Die Blauzungenkrankheit in Europa

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Die Blauzungenkrankheit in Europa
2 Die Blauzungenkrankheit in Europa
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
3
1. Einführung
4
2. Das Virus
4
3. Vektoren
6
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
Epidemiologie
Prinzipien der Übertragung von BTV
Replikation und Persistenz von BTV im Vektor
Saisonales Auftreten
Geographische Verbreitung
7
7
8
9
9
5.
5.1
5.2
5.3
Pathogenese
Virusreplikation und Virämie im Endwirt
Vaskuläre Schäden in mehreren Organsystemen
Reproduktives Syndrom
11
11
11
11
6. Symptomatik
6.1 Allgemeine Symptomatik von BT
6.2 Spezifische Merkmale der Infektion mit BTV8
12
12
12
7. Immunreaktion
14
8. Labordiagnostik
14
9. Prophylaxe und Bekämpfung
9.1 Rechtlicher Rahmen und allgemeine Anmerkungen
9.2 Vektorbekämpfung
• Spezifische Eigenschaften von Butox® 7,5 mg/ml pour on
9.3 Impfung gegen BTV
• Erfahrungen zur BTV-Impfung aus europäischen Mittelmeerländern
• Experimentelle Impfstoffe gegen BTV
15
15
15
16
16
17
18
10. Bovilis® BTV8
18
Literatur
19
Zusammenfassung
Die Blauzungenkrankheit (engl. Bluetongue
Disease, BT) wird durch ein Virus hervorgerufen,
mit dem sich Schafe und Rinder sowie andere
domestizierte oder wild lebende Wiederkäuer
infizieren können. Das BT-Virus (BTV) gehört zur
Gattung Orbivirus der Familie der Reoviridae. Sein
Genom besteht aus doppelsträngiger RNA, die in
10 Segmente unterteilt ist und von einer inneren
und einer äußeren Kapsidschale umhüllt wird.
Bislang sind 24 verschiedene Serotypen von BTV
identifiziert worden. Eine Kreuzprotektion gegen
verschiedene Serotypen tritt nur in sehr begrenztem Umfang auf. Übertragen wird BTV durch seinen Vektor, Stechmücken der Gattung Culicoides.
Sowohl das saisonale Auftreten als auch die geographische Verbreitung von BT hängen von der
Biologie dieses Vektors ab. Früher trat die Erkrankung lediglich in Regionen zwischen 40° nördlicher und 35° südlicher Breite auf. Aufgrund von
Veränderungen in der Culicoides-Population, aber
auch wegen der Anpassung des Virus an andere
Culicoides-Arten, breitet sich BTV immer weiter
nach Norden aus. So wurde in den europäischen
Mittelmeerländern bereits seit dem Jahr 1998 ein
Anstieg der Zahl an BTV-Infektionen durch diverse
Serotypen verzeichnet. Dennoch kamen im Jahr
2006 die ersten Meldungen aus den Niederlanden
über BTV-Infektionen mit dem Serotyp 8 völlig
unerwartet. Die Infektion verursachte aufgrund
der mit ihr assoziierten Morbidität und Mortalität
beträchtliche wirtschaftliche Schäden. Hinzu
kamen wirtschaftliche Schäden durch Handelsbeschränkungen, die für Erkrankungen gelten, die
von der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE)
als Erkrankungen der Liste A klassifiziert werden.
Die Bekämpfung von BTV stellt eine große Herausforderung dar, da die Virämie bei infizierten Tieren
lange Zeit andauert und der Vektor von BTV nicht
ohne Schwierigkeiten bekämpft werden kann.
Daher ist es für die erfolgreiche Bekämpfung der
Infektion unerlässlich, einen Ansatz zu verfolgen,
der die angemessene Anwendung von Insektiziden
mit einer Impfung vor Beginn der Risikophase
kombiniert.
4 Die Blauzungenkrankheit in Europa
1. Einführung
Die Blauzungenkrankheit (engl. Bluetongue
Disease, BT) ist eine nicht kontagiöse, von Stechmücken übertragene Virusinfektion, die Schafe,
Rinder sowie andere domestizierte oder wild
lebende Wiederkäuer befällt. Die Erkrankung
wurde das erste Mal in Südafrika beschrieben,
und jahrzehntelang wurde angenommen, dass sie
nur in Afrika auftrete. Allerdings hat sich das Verbreitungsgebiet von BT in den letzten 50 Jahren
erheblich vergrößert. Heute ist BT in einigen Mittelmeerregionen bereits enzootisch, und in den
Jahren 2006 und 2007 trat in West- und Mitteleuropa eine schwere Epizootie auf. BT wird von
der Weltorganisation für Tiergesundheit (Office
International des Epizooties, OIE) als Erkrankung der
Liste A geführt. In Deutschland ist diese Infektionskrankheit anzeigepflichtig.
In dieser Broschüre werden die wichtigsten Informationen zu BT zusammengefasst. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf dem Serotyp 8 und
auf der Impfung gegen BT. Sobald Daten zur
Sicherheit und zur Wirksamkeit von Bovilis® BTV8
vorliegen, werden diese in einer gesonderten
Veröffentlichung vorgestellt.
2. Das Virus
Das BT-Virus (BTV) gehört zur Gattung Orbivirus
der Familie der Reoviridae. BTV ist ein komplexes,
unbehülltes Virus, das sieben Strukturproteine und
drei Nichtstrukturproteine aufweist. Sein Genom
besteht aus doppelsträngiger RNA, die in 10 Segmente unterschiedlicher Größe unterteilt ist (Virusstruktur s. Abb. 1; Eigenschaften und Funktionen
der einzelnen Virusproteine s. Tab. 1); ein Modell
seines Core-Kapsids ist in Abb. 2 dargestellt. Im
Zuge von Koinfektionen sind Reassortments der
RNA-Segmente des Virus möglich. Zudem zeigt
das Genom eine hohe Mutationsrate. Diese
verursacht einen verstärkten Antigendrift.
Derzeit werden auf der Grundlage serologischer
Untersuchungen (Plaque-Reduktion, Neutralisationstest) 24 BTV-Serotypen unterschieden s. Abb.
3). Die Verbreitung der BTV-Serotypen ist recht
dynamisch, sodass Serotypen, die in einem Jahr
nachgewiesen wurden, bereits im folgenden Jahr
durch andere Serotypen verdrängt worden sein
können.
Ähnlich wie andere unbehüllte Viren ist das ungereinigte BT-Virus recht widerstandsfähig, insbesondere in Anwesenheit von Eiweiß. Da das Genom
des BT-Virus aus doppelsträngiger RNA besteht, ist
es relativ resistent gegen UV-Licht. Des Weiteren
ist das Virus im pH-Bereich zwischen 6,5 und 8,0
stabil, und es ist relativ unempfindlich gegenüber
Lösungsmitteln wie Äther und Chloroform. Das
Virus kann leicht durch Desinfektionsmittel, die
Säuren, Laugen, Natriumhypochlorit oder Iodophore enthalten, inaktiviert werden (Howell und
Verwoerd 1971).
