6 Fortpflanzung und Entwicklung von Tier und Mensch 6.1 Ungeschlechtliche (asexuelle, vegetative) Fortpflanzung Teilung: bei Einzellern, Seesternen, Hohltieren (Quallen), Ringelwürmern; Keimzerfall: Bildung eineiiger Zwillinge (bei Gürteltieren Spaltung des Keims in 4-12 Teile Regel) Knospung: neuer Organismus wächst aus Muttertier heraus (Süßwasserpolyp); bleiben die Nachkommen mit dem Muttertier in Verbindung, so entstehen Tierstöcke (z.B. Korallen); 6.2 Parthenogenese = Jungfernzeugung = unisexuelle Fortpflanzung Eizellen entwickeln sich ohne Befruchtung (manche Tiere besitzen nur diese Art der Vermehr., sonst als eig. Generationen weit verbreitet -→ Biene, Blattläuse, Wasserflöhe, amer. Eidechsen und auch bei Pflanzen (Löwenzahn); kann auch durch künstl. Reize ausgelöst werden 6.3 (bi-)Sexuelle Fortpflanzung Gameten → Zygote; Körperzellen besitzen im Kern jeweils paarige Chromosomen (Sitz der Erbanlagen); Die Körperzelle ist diploid Keimzellen: besitzen von einem Chromosomenpaar nur einen Partner ⇒ besitzen nur die Hälfte der Chromosomen einer Körperzelle → Die Keimzelle ist haploid 6.4 Befruchtung = Vereinigung von Ei und Samenzelle (Bsp. Seeigel) Linder2 S 88 Akrosom heftet sich an Gallerthülle des Eis und verflüssigt sie lokal; Eirinde lockert auf → Spermium dringt ein und wirft Schwanz ab → Reaktion breitet sich in 60sec aus und führt zur Abhebung einer Befruchtungsmembran, die durch einen flüssigkeitsgefüllten Spalt von der Eirinde getrennt ist → Kerninhalt des Spermienkopfs wird frei und verschmilzt mit Kern der Eizelle (Zygote) → Zentralkörperchen (Centriole) aus Spermienmittelstück verdoppelt sich (die Tochterkörperchen wandern auf gegenüberliegende Seiten des Kerns) → Teilung der befruchteten Eizelle; 13 6.5 Embryonalentwicklung der Tiere 6.5.1 Ablauf erfolgt in 3 Stadien: Furchung, Gastrulation und Organentwicklung (Organogenese) Furchung Hier wird das Cytoplasma der Zygote in viele kleinere Zellen (Blastomere) unterteilt. Die ersten Teilungen führen zu einer vielzelligen Kugel (Blastula), in der sich eine Höhle (Blastocoel) bildet. Im Verlauf der Furchung gelangen unterschiedliche Cytoplasmabereiche in separate Blastomere. Bei Tieren, deren Eier relativ wenig Dotter enthalten, liegt das Blastocoel zentral und die Zellen werden vollständig gefurcht (holoblastische Furchung). Bei Vögeln, Reptilien, vielen Fischen und Insekten ist das Dottervolumen so groß, dass die Masse nicht vollständig gefurcht werden kann – nur der Teil der Eizelle, der keinen Dotter enthält, wird gefurcht (meroblastische Furchung). Gastrulation Nach der Furchung verlangsamt sich die Rate der Zellteilungen. Zellgruppen ordnen sich neu an und bereiten so die spätere Bildung von Geweben und Organen vor. In dieser Phase wird der Embryo als Gastrula bezeichnet. Die Gastrulation beginnt mit einer kleinen Einbuchtung (Urmundlippe) auf der Dorsalseite (Rückenseite) der Blastula. Die Einbuchtung wird von Zellen gebildet, die ihre Form verändern und sich nach innen bewegen. Daraufhin wandern äußere Zelllagen über die Urmundlippe nach innen und ziehen weiter ins Innere. Dieses Einrollen erzeugt den Urdarm und verdrängt das Blastocoel. Dir Urmundlippe bildet einen Kreis, wobei Zellen rund um den Urmund ins Innere