Sommersemester 2010 H.-G. Quebbemann Algebra (Kurzskript) Diese Vorlesung folgt auf die einsemestrige Lineare Algebra. Im Mittelpunkt stehen arithmetische Konzepte, die aus Problemstellungen zu ganzen Zahlen, Polynomen und Matrizen hervorgehen. Gruppen- und Körpertheorie werden systematisch erst im Modul ”Algebra II” entwickelt. Von kleineren Änderungen abgesehen stammt dieses Skript aus dem Sommersemester 2007, als ich die Vorlesung erstmals in der jetzigen Form gehalten habe. Sie finden hier wochenweise die Definitionen und Sätze, auch Kommentar und Beispiele, aber kaum Beweise und keine ausführlichen Erklärungen. Das Kurzskript kann nicht die Anwesenheit in der Veranstaltung ersetzen. Inhaltsübersicht 1. Ringe und Ideale Wiederholung aus der Linearen Algebra, der Polynomring R[t] über einem kommutativen Ring R, Division mit Rest in R[t], Einsetzungshomomorphismen, Ringe R[α], Ideale, Hauptideale, euklidische Ringe, Hauptidealringe 2. Teilertheorie Teilbarkeit, ggT in Hauptidealringen, euklidischer Algorithmus, Zerlegung in irreduzible Elemente, Primelemente, Fundamentalsatz der Arithmetik, Exkurs: Herkunft des Ideal-Begriffs 3. Kongruenzrelationen. Restklassenringe Äquivalenzrelationen, Faktorgruppen einer abelschen Gruppe, Faktorräume eines Vektorraums, Restklassenringe, Einheiten in Restklassenringen eines Hauptidealrings, Satz von Fermat-Euler, Chinesischer Restsatz, Homomorphiesatz für Ringe, Charakteristik, Quotientenkörper 4. Irreduzibilität von Polynomen Primitive Polynome, Satz von Gauss, Kriterium von Eisenstein, Reduktionskriterium, Irreduzibilitätstest über Fp 5. Moduln und Matrizen Endlich erzeugte Moduln, Untermoduln freier Moduln über einem Hauptidealring, Homomorphismen und Matrizen, Elementarteilersatz, Smith-Form, Gitter in reellen Vektorräumen 6. Normalformen von Matrizen über Körpern Minimalpolynom, Begleitmatrizen, Frobenius-Normalform, Satz von Cayley-Hamilton, Primärzerlegung, Jordan-Normalform 7. Symmetrische Polynome. Der Fundamentalsatz der Algebra Multivariate Polynome, Hauptsatz über symmetrische Polynome, Kronecker-Konstruktion von Nullstellen univariater Polynome, Konstruktion von Fpm , Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra. Lehrbücher (Auswahl) S. Bosch: Lineare Algebra, Springer 2008 (4. Aufl.) S. Bosch: Algebra, Springer 2009 (7. Aufl.) G. Fischer: Lehrbuch der Algebra, Vieweg 2008 C. Karpfinger, K. Meyberg: Algebra, Spektrum 2009 R. Schulze-Pillot: Einführung in Algebra und Zahlentheorie, Springer 2008 (2. Aufl.) 2 Einführung Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, fragen wir für gegebene a1 , . . . , an ∈ Z, die nicht alle 0 sind, nach ganzzahligen Lösungen der linearen Gleichung a1 x1 + a2 x2 + . . . + an xn = c, c ∈ Z. Es sei Lc die Menge aller x ∈ Zn , die diese Gleichung erfüllen. Die aus der Linearen Algebra gewohnte Argumentation liefert hier nur: Falls Lc nicht leer ist, gilt Lc = v + L0 mit jedem v ∈ Lc . Satz 0.1. Genau dann ist Lc nicht leer, wenn c ein ganzzahliges Vielfaches des größten gemeinsamen Teilers der Zahlen a1 , . . . , an ist. Hier ist die Rede von dem aus der Schularithmetik vertrauten ggT der natürlichen Zahlen |ai |. Der Beweis des Satzes beginnt mit der Beobachtung: Die Menge aller c ∈ Z mit Lc 6= ∅, also a1 Z + . . . + an Z, ist eine additive Untergruppe von Z und enthält jedenfalls alle ai . Satz 0.2. Sei M eine additive Untergruppe 6= {0} von Z und d die kleinste positive Zahl in M . Dann gilt M = dZ. Die Inklusion M ⊃ dZ folgt sofort aus der Gruppenbedingung, ” ⊂ ” benutzt Division mit Rest durch d: Zu jedem c ∈ Z existieren q, r ∈ Z (”Quotient”, ”Rest”) mit c = dq + r und 0 ≤ r < d. Im Fall c ∈ M liegt auch r = c − dq in M und wegen der Minimalität von d gilt r = 0, also c ∈ dZ. Aus diesem Satz folgt der Satz 0.1, denn aus a1 Z + . . . + an Z = dZ (d > 0) läßt sich sofort schließen, dass d der größte gemeinsame Teiler der Zahlen ai ist! Im Fall n = 2 wird demnächst ein klassischer Algorithmus zur Berechnung des ggT d und eines v ∈ Ld behandelt; hier soll jetzt nur noch L0 bestimmt werden, wobei ohne Einschränkung d = 1 vorausgesetzt werden kann. Lemma (Euklid). Seien a, b ∈ Z teilerfremd, b0 ∈ Z. Teilt a das Produkt bb0 , so teilt a schon b0 . Dies folgt aus Satz 0.1 mit n = 2, c = 1, denn mit ar + bs = 1 und aa0 = bb0 gilt b0 = ab0 r + bb0 s = a(b0 r + a0 s). r −b 2 Folgerung. Sind a, b ∈ Z teilerfremd, so gilt: { ∈ Z | ar + bs = 0} = Z . s a An einer späteren Stelle (Kapitel 5) wird deutlich, dass und wie man für die ganzzahlige Lösungsmenge eines jeden homogenen linearen Gleichungssystems eine Z-Basis finden kann. Was wir hier mit ganzen Zahlen angefangen haben, geht in gleicher Weise auch für Polynome über Körpern. Diese Analogie zwischen Zahlen und Polynomen ist ein Leitmotiv der Vorlesung. 3