Abb. 1: Struktur des BT-Virus
Abb. 2: Dreidimensionales Modell der
Core-Kapsid-Struktur des BT-Virus
www.ncbi.nlm.nih.gov
Abb. 3: Schematische Darstellung der Verwandtschaft zwischen einzelnen BTV-Serotypen
18
C
breite Verbindungslinie = enge
Verwandtschaft;
dünne Verbindungslinie =
entferntere Verwandtschaft;
gestrichelte Linien = stark
entfernte Verwandtschaft.
Der Serotyp 4 kann als der
ursprüngliche Serotyp
angesehen werden. Die
Buchstaben (A-J) bezeichnen
unterschiedliche Nukleotypen,
die durch phylogenetische
Analysen identifiziert wurden.
23
8
6
14
3
16
D
21
20
24
17
A
B
10
13
4
5
9
12
H 1
22
I
7
E
J 15
11
G
2
F
19
Tab. 1: Eigenschaften und Funktion der BTV-Strukturproteine
Protein
Bedeutung
VP1
RNA-Polymerase
VP2
Äußere Schicht der äußeren Kapsidschale; Protein für die Zellanbindung;
determiniert den Serotyp; enthält neutralisierende Epitope
VP3
Innerstes Protein des Kapsids
VP4
Capping-Enzym
VP5
Innere Schicht des äußeren Kapsids; an der Membranfusion beteiligt (?)
VP6
RNA-Helikase, NTPase
VP7
Trimer, das die äußere Oberfläche des Cores bildet; enthält Epitope für Antikörper, die
das Core neutralisieren (Core-Antikörper); wichtigstes serogruppenspezifisches Antigen
6 Die Blauzungenkrankheit in Europa
3. Vektoren
Insgesamt sind aus der Familie der Ceratopogonidae,
die zur Ordnung der Diptera (Zweiflügler) gehört,
ca. 800 blutsaugende Arten der Gattung Culicoides
(„die Kugelförmigen“) bekannt. Die Culicoides erreichen eine Länge von 0,5 bis 4 mm. Die Familie
der Ceratopogonidae wird gemeinhin als Gnitzen
bezeichnet, im englischsprachigen Raum fälschlicherweise auch als „Sandfliegen“ (sandflies), in
Anlehnung an die Größe eines Sandkorns. Aufgrund ihrer geringen Größe fliegen Gnitzen normalerweise nicht bei Wind; allerdings können sie
selbst bei schwachen Winden mit Geschwindigkeiten unter 5 km/h mehrere Kilometer pro Nacht
transportiert werden. Zwar wurde die Art C. imicola
als derjenige Vektor identifiziert, der für Ausbrüche
der Erkrankung in Afrika und Südeuropa hauptsächlich verantwortlich ist. Doch wurde der Ausbruch im westlichen Mitteleuropa offenbar durch
C. obsoletus verursacht. Die folgenden Besonderheiten des Lebenszyklus von C. obsoletus machen
diese Art der Gnitzen zu einem guten Vektor:
a) C. obsoletus vermehrt sich in der Nähe von
Rindern und Schafen.
b) Adulte Exemplare sind in der Zeit von Anfang
März bis weit in den Dezember hinein flugaktiv.
c) Mit 3,5 Monaten ist die adulte Lebensphase
von C. obsoletus deutlich länger als bei anderen
Culicoides-Arten.
Der Lebenszyklus (Abb. 4) vieler Culicoides-Arten
ist noch nicht umfassend untersucht. Während im
Sommer die Entwicklung vom Ei bis zum adulten
Exemplar aufgrund der hohen Temperaturen innerhalb von 3 bis 4 Wochen abgeschlossen ist, können im Winter Larven bzw. Puppen offenbar an
ihrer Brutstätte überwintern. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass
C. obsoletus seine Eier in der Nähe von offenen
Ställen oder sogar innerhalb dieser ablegt, wodurch
C. obsoletus trotz langer Winter ganzjährig auftreten kann („Überwinterungsmechanismus“).
Abb. 4: Der Lebenszyklus von Culicoides
Adulte Tiere
Kurze Lebensdauer (10-20 Tage)
Bei Sonnenauf- und -untergang
aktiv. Anfällig für Austrocknung.
Hauptsächliches Vorkommen
zwischen Spätfrühling und
Frühherbst
Paarung
Blutsaugen
Gonadotroper Zyklus des
adulten Weibchens
Eireifung
Eiablage
Puppe
Feuchtes Habitat
Dauer: 2 Tage bis 4 Wochen
Lebenszyklus von Culicoides
(temperaturabhängig)
Eier
Feuchtes HabitatSchlüpfen
nach 2 bis 7 Tagen
Entwicklung und Überleben
Larve
Entwicklung und
Überleben
Feuchtes Habitat
Dauer: 4 Tage bis mehrere Monate
Diapause bei kaltem Winter
Purse et al. 2005, IAH-Pirbright
4. Epidemiologie
4.1 Prinzipien der Übertragung von BTV
BT ist nicht kontagiös und kann nur von einem
Tier auf ein anderes übertragen werden, wenn infektiöses Blut oder infektiöse Gewebesuspension
parenteral in den Wirt gelangen. Der bei weitem
effektivste Übertragungsweg ist die Übertragung
durch blutsaugende Insekten (s. Abb. 5a). Dage-
gen enthalten die Exkremente und die Sekrete der
infizierten Tiere das Virus lediglich in minimalen
Konzentrationen, und selbst die für die Erkrankung empfänglichen Tiere sind relativ resistent
gegenüber oralen Infektionen. Vom epizootiologischen Standpunkt aus können also tierische
Produkte wie Fleisch, Milch und Wolle aus befallenen Betrieben und sogar von infizierten Tieren als
Abb. 5a: Mögliche Wege der horizontalen Übertragung von BTV
Abb. 5b: Mögliche Wege und Folgen der vertikalen Übertragung von BTV
Infiziertes Sperma
Infiziertes Sperma
Virämie nach Infektion
oder
oder
Tod des Embryos/Fetus
Missbildungen
Gesundes, seropositives
Kalb bzw. Lamm
Virämie nach Infektion
8 Die Blauzungenkrankheit in Europa
Die Übertragung durch Culicoides ist der
bei weitem effektivste Übertragungsweg
unbedenklich angesehen werden. Ob andere
Insekten, wie leckende und stechende Fliegen,
Tabaniden (Bremsen) oder Lausfliegen, infiziertes
Blut übertragen oder mechanisch verbreiten und
somit eine BTV-Infektion verursachen können,
bleibt noch zu klären.
Sperma von BTV-infizierten Bullen, das während
der Virämie entnommen wurde, kann infektiös
sein – mit der Folge, dass die Infektion auf Kühe
übertragen werden kann, die mit diesem Sperma
inseminiert werden (Erasmus 1990) (s. Abb. 5a /
5b).
