Entwicklung der Tiere Zygote (einzelne Zelle) Mensch (Milliarden differenzierter Zellen) Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Geschichtliches • Die Frage, wie aus einer befruchteten Eizelle ein Tier wird, hat Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten beschäftigt • Noch im 19. Jahrhundert war die Präformationslehre die am weitesten verbreitete Theorie • Man nahm an, dass die Eizelle oder das Spermium einen vollständig vorgebildeten (präformierten) Embryo enthält, der im Lauf seiner Entwicklung lediglich größer wird Determinanten, Zelldifferenzierung, Morphogenese • Die Entwicklung eines Organismus wird gesteuert vom Genom der Zygote und von Molekülen, die von der Mutter im Ei platziert wurden und cytoplasmatische Determinanten genannt werden • Zelldifferenzierung ist der Prozess der Zellspezialisierung in Struktur und Funktion • Die Morphogenese ist der Prozess, durch den ein Organismus Gestalt annimmt Modellorganismen • Ein Modellorganismus ist eine Art, die sich für die Untersuchung einer bestimmten Frage eignet und sich leicht im Labor halten und züchten lässt • Bei den klassischen embryologischen Untersuchungen sind die folgenden Modellorganismen eingesetzt worden: Seeigel, Frosch, Huhn und der Nematode Caenorhabditis elegans Folie: 5 Entwicklungsvorgänge verschiedener Vertebraten sind ähnlich • Die Entwicklung von Embryonen verschiedener Vertebraten sind sehr ähnlich: Fisch, Molch, Hühnchen, Mensch (v.l.n.r) ‚Biogenetische Grundregel von Haeckel • Frühentwicklung sehr ähnlich Hühnchen und Mensch sind im Stadium der Organbildung (Mitte) noch sehr ähnlich • Auf Molekularer Ebene auch hohe Aehnlichkeit: Homöotische Gene bei Drosophila und Maus Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Uebersicht Modellsysteme für Entwicklungsstudien Beobachtung der frühen Entwicklung Besamung aktiviert die Entwicklung: Seeigel, Maus Furchungsteilungen Seeigel, Maus, Frosch Gastrulation: der Embryo wird mehrschichtig Frosch Neurulation: Einfaltung des Neuralrohr Frosch, Hühnchen Oganbildung im Embryo Hühnchen Extraembryonale Hüllen, Plazenta Hühnchen, Mensch Studium von Mechanismen der Entwicklung Verteilung von Eikomponenten als Morphogene Polgranula von C. elegans Polarität im frühen Embryo grauer Halbmond beim Froschei Embryonale Induktion primäre primäre Induktion beim Frosch, Molch Musterbildung und Determination im Embryo Drosphila Determination von Extremitäten Zone Polarizing activity (ZPA) beim Hühnchen Veränderung der Zellform bei der Neurulation von Amphibien Zellwanderung Neuralleistenzellen Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Vom Ei zum Embryo in einigen Tagen: Molchentwicklung Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Auslösung der Embryonalentwicklung durch die Befruchtung Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Nach der Befruchtung schreitet die Embryonalentwicklung durch Furchung, Gastrulation und Organogenese fort • Nach der Befruchtung durchläuft der wachsende Embryo drei für die weitere Entwicklung und Gestaltbildung wichtige Stadien: – Furchung: durch Zellteilung entsteht aus der Zygote eine vielzellige Hohlkugel, die Blastula – Gastrulation: die Blastula wird zu einem mehrschichtigen Embryo, der Gastrula, umgestaltet – Organogenese: das Zusammenspiel und die Bewegung der drei Schichten führen zu Organanlagen, aus denen sich die adulten Strukturen entwickeln Besamung und Befruchtung • Die Hauptfunktion der Befruchtung besteht im Zusammenführen der haploiden Chromosomensätze zweier Individuen zu einer einzigen, diploiden Zelle, der Zygote • Das Eindringen des Spermiums in die Eizelle löst Stoffwechselreaktionen aus, die die Embryonalentwicklung in Gang setzen Die Akrosomreaktion • Die Akrosomreaktion wird ausgelöst, wenn das Spermium die Eizelle berührt • Das Akrosom setzt im Spermienkopf hydrolytische Enzyme frei, die die Eigallerte ankauen Folie: 13 Die Corticalreaktion • Kontakt und Fusion der Membranen depolarisieren die Eizellmembran und setzen einen schnellen Block gegen Polyspermie in Gang • Die Fusion der Plasmamembranen von Eizelle und Spermium löst auch die Corticalreaktion aus • Diese Reaktion induziert einen Anstieg an Ca2+ und stimuliert damit Corticalgranula, ihren Inhalt in den perivitellinen Raum zu entlassen • Diese Änderungen bewirken die Bildung einer Befruchtungshülle, die als langsamer Block gegen Polyspermie wirkt Reaktion des Seeigeleis: Ca++ Welle pflanzt sich fort Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Zeitverlauf der