Analyse der Funktionen regulatorischer T

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Transplantationsmedizin
2004, 16. Jahrg., S. 106
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I. Tsaur et al.: Analyse der Funktionen regulatorischer T-Zellen bei Patienten
3
I. Tsaur , M. Gasser , K. Lopau ,
2
1
M. Bueter , A. Trumpfheller ,
1
4
M. Dragan , A. Opitz ,
5
5
J. E. Kist-van-Holthe , M. Clarkson ,
1
2
2
S. Mueller , A. Thiede , D. Meyer ,
1
A. M. Waaga-Gasser
1
Chirurgische Klinik und Poliklinik,
2
Molekulare Onkoimmunologie; Chi3
rurgische Klinik und Poliklinik; Medi4
zinische Klinik, Nephrologie; Chirurgische Klinik und Poliklinik, Transfusionsmedizin, Universitätsklinikum Würz4
burg; Lab. of Immunogenetics and
Transplantation, Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical
School, Boston, MA, USA
Tsaur I, Gasser M, Lopau K, Bueter M,
Trumpfheller A, Dragan M, Opitz A,
Kist-van-Holthe JE, Clarkson M, Mueller S, Thiede A, Meyer D, WaagaGasser AM (2004) Analyse der Funktionen regulatorischer T-Zellen bei Patienten nach Nierentransplantation unter
MMF-basierter Immunsuppression. Tx
Med 16: 106-108
Analyse der Funktionen regulatorischer
T-Zellen bei Patienten nach
Nierentransplantation unter MMF-basierter
Immunsuppression
Die Mehrzahl immunsuppressiver Regime basiert auf CalcineurinInhibitoren wie Cyclosporin A (CsA) oder Tacrolimus (Tac), heute
häufig in Kombination mit Mycophenolat Mofetil (MMF). Letzteres blockiert die T-Zellproliferation und -differenzierung und inhibiert T-Effektorfunktionen. In der vorliegenden MMF-basierten
Studie (CsA/Tac+MMF+Steroid) gelang es erstmals, sowohl
CD4+ als auch CD8+T-Zell-Linien aus peripheren Blutlymphozyten nierentransplantierter Patienten mit chronischer Abstoßung
sowie auch stabiler Transplantatfunktion herzustellen. Die ZellLinien wiesen im Proliferationsassay eine signifikante Reaktivität
gegen spenderspezifisches Peptid auf, wobei die Linien aus Patienten mit chronischer Abstoßung IFN-γ, jedoch nur minimal IL-10
exprimierten. Im Gegensatz dazu produzierten Zell-Linien aus Patienten mit stabiler Transplantatfunktion IL-10, jedoch nur wenig
IFN-γ. Die Linien aus Patienten mit stabiler Transplantatfunktion
wiesen CD4+CD25+ Zellen auf. Zusammenfassend bestätigt diese
MMF-basierte Studie, dass Patienten mit einer chronischen Nierentransplantatabstoßung von einem Th1-gerichteten Zytokinmuster, während Patienten mit einer stabilen Nierenfunktion von
einem Th2-Phänotyp gekennzeichnet sind. Dieses Ergebnis scheint
unabhängig vom T-Zelltyp (CD4+ versus CD8+) und dem aktuellen immunsuppressiven Protokoll (CsA/Tac+MMF versus CsA +
Azathioprin) zu sein. Eine Immunsuppression auf der Basis von
MMF scheint jedoch regulatorische T-Zellen zu begünstigen. Die
vorliegende Studie bildet damit eine wichtige Basis zur Entwicklung neuer immunsuppressiver Protokolle unter Verwendung von
MMF zur Induktion regulatorischer T-Zellen und damit zur Induktion von Langzeitakzeptanz nach klinischer Nierentransplantation.