Bei trächtigen Tieren kann es zu einer diaplazentaren Infektion des Embryos bzw. des Fetus kommen.
über das Speichelsekret übertragen wird (s. Abb.
6). Wie stark sich das Virus vermehren kann,
hängt maßgeblich von der Außentemperatur ab.
So liegt die optimale Temperatur für die Virusgenese bei über 25 °C. Bei Temperaturen unter 12 °C
findet keine Virusreplikation statt. Schließlich erreicht das Virus die Speicheldrüse. Die infizierte
Gnitze überträgt das Virus nun ihrerseits auf andere Wiederkäuer. Eine einmal infizierte Gnitze bleibt
ihr Leben lang infektiös. Die Frage, ob BTV innerhalb der Vektorpopulation auch transovariell übertragen werden kann, war Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Diese kamen allerdings zu keinem überzeugenden Ergebnis. Daher
wird angenommen, dass BTV innerhalb der Vektorpopulation nicht transovariell übertragen wird.
4.2 Replikation und Persistenz von BTV
im Vektor
4.3 Saisonales Auftreten
Adulte weibliche Gnitzen der Gattung Culicoides
infizieren sich mit BTV, wenn sie eine Blutmahlzeit
bei einem virämischen Wiederkäuer nehmen. Das
Virus vermehrt sich (Virusgenese) im Verdauungstrakt von Culicoides und verursacht eine systemische Infektion, mit der Folge, dass es in die Speicheldrüsen gelangt und während der Blutmahlzeit
Die Epizootiologie von BT steht in engem Zusammenhang mit der Biologie ihres Vektors. Daher
tritt BT saisonal auf, vor allem im Spätsommer und
zu Herbstanfang. Die Virusübertragung beginnt zu
Frühlingsanfang, wenn Insekten ihre Flugaktivität
aufnehmen, und dauert bis zum ersten starken
Frost, in dessen Verlauf adulte Culicoides sterben.
Abb. 6: Replikation und Persistenz von BTV im Vektor
??
Adulte weibliche Exemplare infizieren sich während einer Blutmahlzeit
bei virämischen Tieren
Replikation im Verdauungstrakt
(Temperaturen > 12 °C erforderlich)
Das Virus erreicht die Speicheldrüse
und wird während der Blutmahlzeit
mit dem Speichel ausgeschieden.
Eine einmal infizierte Gnitze bleibt ihr
Leben lang infektiös.
Im Allgemeinen überwintert Culicoides im Larvenstadium. Allerdings wurden im Rahmen jüngster
Untersuchungen auch während der Wintermonate
geringe Stückzahlen weiblicher Culicoides-Exemplare gefangen (unveröffentlichte Daten von Denison und Mellor, De Beken, Baldet und Delécolle).
4.4 Geographische Verbreitung
Die geographische Verbreitung der Erkrankung
und der Infektion ist ausschließlich von der Verbreitung des Vektors Culicoides abhängig (zur
Verbreitung der einzelnen BTV-Serotypen weltweit
s. Abb. 7). Die Ausbreitung von BTV außerhalb der
tropischen und subtropischen Breiten steht in Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen,
die die Ausbreitung der BTV-tragenden Vektoren
begünstigen. Unter den mehr als 5 000 CulicoidesArten gibt es ca. 12 in Mitteleuropa beheimatete,
hämatophage Arten (Conraths et al. 2007). BTV ist
in einer Zone rund um den Erdball verbreitet, die
sich ungefähr zwischen 40° nördlicher und 35°
südlicher Breite erstreckt. In der Vergangenheit ist
BTV bereits mehrmals auf den europäischen Kontinent übergesprungen. Zwar dauerten einige BTAusbrüche mehrere Jahre an und verursachten
bedeutende wirtschaftliche Schäden, doch wurde
das Virus nicht enzootisch (Mellor und Boorman
1995). In den Jahren 1998 bis 2001 wurde aus
dem Mittelmeerraum eine Reihe von Ausbrüchen,
die durch die Serotypen 2, 4, 9 und 16 bedingt
waren, gemeldet (Mellor und Wittmann 2002).
Diese Serotypen sind auch an den östlichen und
südlichen Grenzen Europas verbreitet. Zudem
Abb. 7: Weltweite Verbreitung der BTV-Serotypen und ihrer Vektoren
C. sonorensis
C. imicola sowie C. pulicaris,
C. obsoletus, C. scoticus und
möglicherweise weitere Arten
Vorherrschender Vektor
unbekannt – C. imicola
und weitere Arten
Vorherrschender Vektor unbekannt – C. brevitarsis, C. actoni,
C. fulvus, C. schultzei und viele
andere Culicoides-Arten
1, 2, 4, 8, 9, 15, 16
10, 11, 13
1-4, 8, 9, 11, 12, 15-18, 21, 23
1-4, 6, 8, 10, 12, 17
C. insignis sowie möglicherweise C. pusillus, C. furens, C.
filarifer und C. trilineatus
1-16, 18-20, 22, 24
C. imicola sowie C. bolitinos und möglicherweise
weitere Arten
1-3, 7, 9, 12, 15, 16, 20, 21, 23
C. brevitarsis sowie C. wadai,
C. actoni, C. fulvus und
möglicherweise weitere Arten
Die in Fettdruck gelisteten Culicoides-Arten werden als vorherrschender BTV-Vektor in der jeweiligen Region
angesehen (falls dieser bekannt ist).
Mac Lachlan und Osburn 2006
10 Die Blauzungenkrankheit in Europa
wurden in diesen Regionen auch die Serotypen 6,
10 und 13 isoliert (Mellor und Wittmann 2002).
Im August 2006 wurden erstmals Fälle von BT in
den Niederlanden (van Wuijckhuise et al. 2006),
in Deutschland (Conraths et al. 2007), Belgien
(Toussaint et al. 2007) und Frankreich gemeldet.
Das verursachende Virus wurde als Serotyp 8
klassifiziert. Als im Jahr 2007 BTV8 auch in Großbritannien auftrat (Landeg 2007), bestätigten sich
frühere Risikobeurteilungen, die von einer hohen
Wahrscheinlichkeit eines BT-Ausbruchs in Großbritannien ausgegangen waren (Gloster et al. 2007,
Gubbins et al. 2007). Auch aus Dänemark und der
Schweiz wurden Infektionen mit dem Serotyp 8
gemeldet.
Zwar ist C. imicola der wichtigste BTV-Vektor im
südeuropäischen Raum (Conte et al. 2007), doch
wurden während der jüngsten BT-Ausbrüche in
Deutschland Gnitzen der Art C. obsoletus als vorherrschende Vektoren identifiziert (Mehlhorn et al.
2007).
Zudem wurden in den Niederlanden BTV-infizierte
Exemplare der Art C. dewulfi gefunden, einer Art,
die ihre Eier in Kuhdung ablegt (Meiswinkel et al.
2007).
