Depression bei Kinder und Jugendlichen von Prof. Holtmann

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Potentielle Interessenkonflikte
Depressive Störungen
Engadiner Sommerakademie 2013
Martin Holtmann
•
Mitglied in Advisory Boards
von Lilly, Bristol-Myers Squibb, Novartis
•
Honorare / Kongressreisen
von AstraZeneca, Lilly, Merz, neuroConn, BMS, Shire,
Janssen-Cilag, Novartis
•
Forschungsförderung
von Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG & BMBF
Martin
Holtmann
LWL-Universitätsklinik
Hamm
der Ruhr-Universität
Bochumund Psychotherapie
Klinik für Psychiatrie
Kinder- und Jugendpsychiatrie,
des Kindes- und Jugendalters
Psychotherapie & Psychosomatik
ZI Mannheim
Klinische Stadien
in der Entwicklung affektiver Störungen
Affektive Störungen nach ICD-10
nach Duffy et al. JAD (2009).
1
Affektive Störungen nach DSM
Depressive Episode
Depressive Episoden - Subgruppen
•
Leichte depressive Episode:
Alltagsbewältigung möglich
•
Mittelgradige depressive Episode:
breites Symptomspektrum,
erhebliche Alltagsschwierigkeiten
•
Schwere depressive Episode:
somatisches Syndrom immer vorhanden
Alltagsaktivitäten allenfalls partiell
Depression: Epidemiologie
•
•
•
•
Deutschland: Punktprävalenz 3 - 7%:
4 Millionen Menschen betroffen
Lebenszeitrisiko 15 - 18%
zwei Häufigkeitsgipfel
– zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr
– zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr
•
Depressive Episoden
- Epidemiologie und Verlauf
•
Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer
Alles Depression, oder was?
Punktprävalenz depressiver Störungen
– Kinder
2-3 %
– Jugendliche
5-6 %
– Stimmungslabilität, Traurigkeit, Sinnsuche als Normvarianten
•
ab dem Jugendalter: Mädchen häufiger betroffen
•
erhöhtes Suizidrisiko
•
häufig Suizidgedanken
•
viele Rezidive, Chronifizierung bei 33 %
•
bipolarer switch bei ~ 10 %
•
kein Anhalt für steigende Prävalenz in den letzten 30
Jahren
2
Alterskohorteneffekte
Cross-National Collaborative Group (1992)
Relatives Risiko einer 10 Jahres Geburtskohorte
beträgt 1.7 im Vergleich mit der jeweils
vorangegangenen (bei sinkendem
Ersterkrankungsalter)
Lewinsohn et al.
J Abnorm Psychol
1993
Veränderung stationärer Aufnahmen 2000 - 2007
250
Ätiologie
•
%
200
F00-99
Bipolar
Psychosen
Depression
150
100
•
•
•
50
0
-50
•
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
•
genetische Disposition: Familien-, Zwillings- und
Adoptionsstudien
Angehörige 1. Grades: Lebenszeitrisiko auf 20% erhöht
bei eineiigen Zwillingen Konkordanz 50-65%
Monoamin-Mangelhypothese: verminderte Konzentration
von Serotonin und Noradrenalin
unterstützt durch Wirkmechanismus der Antidepressiva
Psychosoziale Faktoren: Verlust- und Trauererlebnisse,
chronische Unzufriedenheit mit der eigenen
Lebenssituation, Stress; bisher: “bereavement exclusion”
Holtmann et al. Arch Gen Psychiatry (2008), Bipolar Disorders (in press)
Affektive Störungen
Die Familienperspektive
•
~ 60 % der Kinder von Eltern mit einer Depression
entwickeln im Verlaufe der Kindheit & Jugend eine
psychische Störung
•
~ 10 % der Kinder von bipolaren Eltern entwickeln im
Verlaufe selbst eine bipolare Störung
•
Jedes 2. Kind mit ADHS hat einen betroffenen Elternteil
Beardslee, 2002; Beardslee et al., 2003
3
Depression:
Familienanamnese – Familienbehandlung
•
•
•
•
•
•
Wie sag ich´s dem Kind?
Elterliche Depression: Risikofaktor für
Probleme bei den Kindern
Gehemmte, weniger verspielte Interaktion
weniger empfänglich und bestätigend
Elternrolle: Selbstzweifel, Scham, Ängste,
Überforderung
Kind: Beobachten depressiven Verhaltens und
Affektes
Miteinander in der Familie: Expressed
Emotions, Feinfühligkeit
Depressive Episoden
- Kernsymptomatik
depressive Stimmung
Grundsymptome
reduzierte Aktivität
erhöhte Ermüdbarkeit
Depression bei jüngeren Kindern
verminderte Konzentration
reduziertes Selbstvertrauen
Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit
pessimistische Zukunftsperspektiven
Selbstverletzung oder Suizidhandlungen
Schlafstörungen
Zusatzsymptome
kommentierende Stimmen
Altersabhängigkeit depressiver Symptome
Wichtig: Beobachtung von
Schweregrad depressiver Episoden
16,6
schwer
17,2
mittel
???
Alter 10
12
14
Schweregrad nimmt mit Alter
zu
bei Jüngeren deutlich weniger
Symptome
Kinder: beeinträchtigt, aber
Kriterien wegen leichter
Ausprägung nicht erfüllt?
14,1
leicht
16
18
Depressive Symptome im Vorschulalter
Spielverhalten (Spielunlust, schnelle Entmutigung, mangelnde
Phantasie)
Essverhalten (Mäkeligkeit, verminderter / gesteigerter Appetit)
• Schlafverhalten (Ein- und Durchschlafstörungen,
Früherwachen, Alpträume)
•
•
ausdrucksarmes Gesicht
auch aggressives Verhalten & Reizbarkeit
• Bauch- und Kopfschmerzen
• selbststimulierendes Verhalten
•
•
•
•
Symptome nicht kontinuierlich !!
oft reaktiv
4
Konstruktvalidität depressiver Symptome
bei Präpubertären kein differenzierter Depressionsfaktor
eher Mischbild aus Depression, Angst, Gereiztheit
• Kategorie Depressive Störung kaum zu rechtfertigen
•
•
Nurcombe (1992)
Depression bei ausagierenden Störungen
(ADHS, Aggression, ...)
