Molekulare Diagnostik von hereditären Arrhythmien

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UZL NEWS Juli 2010
Institut für Medizinische Genetik, Universität Zürich
Kontaktpersonen: PD Dr. Dagmar Keller Lang, UniversitätsSpital Zürich, Tel. 044 255 56 63, E-mail: [email protected]
Prof. Dr. Wolfgang Berger, Tel. 044 655 70 31, E-mail: [email protected]
Molekulare Diagnostik von hereditären Arrhythmien
Das Long QT Syndrom und das Brugada Syndrom
gehören zu den häufigsten und molekulargenetisch
am besten untersuchten vererbbaren Arrhythmien.
Eine hereditäre Arrhythmie ist definiert als eine primär
elektrische kardiale Erkrankung ohne makroskopischen Nachweis einer strukturellen Veränderung.
Klinisch können sich diese Syndrome leider mit dem
plötzlichen Herztod (Sudden Cardiac Death, SCD)
als fatale Erstmanifestation äussern. Deshalb ist die
klinische und EKG-basierte Diagnose von grosser
Wichtigkeit und kann durch die molekulare Untersuchung bestätigt werden.
Beim Long QT Syndrom und beim Brugada Syndrom
werden die Mutationen meistens dominant vererbt. Bei
beiden Syndromen kodieren die Mutationen-tragenden
Gene Proteine der kardialen Ionenkanäle. Es sind
monogen komplexe Erkrankungen mit inkompletter
Penetranz, wobei eine einzelne Mutation zum klinischen Phänotyp führen kann, welcher durch andere
genetische Varianten (z.B. Polymorphismen) beeinflusst werden kann.
Long QT Syndrom
Das Long QT Syndrom (LQTS) ist charakterisiert durch
eine Repolarisationsstörung mit verlängertem korrigiertem QT-Intervall (QTc) auf dem Oberflächen-EKG und
klinisch durch polymorphe ventrikuläre Tachykardien,
die über Kammerflimmern zum SCD führen können (1).
Die Prävalenz liegt bei ca. 1:5000 –1:10000.
Eine pathologische QTc-Zeit ist je nach Alter und
Geschlecht unterschiedlich definiert. Bei Männern ist
diese ab 450 ms, bei Frauen ab 470 ms verlängert.
Ein kongenitales LQTS liegt dann vor, wenn eine medikamentös-induzierte QT-Verlängerung ausgeschlossen
wurde. Die autosomal-dominante Form des LQTS wird
als Romano-Ward-Syndrom bezeichnet, die weitaus
seltenere autosomal-rezessive Form als Jervell-LangeNielsen-Syndrom. Bis heute sind 12 autosomal-dominante Formen bekannt, sowie 2 autosomal-rezessive,
wobei die Typen 1– 3 für die grosse Mehrzahl aller
Formen verantwortlich sind. Die Typen 1– 3 zeichnen
sich durch spezifische T-Wellen-Morphologien zusätzlich zur QTc-Zeit-Verlängerung aus: Beim LQTS Typ 1
ist die T-Welle breit; eine doppel-gipflige T-Wellen-Morphologie mit niedriger T-Wellen-Amplitude findet sich
beim LQTS Typ 2; eine sehr spät auftretende T-Welle
mit variabler T-Wellen-Morphologie ist wegweisend
für ein LQTS Typ 3 (2).
Diese 3 Typen können routinemässig molekulargenetisch untersucht werden: Mutationen im Gen
KCNQ1 führen zum LQTS Typ 1; das Gen kodiert die
α-Untereinheit des kardialen Kalium-Kanals IKs. Das
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LQTS Typ 2 wird bedingt durch Mutationen im Gen
KCNH2, welches den kardialen Kalium-Kanal IKr
kodiert. Das Gen SCN5A kodiert den späten kardialen
Natrium-Kanal Ina; SCN5A-Mutationen führen zum
LQTS Typ 3.
Da das genetische Screening beim LQTS bei max.
70% aller Patienten mit einem phänotypisch gesicherten LQTS zu einer spezifischen Diagnose führt, ist die
Gendiagnostik nur dann indiziert, wenn der Phänotyp
so genau wie möglich definiert ist und nie zur Ausschlussdiagnostik (3). Findet man keine Mutation,
ist der genetische Hintergrund des LQTS nicht ausgeschlossen.
Brugada Syndrom
Das Brugada Syndrom (BrS) manifestiert sich durch
eine spezifische ST-Streckenhebung in den rechtspräkordialen Ableitungen im Oberflächen-EKG als Zeichen einer gestörten Repolarisation. Klinisch kann das
Syndrom über polymorphe ventrikuläre Tachykardien
und Kammerflimmern zum SCD führen. Die Vererbung
ist autosomal-dominant mit inkompletter Penetranz;
die Prävalenz ist geschätzt auf 5:10000 (4).