Der jüngste Ausbruch von BT in West- und Mitteleuropa wird allgemein als logische Folge des globalen Klimawandels angesehen. Dieser hat dazu
geführt, dass das Virus während der Wintermonate stärker persistiert, dass sich Culicoides imicola,
der hauptsächliche BTV-Vektor in Südeuropa,
weiter nach Norden ausbreiten konnte und dass
das Virus auch über das Verbreitungsgebiet dieses
Vektors hinaus durch andere, in Europa heimische
Culicoides-Arten übertragen wird (Purse et al.
2005).
Im Jahr 2007 wurden aus Portugal und Spanien
mehrere Ausbrüche gemeldet, die durch den
Serotyp 1 verursacht waren. Und gegen Ende der
Risikosaison wurde aus Frankreich der erste Serotyp-1-Fall – ein Ausbruch nahe der spanischen
Grenze – gemeldet.
5. Pathogenese
5.1 Virusreplikation und Virämie im Endwirt
Nach der Infektion eines Tieres durch einen Insektenstich vermehrt sich BTV zunächst in den regionalen
Lymphknoten (primär affines Gewebe). Anschließend breitet es sich in weitere Lymphknoten, das
lymphoretikuläre Gewebe und das Endothel aus und
gelangt über die Kapillargefäße, Arteriolen und Venolen in umliegende Zellen. Sobald sich das Virus in
seinen Zielzellen vermehrt hat, erscheint es auch im
Blutkreislauf und verbreitet sich im gesamten Organismus. Daher werden auch die meisten Organe und
Körpergewebe zu einem gewissen Grad infiziert.
Allgemein kann eine Virämie, abhängig von der
Infektionsdosis und dem Verbreitungsweg des Virus
innerhalb des Organismus, bereits 3 bis 6 Tage nach
der Infektion nachgewiesen werden. Das Virus tritt
hauptsächlich in der Zellfraktion auf (zellgebundene
Virämie). Initial bindet das Virus sowohl an Leukoals auch an Erythrozyten. Später beschränkt sich die
Anbindung jedoch hauptsächlich auf Erythrozyten.
Zudem tritt das Virus in geringerem Ausmaß auch
frei im Plasma auf. Während die zellgebundene
Virämie von langer Dauer ist, tritt das Virus nur
vorübergehend frei im Plasma auf.
Die BTV-Infektion ist nicht persistent. Da sich das
Virus in den Erythrozyten nicht vermehrt, ist die
Dauer der Virämie zum Teil durch die Lebensdauer
der Erythrozyten bedingt. Aus diesem Grund dauert die Virämie bei Rindern länger als bei Schafen.
Unter experimentellen Bedingungen können Viruskonzentrationen im Blut, die zur Infektion eines
hämatophagen Vektors ausreichen, bei Schafen ca.
2 Monate und bei Rindern mehr als 3 Monate andauern. Unter natürlichen Bedingungen ist dieser
Zeitraum wahrscheinlich sehr viel kürzer.
5.2 Vaskuläre Schäden in mehreren
Organsystemen
Im Endothel der kleinen Blutgefäße und im umliegenden Zellgewebe verursacht die Virusreplikation
Nekrosen und löst reaktive Prozesse aus, die wiederum zu Gefäßokklusionen, zu Stasen und zur
Exsudation führen. Dadurch kommt es zur Hypoxie
im versorgten Gewebe und zu sekundären Epithelläsionen. Der Schweregrad dieser Sekundärläsionen
hängt – insbesondere im mehrschichtigen Plattenepithel – stark vom Blutdruck und von der mechanischen Zerstörung („Abrasio“) ab.
5.3 Reproduktives Syndrom
Das Virus kann diaplazentar übertragen werden.
Ähnlich wie bei Infektionen mit dem BovinenVirusdiarrhö-Virus hängt der Verlauf der fetalen
Infektion davon ab, in welcher Phase der Trächtigkeit die Infektion auftritt. Tritt die Infektion während des 1. Trimesters auf, kann es zum Tod des
Fetus bzw. Embryos kommen (s. Abb. 8). Tritt die
Infektion im 2. Trimester auf, kann es zur Zerstörung der Vorläufer von Neuronen und Gliazellen
kommen – mit der möglichen Folge von kongenitalen Anomalien wie Hydroenzephalie oder Retinadysplasie. Tritt die Infektion im 3. Trimester auf,
wird im Fetus eine Immunantwort in Gang gesetzt
und die Infektion wird eliminiert.
Bei Schafen treten sporadisch BT-bedingte Aborte
und fetale Missbildungen auf. Im Vergleich zu
kongenitalen Anomalien treten Aborte selten auf,
wobei einige Aborte unspezifisch und unmittelbar
durch den Stress der systemischen Infektion des
Mutterschafes bedingt sein dürften.
Abb. 8: Auswirkungen der diaplazentaren BTV-Infektion während verschiedener Phasen der Trächtigkeit
1. Trimester
2. Trimester
Tod des Embryos/Fetus
Kongenitale Anomalien
(Zentralnervensystem)
3. Trimester
Normales, seronegatives Kalb
12 Die Blauzungenkrankheit in Europa
6. Symptomatik
Erosionen der Mund- und der Nasenschleimhaut
Gesichtsödeme
Verlust der Wolle
6.1 Allgemeine Symptomatik von BT
Zwar kann BTV alle Wiederkäuer infizieren, am
deutlichsten sind die Krankheitssymptome aber beim
Schaf. Andere Nutztiere, wie Rinder oder Ziegen
zeigen nicht immer klinische Erscheinungen. Selbst
bei Schafen entwickelt nur ein relativ kleiner Anteil
der virämischen Tiere klinische Symptome, deren
Schweregrad vom BTV-Serotyp und der Infektionsdosis sowie vom Alter, dem Allgemeinzustand und
der Widerstandsfähigkeit des Tieres abhängt. So
kann die Infektion bei virämischen Tieren einen
klinisch inapparenten oder aber einen leichten bis
schweren Verlauf nehmen. Einige Schafrassen (z. B.
Merinoschafe/Dorset Poll) sind besonders empfänglich für die Erkrankung.
Klinisch manifestiert sich BT in Form von zwei unterschiedlichen Syndromen:
1) vaskuläre Schäden in mehreren Organsystemen
2) reproduktives Syndrom
Die klinischen Symptome von BT sind sehr variabel.
Daher sollte von einer BT-Erkrankung ausgegangen
werden, wenn ein oder mehrere Schafe oder Rinder
die folgenden Symptome zeigen:
• Depression und schweres Atmen oder Schnaufen
• hohes Fieber
• oberflächliche Hämorrhagien oder offene Wunden
oder Bläschen an Zunge, Maul oder Nasenöffnungen
• verstärktes Speicheln und verstärkter Tränenfluss
• Rötung der Haut im Gesicht, am Nacken oder am
Körper
• Lahmheit, einhergehend mit angeschwollenen,
rötlich-blauen Arealen am Hornansatz und am
Kronsaum
• Konditionsverlust und Muskelschwäche
• Verlust der Wolle
Insbesondere in späteren Infektionsstadien können
die Symptome von BT denen der Maul- und Klauenseuche ähneln (Dekker et al. 2007).
