Matthias Birnstiel Modul Hepatitis B und C Medizinisch wissenschaftlicher Lehrgang CHRISANA Wissenschaftliche Lehrmittel, Medien, Aus- und Weiterbildung Inhaltsverzeichnis des Moduls Hepatitis B und C • Anatomie der Leber und Gallenblase • Funktion der Leber • Leberenzyme (Leberdiagnostik) • Cytochrom P450 Enzyme • Hepatitis • Verlaufsformen der Hepatitis • Virushepatitis • Hepatitis-B • Erreger der Hepatitis-B • Struktur des Hepatitis-B-Virus • Replikation des Hepatitis-B-Virus • Reaktion der Wirtszelle auf die Replikation • Übertragung des Hepatitis-B-Virus • Pathophysiologie der Hepatitis-B • Akute Hepatitis-B Infektion • Chronische Hepatitis-B-Infektion • Therapeutische Möglichkeiten der Hepatitis-B • Hepatitis-C • Erreger der Hepatitis-C • Struktur des Hepatitis-C-Virus • Replikation des Hepatitis-C-Virus • Reaktion der Wirtszelle auf die Replikation • Übertragung des Hepatitis-C-Virus • Pathophysiologie der Hepatitis-C • Akute Hepatitis-C-Infektion • Chronische Hepatitis-C-Infektion • Therapeutische Möglichkeiten Auszug aus dem Modul Hepatitis B und C Erreger der Hepatitis-B Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein strukturell sehr komplexes, dop-pelsträngiges DNS-Virus. Da es sich in keine der bekannten Virusfamilien einordnen lässt, ist dafür eine eigene Gruppe, die sogenannten Hepadna-Viren (Hepatitis-Assoziierte-DNA-Viren) definiert worden. Der Erreger mit einem Durchmesser von 42 nm besitzt eine Lipoproteinhülle, die das Oberflächenprotein des Virus, HBsAg (hepatitis-B-surface-antigen), enthält. Anmerkung Das Hepatitis-B-Virus ist sehr resistent. Am Körper und auf Gegenständen kann es 1 Woche lang überleben und noch ansteckend sein! Hepatitis-B-Viren sind 100 x ansteckender (kontaginöser) als HIV-Viren (!) HBV hat die Fähigkeit, sich in das Erbgut (Genom) der Wirtszelle zu integrieren. Dies macht die Ausrottung durch das Immunsystem oder mittels Therapie besonders schwierig. Ein Vergleich mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) soll die Komplexizität und hohe Infektiosität aufzeigen (Tab. 3): HBVHCV HepadnavirusFlavivirus doppelsträngige DNS einzelsträngige RNS 4 «open reading frames» 1 «open reading frame» hohe Virämie niedrige Virämie hohe Infektiosität niedrige Infektiosität Integration in das Wirtsgenom Keine Integration in das Wirtsgenom Keine Zytotoxizität Zytotoxizität (evt) Zusätzliche Bemerkungen zur Tab. 3: Doppelsträngige DNS mit vier «open reading frames» ist ein spezielles Merkmal des HBV, was es so komplex macht. HBV ist charakterisiert durch eine hohe Virämie (grosser Bestand an Viruspartikeln in den Körperflüssigkeiten) und durch hohe Anpassungsfähigkeit (das HBV kann auch ausserhalb des Körpers überleben). Diese zwei Faktoren verleihen dem Virus das Merkmal der hohen Infektiosität. Im Gegensatz dazu ist das HCV durch eine niedrige Virämie charakterisiert, und es ist nicht anpassungsfähig (das HCV kann ausserhalb des Körpers nicht überleben). Daher ist das HCV viel weniger infektiös als das HBV. Es ist denkbar, dass viele durch HBV hervorgerufene Lebererkrankungen eher durch eine Immunantwort auf das Virus als durch eine direkte Zytotoxizität verursacht wird. Im Gegensatz dazu wirkt das HCV (wahrscheinlich) direkt zytotoxisch . Tab. 3: Vergleich einiger Spezifitäten zwischen HBV und HCV. «open reading frames» sind einzelsträngige DNS Abschnitte Das HCV wird im Kapitel 3.2.4 näher besprochen Struktur des Hepatitis-B-Virus HBV ist - wie bereits erwähnt - strukturell sehr komplex (Abb. 11), auf jeden Fall viel komplexer als das noch zu besprechende Hepatitis-C-Virus. Es hat neben dem obligatorischen (Nukleo)-Kapsid noch eine Lipidhülle (Envelope). Die virale Kapsel ist die infektiöse Komponente und die Lipoproteinhülle trägt die wichtigsten antigenen Determinanten des Virus: das HBV-Oberflächenantigen (HBsAg). Während der Infektion werden durch die Hepatozyten Unmengen von Oberflächenantigen synthetisiert, aber nur eine limitierte Menge davon kombiniert mit der viralen Kapsel um die native Form des HBV zu bilden. Der Überschuss an Oberflächenantigenen bilden sphärische und filamentöse Partikel, die in den Blutstrom abgegeben werden (Virämie). «reverse» Transkriptase Innere Proteinkapsel (Kapsid) mit HBe- und HBc- Antigene. HBV DNS: (langer (-) Strang und kurzer (+) Strang anti-HBs, anti-HBe, anti-HBc Abb. 11: Schematische Darstellung des HBV. Die reverse Transkriptase ist eine RNS abhängige DNS Polymerase, die mit RNS als Vorlage die komplementäre DNS synthetisiert. Bildquelle: Eigenes Bild Äussere Fetthülle mit HB Oberflächenantigene HBeAg ist virämisch und, HBcAg kommt nur in der Leber vor. Zusätzliche Bemerkungen zur Abb. 11: Das HBs-Antigen ist ein Virusbaustein, der in der Virushülle liegt, Er ist ein Zeichen einer akuten oder chronischen Hepatitis-B. Das HBe-Antigen ist Bestandteil der Viruskapsel und kann im Blut nachgewiesen werden. Er gilt als indirekter Nachweis der Virusmenge (Replikation). Das HBc-Antigen ist ebenfalls Bestandteil der Viruskapsel und kann in der Leber, nicht aber im Blut nachgewiesen werden. Die Antikörper anti-HBs, anti-HBe, anti-HBc werden vom körpereigenen Immunsystem gebildet, um das Virus aus dem Körper zu entfernen. Das Kapsid der HB-Viren besitzt die Kapselantigene (HBcAg und HBeAg) und umschliesst den kompletten DNS-Minus-Strang, den inkompletten DNS-Plus-Strang und die reverse Transkriptase (eine RNS abhängige DNS-Polymerase1). HBeAg ist im Blut löslich, währenddessen das HBcAg nur im angefärbten Lebergewebe sichtbar gemacht werden kann. Die Antigene HBV DNS, HBcAg, HBeAg und HBsAG sind spezifische Marker der HBV-Infektion (siehe unter 3.3.3.6.2 und 3.3.3.6.4). Sie erscheinen während verschiedenen Stadien im Lebenszyklus der HB-Viren. Diese Marker liefern Informationen über den Zustand der Infektion und virale Aktivität. HBV DNS, HBcAg, HBeAg und HBsAg sind speziische Marker der HBV-Infektion. Sie erscheinen während verschiedenen Stadien des viralen Lebenszykluses 1Die DNA-Polymerase ist ein Enzymkomplex, der bei der Replikation der DNA während der S-Phase des Zellzyklus eine entscheidende Bedeutung hat. Die DNA-Polymerase katalysiert die DNA-Synthese aus Desoxyribonukleotiden an einem DNA-Matrizenstrang.