1 Frequenzanalyse zeitkontinuierlicher Signale 1.1 Signale und ihre Modelle 1.1.1 Signale im Kommunikationsproze Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens. Sie dient dem Austausch von Informationen zwischen zwei Partnern. In einer konkreten Situation ist einer der Partner der Sender (die Quelle) der Information, der andere der Empfanger bertragungskanal, der ggf. (die Senke). Zwischen Quelle und Senke bendet sich der U auch gestort sein kann. Dieses einfache Modell bildet die Grundvorstellung der gesamten Informationstechnik. Die technische Entwicklung hat es mit sich gebracht, da man sich bei diesem Kommunikationsmodell weit mehr vorstellen mu als zwei Menschen, die miteinander sprechen: bertragungskanal kann ein kompliziertes technisches Gebilde sein, das aus mehDer U reren Stufen besteht (Telefonie, Rundfunk usw.). Der Sender mu kein Mensch sein, sondern kann auch ein Gerat sein, das Informationen uber sein Umfeld (Sensor) oder uber seinen eigenen Zustand liefert. Der Empfanger mu kein Mensch sein, sondern kann ein technisches System (insbesondere ein Computer) sein, dem der Mensch Informationen zur Steuerung, Speicherung, Weiterverarbeitung usw. ubergibt. Der Mensch-Mensch-Kommunikation ist damit das aktuelle Gebiet der Mensch-TechnikInteraktion (Mensch-Computer-Kommunikation) zur Seite getreten. Da in beiden Fallen das beschriebene Kommunikationsmodell die methodische Grundlage liefert, behandelt die Kommunikationswissenschaft beide Gebiete u. a. mit dem Ziel, die Intelligenzleistungen des Menschen besser zu verstehen und dadurch die Prozesse der Mensch-Technik-Interaktion zu verbessern. bermittlung der Information Fur unsere Betrachtungen ist es von Bedeutung, da die U an eine physikalische Groe als Trager gebunden ist (Schalldruck bei Sprache und Musik, Leuchtdichte bei optischer Information, Feldstarke bei Funksignalen usw.). Diese Kombination von Information und Trager wird als Signal bezeichnet. Signalverarbeitung ist unter diesem Aspekt die Behandlung des physikalischen Tragers durch technische Mittel mit dem Ziel, die an den Trager gebundene Information zu ubertragen oder zu extrahieren. Im ersten Falle spricht man von Signalubertragung, im zweiten 1 '$ Quelle Signal - Analysator Merkmale - Klassikator Klasse &% Aktion '$ - Ziel &% Erkennungssystem Reaktion Abbildung 1.1: Grundschema der Signalanalyse und -erkennung. von Signalanalyse oder auch von Erkennung, wenn man den Auswertungsproze so weit treibt, da am Ende eine eindeutige Entscheidung (Klassikation) steht. Erkennung ist so in der Regel ein zweistuger Proze aus Analyse und Klassikation, wie Abbildung 1.1 veranschaulicht. Die Grenzen zwischen Signalubertragung und Signalanalyse sind allerdings ieend, wie moderne Verfahren der Signalcodierung zeigen. Die aktuelle Entwicklung der Multimediatechnik, die den Zugri zu jeder Information zu jeder Zeit an jedem beliebigen Gerat ermoglichen will, verlangt eine extrem redundanzarme Informationsdarstellung. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf einen speziellen Aspekt der Signalanalyse, die Frequenzanalyse. Sie verfolgt, allgemein gesprochen, das Ziel, ein Signal als Frequenz" gemisch\ zu beschreiben. Das Verfahren, ein Signal als gewichtete Summe harmonischer Schwingungen (Sinus- oder Cosinusfunktionen) zu beschreiben, ist aus einer Vielzahl von Grunden sehr eektiv; wir erwahnen hier nur: 2 Viele technische Gebilde konnen in guter Naherung als lineare, zeitinvariante Systeme modelliert werden. Solche Systeme haben die Eigenschaft, da sie auf die Anregung mit einer harmonischen Schwingung durch Ausgabe einer harmonischen Schwingung der gleichen Frequenz reagieren [1, S. 24 / 25]. In der Akustik und ihren Nachbargebieten (Schwingungsanalyse, Sprachtechnologie usw.) ist besonders wichtig, da das menschliche Hororgan in guter Naherung als Frequenzalysator modelliert werden kann, so da fur alle praktischen Aufgaben, die bertragungstechnik, das Schallempnden des Menschen berucksichtigen mussen (U Verarbeitung von Sprache und Musik, Raum- und Bauakustik, Larmbekampfung und Schallschutz usw.), die Frequenzanalyse unverzichtbar ist. Theoretisch und praktisch gleichermaen wichtige Zusammenhange der gesamten modernen digitalen\ Signalverarbeitung sind mit der Klasse der bandbegrenzten " Signale verbunden, die sich nur mit Methoden der Beschreibung im Frequenzbereich denieren lassen. Die oben angesprochene Entwicklung der Multimediatechnik verlangt in zunehmendem Mae den Einsatz signalanalytischer Verfahren in der Informationsubertragung. Wie bereits die heutigen MPEG-Standards zeigen, spielt auch hier die Frequenzanalyse eine dominierende Rolle. 1.1.2 Signalbeschreibung Ein in der Realitat existierendes Signal mu fur unsere Zwecke in geeigneter Form beschrieben werden. Dieser Proze, der stets auch eine Reduktion des Signals auf wesentliche Komponenten zum Ziel hat (z. B. bei einem akustischen Signal der Verzicht auf Signalkomponenten oberhalb von 20 kHz), wird als Modellierung bezeichnet. Man kann sich die unterschiedlichsten Formen von Signalmodellen vorstellen; beispielsweise konnte man zu einem Signal eine elektronische Schaltung angeben, die eben dieses Signal erzeugt. Naturlich mu man sich fur das Modell entscheiden, das fur das jeweilige Ziel am besten geeignet ist. Fur unsere Betrachtungen zur Frequenzanalyse ist die Verwendung mathematischer Signalmodelle angebracht. Sie gehen davon aus, da man ein Signal als Groe beschreiben kann, die von einer oder mehreren Veranderlichen eindeutig abhangt. In diesem Sinne besteht praktisch kein Unterschied zwischen dem Begri des Signals und dem einer mathematischen Funktion. Wir betrachten ausschlielich Signale x , die nur von einer Veranderlichen abhangen, die wir mit t bezeichnen werden, da sie in aller Regel die Zeit darstellt. In Abbildung 1.2 ist ein Sprachsignal dargestellt. Es handelt sich um die Aufzeichnung des Wortes Amplitude\, erzeugt von einem mannlichen Sprecher. Die Abszisse ist die " Zeitachse, die Ordinate gibt den (in eine elektrische Spannung gewandelten) Schalldruck wieder. Wir werden auf dieses Beispiel an mehreren Stellen zuruckkommen. An dieser Stelle gibt es Anla zu folgenden Anmerkungen: Das Sprachsignal ist ursprunglich ein Analogsignal\, das man korrekter zeitkontinu" ierliches Signal nennt. Die Bezeichnung meint, da zu jedem Zeitpunkt ein Wert des Schalldruckes existiert. Um das Signal abbilden zu konnen, mute es metechnisch erfat werden. Praktisch erfolgte das, indem aller 62,5 s der Schalldruck gemessen wurde. Das uns fur die weiteren Betrachtungen zugangliche Signal ist somit nur eine Folge von (aquidistanten) Mewerten, also eine Datenstruktur. Ein solches Signal wird als zeitdiskret bezeichnet. Das Signal besteht aus einzelnen Phasen, die sich mehr oder minder deutlich voneinander unterscheiden. Das liegt naturlich daran, da eine Sprachauerung eine Folge von Lauten ist, die sich durch ihre Signalformen unterscheiden. Besonders markant sind Abschnitte des Signals, in denen eine deutliche Periodizitat zu beobachten ist. In diesen Abschnitten, die als stimmhaft bezeichnet werden, wird das Signal durch Stimmbandschwingungen angeregt. Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 1.3 Ausschnitte aus drei Vokalphasen des Beispielwortes. Wir haben damit zwei wesentliche Ordnungskriterien fur unsere weiteren Betrachtungen anhand des Beispiels eingefuhrt. Wir unterscheiden einerseits zeitkontinuierliche und zeitdiskrete Signale, andererseits periodische und nichtperiodische Signale. Die sich daraus ergebenden vier Kombinationen bilden unser didaktisches Gerust, das auch in der zusammenfassenden Tabelle A.1 zum Ausdruck kommt. Ausgangspunkt fur jede Darstellung der Frequenzanalyse ist die historische Leistung von FOURIER, der in seinem 1822 erschienenen Werk Analytische Theorie der Warme\ angab, " 3 4 Abbildung 1.2: Zeitverlauf des Beispielwortes Amplitude\ [11]. " Abbildung 1.3: Ausschnitte aus vokalischen Phasen des Beispielwortes Amplitude\ [11]. " Von oben nach unten: [a],[i] und [u]. 5 da man eine periodische Funktion durch Superposition harmonischer Schwingungen darstellen kann, wobei diese sogenannten Aufbaufunktionen Frequenzen haben, die ganzzahlige Vielfache der Frequenz des Originalsignals sind. Mit der Wiedergabe dieses Ansatzes, der dem linken oberen Quadranten von Tabelle A.1 entspricht, werden wir unter 1.2 unsere Beschreibung der Methoden der Frequenzanalyse beginnen und uns dann schrittweise zu den ubrigen Quadranten der Tabelle vorarbeiten. 1.1.3 Energie- und Leistungssignale Wir mussen uns noch mit einem Aspekt befassen, der mit der Eigenschaft mancher mathematischer Modellfunktionen, keinen endlichen Energieinhalt zu haben, zusammenhangt. Der Begri der Energie ist physikalisch deniert; haben wir zum Beispiel eine Spannung u , wird an einem Widerstand R die Energie 1 1 Z 2 E= u (t ) dt R 1 (1.1) in Warme umgewandelt. Die unendlichen Integrationsgrenzen, die wir an vielen Stellen verwenden werden, besagen, da wir das Signal wahrend der gesamten Dauer seiner Existenz betrachten; im konkreten Fall sind naturlich Anfangs- und Endzeitpunkt des Signals einzusetzen. Energiesignale. Als Energiesignale bezeichnet man alle Signale, fur die das Integral E= Z1 1 x 2 (t ) dt (1.2) existiert. Vergleicht man dieses Integral mit dem physikalischen Beispiel (1.1), handelt es sich oenbar um die Signalenergie, die an einem (ktiven) Einheitswiderstand umgesetzt wird. Aus mathematischer Sicht handelt es sich um die Norm des Signals. Real existierende Signale haben naturlich immer eine endliche Energie. Leistungssignale. Niemand wird bestreiten, da die Einfuhrung periodischer Funktionen nutzlich ist. Man ubersieht nur leicht, da sie keine realen Signale sein konnen, weil sie aufgrund ihrer denitionsbedingten unendlichen Dauer eine unendliche Energie aufweisen. Auch Rauschsignale werden gewohnlich mathematisch so modelliert, da sie unendliche Energie haben. Trotzdem erweisen sie sich als sehr nutzlich zur Modellierung realer Vorgange wie zum Beispiel in Abbildung 1.4. Dort ist wieder ein Ausschnitt aus einem Sprachsignal gezeigt, diesmal aber aus einer sogenannten frikativen Phase, in der das Signal durch Verwirbelung der Luft an einer Engestelle des Artikulationstraktes erzeugt wird. Dabei entsteht ein typisches Rauschen. (Naturlich stammt dieser Ausschnitt nicht aus unserem Beispielwort Amplitude\.) " 6