Bei trächtigen Tieren kann die Infektion zu Unfruchtbarkeit, zur Mumifizierung des Fetus, zum Abort
oder zu Totgeburten führen (s. auch Pathogenese).
6.2 Spezifische Merkmale der Infektion mit BTV8
Berichte zu den klinischen Symptomen, die während
des Ausbruchs von BTV8 in West- und Mitteleuropa
beobachtet wurden, liegen aus den Niederlanden
(Dercksen et al. 2007, Dekker et al. 2007, van
Wuijckhuise et al. 2006) und aus Deutschland vor
(Conraths et al. 2007).
Im Vergleich zu Berichten über Epizootien, die durch
andere Serotypen verursacht wurden, scheinen Rinder nach einer Infektion mit den jüngsten, in Westund Mitteleuropa aufgetretenen Stämmen des Serotyps 8 häufiger klinische Symptome zu zeigen. Im
Allgemeinen entwickeln nur wenige Tiere einer Herde eine klinisch manifeste Erkrankung. Allgemeine
Symptome, die durchweg beobachtet wurden, waren
Hyperthermie, Depression und eine Verringerung der
Milchleistung.
Spezifische Symptome treten an folgenden Körperteilen auf: 1. Kopf (Erosionen der Mund- und Nasenschleimhaut, in schweren Fällen Atemwegsprobleme
und mukopurulenter Nasenausfluss, vermehrter
Tränenfluss, periorbitale Erytheme und Petechien,
Gesichtsödeme); 2. Zitzen, Euter und Vulva (Ödeme,
Erytheme und Ulcera); 3. Haut (der Lichtdermatose
ähnliche Läsionen sowie Wollverlust); 4. Beine (Ödeme, Läsionen im Bereich des Zwischenklauenspaltes,
Lahmheit).
Im Allgemeinen ähnelt das klinische Bild der Erkrankung bei Schafen dem klinischen Bild bei Rindern, bei
Schafen ist der Krankheitsverlauf aber schwerer und
der gesundheitliche Allgemeinzustand häufiger beeinträchtigt. Die vorherrschenden Symptome waren
Fieber und Inappetenz (Conraths et al. 2007).
Interessanterweise wurde bei der Sektion von Rindern,
die im Rahmen von Infektionsversuchen mit den
jüngsten west- und mitteleuropäischen Isolaten des
Serotyps 8 infiziert worden waren, weitaus schwerere
Organschäden festgestellt als hinsichtlich der beobachteten leichten Symptomatik zu erwarten gewesen
wäre. Dagegen bestand hinsichtlich der pathologischen und klinischen Befunde bei Schafen, die mit
demselben Isolat von BTV8 infiziert worden waren,
größere Übereinstimmung zwischen Pathologie und
Klinik (Darpel et al. 2007).
In den Niederlanden wurde ein Fall von klinisch manifestierter BT bei Ziegen beschrieben (Dercksen et al.
2007). Im Allgemeinen sind klinisch manifeste Fälle
von BT bei Ziegen sehr selten, und dies, obwohl
Ziegen nach Versuchsinfektionen ähnliche klinische
Symptome wie Schafe aufweisen (Backx et al. 2007).
Auf der Grundlage von Mortalitäts- und Letalitätsraten bei Schafen und Rindern verschiedener
Länder wurde die Ansicht vertreten, dass sich der
Schweregrad der BT-Epizootie zwischen 2006
und 2007 nicht dramatisch verschlechtert hat
(Szmaragd et al. 2007).
Erosionen der Mund- und der Nasenschleimhaut
Verstärkter Tränenfluss
Eutererytheme und Schorf an den Zitzen
Lahmheit
14 Die Blauzungenkrankheit in Europa
7. Immunreaktion
Immunkompetente Tiere, die die BTV-Infektion
überleben, bilden innerhalb von 5 bis 10 Tagen
spezifische Antikörper. Die serotypspezifischen
neutralisierenden Antikörper gegen VP2 und VP5
werden lebenslang gebildet, die serogruppenspezifischen Antikörper gegen VP7 hingegen nur 6 bis
18 Monate lang (Erasmus 1990). Daher verfügen
Wiederkäuer nach einer natürlichen BTV-Infektion
über eine belastbare, lebenslang anhaltende Immunität gegen den homologen Serotyp. Gegen
andere (heterologe) Serotypen sind sie jedoch nur
teilweise oder gar nicht geschützt. Aus diesem
Grund geht von Tieren, die von der Infektion genesen sind, keine Gefahr einer Übertragung des
Virus, mit dem sie infiziert waren, aus, wenn vor
ihrer Verbringung nachgewiesen wurde, dass sie
virusfrei sind.
Eine protektive Immunität ist im Allgemeinen mit
dem Vorliegen neutralisierender Antikörper assoziiert. Allerdings treten manchmal Fälle auf, bei denen Tiere eine Infektion mit virulentem BTV überstehen, ohne dass neutralisierende Antikörper
nachgewiesen werden können. Es gibt immer
deutlichere Hinweise darauf, dass bei Schafen
auch die zellvermittelte Immunantwort auf eine
BTV-Infektion Schutzwirkung entfaltet und dass
diese eventuell weniger serotypspezifisch ist als die
humorale Immunantwort (Jeggo et al. 1984a). Von
einer virulenten BTV-Infektion genesene Schafe
zeigen im Belastungsversuch mit einem heterologen virulenten Serotyp zumindest einen Teilschutz
und im zweiten und dritten Belastungsversuch
trotz des Nichtvorliegens von nachweisbaren neutralisierenden Antikörpern einen vollständigen
Schutz (Jeggo et al. 1983).
Außerdem erhalten die Lämmer von BTV-infizierten Mutterschafen eine passive Immunität, die
einen partiellen Schutz bieten kann (Jeggo et al.
1984c). Die Dauer dieser Kolostralimmunität hängt
vom anfänglichen Niveau ab und hält höchstens
6 Monate lang an. Lämmer, die über eine passive
Immunität verfügen, könnten erst dann wirksam
mit Lebendimpfstoffen geimpft werden, wenn die
maternalen Ak verschwunden sind.
8. Labordiagnostik
Obwohl die Diagnose „Verdacht auf BT“ häufig anhand der klinischen und pathologischen Symptome
gestellt werden kann, ist eine labortechnische Bestätigung erforderlich. Hierzu stehen die folgenden
Verfahren zur Verfügung (Conraths et al. 2007):
• Virusnachweis
Direkt:
• Virusanzüchtung und -isolierung aus Hühnerembryonen oder Zellkulturen, die mit (nicht
koaguliertem) Blut oder Gewebeproben angelegt wurden (die Proben müssen gekühlt werden, dürfen aber nicht einfrieren!)
