Schaltvorgänge

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Praktikum
Grundlagen der Elektrotechnik
Versuch:
Schaltvorgänge
Versuchsanleitung
0.
Allgemeines
Eine sinnvolle Teilnahme am Praktikum ist nur durch eine gute Vorbereitung auf
dem jeweiligen Stoffgebiet möglich. Von den Teilnehmern wird daher eine
intensive Beschäftigung mit der erforderlichen Theorie sowie mit der
Aufgabenstellung bzw. ihrem Zweck vorausgesetzt.
Es gelten die allgemeinen Verhaltensvorschriften der Hochschule, insbesondere
die
• Laborordnung des Fachbereiches Elektrotechnik
und die
• Arbeitsordnung für das Praktikum „Grundlagen der Elektrotechnik“.
08/2011
-1 -
1.
Versuchsziel
Kennen lernen der Ausgleichsvorgänge in Gleichstromkreisen, die Energie
speichernde Schaltelemente enthalten.
2.
Grundlagen
2.1. Mathematische und physikalische Zusammenhänge
Beim Ein- und Ausschalten eines Gleichstromkreises, der nur ohmsche
Widerstände enthält, ändern sich Ströme und Spannungen sprungartig nach dem
Ohmschen Gesetz. Liegt dagegen im Stromkreis ein Energie speicherndes
Schaltelement (Kondensator oder Spule), so treten Ausgleichsvorgänge auf, da
sich die Energien nicht sprungartig ändern können, d.h.
P=
dW
dt
kann nicht unendlich groß werden.
Die mathematische Behandlung dieser Schaltvorgänge führt auf lineare
Differentialgleichungen (DGL) mit Störfunktion, deren Lösung aus zwei Teilen
besteht:
- Lösung der homogenen DGL
- partikuläre Lösung der vollständigen DGL.
Physikalische Deutung: Der Ausgleichsvorgang besteht aus einem flüchtigen
Anteil (Lösung der homogenen DGL) und einem stationären Anteil (partikuläre
Lösung). Für t =∞ wird der flüchtige Anteil zu Null, und es wirkt nur noch der
stationäre Anteil.
2.2. Stromkreise mit nur einem Speicherelement
2.2.1. Kreis mit Widerstand R und Kondensator C
Uq
I
II
R
C
Abb.1 : Schaltvorgang an einer RC - Schaltung
-2-
Einschalten(I)
Ausschalten (II)
Maschengleichung
(1)
u R + u C = Uq
uR + uC = 0
(2)
Differentialgleichung
U
du C
1
du C
1
+
uC = 0
+
uC = q
(3)
dt RC
dt RC
RC
flüchtiger Anteil
(4)
u C = Uq ⋅ e
−
t
RC
u C = Uq ⋅ e
(5)
stationärer Anteil
(7)
u C = Uq
−
t
RC
uC = 0
Anfangsbedingungen
(9)
t = 0 , uC = 0
t = 0 , u C = U C0
Gesamtvorgang
t
t
−
−
⎛
⎞
RC
RC
u C = U C0e
u C = U q ⎜1 − e ⎟
(11)
⎝
⎠
Strom
t
t
U q − RC
U C0 − RC
i=
e
i=−
e
(13)
R
R
(6)
(8)
(10)
(12)
(14)
2.2.2. Kreis mit Widerstand R und Induktivität L
I
II
R
Uq
L
Abb.2 : Schaltvorgang an einer RL - Schaltung
Einschalten(I)
Ausschalten (II)
Maschengleichung
(15)
u L + u R = Uq
uL + uR = 0
(16)
di R
+ i=0
dt L
(18)
Differentialgleichung
U
di R
+ i= q
dt L
L
(17)
flüchtiger Anteil
-3-
i = Uq ⋅ e
R
− t
L
R
− t
L
i = Uq ⋅ e
(19)
stationärer Anteil
U
(21)
i=0
i= q
R
Anfangsbedingungen
t=0 , i=0
(23)
t = 0 , i = I0
Gesamtvorgang
R
R
− t
− t⎞
Uq ⎛
L
i = I0e L
i=
⎜1 − e ⎟
(25)
R ⎝
⎠
Spannung an der Induktivität
u L = Uqe
R
− t
L
u L = − I0e
(27)
R
− t
L
(20)
(22)
(24)
(26)
(28)
2.2.3. Zeitkonstante
Die Zeitkonstante ist definiert
- für die RC - Schaltung als τ=RC,
- für die RL - Schaltung als τ=L/R.
Die Zeitkonstante τ kennzeichnet die Geschwindigkeit des Ausgleichsvorganges,
sie ist jedoch nicht die Zeit, nach der er beendet ist. Sie ist nur von den
Schaltelementen R, L, C abhängig, nicht von der geschalteten Spannung. In der
graphischen Darstellung (Abb. 3) des Schaltvorganges erscheint τ als
Subtangente der e-Funktion.
In den meisten praktischen Anwendungsfällen nimmt man an, dass der
Schaltvorgang bei t = 5τ abgeklungen ist.