Jugendliche: Symptomcluster, das Erwachsenendepression
ähnelt
• Diagnose einer Depressiven Störung gerechtfertigt
•
Affektive Störungen und Störungen des
Sozialverhaltens
Affektive Störungen und ADHS
•
ADHS
•
Aufmerksamkeitsprobleme
Hyperaktivität
•
Impulsivität
•
• Aggression
• Regelverstösse
• Delinquenz
•
30-50% begleitende affektive Störungen
•
7x häufiger als Gesunde
40-50% zeigen klinisch
(Angold et al. 1999)
relevante affektive Probleme
•
Komorbidität bei ADHS
OddsRatios
komorbider
Störungen
bei ADHS
Störung des Sozialverhaltens und
der Emotionen (ICD-10 F92)
Komorbidität bei ADHS - korrigiert
Metaanalyse von 21 bevölkerungsbasierten Studien
nach: Angold et al. (1999) J Child Psychol Psychiatry 40: 57-87
Angst
Störungen des Sozialverhaltens
3.0
Korrigierte
OddsRatios für
komorbide
Störungen
oppositionelle
Störung
26.1
Angst
0.8
ADHS
Depression
5.5
ADHS
Depression
1.3
10.7
26.8
SSV
SSV
nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11
5
Komorbidität als Epiphänomen
Korrigierte
OddsRatios für
komorbide
Störungen
5.4
Komorbidität als Epiphänomen
oppositionelle
Störung
26.1
Angst
ADHS
0.8
17.0
ADHS
1.3
Depression
26.8
SSV
15.4
SSV
Komorbide Depression
als Epiphänomen
Depression
Vermittelt über hohe Rate
von Depression bei SSV
nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11
ADHS und Selbstwert
Sitz
l!
stil
•
b
rei ich!
Sch entl
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War nicht
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Depression bei ADHS
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kei
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ner r will
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ADHS und Depression
Therapeutisches Vorgehen
Depression bei ADHS:
Folge von Selbstwertproblemen oder „echte“ Störung?
einerseits
•
weitgehend unabhängiger Verlauf von ADHS und ausgeprägter
Depression
Biederman et al. 1998
andererseits:
• positive Wirkung von Stimulanzien auf Selbstwert von Kindern mit
ADHS
Frankel et al. 1999
•
Depression bei Müttern von ADHS-Kindern: nicht vorschnell dem
erhöhten familiären Stress zugeschreiben
Faraone & Biederman (1997) J Nerv Ment Dis 185:533-41
Atomoxetin in der Behandlung von
ADHS mit komorbider Depression
Verlaufsbeurteilung von ADHS und Depression
dann ggf. störungsspezifische Therapie der
Depression
Texas Children´s Medication Algorithm Project (Pliszka et al. 2000)
40
Least Squares Means
Ausnahme: akute Suizidalität, schwere depressive
Episode
Atomoxetin
CDRS-R Total Score
erst Behandlung der ADHS, da Therapie-Effekte
schnell sichtbar
Children Depression Rating Scale
45
Diagnostikphase: ADHS / Depression
35
30
25
Placebo + Atomoxetin
20
Fluoxetin + Atomoxetin
15
BL
2
3
4
5
6
7
8
Wochen
Kratochvil et al ( 2005) JAACAP
6
Schwierigkeiten
Depressive Störungen bei Intelligenzminderung
„diagnostic overshadowing“
• psychopathologische Auffälligkeiten werden als Ausdruck der
geistigen Behinderung angesehen
• eingeschränkte Anwendbarkeit üblicher diagnostischer
Kriterien
Depressive Störungen bei
Intelligenzminderung
„underreporting“
• verminderte Introspektionsfähigkeit, Sprachverständnis und
Ausdrucksvermögen bedingen eine verminderte Mitteilung
psychopathologischer Erlebnisweisen
•
Reiss et al. 1982; Reiss & Szysko 1983
Depressive Störungen bei Autismus
•
•
•
•
•
Auffälligkeiten der sozialen Interaktion
Auffälligkeit der Kommunikation und Sprache
Repetitive und stereotype Verhaltensmuster
Depression bei Kindern mit Epilepsie
10 %: Depression nach DSM-IV
25 %: „subsyndromale“ Depression, aber beeinträchtigt
Leyfer et al. 2006
Einfluß auf klinisches Bild
• geht einher mit mehr Rückzug, Aggression,
Selbstverletzungen
• aber auch: weniger Stereotypien
Epilepsien im Kindes- / Jugendalter:
Risikofaktor für emotionale Störungen
•
•
•
•
•
Emotionale Störungen weitaus häufiger als in der
Allgemeinbevölkerung
häufiger, als durch den Umstand einer chronischen
Erkrankung zu erwarten wäre
Lebenszeitprävalenz für Depression bei Kindern und
Jugendlichen mit Epilepsie 12-30%
teils mit körperfixierten / therapiebezogenen Ängsten
besonders hohe Rate bei Epilepsiepatienten mit
zusätzlicher geistiger Behinderung
Ätiologie
•
•
•
Ursachen nicht abschließend verstanden.
neurometabolische Dysfunktion als Mechanismus?
mesiale Temporallappenepilepsie:
Veränderungen im Serotoninstoffwechsel auch in
Hirnregionen, die weit vom Anfallsursprung entfernt
liegen (PET; Savic et al. 2004)
Glauninger et al. 2001; Rothenhäusler 2006
7
Suizidrisiko von Epilepsiepatienten
•
•
•
•
•
•
Verstörend hoch (4- bis 5fach erhöht)
Epilepsieassoziierte Suizide: mehr als 10% aller
Suizide
im Kindes- und Jugendalter sogar über 20%
Suizide verantwortlich für etwa ein Drittel der
Todesfälle bei Menschen mit Epilepsie.
besonders erhöhtes Suizidrisiko: Jugendliche mit
neudiagnostizierter Epilepsie, die bereits in der
Vorgeschichte psychiatrisch auffällig waren.
Suizidriskio nach epilepsiechirurgischen Eingriffen
erhöht?
