRNA-Moleküle lässt sich dadurch gewährleisten, dass ein vollständiger Satz rRNA-Moleküle zusammen in einer Einheit transkribiert wird. Das Primärtranskript ist deshalb eine lange RNA-Vorstufe, die Prä-rRNA, die, durch kurze Spacer getrennt, rRNAs enthält. Die Spacer der Prä-rRNA werden in einem nächsten Schritt entfernt, so dass die reifen rRNAs freigesetzt werden: Ein schnell wachsender Prokaryot wie eine E. coli-Zelle, die 20 000 Ribosomen enthält, teilt sich etwa alle 20 Minuten. Deshalb muss sie alle 20 Minuten 20 000 neue Ribosomen herstellen, nämlich den gesamten Bestand für eine der beiden Tochterzellen. Das erfordert ein beträchtliches Ausmass an rRNA-Transkription, und zwar in einem solchen Umfang, dass eine einzige Transkriptionseinheit nicht in der Lage wäre, dem Bedarf gerecht zu werden. Tatächlich verfügt das E. coli-Chromosom über sieben Kopien der rRNA-Transkriptionseinheit. 9 Die Transkription der hintereinanderliegenden rRNA-Gene lässt sich auch im Elektronenmikroskop darstellen: Eine Transkriptionseinheit gleicht dabei einem Baum, dessen "Äste" (die Vorläufer-RNAs) rechtwinklig vom "Stamm" (der DNA) wegschauen: Aufgabe: Können Sie entscheiden, in welche Richtung (von rechts nach links oder umgekehrt) sich die Polymerase auf der DNA bewegt? Lösung: S. 23 Bei Eukaryoten werden nur die 28S-, 18Sund die 5.8S-Gene zusammen transkribiert. Sie liegen beim Menschen in den Nucleolusorganisierenden Regionen der Chromosomen 13, 14, 15, 21 und 22. Gene, die für die 5S rRNA codieren, befinden sich auf anderen Chromosomen. Sofort nach der Transkription binden ribosomale Proteine (welche im Cytoplasma synthetisiert und dann via Kernporen importiert wurden) an die rRNAs. Die beiden Untereinheiten eines Ribosoms werden so noch im Nucleolus Stück für Stück zusammengesetzt. Der letzte Schritt der Ribosomenreifung findet aber erst statt, wenn die Untereinheiten ihren Arbeitsplatz, das Cytoplasma, erreicht haben. Eine höhere Eukaryotenzelle enthält bis zu 10 Millionen Ribosomen. Die Menge an rRNA, die für deren Synthese notwendig ist, stellen Eukaryoten durch zwei Strategien sicher: Erstens sind die rRNA-Transkriptionseinheiten in 50-5000-facher Ausführung als Gen-Kopien vorhanden. 10 Zweitens wird jedes rRNA-Gen besonders intensiv transkribiert, indem auf eine Polymerase, welche den Promoter gerade verlassen hat, eine neue folgt und ein weiteres rRNA-Molekül synthetisiert wird. Hinweis: 1966 konnte M. Bretcher zeigen, dass Ribosomen zwei Bindungsstellen für tRNAs aufweisen (A- und P-Stelle) und dass die Initiator-Methionyl-tRNA an die P-Stelle bindet. Sie finden dazu im Atelier am Geschichtsposten das Dokument "M. Bretcher, 1966". Der genetische Code In der Translation wird die Basensequenz der mRNA in die Aminosäurensequenz eines Proteins übersetzt: Immer drei aufeinanderfolgende Basen bilden ein Codewort. Der genetische Code ist also eine Schrift aus 4 "Buchstaben" (den vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil), mit denen "Wörter" aus 3 Buchstaben Länge gebildet werden können. Es sind somit 43 = 64 verschiedene Basentripletts oder Codons möglich (Achtung: in der Abbildung fehlt UGG=Tryptophan): Aufgabe: Erstellen Sie eine Liste der Codons, die in einem zufälligen Heteropolymer aus A- und G-Nukleotiden enthalten wären. Aus welchen Aminosäuren würde ein aus diesem Heteropolymer synthetisiertes Polypeptid bestehen? Lösung: S. 23 11 61 der 64 Basentripletts codieren für die 20 Aminosäuren. Die drei verbleibenden Codons UAA, UAG und UGA sind sogenannte Stop- oder Terminationscodons. Es handelt sich dabei um Steuersignale, welche die Translation beenden. Natürlich existiert auch ein Start-Codon, welches die Translation einleitet: die Basenfolge AUG ist der Startpunkt. AUG codiert für die Aminosäure Methionin. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: • Methionin ist die erste Aminosäure, welche bei der Translation eingebaut wird (trotzdem beginnt nicht jedes fertiggestellte Protein mit Methionin, weil einzelne Aminosäuren oder Peptidabschnitte nach der Translation wieder entfernt werden). • Es wird nicht die gesamte mRNA in eine Aminosäuresequenz übersetzt, sondern nur derjenige Abschnitt, welcher zwischen einem Startcodon und einem Stopcodon liegt. • eine mRNA kann mehrere Codons der Basenfolge AUG enthalten, aber nicht alle sind Startpunkte für die Translation - die meisten codieren nämlich für internes Methionin. Der genetische Code hat folgende Eigenschaften: • Er ist nicht überlappend, d.h. die aufeinanderfolgenden Basen 1, 2 und 3 entsprechen einer Aminosäure, die Basen 4, 5 und 6 der nächsten, usw. (überlappend wäre er, wenn die Basen 1, 2 und 3 die erste Aminosäure bestimmten und die Basen 3, 4 und 5 für die zweite Aminosäure codierten). Hinweis: Im Atelier (Geschichtsposten) finden Sie dazu das Dokument "Gamows DiamantenCode". • • • Er ist interpunktionsfrei, die einzelnen Codons sind also nicht durch "Kommas" voneinander getrennt. Was heute absurd klingt, war früher Stoff für zahlreiche Theorien: Es wurde z.B diskutiert, ob eine bestimmte Base (z. B. Cytosin) eine Art "Leertaste" bilde. Er ist degeneriert, weil häufig mehrere Codons für eine Aminosäure codieren oder anders gesagt, weil die meisten Aminosäuren von mehr als einem Codon repräsentiert werden. Ausnahmen sind nur Methionin und Tryptophan: für diese beiden Aminosäuren gibt es jeweils nur ein zugehöriges Codon. Interessanterweise sind diese Aminosäuren in Proteinen spärlich vertreten. Er ist universell, d. h. für alle Lebewesen gleich. In Chloroplasten und Mitochondrien gibt es aber einige Abweichungen, wie folgende Tabelle zeigt: Codon UAG AUA CUA AGA AGG "universeller" Code STOP lle Leu Arg mitochondriale Codes Säuger Trp Met Leu STOP Drosophila Trp Met Leu Ser Hefen Trp Met Thr Arg Bei der Translation gewisser mRNAs wird beim Codon UGA nicht terminiert, sondern die ungewöhnliche Aminosäure Selenocystein eingeführt. Selenocystein wir ausgehend von Serin an einer speziellen (mit Serin beladenen) tRNA synthetisiert und von einem speziellen Elongationsfaktor ans Ribosom gebracht. Selen-haltige Proteine sind selten aber für den Stoffwwechsel sehr wichtig. Aufgabe: Der Nichtmatrizenstrang eines Gens hat folgende Sequenz: 5'-ATGTTAGCTGATCCGGAAATGATGTTATATATAATATATGCCCAATAG-3' Wie lautet die Aminosäuresequenz des Genproduktes lauten? Lösung: S. 23 12 Hinweis: Im Atelier finden Sie am Geschichtsposten viele interessante Berichte über die Entschlüsselung des genetischen Codes, so zum Beispiel: - Grundberg-Manago entdeckt die Polynukleotid-Phosphorylase - Nirenberg & Matthaei decken das Codewort für Phenylalanin auf - Leder & Nirenberg entschlüsseln den genetischen Code weitgehend - Marcker findet das Start-Codon mit einer Formyl-Methionin-tRNA - Gobind Khorana entdeckt die