Indirekt:
• Nachweis von BT-Antigenen in Gewebeproben
(z. B. in der Milz oder in Lymphknoten) mittels
Immunfluoreszenz
• Nachweis der BTV-RNA durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Realtime-PCR in (nicht
koaguliertem) Blut oder in Gewebeproben
• Antikörpernachweis
• Zwar sind klassische Verfahren wie die
Immundiffusion und der Hämolyse-Hemmtest
verfügbar, doch wird für die routinemäßige
Diagnose vorzugsweise der ELISA verwendet.
• Kompetitiver ELISA (kommerziell erhältlich)
(Afshar et al. 1992)
– Blutproben (Plasma oder Serum)
• Indirekter ELISA (kommerziell erhältlich)
– Milchproben (einzelner Tiere oder gepoolt)
Die Sensitivität der Tests kann je nach Labor unterschiedlich ausfallen. Im Allgemeinen kann das
Virusgenom aber bereits 3 Tage post infectionem
(mittels Realtime-PCR) im Blut nachgewiesen
werden. Der Antikörpernachweis mittels ELISA
kann bereits 5 bis 10 Tage post infectionem positive Ergebnisse liefern.
9. Prophylaxe und Bekämpfung
9.1 Rechtlicher Rahmen und allgemeine
Anmerkungen
Die Weltorganisation für Tiergesundheit (Office
International des Epizooties, OIE), die internationale
Standards zur Tiergesundheit festlegt, klassifiziert
BT als Erkrankung der Liste A. Dies bedeutet, dass
bei dieser Erkrankung die Möglichkeit einer raschen
Ausbreitung besteht und dass sie von relevanter
Bedeutung für den internationalen Handel ist. In
der Vergangenheit wurden BT-Ausbrüche in der
Anfangsphase häufig durch Keulung bekämpft.
Des Weiteren ist der Export von lebenden Tieren
(sowohl von domestizierten als auch von Wildtieren), Sperma, Oozyten und Embryonen aus befallenen Gebieten verboten. Diese Handelseinschränkungen bei BT-Ausbrüchen stellen mittlerweile eine
ernstere Bedrohung für die Viehindustrie dar als die
Erkrankung an sich. Wenn BT sich in einem Land
einmal etablieren konnte, ist eine Eradikation der
Erkrankung unter Umständen unmöglich, und selbst
die Beherrschung der Erkrankung gestaltet sich als
schwierig. Aufgrund des breiten Wirtspektrums des
Virus und der wahrscheinlichen Existenz latent infizierter Trägertiere ist eine Elimination der Virusquelle schwer möglich. Nach derzeitigem Kenntnisstand
ist eine Eradikation oder eine effektive zahlenmäßige Verringerung des BTV-Vektors ebenso wenig
durchführbar. Aus diesen Gründen sollte ein Ansatz
verfolgt werden, der die Bekämpfung der Erkrankung mit Schutz- und Präventionsmaßnahmen
kombiniert (Saegerman et al. 2007).
In Deutschland und den Ländern der EU ist die
Blauzungenkrankheit anzeigepflichtig. Seit dem
1. November 2007 gelten EU-weit zum Schutz vor
der Verschleppung der Blauzungenkrankheit die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1266/2007 der Kommission vom 26. Oktober 2007. Mit In-Kraft-Treten
der Verordnung (EG) Nr. 1266/2007 [Verordnung
(EG) Nr. 1266/2007 der Kommission vom 26. Oktober 2007 mit Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2000/75/EG des Rates hinsichtlich der Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit sowie der Beschränkungen, die für
Verbringungen bestimmter Tiere von für die Blauzungenkrankheit empfänglichen Arten gelten] wird
die Entscheidung 2005/393/EG aufgehoben.
National gilt in Deutschland die „Verordnung zum
Schutz gegen die Blauzungenkrankheit“ in der Fassung vom 22.3.2002, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung von Verordnungen zum Schutz
vor der Blauzungenkrankheit vom 21.12.2007.
Da der Ausbruch der Blauzungenkrankheit eine
ernste Gefahr für die Tierhaltung in der betroffenen
Region, im jeweiligen Mitgliedstaat und für die
ganze EU darstellt, sind alle Maßnahmen darauf gerichtet, vor allem eine Ausbreitung der Seuche zu
verhindern. Näheres dazu ist in der EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung vom 31. August 2006 in der Fassung vom 06.05.2008 geregelt.
Die Durchführung von prophylaktischen Schutzimpfungen wird durch die Verordnung über bestimmte
Impfstoffe zum Schutz vor der Blauzungenkrankheit
und zur Änderung der EG-BlauzungenbekämpfungDurchführungsverordnung vom 2. Mai 2008 geregelt.
Sperrzone, Schutzzone und Beobachtungsgebiet
Es ist eine Sperrgebiet sowie ein Beobachtungsgebiet festzulegen, das Wiederkäuer nicht verlassen
dürfen. Der Transport innerhalb des Beobachtungsgebietes ist jedoch gestattet. In der Sperrzone müssen die Tiere während der Nacht in ihren Ställen
bleiben, der Transport auf oder von den Höfen ist
verboten. Der Einsatz von Insektiziden ist vorgeschrieben, um den Überträger des Virus auszurotten.
Die Zonen werden in Abhängigkeit von den verfügbaren epidemiologischen, geografischen, entomologischen und klimatischen Daten festgelegt. Da das
Klima einschließlich Windverhältnisse einen großen
Einfluss auf die Epidemiologie hat, muss mit deutlicher Dynamik hinsichtlich der Grenzen infizierter
Gebiete gerechnet werden. In Deutschland wurde
als Sperrgebiet das Gebiet um den betroffenen
Betrieb mit einem Radius von mindestens 100 Kilometern festgelegt. Das Sperrgebiet um die betroffenen Betriebe mit einem Radius von 100 km und
das Gebiet um das Sperrgebiet in einer Tiefe von
50 Kilometern ist als Beobachtungsgebiet zu
deklarieren (Verordnung zum Schutz gegen die
Blauzungenkrankheit).
Keulung
Eine Bestandstötung wird durch die BT-Verordnung
nicht zwingend vorgeschrieben. Die Anordnung
obliegt im Falle eines Ausbruchs der zuständigen
Behörde (s. Tab. 2).
Die Behandlung von Wiederkäuern mit Insektiziden
birgt Vorteile, da jeder verhinderte Insektenstich das
Risiko einer Virusübertragung verringert.