Schlüsselwörter:
Nierentransplantation, Mycophenolat Mofetil (MMF), indirekte
Allo-Antigenerkennung, MHC-Klasse II, Zytokinexpression
Analysis of Regulatory T Cell Function from Kidney Transplant
Patients on MMF based Immunosuppressive Protocol
The majority of current immunosuppressive protocols for solid organ transplant recipients are based on calcineurin inhibitors, increasingly combined with the anti-proliferative agent mycophenolate mofetil (MMF). For this study we generated T cell lines using peripheral blood lymphocytes (PBLs) from renal transplant
recipients treated with MMF in combination with cyclosporine
I. Tsaur et al.: Analyse der Funktionen regulatorischer T-Zellen bei Patienten
(CsA) or tacrolimus (Tac) with either chronic rejection (CR) or
stable renal function (SRF). The generated cell lines showed a significant response to donor-specific peptide. T cell lines from patients with CR produced IFN-γ, but only minimal amounts of IL-10
in response to the donor specific peptide. In contrast, T cell lines
from patients with SRF produced IL-10 but minimal IFN-γ and
were CD4+CD25+. In this study on MMF-based immunosuppression we showed that CR is associated with a T helper 1 (Th1) pattern of cytokine production (IFN-γ), while stable renal function is
associated with a Th2 phenotype (IL-10) regardless of the immunosuppressive regimen used (CsA or Tac plus MMF vs CsA plus
Azathioprin). This analysis may provide an invaluable tool to clarify the potential of current immunosuppressive protocols with
MMF enabling the induction of T regulatory cells.
Key words:
kidney transplantation, mycophenolate mofetil (MMF), indirect allorecognition, MHC class II, cytokine expression
Einleitung
Nach wie vor stellt die chronische Allotransplantatabstoßung ein Problem
nach klinischer Nierentransplantation
dar. Die indirekte T-Zellerkennung
spenderspezifischer
HLA-Peptide
spielt, wie jüngere Untersuchungen zeigen, eine bedeutende Rolle für die Immunpathogenese der chronischen Abstoßung. Bei der T-Zell-Erkennung
werden grundsätzlich zwei Mechanismen unterschieden. Beim direkten Weg
erkennen T-Zellen des Empfängers
spender-spezifische HLA-Allopeptide
auf Antigen-präsentierenden Zellen
(APC) des Spenders, die bei der Transplantation mit übertragen wurden. Beim
indirekten Weg der Alloerkennung
nehmen Antigen-präsentierende Zellen
des Empfängers Spender-HLA-Allopeptide auf, prozessieren diese und präsentieren sie auf ihrer Oberfläche den
Empfänger-T-Zellen. Das kann, so die
heutige Annahme, zu einer gegen das
Transplantat gerichteten andauernden
T-Zellantwort und chronischen Abstoßung führen. Experimentelle Forschung
in Autoimmunitäts- und Transplantationsmodellen zeigte, dass Th2-Zellen als
Regulatoren der Immunantwort fungieren, wobei die biologische Relevanz
dieser Beobachtungen beim Menschen
jedoch bis heute nicht bekannt ist. Naive T-Zellen erkennen SpenderAntigene auf Antigen-präsentierenden
Zellen, reifen zu T-Zellen heran und
bilden T-Helfer 1 (Th1)-Zellen aus, die
als verantwortlich für die akute und
chronische Abstoßung angesehen werden. Es können aber, vermutlich eher zu
einem frühen Zeitpunkt nach der
Transplantation, auch T Helfer 2 (Th2)Zellen mit regulatorischem Charakter
entstehen, denen die Fähigkeit zur Ausbildung einer Transplantattoleranz zugeschrieben wird. Das Ziel dieser Studie war es, den indirekten Weg der Alloerkennung bei Patienten nach Nierentransplantation zu untersuchen, die
entweder einer bioptisch nachgewiesenen chronischen Transplantatabstoßung
unter Immunsuppression auf der Basis
von MMF unterlagen, oder aber eine
stabile
Transplantat-Nierenfunktion
aufwiesen und potentiell eine allospezifische Toleranz ausbildeten. Für diese
Untersuchung war es erforderlich, aus
den peripheren Blutlymphozyten der
Transplantatempfänger
Allopeptidspezifische T-Zell-Linien über den indirekten Weg der Alloerkennung mittels
spenderabgeleiteter immundominanter
MHC-Klasse-II-Allopeptide zu etablieren, die von Antigen-präsentierenden
Zellen der Empfänger präsentiert wurden.