wandern. In den Helmuth Bayer D:\Biologie\6. Klasse\2013\Fortpflanzung Tiere 2013.docx 1 von 3 Urmund ragt der Dotterpfropf. Auf die Gastrulation folgt die Neurulation, die durch die Entwicklung des Nervensystems aus dem Ektoderm gekennzeichnet ist. Die 3 Zellschichten, die im Verlauf der Gastrulation entstehen, sind embryonale Gewebe, die gemeinsam als embryonale Keimblätter bezeichnet werden. Im Lauf der Zeit entwickeln sich aus diesen 3 Keimblättern sämtliche Gewebe und Organe des adulten Tieres. aus Campbell/ Biologie für die Oberstufe Die Art und Weise, wie sich die Keimblätter bei verschiedenen Arten bilden ist unterschiedlich, doch sobald sie einmal an Ort und Stelle sind, ist die Gastrulation abgeschlossen. Nun beginnen sich die Organe auszubilden. Organogenese Die Organe, die Chordatieren (z.B. alle Wirbeltiere) zuerst Gestalt annehmen, sind das Neuralrohr und die Chorda dorsalis. Die Chorda entsteht aus dem Mesoderm oberhalb des Urdarms. Das Ektoderm über der Chorda entwickelt sich zur Neuralplatte, die sich nach innen wölbt und zum Neuralrohr schließt. Aus diesem entwickelt sich später das Zentralnervensystem. Bei Wirbeltieren entwickeln sich längs des Neuralrohres Zellstreifen (Neuralleisten), die in verschiedene Regionen des Embryos einwandern und periphere Nerven, Zahnelemente, Schädelknochen und anders bilden. In den Mesodermstreifen seitlich der Chorda bilden sich Zellgruppen, die sich in Blöcke (Somiten) aufteilen. Ein Teil zerfällt in Zellen, die individuell an neue Bestimmungsorte wandern, einige bilden die Wirbel. Zwischen den Wirbeln bleiben Teile der Chorda als innerer Bestandteil der Bandscheiben erhalten. 6.5.2 Steuerung der Entwicklung Da alle Zellen dasselbe Genom besitzen, stellt sich die Frage, warum sie dann so unterschiedlich differenzieren! Es gibt dafür 3 Ursachen: Anlagepläne Die Herkunft einzelner Gewebe und Organe eines späten Embryos lässt sich auf ganz bestimmte Areale von Zellen der Blastula zurückverfolgen (s. Folie). Das Entwicklungspotential einer Zelle wird mit fortschreitender Entwicklung eingeschränkt. Entstehung zellulärer Asymmetrien Ein zweiseitigsymmetrisches Tier besitzt eine anterior-posterior-Achse (Längsachse), eine dorsoventrale Achse (Rücken-Bauch-Achse) sowie eine rechte und eine linke Seite. Bei Fröschen definiert die Lage von Dotter im unbefruchteten Ei die animale beziehungsweise die vegetative Hemisphäre. Helmuth Bayer D:\Biologie\6. Klasse\2013\Fortpflanzung Tiere 2013.docx 2 von 3 Die animal-vegetative Achse bestimmt indirekt die anterior-posteriore Achse. Die Befruchtung legt dann die dorso-ventrale Achse fest (die Eintrittsstelle des Spermiums bestimmt die Dorsalseite). Bei vielen Tieren ist nur die Zygote totipotent, d.h. in der Lage, sich in all die verschiedenen Zelltypen zu verwandeln. In diesen Organismen verläuft die erste Zellteilung asymmetrisch und die beiden Blastomeren erhalten unterschiedliche cytoplasmatische Determinanten (Mosaikentwicklung). Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren bleiben die Zellen von Säugern bis zum 16-Zellstadium totipotent (Regulationsentwicklung). Im Allgemeinen ist das gewebespezifische Schicksal von Zellen im späten Gastrulastadium festgelegt. Festlegung des Zellschicksals und Musterbildung durch induktive Signale Sobald die embryonale Zellteilung Zellen schafft, die sich voneinander unterscheiden, beginnen die Zellen, einander durch Induktion zu beeinflussen. Induktive Signale spielen eine entscheidende Rolle bei der Musterbildung – bei der Entwicklung der räumlichen Organisation eines Tieres, der Anordnung von Geweben und Organen an ihren typischen Plätzen im dreidimensionalen Raum. Die molekularen Schlüsselreize, die die Musterbildung kontrollieren, die sogenannten Positionsinformationen, sagen einer Zelle, wo sie sich im Hinblick auf die Körperachsen des Tieres befindet, und sie helfen festzulegen, wie die Zelle und ihre Abkömmlinge auf molekulare Signalgebung reagieren. 6.5.3 Säuger dotterarme Eier, weil Embryo in Mutter heranwächst Keim bildet frühzeitig 2 Hüllen aus → innere Haut (Amnion; Fruchtblase = Amnionhöhle); äußere Haut = Chorion wächst in Uteruswand fest und wird zur Placenta (Stoffaustausch durch Diffusion durch nebeneinanderliegende Kapillaren von Mutter und Embryo) Die Allantois (Harnsack), die sich aus dem Entoderm stülpt, nimmt bei Reptilien und Vögeln Ausscheidungsstoffe des Keims auf, bei Säugern sind nur Reste in Form von Venen und Arterien der Nabelschnur zu finden. Vom sich entwickelnden Embryo lösen sich Zellen ab und treiben im Fruchtwasser, in dem er schwebt. In einem etwas fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung kann man im Rahmen der Untersuchung des ungeborenen Kindes (Pränataldiagnostik) bei einer Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) mit einer Kanüle eine kleine Probe Fruchtwasser entnehmen. Die Zellen aus der Flüssigkeit lassen sich kultivieren und für biochemische oder genetische Analysen einsetzen, die Auskunft geben über das Geschlecht des Fetus, aber auch über genetische Marker für Erbkrankheiten. Eine frühe Amniozentese (vor der 14. Schwangerschaftswoche) ist für den Fetus riskant. Daher wird inzwischen häufig eine neuere Technik eingesetzt, die Chorionzottenbiopsie, bei der man eine Gewebeprobe aus den Chorionzotten entnimmt (bereits in der 8. Schwangerschaftswoche möglich). Kommt es zur Verschmelzung der Plazenten zweieiiger Zwillinge, so entwickeln sich nicht selten Anastomosen zwischen den plazentaren Gefäßen, was zum Austausch von Blutstammzellen beider Embryonen führt. Diese weisen dann ein Erythrozytenmosaik mit Blutzellen zweier unterschiedlicher Blutgruppen auf. Man spricht von Chimären, da in einem Organismus zwei genetisch unterschiedliche Gewebe auftauchen. 6.5.4 Tumorbildung, Krebs Wachstum von Strukturen ist begrenzt (s. z.B. Wundheilungen, Regeneration → fehlendes Gewebe wird regeneriert bis ursprl. Status hergestellt ist) → Grund: Hemmfaktoren = Chalone im Gewebe. Können keine Chalone gebildet werden oder reag. Zellen nicht auf sie, entstehen Gewebswucherungen = Tumoren. Gewebszerstörender Tumor = maligner Tumor = Carcinom Carcinom - auslösende Ursachen nennt man Carcinogene. Bsp.: Asbest, Blei, aromat. Kohlenwasserstoffe, Nitrosamine, Aflatoxine, UV-Strahlung, radioakt. Strahlung, chron. Wundreiz, Tumorviren Damit ein Tumor ausgelöst wird, müssen jedoch viele Bedingungen erfüllt sein. Helmuth Bayer D:\Biologie\6. Klasse\2013\Fortpflanzung Tiere 2013.docx 3 von 3