Stop-Codons Mechanismus der Translation Die Vorgänge bei der Translation werden in drei Phasen aufgeteilt: Initiation, Elongation und Termination. Die Initiation ist bei Prokaryoten und Eukaryoten unterschiedlich: Initiation bei E. coli Die kleine 30S Ribosomenuntereinheit muss sich an das zu translatierende mRNA-Molekül anlagern, und zwar nicht an einer beliebigen Position, sondern an einer spezifischen Stelle unmittelbar stromaufwärts (Richtung 5') vom Translationsstartcodon der mRNA. Der richtige Ort für die Anlagerung ist durch eine Nukleotidsequenz bestimmt, welche in E. coli folgendendermassen lautet: 5'-AGGAGGU-3' Diese als Shine-Dalgarno-Sequenz (S/D-Sequenz) bekannte Nukleotidfolge geht eine vorübergehende Basenpaarung mit einem Teil des 16S rRNA ein und ermöglicht so der 30S Untereinheit, an die mRNA zu binden. Da die kleine Untereinheit einen viel grösseren Bereich abdeckt als die Länge der ShineDalgarno-Sequenz, ist mit der Identifikation der Ribosomenbindungsstelle auch gleich das Startcodon AUG korrekt positioniert. Das Startcodon liegt nämlich üblicherweise nur etwa 10 Nukleotide hinter der S/D-Sequenz. Das AUG-Triplett ist das Translationsstartcodon der mRNA, d.h. es markiert die Stelle, an der die Translation beginnen muss. Prokaryoten können mehrere Proteine auf einer einzigen mRNA codieren und somit gleichzeitig verschiedene Proteine von derselben mRNA synthetisieren. Solche polycistronische mRNAs benötigen deshalb auch dementsprechend viele Shine-Dalgarno-Sequenzen (S/D) und ebensoviele Start- und Stop-Codons: Der Translationsvorgang selbst beginnt, sobald eine Initiator-tRNA mit dem Start-Codon, das durch die 30S Untereinheit ausfindig gemacht wurde, eine Basenpaarung eingeht. Diese InitiatortRNA ist bei Bakterien mit N-Formylmethionin (fMet) beladen: 13 Den Komplex aus mRNA, 30S Untereinheit und Formylmethionin-tRNA nennt man Initiationskomplex, und seine Bildung markiert das Ende der Initiationsphase der Translation. Synthese von Formylmethionin Obwohl es für Methionin nur ein Codon gibt (AUG), besitzen alle Organismen zwei tRNA-Typen zur Bindung von Methionin. Eine tRNA wird ausschliesslich dann verwendet, wenn AUG das InitiationsCodon für die Proteinsynthese dient. Die zweite tRNA wird verwendet, wenn Methionin in eine interne Position eines Polypeptids eingefügt wird. Bei Bakterien werden die beiden Typen von methionin-spezifischer tRNA als tRNAMet und tRNAfMet bezeichnet. Der erste Aminosäurerest am amino-terminalen Ende ist N-Formylmethionin. Er wird als NFormyl-methionin-tRNAfMet, das in zwei aufeinanderfolgenden Reaktionen gebildet wird, zum Ribosom transportiert. Zuerst wird Methionin von der Met-tRNA-Synthetase an die tRNAfMet gebunden: Methionin + tRNAfMet + ATP -> Met- tRNAfMet + AMP + PPi Darauf wird eine Formylgruppe von N10-Formyltetrahydrofolat durch eine Transformylase auf die Aminogruppe des Methionin-Restes übertragen: N(10)-Formyltetrahydrofolat + Met- tRNAfMet -> Tetrahydrofolat + fMet- tRNAfMet Diese Transformylase kann kein freies Methionin oder an tRNAMet gebundenes Methionin formylieren. Statt dessen ist sie spezifisch für an tRNAfMet gebundene Methionin-Reste, wobei sie ein charakteristisches Strukturmerkmal dieser tRNA erkennt. Die fMet-tRNAfMet wird vom Translationsinitiationsfaktor IF2 erkannt und an die P-Region der 30S ribosomalen Untereinheit gebunden. Initiation bei Eukaryoten