Beziehung depressiver Störungen zur
Anfallsaktivität
•
Prä-/postiktale und iktale depressive Verstimmungen:
– Optimierung der antiepileptischen Therapie
•
Interiktal: ohne erkennbare Beziehung zur Anfallsdynamik
– Antidepressive Behandlung „wie sonst auch“
– Pharmakotherapie: SSRI wegen geringer epileptogener Potenz
Mittel der ersten Wahl
– positive Erfahrungen für Sertralin und Fluoxetin
– Hinweise, dass einige Antiepileptika auch bei EpilepsiePatienten antidepressive Eigenschaften haben, etwa Lamotrigin
Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002
Pompili et al. 2006; Rothenhäusler 2006
SSRI
Antidepressive Pharmakotherapie
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
– geringeres Vergiftungsrisko
– kaum Nebenwirkungen auf Herz-Kreislauf-System
Epilepsie: positive Erfahrungen für Sertralin und
Fluoxetin
Bipolare Depression
Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002
Die Ausgangslage
•
•
•
•
•
Konversionsraten von depressiver zu
bipolarer Störung (Angst et al. 2005)
Depressive Phasen sind die häufigste Erstmanifestation
bipolarer Störungen im Jugendalter.
Hauptursache für Beeinträchtigung und Mortalität
bipolarer Störungen.
Pharmakotherapie der bipolaren Depression bislang
wenig untersucht.
Gilt umso mehr für das Kindes- und Jugendalter.
Bis vor kurzem: Patienten mit bipolarer Störung von
Studien zur Depressionsbehandlung ausgeschlossen.
Konversionsrate steigt mit der Dauer einer
rezidivierenden Depression: “switching” 1.25 % / Jahr
8
Das klinische Problem
•
Haben Sie „Hochs“?
Ca. 10% der Adoleszenten mit Depression entwickeln
innerhalb von 10 Jahren (hypo)mane Episoden (Beesdo et al.,
2009).
•
•
•
•
•
Diagnose einer Depression immer vorläufig: „Switch“?
•
„Hidden bipolar“?
•
•
Risikofaktoren für Konversion:
•
– Früher & plötzlicher Beginn der Depression
– Anzahl depressiver Episoden
•
•
•
•
– Psychotische Symptome
mehr Selbstvertrauen
geselliger
fahre schneller
gebe mehr Geld aus
risikofreudiger
weniger schüchtern
treffe mehr Leute
stärkeres sex. Verlangen
flirte mehr/sex. aktiver
gesprächiger
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
denke schneller
ablenkbarer
beginne ständig neues
Gedanken springen
alles fällt leichter
bin ungeduldig / gereizt
Auseinandersetzungen
mehr Kaffee
rauche mehr
mehr Alkohol
mehr Drogen
– Vorangegangene hypomane Auslenkungen
– Positive Familienanamnese (?)
Hypomanie-Checkliste HCL-32 (nach Jules Angst, 2005)
Frühe Stadien
in der Entwicklung bipolarer Störungen
Hypomanie-Checkliste (HCL-32)
Subskala
Items
Psychopathologie
(SDQ)
active-elated
gehobene Stimmung
weniger Probleme
mit peers
disinhibited /
stimulation-seeking
Substanzmißbrauch,
sexuelle
Enthemmtheit
Störungen des
Sozialverhaltens
irritable-erratic
Ablenkbarkeit,
Reizbarkeit,
Sprunghaftigkeit
SSV, ADHS,
peer problems
“sunny” and “dark” expression of bipolarity (Akiskal)
nach Duffy et al. JAD (2009).
Prodromal-Symptomatik
•
Zunehmende Evidenz:
bipolares Prodrom mit
großer Ähnlichkeit zum
schizophrenen Prodrom
•
Initial häufig depressive
Verstimmung
•
Störungen von Stimmung
und Antrieb
•
Kontakt- &
Konzentrationsstörungen
„Mitunter ist die Entscheidung im Querschnitt so
schwierig, dass erst die Beobachtung des
Verlaufs mehr Gewissheit gibt.“
(F. Poustka 1998)
aus: Klosterkötter Dtsch. Ärzteblatt 2008
Correll et al. Schizophren Bull 2007
9
Frühe Stadien
in der Entwicklung bipolarer Störungen
DD Schizophrenie
nach Duffy et al. JAD (2009).
Von unspezifischen Frühsymptomen zum
Vollbild schizophrener Psychosen
Psychopathologie vor der Manifestation
einer schizophrenen Erkrankung
47 Kinder und Jugendliche
(32% weiblich)
• 16,7 Jahre (12,8 bis 18,8)
• 38,5% im Kindergarten
auffällig:
Kontaktstörung, Aggression,
Hypermotorik, Trennungsangst
• 76% in der Schulzeit auffällig:
Leistungsstörung,
Konzentrationsstörung,
Aggression, Kontaktstörung
•
schizophrene Störung
schizophreniforme Störung
psychosenahe Hochrisikosymptome
psychoseferne Hochrisikosymptome
uncharakteristische, affektive Symptome
Normabweichungen in Motorik, Kognition, Verhalten
Normabweichungen der Hirnentwicklung
Geburt
Adoleszenz
Modifiziert nach Klosterkötter J. Dtsch. Ärzteblatt 2008.
Jugendliche mit Psychose
Prävalenz vorangehender Diagnosen
E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.
Studien an Jugendlichen mit Psychosen
Zeitliches Muster vorangehender Störungen
Erstmanifestation schizophrener Störungen um das 16.
Lebensjahr
• 9 Monate bis zum Beginn einer Behandlung
• Vorausgehende Störungen manifestieren sich um das 12.
Lebensjahr (12,3 ± 3,2 Jahre)
in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Schizophrenie:
•
r
tö
ts
gs
An
g
un
E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.
-
Angststörungen
PTSD
Störung des Sozialverhaltens
Substanzmissbrauch
Affektive Störungen
8,8 ± 0,0 Jahre
6,5 ± 3,3 Jahre
2,9 ± 2,5 Jahre
2,6 ± 1,4 Jahre
2,1 ± 0,6 Jahre
E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006.
10
Herausforderungen
Was tun bei unspezifischen Prodromalsymptomen?
Welches Medikament als 1. Wahl?
Diagnostische Annäherungen
Wie lange zuwarten?
Wie lange behandeln?
Fragebogen & Checklisten
Kategoriale Diagnostik
„Breitband“
•
psychische Auffälligkeiten werden in klar
gegeneinander abgrenzbare Störungsbilder
unterteilt
•
erfassen breites Spektrum an Psychopathologie
•
Deutsche Child Behavior Checklist (CBCL)
•
„Entscheidungsklassifikation“:
hat das Kind Depression oder nicht?