9.2 Vektorbekämpfung
Eine Bekämpfung des Vektors durch betriebstechnische Maßnahmen – wie Veränderungen beim
Habitat (Lagerung von Dung weit abseits der Tiere;
Austrocknen von Wasseransammlungen) oder Aufstallung der Tiere zu den Zeiten größter Flugaktivität nachtaktiver Insekten (nachts, insbesondere
während der Morgendämmerung) – kann nur teilweise erfolgreich sein. So ist die Anwendung von
Insektiziden oft unvermeidlich. Da heutzutage der
Umweltschutz nicht außer Acht gelassen werden
darf, sind Maßnahmen wie die gezielte Anwendung von Insektiziden gegen adulte Formen mit
nachweislich geringer Toxizität für Säugetiere (z. B.
synthetische Pyrethroide) in den Stallungen und in
ihrer Umgebung sowie die direkte Anwendung
dieser Adultizide am Zieltier einer großflächigen,
aus der Luft erfolgenden Anwendung vorzuziehen. Zudem gibt es einige systemisch anzuwendende Insektizide, die Culicoides bereits während
der Blutmahlzeit abtöten könnten. Des Weiteren
könnte die Anwendung von Larviziden an den
Brutstätten von Culicoides auch längerfristig effektiv sein, während die Wirkung von Repellentien
nur von kurzer Dauer ist, weshalb u. U. eine tägliche Anwendung erforderlich sein kann (Mellor
und Wittmann 2002).
Mit jeder getöteten weiblichen Culicoides sinkt die
Größe der potenziellen Nachkommenschaft in der
näheren Umgebung grasender Wiederkäuer. Somit
kann die frühzeitige (abhängig vom Wetter) Anwendung von Insektiziden im Laufe der Zeit dazu
beitragen, die Zahl der Gnitzen in der näheren
Umgebung grasender Wiederkäuer zu verringern,
wodurch wiederum das Risiko einer Virusübertragung sinkt. Wenn die Vektorbekämpfung in
Betracht gezogen wird, gilt es, einige Faktoren zu
berücksichtigen:
• Ist das gewählte Präparat wirksam gegen
Culicoides?
• Pour-on-Behandlung: Gelangt der wirksame
Bestandteil nach der Pour-on-Behandlung vom
Rücken an die bevorzugten Stichstellen?
• Wie lange hält die Schutzwirkung an?
• Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit des
Präparats bei verschiedenen Wiederkäuern
(Rinder, Ziegen, Schafe)?
• Art der Anwendung: Da Schafe dichtes Vlies
haben, ist es wichtig, beim Pour-on-Verfahren
die Wolle zu scheiteln, sodass das Präparat
direkt auf die Haut aufgebracht werden kann.
Spezifische Eigenschaften von
Butox® 7,5 mg/ml pour on
Anders als andere Pyrethroide enthält Butox® 7,5
mg/ml pour on ein reines Deltamethrin-Isomer und
entfaltet daher selbst in niedrigen Konzentrationen eine starke Wirkung. Das Präparat wird gebrauchsfertig ausgeliefert und kann im Pour-onVerfahren auf den Rücken des Tieres aufgetragen
werden. Es ist speziell für den Schutz vor Fluginsekten konzipiert und es ist nachweislich wirksam
gegen alle Arten von stechenden und nicht stechenden Fliegen. Butox® 7,5 mg/ml pour on ist bis
zu 10 Wochen lang wirksam, dies ist jedoch nicht
im Detail untersucht und zugelassen. In einer vor
kurzem durchgeführten Studie wurde gezeigt,
dass Butox® 7,5 mg/ml pour on Culicoides-Gnitzen,
die Vektoren der Blauzungenkrankheit, paralysiert
Tab. 2: Maßnahmen zur Bekämpfung der BT, Maßnahmen zum Schutz vor BT
sowie Präventionsmaßnahmen
Bekämpfung
Schutzmaßnahmen
Prävention
• Keulung (von Tieren mit klinisch manifester Erkrankung
oder sogar ganzer Herden mit erkrankten Tieren)
• Schutzzonen
• Impfung
• Vektorbekämpfung durch Insektizide oder Repellenzien
• Überwachung
– klinisch
– serologisch
– virologisch
– entomologisch
Saegerman et al. 2007
• Kontrollzonen
• Einschränkung der
Verbringung von Tieren
und Keimzellen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die
Lebendimpfstoffe in Hinblick auf die Verhinderung
von klinischen Symptomen wirksam sind, aber ein
ungünstiges Sicherheitsprofil aufweisen.
oder tötet (Mehldorn et al. 2008). In dieser Studie
wurde die Wirksamkeit über einen Zeitraum von
28 Tagen bei Rindern und Schafen nachgewiesen.
Drei wichtige Eigenschaften sind zu berücksichtigen:
1) Culicoides-Gnitzen sind sensitiv gegenüber
Butox® 7,5 mg/ml pour on, wenn das Präparat
bei Rindern und Schafen angewendet wird.
2) Das Präparat gelangt bis an die Füße des Tieres,
die bevorzugte Stichstelle von Culicoides.
3) Bei Kontakt mit Butox® 7,5 mg/ml pour on wird
Culicoides paralysiert oder abgetötet.
9.3 Impfung gegen BTV
Da die Impfung keine Kreuzprotektion gegen heterologe Serotypen bietet, ist es von größter Wichtigkeit, dass der Impfstoff den relevanten Serotyp
abdeckt.
Die Impfung gegen BTV sollte zudem zwei Ziele
verfolgen: Sie sollte erstens das Auftreten der klinischen Zeichen der Blauzungenkrankheit verhindern und zweitens das Ausmaß von Virämien verringern oder deren Auftreten ganz verhindern. Um
den Nutzen einer Impfung zu maximieren, wird
empfohlen,
1) die Impfung bereits vor Beginn der Risikophase,
also vor Beginn der Aktivität von Culicoides,
durchzuführen und
2) innerhalb von Risikogebieten großflächige Impfungen aller empfänglichen Tierarten vorzunehmen, statt lediglich solche Tiere zu impfen, die
von der Erkrankung am stärksten betroffen
sind.
Erfahrungen zur BTV-Impfung aus
europäischen Mittelmeerländern
In den betroffenen europäischen Mittelmeerländern hatte das Auftreten der Blauzungenkrankheit
beträchtliche wirtschaftliche Auswirkungen. Um
die direkten Verluste zu begrenzen, die Zirkulation
von BTV einzudämmen und die sichere Verbringung von Tieren zu ermöglichen, leiteten die zuständigen Behörden in Italien, Frankreich, Portugal
und Spanien Impfungen von Viehbeständen ein,
die unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Richtlinien, der geographischen Verbreitung
der aufgetretenen Serotypen und der Verfügbarkeit angemessener Impfstoffe durchgeführt wurden (Savini et al. 2007a; s. Tab. 3).