Transplantationsmedizin
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Material und Methoden
Untersucht wurden insgesamt 24 Patienten zu einem Zeitpunkt von mindestens 6 Monaten und längstens 2 Jahren
nach Transplantation, die verschiedenen
immunsuppressiven Protokollen unterlagen (Gruppe 1: Cyclosporin (CsA),
Azathioprin und Prednisolon, n=5;
Gruppe 2: CsA, MMF + Steroid, n=8;
Gruppe 3: Tac, MMF + Steroid, n=6;
Gruppe 4: CsA + Steroid, n=5). Die
Gruppen wurden wiederum in Patienten
mit chronischer Abstoßung (CR, entweder bioptisch nachgewiesen oder Serum Creatinin: ≥1,6 mg/dl) und signifikanter Allopeptid-Reaktivität sowie Patienten mit einer stabilen Nierenfunktion (SF, Creatinin: <1,6 mg/dl) und geringer Allopeptid-Reaktivität unterteilt.
Alle Patienten zeigten ein Mismatch für
spezifische HLA-DR-Moleküle. Die
Patienten aus Gruppe 1 und 4 erhielten
damit kein MMF, die Patienten der
Gruppe 2 und 3 wurden dagegen mit
dem Medikament behandelt. Die TZell-Linien wurden aus den isolierten
peripheren Blutlymphozyten der Patienten durch mehrmalige Stimulation mit
spenderabgeleiteten HLA-DR-Peptiden
und bestrahlten Empfänger-APCs hergestellt. Die Peptide wurden entsprechend dem hypervariablen Bereich der
β-Kette synthetisiert. Die Zell-Linien
wurden anschließend durchflusszytometrisch (FACS) auf ihren CD4- und/
oder CD8-Phänotyp hin untersucht. Ihre
Zytokin-Expression wurde mittels Enzyme-Linked Immunospot (ELISPOT)
oder Enzyme-Linked Immunosorbent
Assay (ELISA und Luminex) gemessen
und ihre Reaktivität gegenüber ihrem
spezifischen Peptid im Proliferationsassay analysiert. Die regulatorischen Eigenschaften der T-Zellen wurden mit
der Real-Time-PCR weiter analysiert.
Ergebnisse
T-Zell-Linien aus Patienten mit CR sowie einer stabilen Nierentransplantatfunktion wiesen eine spezifische und
signifikante Proliferation gegenüber ihrem Allopeptid auf. Bei Patienten mit
Standardimmunsuppression (Gruppe 1)
zeigte sich, dass die T-Zell-Linien aus
Patienten mit CR IFN-γ exprimierten,
die Linien aus Patienten mit einer stabilen Transplantatfunktion dagegen IL-10
produzierten. Linien aus Patienten mit
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I. Tsaur et al.: Analyse der Funktionen regulatorischer T-Zellen bei Patienten
MMF-basierter
Immunsuppression
(Gruppe 2) waren sowohl CD4- als
auch CD8-positiv. Dabei exprimierten
die Linien aus Patienten mit CR wieder
nur IFN-γ, dagegen die aus Patienten
mit stabiler Funktion überwiegend IL10. Linien aus Patienten der Gruppe 3
zeigten eine vergleichbare Tendenz.