•
Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ)
•
Vorhandensein oder Nichtvorhandensein
• Fragebogen zu Stärken und Schwächen
•
– ICD-10
– DSM-5
•
50% depressiver Jugendlicher weisen eine, 30% mindestens
Birmaher et al, 1996
zwei weitere Störungen auf
altersunabhängig festgesetzt
Diagnostische Intrumente
Stimmungs- und Aktivitätenprotokoll
Depressive Kernsymptomatik
Datum: __________
Strukturierte klinische Interviews: KIDDIE-SADS
Tageszeit
Stimmungslage
Aktivität
depressiv
manisch
-10 -------------- 0 -------------- +10
Fragebögen
•
Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche DIKJ
(8-17 J.)
•
Depressionstest für Kinder DTK
(9-14 J.)
•
Beck Depressions-Inventar, 2. Rev., BDI-II
(ab 16 J.)
•
Hamilton Depressionsskala HAM-D (Fremdbeurteilung) (ab 18 J.)
4.00
5.00
6.00
7.00
8.00
9.00
10.00
11.00
12.00
13.00
14.00
15.00
16.00
17.00
18.00
19.00
20.00
21.00
22.00
23.00
11
Behandlung
Depressive Episoden - Behandlung
•
Tagesstruktur / sozialer Rhythmus / Schlaf
•
Stimmungsmonitoring, Verhaltensanalyse, Auslöser
•
Selbstregulation Aufbau angenehmer Tätigkeiten
•
Körperliche Aktivierung
•
Kontaktpflege
•
Genusstraining
•
Stressmanagement und Entspannung
•
„Frühwarnzeichen“ und Krisenplan
•
Umgang mit nicht hilfreichen Gedanken
Depressiver Teufelskreis
Zusammenhang von Stimmung, Denken & Verhalten
„Runterzieher“
Erkennen und Hinterfragen ungünstiger Kognitionen
Interpersonelle
Psychotherapie
der Depression
aus: Pössel et al. 2004
12
Geschichte der interpersonellen
Psychotherapie
•
•
•
•
•
•
Weissman und Klerman betonen ..
dass die IPT im Grunde die etablierte Praxis erfahrener
Psychiater bei der Behandlung depressiver Störungen
widerspiegelt
und
• dass diese Psychotherapieform ein eklektisches
Verfahren ist, die eine Reihe von bekannten
psychotherapeutischen Strategien und Techniken in ihr
Behandlungskonzept aufgenommen hat
Klerman and Weissman
Yale Universität 1970
Analytischer Hintergrund
Überprüfung eines
medikamentösen Regimes
(Imipramin für 4 Monate)
Kombinationsbehandlung
oder Monotherapie
IPT Manual 1984
•
Eckpunkte der IPT
" (IPT) ...is a focused, short-term, time-limited therapy
that emphazises the current interpersonel relations of
the depressed patient while recognizing the role of
genetic, biochemical, developmental, and personality
factors in causation of and the vulnaribility to
depression.
Clinical depression occurs in an interpersonal context
and the psychotherapeutic interventions directed at this
interpersonel context will facilitate the patients recovery
from the acute episode”
Weissman 1984
•
•
•
•
•
Kurzzeitpsychotherapie, d.h. ca. 16-20 Sitzungen zu 50'
Fokus auf ein oder max. zwei Problembereiche
Fokus auf interpersonelle Beziehungen
Arbeit im Hier und Jetzt
Festgelegte duale Behandlungsziele
– Symptomremission, Besserung im Problembereich/der
interpersonellen Fertigkeiten
•
•
•
Drei überschaubare Phasen der Therapie
Therapiemanual
Biopsychosoziale Ursache der Depression
Ätiologische Verbindung
LebensereignisForschung
“expressed
emotion”
Forschung
Auslöser
Interpersonelle
Belastungen
Folge
Aufrechterhaltende
Bedingung
Depression
Soziale
UnterstützungsForschung
Emirische
Basis
tierexperimentelle
Arbeiten
epidemiologische
Studien
Studien zur
Entwicklung
von Kindern
13
Adolf Meyer (1866-1950)
Schriften zur Psychobiologie
durch Darwins Evolutionstheorie
beeinflusst
• psychische Störung:
– Ausdruck einer misslungenen
Anpassung an veränderte
Umweltbedingungen
(psychosoziale Stressoren)
– fehlende Gestaltungskraft in
diesem Umwälzungsprozess
(Verdrängung aus einer
individuellen psychosozialen
Nische)
•
•
John Bowlby: Bindungstheorie
•
Bindung als „primärer biologischer Trieb“
•
Sichere Basis
•
Exploration, Neugier
•
Feinfühligkeit
•
Inneres Arbeitsmodell
Harry Stack Sullivan (1892-1949)
„Der Mensch, der im
zwischenmenschlichen Kontext
oft konflikthaft nach Sicherheit
und Bedürfnisbefriedigung
strebt, wird erst in der
Beziehung zu anderen
Menschen er selbst, weshalb
Motivation, Auffassung und
Störungen nur im
interpersonellen Kontext
verstanden und behandelt
werden können.“
Soziale Unterstützungsforschung
Costello (1982): fehlende soziale Unterstützung nicht
depressions-verursachend aber
vulnerabilitätserhöhend
• Paykel (1992) Soziale Unterstützung als
Depressionspuffer
• Brown/Harris (1978): vertrauensvolle Beziehung und
soziale Unterstützung Schutzfaktor
•
Bowlby (1969): Signifikanter Zusammenhang zwischen Verlust enger
Beziehungen und dem Auftreten depressiven Verhaltens
• Spitz (1946): anaklitische Depression nach abrupter Trennung von
der Mutter
•
Life-event Forschung
Die Hauptproblembereiche
Post (1992) life-events spielen bei der Entwicklung hin
zur ersten depressiven Episode eine maßgebliche
Rolle
•
Paykel (1969): 6 Monate nach einem belastenden
Ereignis steigt das Depressionsrisiko um das 6x an
Trauer & Verlust
Interpersonelle Rollenkonflikte
• Rollenwechsel
• Interpersonelle Defizite
•
•
IPT-A: Familie mit einem alleinerziehenden
Elternteil
14
Trauer und Verlust
Der Focus = der Hauptproblembereich
Identifizierung und Festlegung des
Hauptproblembereichs
Phasenmodell nach Elisabeth Kübler- Ross
•
Nicht Wahrhaben
wollen, Isolierung
•
Zorn
Behandlungsplan und Therapieziele formulieren
(präsens, positiv, erreichbar, ich-form)
•
Verhandeln
•
Depression
Behandlungsvertrag
•
Zustimmung
Was die Trauer komplizieren kann ...