Der wesentliche Unterschied zu Prokaryoten betrifft die Art, wie die kleine Untereinheit des Ribosoms (40S bei Eukaryoten) an die mRNA bindet und das AUG-Codon, an dem die Translation beginnen soll, ausfindig macht. Ausserdem sind für die Initiation mindestens elf Initiationsfaktoren erforderlich, im Gegensatz zu E. coli, wo drei solche Proteine ausreichen. Bei Eukaryoten bindet einer dieser Initiationsfaktoren, das cap-bindende Protein eIF4E, an die 5'Cap-Struktur der mRNA und fördert die Bildung eines Komplexes zwischen der mRNA und der 40S Untereinheit des Ribosoms. Die 40S Untereinheit hat bereits Initiator-Methionyl-tRNA 14 gebunden. Die 40S Untereinheit wandert dann der mRNA entlang, bis sie ein Start-Codon erreicht. Dort wird die 60S Untereinheit des Ribosoms angefügt, und es resultiert ein 80SInitiationskomplexes, der die Initiator-Met-tRNAMet sowie mRNA enthält und für die Elongation bereit ist. Aufgabe: Beschreiben Sie, wie die 40S Untereinheit eines eukaryotischen Ribosoms ein Startcodon auf einem mRNA-Molekül findet. Elongation Die Elongation verläuft bei Prokaryoten und Eukaryoten gleich: Sobald sich der Initiationskomplex gebildet hat, kann sich die grosse Untereinheit des Ribosoms anlagern. Es entstehen so zwei verschiedene abgegrenzte Bereiche, an denen tRNAs binden können: Die erste heisst Peptidyl- oder P-Stelle und ist im Augenblick von der Methionin-tRNA (bei Prokaryoten: Formyl-methionin-tRNA) besetzt, die noch mit dem Start-Codon basengepaart ist. Die Aminoacyl- oder A-Stelle liegt über dem zweiten Codon des Gens und ist zunächst unbesetzt. Den Prozess der Polypeptidketten-Verlängerung (Elongation) kann man sich als zyklischen Vorgang mit drei klar voneinander unterscheidbaren Schritten betrachten: 15 1. Bindung einer neuen tRNA in Position A: Eine Aminoacyl-tRNA plus GTP wird an den Elongationsfaktor eEF1 (EF-Tu in E. coli) gebunden und dieser Komplex findet die leere A-Stelle neben einer besetzten PStelle am Ribosom. Dort bildet das Anticodon der tRNA Basenpaare mit drei Nukleotiden (Codon) der mRNA. Das GTPMolekül wird hydrolysiert und der Elongationsfaktor entlassen. 2. Bildung der Peptidbindung: Im zweiten Schritt wird das Carboxy-Ende der Polypeptidkette von dem an der PBindungsstelle liegenden tRNA-Molekül getrennt und über eine Peptidbindung an die Aminosäure gebunden, die an das tRNAMolekül in der A-Stelle gebunden ist. Katalysiert wird diese Reaktion von der Peptidyltransferase. Diese enzymatische Aktivität wird durch eine Base der 28S rRNA in der grossen RibosomenUntereinheit vermittelt. 3. Translokation und Freisetzung der tRNA: Im dritten Schritt wird schliesslich die neue Peptidyl-tRNA von der A-Stelle in die PStelle verschoben. Dieser Schritt wird durch den Elongationsfaktor eEF2 (EF-G in E. coli) und GTP katalysiert. Dabei bewegt sich das Ribosom um genau drei Nukleotide auf der mRNA weiter und das das GTPMolekül wird hydrolysiert. Während des Translokationsvorgangs löst sich das im zweiten Schritt an der P-Stelle gebildete freie tRNA-Molekül vom Ribosom und kehrt in den cytoplasmatischen tRNA-Vorrat zurück. Daher ist am Ende des dritten Schritts die A-Stelle wieder frei und kann eine neue Aminoacyl-tRNA aufnehmen. Damit beginnt der ganze Vorgang von neuem. 