Dieses wurde auch für die Linien aus
Patienten ohne MMF (Gruppe 4) festgestellt. Durchflusszytometrisch wiesen
die T-Zell-Linien aus Patienten mit stabiler Transplantatfunktion unter MMF
basierter Immunsuppression signifikant
vermehrt CD4+CD25+ Zellen auf. Dieses Ergebnis wurde molekulargenetisch
in der Real-Time-PCR bestätigt.
Diskussion
In Voruntersuchungen wurde die Bedeutung des indirekten Weges der AlloErkennung spenderspezifischer HLAAllopeptide durch T-Zellen bei der
Immunpathogenese chronischer Allotransplantatabstoßung aufgezeigt (13). HLA-Allopeptid-spezifische T-ZellLinien und Klone, die aus Nierentransplantatempfängern mit chronischer
Transplantatabstoßung über die indirekte Allo-Erkennung hergestellt wurden,
wiesen Th1-Zytokin-Profile (IFN-γ, IL2) auf, während Linien und Klone aus
Empfängern mit einer stabilen Nierenfunktion Th2-phänotypisch (IL-4, IL10) geprägt waren. Sämtliche ZellLinien und Klone waren CD4+ und
stammten aus Patienten mit einem
Standardprotokoll aus CsA, Azathioprin
und Corticosteroid (3). Die in dieser
Studie verwendeten Immunsuppressiva
haben verschiedene Angriffspunkte bei
der T Zell-gebundenen Immunantwort.
Während CsA und Tacrolimus die Calcineurin-Aktivierung inhibieren, greifen
Mycophenolat Mofetil und Azathioprin
als Antimetabolite in den Zellzyklus
ein. MMF inhibiert dabei die InosinMonophosphat-Dehydrogenase,
ein
Schlüsselenzym der de-novo Purinsynthese, und damit die Proliferation
von T- und B-Lymphozyten. In früheren experimentellen Studien wurde auf
die Vorteile von MMF hinsichtlich der
Ausbildung einer chronischen Transplantatabstoßung hingewiesen (4,5).
Dieses zeigte sich in einer vor kurzem
veröffentlichten Multicenter-Studie in
einer geringeren Rate an späten Transplantatverlusten (6). Die Ergebnisse der
eigenen Studie zeigen, dass sämtliche
Patienten mit CR von einem Th1gerichteten Zytokinmuster (IFN-γ), die
Patienten mit einer stabilen Nierentransplantatfunktion aber dagegen überwiegend von einem Th2-Phänotyp (IL10) gekennzeichnet waren, was auch
mit den Daten aus vorangegangenen
Studien übereinstimmt (7). Dieses Ergebnis scheint unabhängig vom TZelltyp (CD4+ versus CD8+) und dem
aktuellen immunsuppressiven Protokoll
(CsA oder Tac plus MMF versus CsA
plus Aza) zu sein. Des Weiteren konnten wir zeigen, dass überwiegend die TZell-Linien aus Patienten der MMF
Protokollgruppe signifikant vermehrt
CD4+CD25+ Zellen aufwiesen. Diese
Daten deuten erstmals auf diesem Wege
auf das Vorhandensein regulatorischer
Zellen hin. Unter MMF könnte sich
schlussfolgernd ein allospezifisches TZellprofil entwickeln, das gerade Zellen
mit regulatorischen Eigenschaften begünstigt. Damit würde sich unter einem
klinischen Protokoll mit MMF für die
Nierentransplantation ein langfristig
vorteilhafteres
immunsuppressives
Wirkprofil herausbilden.
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Die Arbeit wurde unterstützt mit Mitteln
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
(DBU 16011-35/4). Wir danken Frau
U. Faber beim Zustandekommen der
Arbeit.
Prof. Dr. Ana Maria Waaga-Gasser
Chirurgische Klinik und Poliklinik
Molekulare Onkoimmunologie
Zentrum Operative Medizin (ZOM)
Klinikum der Bayerischen JuliusMaximilians-Universität
Oberdürrbacher Str. 6
D-97080 Würzburg
E-mail: [email protected]
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