•
•
•
•
Scham über die Hilflosigkeit, das Ereignis nicht verzögert
oder verhindert haben zu können.
Schuld oder Scham über aggressive Impulse oder
zerstörerische Impulse oder Phantasien.
Schuldgefühle des Überlebenden: die geliebte Person ist
verstorben, aber man selbst lebt noch.
Die Angst davor, das Ereignis könnte sich wiederholen,
auch die Angst, dieses könnte sich nur in den Gedanken
wiederholen.
Abschied
•
•
•
•
•
•
Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen
Beziehung zwischen Beginn der Depression und dem
initialen Trauma herausarbeiten
Die Beziehung des Patienten mit dem Verstorbenen
rekonstruieren
Beschreibung des Sterbeprozesses, der Ereignisse um
das Sterben, den Tod und die Zeit danach
Konsequenzen daraus
Exploration assoziierter pos. und neg. Gefühle
Ziele im Fokus ´Trauer und Verlust`
Den verzögerten
Trauerprozess fördern
• Destruktive oder
hemmende Aspekte
bearbeiten
• Dem Patienten helfen,
den Verlust durch
Belebung alter und
neuer Interessen und
Beziehungen
auszugleichen
•
Neuorientierung
•
•
Hilfen, alte/neue Interessen zu entwickeln, andere
Menschen kennenzulernen
Art der Beziehung, Ausmaß des Verlusts mit
Persönlichkeit und prophylaktischen Überlegungen in
Verbindung bringen
15
Ziele im Fokus: Rollenwechsel
Trauer und Akzeptanz
des Verlusts der alten
Rolle
• die neue Rolle positiver
zu sehen, das Positive an
der neuen Rolle zu sehen
• Selbstvertrauen wiederzugewinnen, Ansprüchen
der neuen Rolle auch
genügen zu können
•
Fokus Rollenwechsel: Strategien
•
•
•
•
Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen
Ziehen der Verbindung zwischen der vorliegenden
Depression und den Schwierigkeiten mit kürzlich durchgemachten Veränderungen im Leben
Überblick verschaffen über positive und negative
Aspekte der alten und neuen Rolle
Exploration der Verlustgefühle, was fehlt?
Herausforderungen beim Rollenwechsel
•
•
•
•
•
Exploration der Gefühle über die Veränderung
Exploration der Möglichkeiten in der neuen Rolle
Realistische Evaluation, was verloren ist
Ermutigung, der wahren Gefühle gegenüber der
Veränderung freien Lauf zu lassen
Hilfen im Finden sozialer Unterstützung und im
Entwickeln neuer Fähigkeiten für die neue Rolle
Ziel im Fokus: Rollenkonflikt
•
•
•
•
Der Konflikt kann in folgende Stadien
eingeordnet werden
•
Den Konflikt benennen
• Vorgehensweise zur Konfliktlösung
festlegen
• Veränderung falscher
Erwartungen, Wahrnehmungen,
destruktiver Kommunikation zur
besseren Lösung
Die familiäre Unterstützungen und Bindungen werden
bedroht, sofern das Umfeld die Schwierigkeiten beim
Rollenwechsel nicht (so) sieht
Begleitende Emotionen wie Ärger, Trauer oder Angst
müssen bewältigt werden.
Neue soziale Fertigkeiten werden plötzlich benötigt.
Das Selbstwertgefühl ist herabgesetzt.
•
•
•
•
Verhandlungsstadium:
Hier wird in der Beziehung aktiv der Versuch
unternommen, den Konflikt zu lösen.
Sackgasse:
Gespräche werden eingestellt, der kalte Krieg beginnt
Auflösungsstadium:
Die Beziehung ist zerrüttet, man trennt sich .
16
Strategien im Fokus:
Rollendisput / Konflikt
•
•
•
•
•
Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen
Verbindung zwischen offenem oder verdeckten
Konflikt und dem Beginn der Depression ziehen
Das Stadium des Disputs festlegen
Verständnis dafür entwickeln, in wieweit non-reziproke
Rollenerwartungen in Beziehung zum Disput stehen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Eingangssitzungen ( ~ 1. - 3. Sitzung):
Initiale Phase
•
•
•
•
•
•
Exploration der Symptome und Vorgeschichte
Bedarf einer parallel laufenden Medikation klären
Depressive Syndrome und deren Behandlung erklären (
Der depressiven Erkrankung einen Namen geben)
Dem Patienten die "Krankenrolle(n)" zuordnen
Vorgehensweise und Ziele des IPT- Konzepts darstellen
Beziehungsanalyse:
– Inventar wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen
– Qualität, Erwartungen, (un)befriedigende Aspekte
Mittlere Sitzungen (~ 4. - 14. Sitzung):
Hauptphase
Worum geht es im Streit?
Was sind die Unterschiede in den Erwartungen und Werten?
Worin liegen die Optionen?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Alternativen zu finden?
Worin liegen die möglichen Quellen der Veränderung der
Beziehung?
Worin liegen die Parallelitäten zu anderen Beziehungen?
Was gewinnt der Patient?
Welche unausgesprochene Annahme steht hinter dem Verhalten des
Patienten?
Wie wird der Konflikt fortgesetzt/unterhalten?
Krankenrolle nach Parsons 1954
•
•
•
•
Die kranke Person wird von gewissen üblichen
Verpflichtungen befreit. Diese Freistellung muss sozial
definiert und akzeptiert sein.
Der Betroffene ist ebenfalls von bestimmten
Verantwortlichkeiten freigestellt.
Der Betroffene wird als jemand betrachte, der sich in
einem sozial unerwünschten Zustand befindet, der so
schnell wie möglich beendet werden sollte.
Der Betroffene wird als hilfsbedürftig betrachtet. Er
übernimmt die Rolle des Patienten, die ihre eigene
Verpflichtung (Wunsch, Willen) beinhaltet, insbesondere
hier die Krankheit zu akzeptieren und bei der Genesung
mitzuhelfen.