Befruchtung beim Seeigel-Ei Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Aktivierung des Eies • Der starke Ca2+-Anstieg im Cytosol bewirkt eine bedeutende Zunahme der Zellatmung und Proteinsynthese im Ei • Diese raschen Änderungen im Stoffwechsel werden als Aktivierung des Eies bezeichnet • Der Spermienkern verschmilzt mit dem Eikern und ein diploider Zygotenkern entsteht Befruchtung bei Säugern • Die Befruchtung bei landlebenden Tieren, einschließlich Säugern, erfolgt in der Regel im Körperinneren • Bei der Befruchtung von Säugern katalysiert die Corticalreaktion Veränderungen in der Zona pellucida, die extrazelluläre Matrix des Eies, die dann als langsamer Block gegen Polyspermie wirken Erste Zellteilung und Furchung • Die erste Zellteilung erfolgt bei Säugern erst 12–36 Stunden nach der Spermienbindung • Der diploide Zellkern liegt erst nach dieser ersten Teilung vor • Kurz nach der Befruchtung folgt bei vielen Arten die Furchung, eine Reihe rascher Zellteilungen • Die Furchung unterteilt das Cytoplasma einer einzigen, großen Zelle, der Zygote, in viele kleinere Zellen, Blastomeren genannt • Die Blastula ist eine vielzellige Kugel, in der sich eine flüssigkeitsgefüllte Höhle, das Blastocoel, bildet Furchung, die ersten Teilungen des Seeigelembryos, verteilt das Cytoplasma in immer kleinere Zellen den Blastomeren Erste Furchung: Zweizellstadium Zweite Furchung: Vierzellstadium Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Morula mit 32 Zellen (Befruchtungshülle noch vorhanden) Frühentwicklung eines Amphibienembryos bis zur Blastula Morula (16-64 Zellen) Acht-Zell Stadium Blastula (flüssigkeitsgefüllter Hohlraum, das Blastocoel) Querschnitt durch Blastula Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Die Eizellen und Zygoten vieler Tieren – mit Ausnahme der Säuger – weisen eine erkennbare Polarität auf • Die Polarität wird durch Konzentrationsgefälle cytoplasmatischer Komponenten und Dotter definiert • Am vegetativen Pol befindet sich mehr Dotter; am animalen Pol ist die Dotterkonzentration meist gering • Die drei Körperachsen werden festgelegt durch die Polarität des Eis und durch eine corticale Rotation in Richtung der Spermieneintrittsstelle • Durch die Rotation entsteht ein grauer Halbmond entgegengesetzt von der Eintrittsstelle des Spermiums Die Furchungsebenen folgen gewöhnlich einem bestimmten Muster relativ zum animalen und zum vegetativen Pol der Zygote Gastrulation • Bei der Gastrulation ordnen sich die Blastula-Zellen zu einem dreischichtigen Embryo, Gastrula genannt • Veränderung der Zellmobilität, Zellform und Affinität zu benachbarten Zellen und Komponenten der extrazellulären Matrix • Lage der Zellschichten in der Gastrula ermöglicht Zellen neu in Wechselwrirkung zu treten • Die drei Zellschichten, die im Verlauf der Gastrulation entstehen, werden als embryonale Keimblätter bezeichnet: – das Ektoderm (Haut und Nervensystem) – das Entoderm (Darm und Anhänge) – das Mesoderm (Bindegewebe, Muskulatur etc) Gastrulation im Amphibienembryo: Entstehung des dreischichtigen Embryos Nach Bildung der drei Keimblätter (am Ende der Gastrulation) kann der Embryo zur Organogenese übergehen Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Regionen der Keimblätter bilden Organanlagen Strukturierung eines Organs: erfordert morphogenetische Veränderungen von Zellen: • Faltung • Abspaltung • Kondensation Bei Fröschen beginnt die Organogenese mit der Bildung des Neuralrohrs Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Organogenese • Im Zuge der Organogenese entwickeln sich aus den drei embryonalen Keimblättern die Organe • Der Frosch dient als Modellorganismus für die Organogenese • Während der frühen Organogenese entsteht die Chorsa dorsalis aus dem dorsalen Mesoderm und das Ektoderm entwickelt sich zur Neuralplatte Neurulation: das zentrale Nervensystem entsteht 1. Einwanderung des Mesoderms in der Gastrulation: Bildung der Chorda durch Kondensation. Später verlängert sich die Chorda (entwickelt sich später zur Wirbelsäule) und streckt Embryo entlang der embryonalen Längsachse (noch später entstehen Wirbel). 2. Neuralrohrbildung aus dorsalem Ektoderm 3. Neurulation: Einrollen der Ränder zum Neuralrohr vom anterioren zum posterioren Pol des Embryos. 