Für die Diagnosestellung braucht es das Vorliegen
eines Typ 1 EKG (siehe unten) in Kombination mit
Synkopen, Kammerflimmern, polymorphe ventrikuläre
Tachykardien, Familienanamnese für den SCD oder
Familienmitglieder mit einem BrS. Das typische BrS
zeigt ein Typ 1 EKG in den Ableitungen V1– 2 mit einer
zeltförmigen deszendierenden ST-Streckenhebung,
präterminal negativer T-Welle und J-Punkt-Amplitude
von ≥ 2 mm (5). Neben diesem klassischen EKG-Bild
können weniger eindeutige EKG Typen 2 und 3 vorliegen, welche eine sattelförmige ST-Streckenhebung
zeigen. Um die Diagnose eines BrS zu stellen, muss
ein Typ 1 EKG vorliegen nebst entsprechender Klinik.
Die EKG Typen 2 oder 3 EKG müssen mittels eines
Natrium-Kanalblockers gemäss spezifischem Protokoll
in ein Typ 1 EKG demaskiert werden.
Neben der Gabe von Natrium-Kanalblockern kann
Fieber ein BrS Typ 1 EKG demaskieren (6). Oft werden
Patienten identifiziert, die während Fieber ein Typ 1
EKG zeigen, welches sich wieder (teil)normalisiert in
afebrilem Zustand. Auch bei diesen Patienten liegt ein
genetischer Hintergrund vor.
Das BrS wird am häufigsten bedingt durch Mutationen
im Gen SCN5A, welches ja auch zum LQTS Typ 3
führen kann (siehe oben), jedoch über einen anderen
pathophysiologischen Mechanismus. Beim Screening
von SCN5A findet sich jedoch nur bei 10 bis 30% der
Patienten eine Mutation aufgrund der grossen genetischen Heterogenität.
UZL NEWS Juli 2010
Molekulargenetische Diagnostik
Am Lehrstuhl für Medizinische Molekulargenetik und
Gendiagnostik, Institut für Medizinische Genetik der
Universität Zürich, wird unter der Leitung von Prof.
Wolfgang Berger in Kollaboration mit PD Dr. Dagmar
Keller Lang mittels eines ’candidate gene approach’
vorgegangen, wobei das zu untersuchende Gen anhand der Klinik, des Ruhe-EKG und anderer kardiologischer Untersuchungen, wie einer Ergometrie oder
einem Natrium-Kanalblocker-Test, bestimmt wird.
Genmutationen können entdeckt werden nach Amplifizierung aller kodierenden Exone der Gene mittels
’Polymerase Chain Reaction’ (PCR), gefolgt von der
DNA-Sequenzierung. Diese Methoden sind hoch spezifisch, wenn die PCR Primer das gesamte Exon und
wichtige intronische Anteile umfassen.
Die Gene KCNQ1 und KCNH2 umfassen jeweils 15
Exone, SCN5A ist mit 28 Exonen das grösste dieser
drei Gene. Zum jetzigen Zeitpunkt sind im Gen KCNQ1
403 Mutationen, in KCNH2 606 Mutationen und in
SCN5A 559 Mutationen bekannt (Quelle: Human Gene
Mutation Database, HGMD Pro). Da jedoch immer
wieder neue Sequenzvarianten entdeckt werden, wird
jeweils das gesamte Gen auf genetische Varianten
untersucht, nicht nur bekannte Mutationen.
Wird eine Genmutation identifiziert, bestätigt dies die
klinische Diagnose eines LQTS oder BrS. Bezüglich
der Familienabklärung ist die Empfehlung, die Mutation auch bei den zumindest erstgradig verwandten
Familienmitgliedern zu suchen.
Die Untersuchungskosten für den Indexpatienten
betragen ca. CHF 3400. Die Kosten für die nachfolgende selektive Mutationssuche bei Familienangehörigen beträgt zwischen CHF 400 und 600.
Literatur:
1. Diagnostic criteria for the long QT syndrome.
An update. Schwartz PJ, Moss AJ, Vincent GM,
Crampton RS. Circulation 1993;88:782-4
2. ECG T-wave patterns in genetically distinct forms of
the hereditary long QT syndrome. Moss AJ, Zareba
W, Benhorin J, et al. Circulation 1995;92:2929-34
3. Compendium of cardiac channel mutations in 541
consecutive unrelated patients referred for long QT
syndrome genetic testing. Tester DJ, Will ML, Haglund CM, Ackerman MJ. Heart Rhythm 2005;2:507-17
4. Brugada syndrome: report of the second consensus
conference. Antzelevitch C, Brugada P, Borggrefe
M, et al. Heart Rhythm 2005;2:429-440
5. Proposed diagnostic criteria for the Brugada syndrome: consensus report. Wilde AA, Antzelevitch C,
Borggrefe M, et al. Circulation 2002;106:2514-9
6. Brugada syndrome and fever: genetic and molecular characterization of patients carrying SCN5A
mutations. Keller DI, Rougier JS, Kucera JP, et al.
Cardiovasc Res 2005;67:510-9
Benötigtes Material
Für die Gendiagnostik werden 5 –10 ml nicht geronnenes EDTA-Blut benötigt sowie das ausgefüllte
Anmeldeformular und die Einverständniserklärung des
Patienten. Die entsprechenden Formulare sind auf
Anfrage erhältlich.
UniversitätsSpital
Zürich
UZL-Geschäftsstelle
UniversitätsSpital Zürich
OPS D 23, Rämistrasse 100, 8091 Zürich
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Sekretariat:
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