Schlußphase (~ 15. - 16. Sitzung)
•
Exploration der (interpersonellen) Probleme
•
•
Fortwährende Verbindung zwischen Fokus und
Depression
•
•
Erwartungen, Gefühle, Wahrnehmungen ... des Patienten
•
•
Analyse möglicher Alternativen
•
•
Aufbau befriedigenderen Verhaltens / Erlebens
•
•
•
Besprechung der Beendigung
Abschiedsgefühle vom Therapeuten / vom Setting
Autonome Kompetenz des Patienten betonen
Zusammenfassung des Therapieerfolgs
Prophylaktisches (interpersonelles) Verhalten
besprechen
Warnzeichen eines Relaps/Recurrence und daraus
resultierende Handlungen besprechen
Ggfs. Aufrechterhaltunsphase besprechen
17
Spezifisch angewandte
Behandlungstechniken
•
•
•
•
•
•
•
Explorative Techniken
Ermutigung zum Gefühlsausdruck
Klärung
Kommunikationsanalyse
Die therapeutische Beziehung als Beispiel benutzen
Techniken zur Verhaltensänderung
Andere angewandte Techniken
Aufgaben des Therapeuten
•
•
•
•
•
•
•
Advokat des Patienten, nicht neutral
Aktiv
Therapeutische Beziehung nicht als
Übertragungsbeziehung gewertet
Unterstützung des Patienten bei der Erörterung des
Problembereichs
Selbsteröffnung bahnen
Dauernde Rückführung auf den interpersonellen Fokus
Hilfen bei neuen Verhaltens- und
Problembewältigungsstrategien
Interpersonelle Interventionen
•
•
•
•
•
•
Zielen auf die Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen
Fokus auf aktuelle Beziehungen oder Ereignisse von früheren
Beziehungen, die die Gegenwart unmittelbar beeinflussen
Verbindung von Symptomatik und interpersonellem Kontext
Exploration sozialer Unterstützung
Versuchen durch eine Kommunikationsanalyse eine bessere
Gesprächsführung im sozialen Umfeld zu ermöglichen
Untersuchung der Art und Weise, wie der Patient
befriedigende Beziehungen aufbaut oder abwehrt
Formen der Interpersonellen
Psychotherapie
•
IPT-D für Dysthymie (Markowitz)
•
IPT-A für depressive Adoleszente (Mufson)
•
IPSRT für bipolare Störungen (Frank)
•
IPT-G für Gruppen (Wifley, Levkowitz)
•
IPT-LL für Altersdepressionen
•
IPT für depressive HIV+Pateinten (Grüttert)
Pharmakotherapie
18
Indikation zur Pharmakotherapie
Medikamentöse Unterstützung bei
• nicht ausreichendem Effekt vier- bis sechswöchiger
Psychotherapie
• schweren depressiven Störungen, deren Ausprägung
psychotherapeutische Maßnahmen erschweren
• Suizidalität und Wahnsymptomen
• Stationäre Aufnahme bei Suizidalität und
Nichtbewältigung der Alltagsfunktionen!
Wirkstoffgruppen
•
•
•
•
Trizyklische Antidepressiva
Johanniskraut-Präparate
•
Kein Wirksamkeitsnachweis in zahlreichen kontrollierten
Studien bei depressiven Kindern und präpubertären
Jugendlichen
aufgrund UAWs 3.Wahl
Clomipramin (Anafranil®) bei Antriebshemmung
Doxepin bei ausgeprägten Schlafstörungen
•
•
•
•
Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer:
– Trizyklische AD
– Selektive Serotoninin-Wiederaufnahme-Hemmer
– (Selektive) Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
– Serotonin- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer
Nicht bzw. Selektive MAO-A-Hemmer (Moclobemid)
α2-Adrenozeptor-Antagonisten (Mirtazapin, Mianserin)
Sonstige Antidepressiva (Johanniskraut u.a.)
•
•
•
•
50% der Verschreibungen antidepressiver
Medikamente für Kinder und Jugendliche
Für Kinder und Jugendliche keine kontrollierten Studien
Ab dem Alter von 12 Jahren zugelassen,
Dosis: 1-3x300mg/Tag
Unerwünschte Wirkungen
– CYP-Induktion mit Beeinflussung anderer Serumspiegel
(Wirkung orale Kontrazeptiva)
– Photosensibilisierend: keine Höhensonne, Solarien,
längere Sonnenbäder!
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
(SSRI)
•
•
•
•
•
Geringeres Intoxikationsrisiko als TZA
Kaum kardiale Nebenwirkungen
Leichte Handhabbarkeit und relativ gute Verträglichkeit
Geringe Beeinträchtigung der psychomotorischen und
kognitiven Funktionen
Wirksamkeit bei Jugendlichen belegt für Fluoxetin und
Sertralin, mit Einschränkungen für Citalopram
Erhöhen SSRI das Risiko
von Selbstverletzungen und Suizidalität?
19
SSRI und Suizidalität ?
•
FDA Warnhinweis in Packungsbeilagen
SSRI und Suizidalität
Einzelne Symptome der
Depression können
unterschiedlich schnell auf
die Therapie ansprechen
Antrieb gesteigert, ohne
dass die Stimmung
aufgehellt wäre
Vorübergehend Risiko
erhöhter Suizidalität
In seltenen Einzelfällen als
ich-fremd erlebte dranghafte
Impulse
•
Antidepressants increase the risk of suicidal thinking and
behavior (suicidality) in children and adolescents with depression.