1
uC/Uq
0,8
0,6
0,4
0,2
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Abb. 3: Darstellung uC = f(t) beim Ein- und Ausschalten einer RC - Schaltung
-4-
t/τ
2.2.4. Differenzier- und Integrierschaltungen
Bei geeigneter Dimensionierung der Schaltelemente kann man die Differentialoder Integralkurve einer periodischen Wechselspannung beliebiger Kurvenform
erzeugen, die an ein RC- oder RL -Glied angelegt wird, z.B. in der Impulstechnik.
Die nachstehend angegebenen Ableitungen für die RC - Schaltung lassen sich
durch Anwenden von Dualitätsbeziehungen auf die RL - Schaltung übertragen.
a) Differenzierglied
C
U1
R
Bedingung: τ T
U2
Abb. 4 : RC - Schaltung als Differenzierglied
u1 = u 2 +
1
u 2dt
τ∫
(29)
Wegen τ T kann der erste Summand vernachlässigt werden, und man erhält
u2 = τ
du1
.
dt
(30)
b) Integrierglied
R
U1
C
Bedingung: τ T
U2
Abb. 5 : RC - Schaltung als Integrierglied
u1 = u 2 + τ
du 2
dt
-5-
(31)
Vernachlässigt man den ersten Summanden (wegen τ T ), so erhält man
u2 =
1
u1dt.
τ∫
(32)
2.3. Stromkreis mit zwei Speicherelementen (Reihenschwingkreis)
2.3.1. Allgemeine Berechnung des Ausgleichsvorganges
I
II
Uq
R
L
UC
C
Abb. 6 :Schaltvorgang an einer RLC - Reihenschaltung
Der Maschensatz führt auf Differentialgleichungen 2. Ordnung.
Einschalten(I)
Ausschalten (II)
Maschengleichung
(33)
u L + u R + u C = Uq
uL + uR + uC = 0
(34)
Differentialgleichung
Uq
d 2 u C R du C
1
d u C R du C
1
uC = 0
+
+
u
=
+
+
C
(35)
dt 2
L dt LC
dt 2
L dt LC
LC
flüchtiger Anteil
a)
λ1 ≠ λ 2 :
a)
λ1 ≠ λ 2 :
(36)
2
u C = k1eλ1t + k 2eλ2 t
b)
λ1 = λ 2 = λ :
u C = k1eλ1t + k 2eλ2 t
(37)
b)
u C = k1eλt + k 2 teλt
λ1 = λ 2 = λ :
(38)
u C = k1eλt + k 2 teλt
stationärer Anteil
(39)
u C = Uq
uC = 0
(40)
Anfangsbedingungen
(41)
du C
du C
=0
t = 0 , u C = 0,
=0
t = 0 , u C = U C0 ,
dt
dt
(42)
-6-
Gesamtvorgang
a)
λ1 ≠ λ 2 :
a)
⎡
⎤
1
u C = U q ⎢1 −
λ 2eλ1t − λ1eλ2 t ) ⎥
(
⎣ λ 2 − λ1
⎦
b) λ1 = λ 2 = λ :
λ1 ≠ λ 2 :
uC =
b)
U C0
λ 2eλ1t − λ1eλ2 t )
(
λ 2 − λ1
(44)
λ1 = λ 2 = λ :
u C = U C0 (1 − λt ) eλt
u C = U q ⎡⎣1 − (1 − λt ) eλt ⎤⎦
(43)
λ1,2
mit
R
R
1
=−
± ( )2 −
2L
2L
LC
Der zeitliche Verlauf von UC ist damit abhängig von den Schaltelementen R, L
und C. Der Parameter λ entscheidet über die Form des Ausgleichsvorganges, da
sich für reelles λ Exponentialfunktionen. für komplexes λ jedoch
Kreisfunktionen. d.h. periodische Ausgleichsvorgänge ergeben. Maßgebend ist
dafür die Diskriminante
D= (
wobei
Rk =
R 2 1
R
2R
) −
=
1 − ( k )2
2L
LC 2L
R
(45)
L
den Kennwiderstand des Schwingkreises darstellt.
C
2.3.2. Formen des flüchtigen Vorganges
a) Aperiodischer Fall
Es gilt die Beziehung R>2Rk d.h. λ1,2 ist reell und negativ.
Ausgleichsvorgang besteht aus der Überlagerung von zwei e-Funktionen
verschiedenen Zeitkonstanten (τRC und τRL). Die Abklingdauer wird
wesentlichen durch τRC=RC bestimmt. In erster Näherung verhält sich
Schwingkreis so, als wäre L nicht vorhanden (τRC > 4 τRL).
b) Aperiodischer Grenzfall
Es gilt R=2 Rk oder τRC=4 τRL.
-7-
Der
mit
im
der
λ1 = λ 2 = −
Damit ergibt sich
R
.