16 Termination Auch die Termination ist bei Prokaryoten und Eukaryoten im Wesentlichen gleich: Sobald ein Stopcodon (UAA, UAG oder UGA) in die A-Stelle gelangt, kommt es zur Termination der Translation. Es gibt kein tRNA-Molekül, dessen Anticodon mit einem der Stop-Codons eine Basenpaarung eingehen könnte. Stattdessen besetzt einer von zwei Terminationsfaktoren (eRF1 oder eRF2, bei Eukaryoten) die A-Stelle des Ribosoms. Dabei erkennt eRF1 nur die Stop-Codons UAG und UAA, eRF2 dafür UGA und UAA. Ein dritter Terminationsfaktor (eRF3) erfüllt bei diesem Vorgang eine Hilfsfunktion. Die Bindung von eRF an die A-Stelle ändert die Aktivität der Peptidyltransferase so, dass diese ein Wassermolekül anstelle einer Aminosäure an die Peptidyl-tRNA anhängt. Dadurch wird das Carboxy-Ende der Polypeptidkette aus der Bindung an das tRNA-Molekül gelöst. Da normalerweise die wachsende Polypeptidkette ausschliesslich durch diese Bindung mit dem Ribosom verknüpt ist, wird die fertige Proteinkette ins Cytoplasma entlassen. Anschliessend setzt das Ribosom auch die mRNA und die tRNA der zuletzt eingebauten Aminosäure frei und zerfällt in seine beiden Untereinheiten.Diese können sich sogleich wieder an eine mRNA anlagern. Ein mRNA ist so gross, dass mehrere Ribosomen sie gleichzeitig übersetzen können. Solche Ribosomen-mRNAKomplexe nennt man Polyribosomen oder auch Polysomen. Sie ermöglichen eine rasche und intensive Proteinsynthese. Polysomen können elektronenmikroskopisch sichtbar gemacht werden: 17 Faltung und Struktur von Proteinen Die Information für die richtige Faltungeines Proteins ist in der Aminosäure-Sequenz enthalten. Man kann sogar Eiweisse denaturieren und wieder renaturieren lassen. Das geht allerdings nicht bei allen Eiweissen bzw. nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Ein Grund für diese Einschränkung liegt darin, dass die Faltung von Eiweissen in der Zelle fortlaufend mit der Eiweiss-Synthese und nicht erst nach abgeschlossener Synthese erfolgt. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass sowohl prokaryotische wie eukaryotische Zellen über eine ganze Familie von Eiweiss-Enzymen verfügen, welche andere Eiweisse entfalten oder falten können. Diese Entfaltungs- oder Faltungsprozesse sind von der Hydrolyse von ATP durch diese Enzyme abhängig. Man weiss heute, dass diese katalysierten Entfaltungen bzw. Faltungen unter anderem beim Durchtritt von Eiweissen durch Membranen von grosser Bedeutung sind. Hinweis: Im Atelier können Sie sich das Video "Struktur und Funktion von Proteinen" ansehen. Man unterscheidet bei Proteinmolekülen vier Strukturebenen: 1. Die Primärstruktur: die Abfolge der Aminosäuren. 2. Die Sekundärstruktur ergibt sich aus regelmässigen Wasserstoffbrücken-Wechselwirkungen zwischen den Peptidbindungen selbst. Zwei Muster sind besonders häufig: die α-Helix und das β -Faltblatt. Eine -Helix entsteht, wenn sich eine Polypeptidkette regelmässig um sich selbst windet. Es entsteht ein "Zylinder", in dem jede Peptidbindung regelmässig mit weiteren Peptidbindungen über Wasserstoffbrücken verbunden ist. Die Seitenketten der Aminosäuren ragen dabei nach aussen (Figur unten, links). Das -Faltblatt entsteht, wenn zwei Peptidketten nebeneinander zu liegen kommen und jede Peptidbindung mit seinem Gegenüber eine Wasserstoffbrücke ausbildet. Dieser Peptidrost ist ziehharmonika- ähnlich gefaltet, deshalb stehen die Seitenketten der Aminosäuren nahezu senkrecht nach oben oder nach unten. Faltblattstrukturen zwischen gegenläufigen, antiparallelen Ketten nennt man antiparallele -Faltblätter, solche zwischen gleich-läufigen, parallelen Ketten parallele -Faltblätter (Figur unten, rechts). 