•
erhebliche Verunsicherung bei Eltern, Jugendlichen und
Ärzten
• Sorge, dass Depressionen und ihr Folgen, wie Suizidalität,
nicht adäquat behandelt werden
• Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft verzichtet
darauf, Kontraindikationen für SSRI auszuweiten
•
•
•
Holtmann, Bölte & Poustka (2006), Nervenarzt
Dosierungsempfehlungen SSRI
Langsame Aufdosierung (alle 4-7 Tage)
Fluoxetin (z.B. Fluctin®)
Anwendungsgebiete:
Depressive Erkrankungen:
– ab 8.LJ Zulassung bei mittelgradiger bis schwerer depressiver
Episode, wenn die Depression nach 4-6 Sitzungen nicht auf
Psychotherapie anspricht
• Zwangsstörung
• Bulimie
•
Einmalige Gabe morgens ausreichend (außer Fluvoxamin)
Antidepressive Wirkung nach 1-4 Wochen
Weiterbehandlung nach Remission für weitere 6-9 Monate
Langsame Absetzung und Umstellung (≤25% der Dosis
wöchentlich)
Dosierung:
Initialdosis 10-20mg/Tag, Standarddosis bei Kindern 20mg, bei
Jugendlichen 20-60mg/Tag, Maximaldosis 80mg/Tag (für
Jugendliche)
• Einmalgabe am Morgen
•
Dosis: Depression<Angst<Bulimie<Zwang
Sertralin (z.B. Zoloft®)
Escitalopram (Cipralex®)
Anwendungsgebiete:
•
•
Depressive Erkrankungen
Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen
Dosierung:
Initialdosis 25-50mg/Tag, Standarddosis
50-150mg, Maximaldosis 200mg/Tag
(für Jugendliche)
• als Einmalgabe am Morgen und nicht auf nüchternen Magen
•
•
Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen
Dosierung:
•
•
Initialdosis 5mg/Tag, Standarddosis 5-20mg/Tag,
Maximaldosis 20mg/Tag (für Erwachsene)
als Einmalgabe am Morgen
20
Mirtazapin (z.B. Remergil®)
Anwendungsgebiete:
Depressive Erkrankungen, ängstlich-agitierte Depression mit
Schlafstörung
• Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen
•
Dosierung:
Initialdosis 15mg/Tag, Standarddosis
15-45mg/Tag, Maximaldosis 45 mg/Tag
• Als Einmalgabe bevorzugt am Abend
Duloxetin (Cymbalta®)
Anwendungsgebiete:
Episoden einer major depression
Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie
• Hinweis auf Wirkung bei Fibromyalgie
• Keine Zulassung für Kinder und Jugendliche
•
•
•
Dosierung:
•
•
Startdosis 30mg/Tag, Erhaltungsdosis
60(-120mg)/Tag
Als Einmalgabe am Morgen
Patientenaufklärung?
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs
Was ist häufig?
Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Appetitminderung
Was ist selten, aber schwerwiegend?
ZNS: Müdigkeit, innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen
Kardiovaskulär: Hypotension, Tachykardie
Weitere: Sexuelle Funktionsstörungen, Mundtrockenheit,
Schwitzen, Gewichtszunahme, Tremor
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs
Notwendige Kontrolluntersuchungen bei SSRIs
Serotonin-Syndrom:
Selten, aber lebensbedrohlich durch zentrale serotonerge
Überaktivität
Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Koma, hohes Fieber
Therapie:
Sofortiges Beenden der Medikation
Kühlung des Patienten (Fieber!)
• Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ggf. Infusion
• Ggf. intensivmedizinische Maßnahmen
•
•
Nach Benkert und Hippius, 2012; Gerlach et al. 2009
21
Fallbeispiel 1
16-jährige Patientin mit elektiver Cholezystektomie 3/2009 bei
Gallensteinen
Nachfolgend Entzündung und Fistelbildung
Insgesamt 27 OPs in Folge
Rezidivierende Schmerzsymptomatik mit Oberbauchschmerzen,
Engegefühl im Thorax, Schwindel und rezidivierenden
psychogenen Anfällen
Zunächst sedierend wirkendes Antidepressivum
Mirtazapin (Remergil®)
Umstellung auf Duloxetin (Cymbalta®)
Darunter kaum noch Schmerzäußerungen
Was ist zu tun?
Fallbeispiel 2
17-jährige Patientin mit depressiver Episode
Stationäre Aufnahme
seit 3 Tagen Therapie mit SSRI Fluoxetin
Absetzen der Medikation
Nach anfänglich guter Verträglichkeit innerhalb von 24 h
Entwicklung gastroenteritischer Symptome (Übelkeit, Erbrechen,
Diarrhoe), Fieber bis 38,5°C, Tremor, leichter Rigor,
Erregungszustand, zeitliche Desorientiertheit
Symptomatische Gabe von Benzodiazepinen
Im Verlauf komplette Rückbildung des akuten Krankheitsbildes
Weiterbehandlung mit SNRI Reboxetin (Edronax®)
Was ist zu tun?
Medikation
Zeitlich begrenzt, aber ausreichend lange
•
•
•
Fortsetzung der Behandlung nach Abklingen der
depressiven Symptomatik über ca. 6 Monate oder auch
länger
Danach schrittweises, langsames Ausschleichen über
Wochen
Bei drei deutlich depressiven Episoden langfristige
Rückfallprophylaxe
Medikamentöse
Behandlung
der
therapieresistenten
Depression
22
Strategien zur Behandlung
der therapieresistenten Depression
•
•
•
•
„Augmentation“: Verstärkung der antidepressiven
Wirkung eines gegebenen Antidepressivums durch die
zusätzliche Gabe einer weiteren Substanz, die selbst
kein Antidepressivum ist
„Switching“: Umsetzen von einem Antidepressivum auf
ein anderes Antidepressivum
„Kombination“: zusätzliche Gabe eines weiteren
Antidepressivums zu einer nicht ausreichenden
Medikation
Kombination mit Psychotherapie
Augmentation
NVL Unipolare Depression 2012
Strategien bei Nichtansprechen:
Augmentation
Switching
NVL Unipolare Depression 2012
23
Kombination
Exkurs:
Affektive Störungen
& Gewichtsregulation
NVL Unipolare Depression 2012
Erhöhte Rate von metabolischem Syndrom und Typ II
Diabetes bei Erwachsenen mit bipolarer Störung
Metabolisches Syndrom
Syndrom X oder tödliches Quartett
Veränderungen im Kohlehydratstoffwechsel
Übergewicht
• Bluthochdruck
• erhöhte Blutfettwerte
•
•
•
Entzündliche Prozesse spielen eine Rolle.
Wichtigste Vorstufe für Diabetes mellitus Typ 2 und
kardiovaskuläre Erkrankungen.
•
•
Psychisch Kranke deutlich erhöhtes Risiko
Gemeinsame Veranlagung oder sekundär aus Bewegungsmangel,
Rauchen und Übergewicht?