4. Die Neuralleistenzellen werden abgeschieden: vielseitige Zellen für verschiedene Zwecke (Zähne, Rinde der Nebenniere, einigen Knochen des Schädels) Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Neurulation im Hünchenembryo Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Die Neuralleistenzellen wandern in verschiedene Regionen des Embryos und bilden periphere Nerven, Zahnelemente, Schädelknochen und viele andere verschiedene Zelltypen Die Entwicklung von Säugern • Bei Säugereiern – werden nur wenig Nahrungsreserven in Form von Dotter gespeichert und sie sind sehr klein – ist die Furchung der Zygote holoblastisch – konnte bisher noch keine Polarität nachgewiesen werden • Die erste Furchungsteilung verläuft beim Menschen und bei anderen Säugern relativ langsam Die Entwicklung von Säugern (cont’d) • Nach Beendigung der Furchung bildet sich die Blastocyste • Eine Gruppe von Zellen, die als innere Zellmasse bezeichnet wird, entwickelt sich zum eigentlichen Embryo und trägt zur Bildung der extraembryonalen Membranen bei • Der Trophoblast, das äußere Epithel der Blastocyste, bildet gemeinsam mit dem Mesoderm den fetalen Anteil der Placenta • Die Placenta ermöglicht den Austausch von Nährstoffen, Gasen und stickstoffhaltigen Abfallprodukten zwischen Mutter und Embryo • Nach abgeschlossener Einnistung beginnt die Gastrulation • Nach abgeschlossener Gastrulation haben sich die embryonalen Keimblätter ausgebildet An der tierischen Morphogenese sind spezifische Veränderungen in Zellform, Zellposition und Zelladhäsion beteiligt • Morphogenese ist ein wichtiger Aspekt der Entwicklung von Tieren wie auch Pflanzen • Aber nur bei Tieren spielen dabei Zellbewegungen eine Rolle Cytoskelett, Zellbewegung und konvergente Ausdehnung • Veränderungen der Zellform erfordern gewöhnlich eine Reorganisation des Cytoskeletts • Mikrotubuli und Mikrofilamente bewirken die Bildung des Neuralrohrs Tierische Morphogenese führt zu Veränderungen in Zellform, Zellposition und Zelladhäsion geleitet von der Reorganisation des Cytoskeletts Zellen der Neuralplatte strecken sich unter Einfluss von Microtubuli Durch Kontraktion werden Zellen keilförmig Ektoderm krümmt sich nach Innen Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Konvergenten Ausdehnung • Die Zellwanderung, die aktive Bewegung von Zellen, wird auch vom Cytoskelett angetrieben • Während der Gastrulation vollzieht sich die Invagination durch Veränderungen in der Zellschicht und durch Wanderung • Kriechbewegungen von Zellen spielen bei der konvergenten Ausdehnung eine Rolle, einer Form der morphogenetischen Bewegung, bei der die Zellschicht schmaler wird während sie sich gleichzeitig in Längsrichtung ausdehnt Konvergente Ausdehnung Zellen verschieben sich wie Keile zueinander: Zellschicht wird schmaler und länger Kapitel 47: Entwicklung der Tiere Rolle der Zelladhäsionsmoleküle und der extrazellulären Matrix • Zelladhäsionsmoleküle (CAMs) an der Zelloberfläche tragen zur Zellwanderung und zu stabilen Gewebestrukturen bei • Eine wichtige Klasse der CAMs sind die Cadherine, die wichtig für die Bildung der Froschgastrula sind • Die extrazelluläre Matrix (ECM) trägt dazu bei, Zellen bei morphogenetischen Bewegungen zu lenken und zu leiten • Verschiedene Arten extrazellulärer Glycoproteine fördern die Zellwanderung, indem sie sich bewegenden Zellen eine spezielle molekulare Verankerung bieten Das Schicksal von sich entwickelnden Zellen ist von ihrer Vorgeschichte und induktiven Signalen abhängig • Jede Zelle im Körper eines vielzelligen Organismus hat dasselbe Genom • Während der Differenzierung veranlassen bestimmte Mechanismen die Zellen dazu, verschiedene Wege der Genexpression einzuschlagen • Zwei allgemeine Prinzipien liegen der Differenzierung zugrunde: • Im Lauf der ersten Furchungsteilungen müssen die embryonalen Zellen Unterschiede entwickeln – das heterogene Cytoplasma wird durch asymmetrische Zellteilungen auch ungleich auf die Blastomeren verteilt Induktion • • Nachdem die anfänglichen Zellasymmetrien einmal etabliert sind, beeinflussen die darauffolgenden Interaktionen zwischen den embryonalen Zellen ihr Schicksal, und zwar gewöhnlich dadurch, dass sie Veränderungen in der Genexpression bewirken – Dieser Mechanismus, der als Induktion bezeichnet wird, wird möglicherweise durch diffundierende Signalmoleküle oder durch Zell-ZellWechselwirkungen vermittelt Sobald die embryonale Zellteilung Zellen schafft, die sich voneinander unterscheiden, beginnen die Zellen, einander durch Induktion zu beeinflussen HOX-Gene • Signalmoleküle beeinflussen die Genexpression in den Zellen, die sie empfangen • Signalmoleküle führen zur Differenzierung und Entwicklung bestimmter Strukturen • Die Hox-Gene spielen bei der Musterbildung von Extremitäten ebenfalls verschiedene Rollen