18 3. Die Tertiärstruktur ist die dreidimensionale Konformation eines Proteins: sie beschreibt die Lage aller Atome im Raum. Zusammengehalten wird die Tertiärstruktur durch eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Aminosäuren. Bei diesen Kräften handelt es sich um Wasserstoffbrückenbindungen, Ionenbindungen zwischen positiv und negativ geladenen Gruppen der Seitenketten, hydrophobe Bindungen im Innern der Proteine und Disulfidbrücken, die durch Dehydrierung (Oxidation) von zwei SH-Gruppen zweier Cystein-Reste entstehen: Im Peptidhormon Insulin werden zwei Aminosäure-Ketten unterschiedlicher Länge mittels Disulfidbrücken zusammengehalten. Die beiden Ketten sind Produkte einer einzigen Polypeptidkette. Im unreifen Proinsulin ist die A-Kette nämlich noch über ein C-Peptid (welches später entfernt wird) mit der B-Kette verbunden: 4. Die Quartärstruktur: Von Quartärstruktur sprechen wir bei Proteinen, welche aus zwei oder mehr Untereinheiten bestehen. Es handelt sich bei der Quartärstruktur also um die räumliche Gestalt von Aggregaten von Polypeptidketten. Die Untereinheiten können identisch sein oder wie bei der RNA-Polymerase (α2ββγ) unterschiedliche Aminosäuresequenzen beinhalten. 19 Posttranslationale Modifikationen Einige frisch hergestellte Proteine erhalten ihre endgültige biologisch aktive Konformation erst, nachdem sie durch eine oder mehrere Prozessierungsreaktionen, sogenannte posttranslationale Modifikationen, abgeändert worden sind. Folgende Angaben gelten sowohl für Prokaryoten wie für Eukaryoten (Ausnahme: Glycosylierung). Amino-terminale und carboxy-terminale Modifikationen Ursprünglich beginnen alle Polypeptide mit einem N-Formylmethionin- (bei Prokaryoten) oder Methionin-Rest (bei Eukaryoten). Diese und häufig noch weitere amino-terminale und carboxyterminale Reste können jedoch enzymatisch entfernt werden und sind in den endgültigen funktionellen Proteinen nicht immer vorhanden. Modifikation einzelner Aminosäuren • • • Die Hydroxygruppe bestimmter Ser-, Thr- und Tyr-Reste einiger Proteine werden enzymatisch mittels ATP als Phosphatdonor phosphoryliert, wodurch die Polypeptide negative Ladungen erhalten. An die Asp- und Glu-Reste einiger Proteine können zusätzliche Carboxygruppen angefügt werden. In einigen Proteinen werden bestimmte Lys-Reste enzymatisch methyliert. Glykosylierungen Bei einigen Glykoproteinen wird während oder nach der Synthese der Polypeptidkette enzymatisch eine Kohlenhydrat-Seitenkette an Asparagin-Reste, bei andern an Serin- oder Threonin-Reste addiert. Viele extrazellulär lokalisierte Proteine sowie die die Schleimhäute auskleidenden Proteoglykane erhalten so ihre Oligosaccharid-Seitenketten. Proteolytische Prozessierung Viele Proteine, darunter das Insulin sowie die Proteasen Trypsin und Chymotrypsin, werden zunächst als grössere inaktive Vorstufen hergestellt, die dann proteolytisch zu ihrer endgültigen, aktiven Form gespalten werden. Addition prosthetischer Gruppen Viele prokaryotische und eukaryotische Proteine benötigen kovalent gebundene prosthetische Gruppen für ihre Funktion. Diese Gruppen werden an die Polypeptidkette angefügt, nachdem diese das Ribosom verlassen hat. Ein Beispiel hierfür ist die kovalent gebundene Hämgruppe des Cytochroms c. 