2L
(46)
Beim aperiodischen Grenzfall wird die kürzeste Abklingzeit tb erreicht.
c) Periodischer Fall
Infolge von R<2Rk erhält man für λ1,2 konjugiert komplexe Werte. Durch
Einführen von
R
2L
Dämpfungsfaktor:
δ=
Resonanzkreisfrequenz (bei R=0):
ω0 =
(47)
1
LC
ω = ω0 = 1 − (
Eigenkreisfrequenz (bei R≠0):
δ 2
2
) = ω0 − δ2
ω0
λ1,2 = δ ± jω
wird
(48)
(49)
(50)
Bei Benutzung der Eulerschen Formeln findet man als endgültige Lösung für den
Einschaltvorgang (I)
δ ⎞⎤
⎡ ω
⎛
u C = U q ⎢1 − 0 e −δt cos ⎜ ωt − arctan ⎟ ⎥
ω
ω ⎠⎦
⎝
⎣
(51)
und für den Ausschaltvorgang(II)
u C = U C0
ω0 −δt
δ⎞
⎛
e cos ⎜ ωt − arctan ⎟ .
ω
ω⎠
⎝
(52)
Der Ausgleichsvorgang uC(t) verläuft als gedämpfte Schwingung. Die Größe der
Dämpfung wird durch den Dämpfungsfaktor δ oder das logarithmische
Dekrement Λ beschrieben.
Λ = ln
u C (t)
Rπ π
= δT =
=
u C (t + T)
ω0 L ρ
-8-
(53)
mit der Schwingkreisgüte ρ=
ω0 L
R
Nach der Zeit tb ist die Amplitude auf 5% ihres Ausgangswertes zurückgegangen:
e −δt b = 0,05 , d.h.
δt b = ln 20 ≈ 3;
tb ≈
daraus folgt für die Beruhigungszeit tb
3 3T
=
δ Λ
(54)
und für die Anzahl der Schwingungen bis zum Abklingen
n0 =
t b 3 3ρ
≈ =
≈ ρ.
T Λ π
(55)
Abb. 7 zeigt den zeitlichen Verlauf von uC für verschiedene Werte der Dämpfung.
2
uC/Uq
Parameter : R/2Rk
0,125
0,5
1
1
2
5
0,2
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
ω0t/2π
Abb. 7 : Einschaltvorgang einer RLC - Schaltung für verschiedene Werte der
Dämpfung
-9-
5
2.4. Messmethode
Da die Zeitkonstanten üblicherweise in der Größenordnung von Milli- bzw.
Mikrosekunden liegen, können die Ausgleichsvorgänge nur oszillographisch
beobachtet werden. Die zu untersuchenden Schaltungen werden von einer
Rechteckspannung periodisch angestoßen, die gleichzeitig den Zeitmaßstab für
das Schirmbild liefert.
3.
Vorbereitungsaufgaben
3.1. Eine Reihenschaltung von R=5kΩ und C=20nF wird durch eine
Rechteckspannung U=1V/1kHz angestoßen.
Skizzieren Sie maßstäblich die Funktionen uC(t) und uR(t) über eine Periode
T der Rechteckspannung! Tragen Sie in das Diagramm die Zeitkonstante τ
für den Ein- und den Ausschaltvorgang ein!
3.2. Entwerfen Sie die Schaltskizzen für die Differentiation und die Integration
einer Rechteckspannung durch eine RC-Reihenschaltung! Stellen Sie die
differenzierte und die integrierte Spannung qualitativ als Funktion der Zeit
dar!
3.3. Skizzieren Sie mit Hilfe von Gleichung (51) maßstäblich
uC
ωt
= f( )
Uq
2π
für die gegebenen Werte Uq=1V, R=50Ω, L=20mH und C=0,5μF!
Ermitteln Sie T, tb und ρ!
- 10 -
4.
Messaufgaben
4.1. Stromkreis mit Widerstand R und Kondensator C
4.1.1. Oszillographieren Sie den zeitlichen Verlauf von uC und uR für
verschiedene Werte von R (Hardcopies anfertigen)!
Ermitteln Sie daraus die Zeitkonstante τ und vergleichen Sie die Werte mit
den errechneten!
4.1.2. Benutzen Sie die RC-Schaltung als Differenzier- bzw. Integrierglied, indem
Sie die Frequenz der Eingangsspannung zweckmäßig wählen ( τ T bzw.
τ T )!
Oszillographieren Sie den zeitlichen Verlauf von Ein- und Ausgangsspannung für verschiedene Formen der Eingangsspannung
(Hardcopies anfertigen)!
4.2.
Stromkreis mit Widerstand R, Kondensator C und Spule L
4.2.1. Variieren Sie R und drucken Sie die verschiedenen Schirmbilder für uC(t)
aus! Ermitteln Sie den aperiodischen Grenzfall durch Versuch und
Berechnung!
4.2.2. Bestimmen Sie für den periodischen Fall messtechnisch die
Beruhigungszeit tb für verschiedene Widerstände R und stellen Sie tb=f(R)
graphisch dar!
4.2.3. Bestimmen Sie für den periodischen Fall messtechnisch das logarithmische
Dekrement Λ sowie daraus die Güte ρ in Abhängigkeit von R und stellen
Sie beide Funktionen graphisch dar!
- 11 -
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