In allen vier Ländern wurden modifizierte Lebendimpfstoffe des Herstellers Onderstepoort Biological
Products aus Südafrika verwendet. Zu jenem Zeitpunkt waren dies die einzigen kommerziell verfügbaren Impfstoffe gegen BTV. Allerdings weisen
Tab. 3: Impfkampagnen gegen die Blauzungenkrankheit in Europa
Modifizierte Lebendimpfstoffe
Impfstoff
Frankreich
(Korsika)
Spanien
Schafe
Schafe
Rinder
Schafe
2002-2002
2002-2006
2002-2006
2000-2001
2003-2004
2004-2006
2004-2006
2002-2006
2002-2006
2004
2004
Rinder
Portugal
Schafe
Rinder
BTV3, 8, 9, 10, 11
BTV2
BTV4
BTV2&4
2004-2006
BTV2&9
BTV16
BRV2, 4, 9, 16
2004
2004
2005-2006
2005-2006
BTV1
2007
2007
2007
2005-2006
2005-2006
2005-2006
2005
BTV4
BTV2&4
2005-2006
2003
2004
BRV2, 4, 16
BTV2
Bulgarien
Schafe
1999-2000
BTV2, 4, 9
Inaktiviert
Italien
2006
2005-2006
2005-2006
18 Die Blauzungenkrankheit in Europa
diese Impfstoffe einige Nachteile auf (Mellor und
Wittman 2002):
• Sie sind nicht für den Gebrauch innerhalb der
EU zugelassen.
• Sie können teratogene Wirkung entfalten und
sind somit nicht zu Behandlung tragender
Mutterschafe geeignet.
• Bei den angebotenen Impfstoffen handelt es
sich um drei pentavalente Standardimpfstoffe.
Es gibt Hinweise dafür, dass das Immunsystem
keine angemessene Immunantwort entwickelt,
wenn es mit mehreren Serotypen auf einmal
konfrontiert wird (Jeggo et al. 1984b).
• Die südafrikanischen Impfstoffe waren auf den
Schutz vor einer Erkrankung bei Schafen ausgelegt, nicht aber auf die Eradikation von BTV. In
den Mittelmeerländern war es aber erforderlich,
auch den Übertragungszyklus des Virus zu
unterbrechen.
• Der Impfstamm kann von Culicoides auch auf
ungeimpfte Tiere übertragen werden (Ferrari
et al. 2005, Venter et al. 2007).
Nach dem Auftreten von BTV in Spanien, Italien
und Portugal sowie auf Korsika wurden inaktivierte
Impfstoffe gegen BTV2 und BTV4 im Feld einge-
setzt (Savini et al. 2007a).
Die Wirksamkeit der inaktivierten Impfstoffe wurde im Feld indirekt dadurch bestätigt, dass von
den mehr als 40 000 geimpften, saisonal wandernden spanischen Rindern alle mit Ausnahme
von 2 BTV-negativ blieben, obwohl sie sich in einem
Sperrgebiet mit BTV-Zirkulation aufgehalten hatten (Jimenez-Clavero et al. 2006). Der erste inaktivierte Impfstoff gegen BTV1 erhielt in Spanien in
der zweiten Hälfte des Jahres 2007 die vorläufige
Zulassung. Impfungen wurden in den betroffenen
Regionen und in angrenzenden Gebieten durchgeführt.
Experimentelle Impfstoffe gegen BTV
Die Wirksamkeit verschiedener inaktivierter BTVImpfstoffe wurde bereits unter Versuchsbedingungen aufgezeigt (Parker et al. 1975, Savini et al.
2007b). Zudem wurde ein rekombinanter Impfstoff auf Basis von Kanarienpocken entwickelt, in
dem auch Gene, die für die äußeren Kapsidproteine VP2 und VP5 kodieren, koexprimiert wurden
(Boone et al. 2007). Des Weiteren sind BT-Virusproteine, die durch Expressionsvektoren (Baculoviren) erzeugt wurden, in Belastungsversuchen getestet worden (Roy et al. 1992, Van Dijk 1993).
10. Bovilis® BTV8
Angesichts des nach dem ersten Auftreten klinischer Fälle im Jahr 2006 dringenden Bedarfs an
einem Impfstoff gegen BTV8, der Nachteile modifizierter Lebendimpfstoffe sowie der zulassungsrechtlichen Schwierigkeiten bei genetisch modifizierten Impfstoffen war ein inaktivierter BTV8Impfstoff das Mittel der Wahl für die Anwendung
in West- und Mitteleuropa. Kurz nach dem ersten
Ausbruch wurde der Impfstamm in den Labors der
Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Intervet in Boxmeer (Niederlande) aus einer niederländischen Kuh isoliert, die sich auf natürlichem Weg
infiziert hatte.
Als Adjuvantien wurden Saponin und Aluminiumhydroxid (Al[OH]3) ausgewählt. Zu dieser Entscheidung haben in nicht unerheblichem Maße die
positiven Erfahrungen beigetragen, die mit diesen
Adjuvantien in anderen bewährten Impfstoffen
(z.B. Bovigrip® RSP plus) gemacht wurden.
Vorläufige Ergebnisse aus Belastungsversuchen,
die von unabhängigen Forschungseinrichtungen
durchgeführt wurden, zeigen, dass der Impfstoff
bei Schafen bereits nach einmaliger Anwendung
eine Virämie verhindert. Bei Rindern trat in Belastungsversuchen nach einer Grundimpfung mit
zwei Impfdosen im Abstand von 3 Wochen bei
signifikant weniger Tieren eine Virämie auf. Auch
die Dauer der Virämie wurde deutlich reduziert.
Die labortechnischen Daten zur Sicherheit und zur
Wirksamkeit von Bovilis® BTV8 werden gesondert
veröffentlicht, sobald die Evaluierung der Ergebnisse abgeschlossen ist.
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Am besten Beides:
BTV8-Impfstoff und Gnitzenbekämpfung – die
Butox® 7,5 mg/ml pour on. Für Tiere: Rinder, Schafe. Wirkstoff: Deltamethrin. Zusammensetzung: 1 ml Suspension zum Übergießen enthält: Deltamethrin 7,50 mg; Formaldehyd-Lösung 35 %
0,19 mg. Anwendungsgebiete: Zur Behandlung und Prophylaxe des Befalls bei Rindern mit stechenden (Stomoxys calcitrans, Haematobia spp.) sowie nicht-stechenden Weidefliegen (Musca spp.,
Hippobosca spp.), Läusen (Linognathus vituli, Haematopinus eurysternus), Haarlingen (Bovicola bovis); bei Schafen mit Läusen (Linognathus ovillus), Haarlingen (Bovicola ovis), Schaflausfliegen (Melophagus ovinus). Gegenanzeigen: Keine bekannt. Nebenwirkungen: Pyrethroide wirken lokal irritierend auf Auge und Schleimhäute. Warnhinweise: Die Behandlung sollte nicht während starker
Hitzeperioden durchgeführt werden (Gefahr des Ableckens durch die Tiere). Wartezeit: Rind: Essbare Gewebe 18 Tage, Milch 0 Tage; Schaf: Essbare Gewebe 1 Tag, Milch 12 Stunden. Apothekenpflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Intervet Deutschland GmbH, Postfach 1130, D-85701
Unterschleißheim
Butox® 7,5 mg/ml
pour on
094804-D. April 2009 (003) 101
Doppelsrategie gegen die Blauzungenkrankheit.
Intervet Deutschland GmbH | Feldstraße 1a | D-85716 Unterschleißheim | www.intervet.de
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