20 Protein-Targeting Protein-Targeting bei Eukaryoten Fast alle Proteine entstehen an den Ribosomen im Cytosol (nur relativ wenige werden an den Ribosomen der Mitochondrien und Chloroplasten gebildet). Der Weg, welchen die Proteine dann nehmen, teilt sich in zwei Richtungen. Auf dem einen Weg (im Schema unten gestrichelt dargestellt) werden die Proteine, wenn sie fertig synthetisiert sind, ins Cytosol entlassen. Manche dieser Proteinen besitzen Sortiermerkmale, die für den Weitertransport aus dem Cytosol in die Mitochondrien, Chloroplasten (bei Pflanzen), Peroxysomen oder in den Zellkern sorgen. Die meisten Proteine haben überhaupt kein spezielles Sortiermerkmal und bleiben daher ständig Bestandteile des Cytosols. Über den zweiten Weg (ausgezogene Linie) werden Proteine befördert, die aus der Zelle ausgeschieden werden sollen, und ausserdem auch solche, deren Bestimmungsort im ER, im Golgi-Apparat, in der Plasmamembran oder in den Lysosomen liegt. Die Prozesse, welche Proteine sortieren und zu ihrem korrekten Platz in der Zelle transportieren, bezeichnet man als Protein-Targeting (Zielsteuerung). Für Protein-Targeting sind bestimmte Sortiermerkmale nötig, welche die Proteine Schritt für Schritt durch die oben skizzierten Transportwege dirigieren. Man unterscheidet nun mehrere Arten solcher Sortiermerkmale: Signalpeptide und Signalbereiche. Signalpeptide sind kurze Aminosäuresequenzen am Aminoterminus eines neu synthetisierten Polypeptids. Diese Signalsequenzen lenken ein Protein zu seinem Bestimmungsort und werden während des Transportes oder kurz danach entfernt. Signalbereiche sind Oberflächenstrukturen, die sich durch die Faltung des Proteins ausbilden und für das entsprechende Protein charakteristisch sind. Signalbereiche bleiben am fertigen Protein erhalten und dienen für andere Sortierschritte, z. B. für die Erkennung bestimmter Lysosomenproteine durch ein spezielles Sortierenzym im Golgi-Apparat. Das vielleicht am besten charakterisierte Zielsteuerungssystem in eukaryotischen Zellen beginnt am Endoplasmatischen Retikulum (ER). Die meisten lysosomalen Proteien, Membranproteine und sekretierten Proteine besitzen eine amino-terminale Signalsequenz, die sie für einen 21 Transport in den Innenraum des ER markiert. Diese Signalsequenz trägt wesentlich dazu bei, dass das Ribosom zum ER gelenkt wird. Der vollständige Prozess beginnt mit der Initiation der Proteinsynthese an freien Ribosomen im Cytoplasma. Die Signalsequenz erscheint zu Beginn der Eiweissynthese, da sie sich am Aminoterminus befindet. Sobald sie aus dem Ribosom herausragt, wird sie von einem ProteinKomplex gebunden, dem Signalerkennungspartikel SRP (signal recognition particle). Durch diesen Bindungsvorgang wird die Elongation gestoppt, wenn die Signalsequenz vollständig translatiert worden ist. Das gebundene SRP steuert das Ribosom mit dem unvollständigen Polypeptid zu SRP-Rezeptoren auf der cytosolischen Seite des ER. Das entstehende Polypeptid wird an einen Peptidtranslokationskomplex im ER abgegeben, das SRP dissoziiert vom Ribosom ab, und die Synthese des Proteins wird fortgesetzt. Der Translokationskomplex transportiert das wachsende Polypeptid durch eine ATP-getriebene Reaktion in den Innenraum des ER. Dort wird die Signalsequenz von einer Signalpeptidase entfernt. Sobald das Protein zu Ende synthetisiert worden ist, dissoziiert das Ribosom vom ER ab: Protein-Targeting bei Prokaryoten Auch bei Bakterien findet ein Protein-Targeting zur inneren oder äusseren Membranseite oder ins extrazelluläre Medium (Sekretion) statt. Dabei werden die Signalsequenzen am Aminoterminus der Proteine verwendet, die denen der eukaryotischen Proteine, die zum ER transportiert werden, ähnlich sind. Einige Proteine, die eine oder mehrere Membranen passieren, müssen, um ihren endgültigen Bestimmungsort zu erreichen, solange eine ganz bestimmte "translokationsfähige" Konformation einnehmen, bis dieser Vorgang abgeschlossen ist. Die funktionelle Konformation wird erst nach der Translokation eingenommen, und man findet häufig, dass Proteine, die in dieser endgültigen Form gereinigt wurden, nicht mehr transportiert werden können. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die Translokationskonformation bei allen Bakterienzellen von einer Gruppe spezieller Proteine stabilisiert wird. Diese binden bereits an das zu transportierende Protein, während es synthetisiert wird, und hindern es daran, sich zu seiner endgültigen dreidimensionalen Struktur zu falten. Bei E. coli fördert ein Protein, der sogenannte Trigger-Faktor, die Translokation mindestens einiger Proteine. 22 Quellennachweis Die Texte und Abbildungen des vorliegenden Scripts entsprechen den Seitenangaben aus folgenden Werken, welche f¸r Interessierte zur Ansicht angeboten werden: • • • • Bruce Alberts et al.: "Molekularbiologie der Zelle", VCH, 2. Auflage, ISBN 3-527-27983-0, p. 116-126, p. 240-256, p. 640-642 T. A. Brown: "Moderne Genetik - eine Einführung", Spektrum Akademischer Verlag 1993, ISBN 3-86025-180-5, p. 83-164 Lehninger/Nelson/Cox: "Prinzipien der Biochemie", Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage, ISBN 3-86025-106-6, p. 123-139, p. 1030-1060 Karlson/Doenecke/Koolman: "Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler", Thieme Verlag, 14. Auflage, ISBN 3-13-357814-6, p. 31-32 Lösungen • In den Mitochondrien des Menschen sind für die Proteinsynthese lediglich 22 verschiedene tRNAs erforderlich. Wie ist das möglich? Die normalen Regeln für die Codon-Anticodon-Paarung werden bei den Mitochondrien etwas "nachlässiger gehandhabt", so dass viele tRNA-Moleküle alle vier Nukleotide in Position 3 akzeptieren. Dies gestattet einer tRNA, sich mit jedem der vier verschiedenen Codons zu paaren und erlaubt Proteinsynthese mit weniger tRNA-Molekülen. • Können Sie entscheiden, in welche Richtung (von rechts nach links oder umgekehrt) sich die Polymerase auf der DNA bewegt? Die Spitze eines solchen "Baumes" markiert den Punkt auf der DNA, an dem die Transkription beginnt, denn dort sind die Transkripte am kürzesten. Die Polymerase auf dem EM-Bild transkribiert also von links nach rechts. • Erstellen Sie eine Liste der Codons, die in einem zufälligen Heteropolymer aus A- und GNukleotiden enthalten wären. Aus welchen Aminosäuren würde ein aus diesem Heteropolymer synthetisiertes Polypeptid bestehen? Codons: AAA, AAG, AGA, GAA, AGG, GGA, GAG, GGG. Aminosäuren: Lys, Arg, Glu, Gly • Der Nichtmatrizenstrang eines Gens hat folgende Sequenz: 5'-ATGTTAGCTGATCCGGAAATGATGTTATATATAATATATGCCCAATAG-3' Wie lautet die Aminosäuresequenz des Genproduktes? Met-Leu-Ala-Asp-Pro-Glu-Met-Met-Leu-Tyr-Ile-Ile-Tyr-Ala-Gln Uebungsaufgaben mit Lösungen finden Sie in der Internetversion des Ateliers! Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle! 23