Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff TU Bergakademie Freiberg Institut für Stochastik 2. Mai 2016 Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 1 1.7 Wichtige diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen 1.7.1 Binomialverteilung n ∈ N, 0 ≤ p ≤ 1. I Parameter: I Zufallsgröße X mit möglichen Werten x0 = 0, x1 = 1, . . . , xn = n . I Wahrscheinlichkeitsfunktion: n k pk = P(X = k) = p (1 − p)n−k , k I k = 0, 1, . . . , n . Anwendung in folgender Situation: I I I I zufälliges Experiment mit 2 Versuchsausgängen (E =”Erfolg”, E =”Misserfolg”) wird n mal wiederholt ; Eintreten der Ereignisse E in den einzelnen Versuchen sei unabhängig ; in jedem Versuch sei die Erfolgswahrscheinlichkeit gleich p , d.h. p = P(E ) ; Zufallsgröße X repräsentiert die Anzahl der Erfolge . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 2 Binomialverteilung II I Typische Anwendungen: I I Stichprobennahme mit Zurücklegen z.B. bei Qualitätskontrolle; Schadenzahlverteilung in der Versicherungsmathematik. I Bezeichnung: X ∼ Bin(n, p) . I Kenngrößen: EX = np I Eigenschaft: X1 ∼ Bin(n1 , p) , X2 ∼ Bin(n2 , p) unabhängig ⇒ und VarX = np(1 − p) . X1 + X2 ∼ Bin(n1 + n2 , p) . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 3 Binomialverteilung III Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 4 Beispielaufgabe Binomialverteilung I Ein idealer Würfel wird 20 mal geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens zwei mal eine Sechs geworfen wird ? I Zufallsgröße X . . . Anzahl der geworfenen Sechsen bei 20 Würfen ” dieses Würfels“ ⇒ X ist binomialverteilt. I 20-malige Wiederholung des Einzelversuchs Werfen eines Würfels“ ” ⇒ n = 20 . I Erfolg E . . . Im Einzelwurf fällt eine Sechs“. ” Wahrscheinlichkeit für das Werfen einer Sechs bei einem Würfelwurf beträgt 1/6 ⇒ p = P(E ) = 1/6 . I I Gesucht ist P(X ≥ 2) . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 5 1.7.2 Hypergeometrische Verteilung N, M, n ∈ N , M ≤ N, n ≤ N . I Parameter: I Zufallsgröße X mit möglichen Werten x0 = 0, x1 = 1, . . . , xn = n . I Wahrscheinlichkeitsfunktion: N−M M · pk = P(X = k) = k N n−k , falls n − (N − M) ≤ k ≤ M , n pk = P(X = k) = 0 , I sonst. Anwendung in folgender Situation: I I I unter N Dingen befinden sich M ausgezeichnete ; von den N Dingen werden n zufällig ausgewählt (ohne Zurücklegen) ; Zufallsgröße X repräsentiert die Anzahl der ausgezeichneten Dinge unter den n ausgewählten. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 6 Hypergeometrische Verteilung II I Typische Anwendung: Stichprobennahme ohne Zurücklegen, z.B. bei der Qualitätskontrolle. I Bezeichnung: I Kenngrößen: X ∼ Hyp(N, M, n) . EX = n · VarX = n · I M , N M N −M N −n · · . N N N −1 Ist das Verhältnis n/N sehr klein (< 0.05), so gilt M Hyp(N, M, n) ≈ Bin n, . N Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 7 Hypergeometrische Verteilung III Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 8 Beispielaufgabe hypergeometrische Verteilung I Ein Kunde übernimmt alle 50 gelieferten Schaltkreise, wenn in einer Stichprobe von 10 Schaltkreisen höchstens ein nicht voll funktionsfähiger Schaltkreis enthalten ist. Ansonsten wird die gesamte Lieferung verworfen. I Man berechne die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die 50 Schaltkreise a) abgenommen werden, obwohl diese 12 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten; b) zurückgewiesen werden, obwohl nur 3 nicht voll funktionsfähige Schaltkreise enthalten sind ! I Zufallsgröße X . . . Anzahl der nicht voll funktionsfähigen ” Schaltkreise in der Stichprobe“. I Die Zufallsgröße X ist hypergeometrisch verteilt. I N = 50 , n = 10 , M = 12 I Gesucht: Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff a) P(X ≤ 1) ; bzw. M = 3. b) P(X > 1) . Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 9 1.7.3 Poissonverteilung I λ > 0 (die Intensität“ der Poissonverteilung). ” Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 0, 1, 2, . . . . I Wahrscheinlichkeitsfunktion: I Parameter: pk = P(X = k) = λk −λ e , k! k = 0, 1, 2, . . . . X ∼ Poi(λ) . I Bezeichnung: I Kenngrößen: EX = λ I Eigenschaft: X1 ∼ Poi(λ1 ) , X2 ∼ Poi(λ2 ) unabhängig ⇒ und VarX = λ . X1 + X2 ∼ Poi(λ1 + λ2 ) . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 10 Poissonverteilung II Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 11 Poissonverteilung III I Typische Anwendungen: Poissonverteilung ist typische Verteilung für Anzahl von Ereignissen in gewissem Zeitraum, wenn für beliebige hinreichend kleine Teilintervalle der Länge h gilt: I I I In jedem Teilintervall der Länge h tritt höchstens ein Ereignis ein. Die Wahrscheinlichkeit, ein Ereignis im Teilintervall der Länge h zu finden, hängt nur von der Länge des betrachteten Zeitintervalls ab und ist proportional zu dieser. Das Eintreten eines Ereignisses im Teilintervall wird nicht beeinflusst von Ereignissen, die in der Vorgeschichte stattgefunden haben (Nachwirkungsfreiheit). I Parameter λ entspricht dann der durchschnittlichen Anzahl der Ereignisse im betrachteten Zeitraum. I Beispiele: Anzahl von Telefonanrufen, Anzahl von emittierten Teilchen in Physik (radioaktiver Zerfall), Anzahl von Unfällen, Anzahl von Schadensfällen. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 12 Poissonverteilung und Binomialverteilung Bin(n, λ/n) −−−→ Poi(λ) . I Es gilt I Für großes n (n ≥ 30) und kleines p (p ≤ 0.05, sogenannte seltene ” Ereignisse“) lassen sich Wahrscheinlichkeiten einer Binomialverteilung näherungsweise mit Hilfe einer Poissonverteilung mit Parameter λ = np berechnen, d.h. n k λk −λ P(X = k) = p (1 − p)n−k ≈ e . k! k n→∞ I Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 13 Beispielaufgaben Poissonverteilung I Die zufällige Anzahl X der Schadensfälle bei einer Versicherungsagentur sei für Zeitintervalle einer bestimmten Länge poissonverteilt mit Parameter λ = 3 . Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einem Zeitintervall dieser Länge mindestens zwei Schadensfälle eintreten ? I Es werden 50 Erzeugnisse aus einer Lieferung mit einer Ausschusswahrscheinlichkeit von 0.01 untersucht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich höchstens ein fehlerhaftes Erzeugnis unter den 50 Erzeugnissen befindet ? Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 14 1.7.4 Geometrische Verteilung I Parameter: 0 < p < 1. I Zufallsgröße X mit möglichen Werten k = 1, 2, 3, . . . . I Wahrscheinlichkeitsfunktion: pk = P(X = k) = p(1 − p)k−1 , X ∼ Geo(p) . I Bezeichnung: I Kenngrößen: I Anwendung in folgender Situation: I I k = 1, 2, 3, . . . . EX = 1 p und VarX = 1−p p2 . Gleichartige unabhängige Teilversuche, bei denen jeweils Erfolg“ mit ” Wahrscheinlichkeit p oder Misserfolg“ mit Wahrscheinlichkeit 1 − p ” eintreten kann, werden so lange durchgeführt, bis zum ersten Mal Erfolg“ eingetreten ist. ” Die Zufallsgröße X ist gleich der Anzahl der durchgeführten Teilversuche. Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 15 Geometrische Verteilung II I Beispielaufgabe: Die täglichen Kursänderungen einer Aktie seien unabhängig und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kurs an einem Tag wächst oder höchstens um 5% fällt, betrage 0.8 . Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dies erstmalig am zweiten oder dritten Tag passiert ? I Bemerkung: Manchmal wird nur die Anzahl Y der Misserfolge“ ” vor dem ersten Erfolg“ gezählt. Diese Zufallsgröße hat als mögliche ” Werte 0, 1, . . . , es gilt Y = X − 1 . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 Version: 27. April 2016 16 1.7.5 Negative Binomialverteilung I Werden in der Situation der geometrischen Verteilung die Teilversuche solange wiederholt, bis der r −te Erfolg“ eingetreten ” ist (r ∈ N) , so besitzt die zufällige Anzahl X der durchgeführten Teilversuche eine negative Binomialverteilung mit den Parametern r und p . I Mögliche Werte der Zufallsgröße X : k = r , r + 1, r + 2, . . . . I Wahrscheinlichkeitsfunktion: k −1 r pk = P(X = k) = p (1 − p)k−r , r −1 r p und VarX = r (1−p) p2 I Kenngrößen: I Geometrische Verteilung ist Spezialfall der neg. Binomialverteilung mit r = 1 . Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff EX = k = r , r + 1, . . . . Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 5 . Version: 27. April 2016 17