Kinder und metabolisches Syndrom
•
•
•
•
•
•
In Deutschland: Zunahme der Adipositas im Kindes- und
Jugendalter in den letzten 10 Jahren
ca. 6% der Kinder adipös und 13% übergewichtig, mehr als
doppelt so viel wie vor 10 Jahren.
Diabetes Typ 2 im Kindes- und Jugendalter weltweit parallel
zur Zunahme der Adipositas dramatisch angestiegen
USA: in einigen Regionen häufiger als der Diabetes Typ 1
Definition des IDF-Verbandes für Kinder und Jugendliche
(International Diabetes Federation)
Für Kinder über 16 Jahren können die IDF-Kriterien für
Erwachsene eingesetzt werden.
Reinehr 2007
Alberti et al. Lancet 2007
www.diabetesverhindern.de/pages/abc/img/metabolisches.jpg
24
Prävalenz metabolischer Veränderungen
unter atypischen Neuroleptika
Metabolische Veränderungen unter
atypischen Neuroleptika
Zunahme unter
• Olanzapin:
• Quetiapin:
• Risperidon:
• Aripiprazol:
• Unbehandelt:
Olanzapin und Quetiapine:
Gesamt-Cholesterin, LDLCholesterin & Triglyzeride
sign. erhöht
• Risperidon:
Triglyzeride sign. erhöht
• Aripiprazol:
keine Veränderungen.
•
8.5 kg
6.1 kg
5.3 kg
4.4 kg
0.2 kg
Correll et al. JAMA 2009
N=505; nach im Mittel 11 Wochen
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
•
•
•
•
•
Risiko bei affektiver Dysregulation:
Ansatzpunkte für die Prävention und Therapie
Gewichtszunahme auch unter Langzeittherapie mit SSRI
Kriterium: mehr als 7 % des Ausgangsgewichtes
Paroxetin: 25,5 % der Patienten
Fluoxetin: 6,8 % der Patienten
Sertralin: 4,2 % der Patienten
•
Maina et al. J Clin Psychiatry. 2004 Oct;65(10):1365-71.
www.neuro24.de/metabolischessyn.jpg
Nichtmedikamentöse biologische
Behandlungsverfahren
•
•
•
Lichttherapie
EKT
tDCS
Chronotherapie
25
Sind Sie eine Eule oder eine Lerche?
Störungen des zirkadianen Rhythmus als
Ansatzpunkt?
Wann schickt Ihre
innere Uhr Sie ins
Bett?
Antidepressiva: Effektivität und Sicherheit
•
•
•
•
Meta-Analyse (Michael & Crowley, 2002): Wirksamkeit
der meisten pharmakologischen Interventionen nicht
zufriedenstellend.
Neueste verfügbare Cochrane-Analyse (Hetrick et al.
2007): zurückhaltende Bewertungen der verfügbaren
Antidepressiva.
Offene Fragen bzgl. der Sicherheit.
Großer Bedarf an der Evaluation weiterer therapeutischer
Interventionen.
Lichttherapie bei Depression
Chronotherapie
Antidepressive Behandlung mit dem schnellsten Wirkeintritt
Wachtherapie
– Partieller (teilweiser) Schlafentzug
– Vollständiger Schlafentzug.
– In der Hälfte der Fälle Verbesserung der Stimmung am
Folgetag.
• Schlafphasenvorverlagerung
– stabilisiert Schlafentzugseffekt
• Lichttherapie
– 500 bis 1.000 x heller als Raumlicht (~10.000 Lux)
• Etabliert zunächst bei der saisonal bedingten Depression
•
•
„Sonne für das Nervensystem“
Doppelblinde Studie:
• Wirksamkeit von
Lichttherapie
vergleichbar
derjenigen von
Fluoxetin
• schnellerer
Wirkeintritt und
weniger
unerwünschter
Wirkungen
Affektive Dysregulation
• Verschiebung zirkadianer Rhythmik
• mehr Schlafprobleme
•
•
Wirksamkeit von Lichttherapie?
2 Wochen 10.000 Lux vs. 100 Lux
Lam et al. AJP 2006
26
Lichttherapie: Erste Ergebnisse
•
Depressivität und Funktionsniveau in
beiden Gruppen besser
Nichtmedikamentöse biologische
Behandlungsverfahren: tDCS
•
•
Spezifische Effekte der Lichttherapie:
Verringerung von
Einschlafschwierigkeiten
• Verringerung von
Durchschlafschwierigkeiten
• Verbesserung des Erholtseins nach dem
Schlaf
•
•
•
•
nicht-invasiv
schwacher Gleichstrom über zwei
Elektroden
Anodale Stimulation: Anode als
Aktivelektrode
(Erregbarkeitserhöhung)
vier Stimulationsparameter von
Bedeutung: Ort, Polarität, Dauer und
Intensität der Stimulation
Möglichkeit zur effektiven
Plazebokontrolle
Holtmann et al. Unveröffentlichte Daten
Nichtmedikamentöse biologische
Behandlungsverfahren: tDCS
•
Nebenwirkungen (nach Poreisz et al.)
– leichtes Kribbeln unter den Elektroden (71%)
– leichte Müdigkeit (35%)
– leichtes Jucken (30%)
– Brennen (22%) und Schmerz (16%) unter den Elektroden
– Lichtblitze beim An- und Ausschalten des Stimulators
(11%)
Helfen Antidepressiva bei bipolarer
Depression?
•
•
Helfen Antidepressiva bei bipolarer
Depression?
Systematic Treatment Enhancement Program for Bipolar
Disorder (STEP-BD) des NIMH
Aktuelle Meta-Analyse:
Behandlung mit einem Mood-Stabilizer plus
Antidepressivum (Bupropion / Paroxetin) hat keinen
Vorteil hat gegenüber einem Mood-Stabilizer allein.
•
Sachs NEJM 2007
•
Behandlung der bipolaren
Depression
Schlechterer Verlauf, wenn in depressiver Episode auch
(subsyndromale) manische Symptome vorkommen
Sidor & Macqueen J Clin Psychiatry 2010
15 Studien mit 2.373 Patienten
Antidepressiva waren in der Behandlung der bipolaren Depression
dem Plazebo nicht überlegen.
• Kein erhöhtes Switch-Risiko durch Antidepressiva.
• Bei sensitiveren Kriterien für Switch: erhöhte Switch-Raten durch
Antidepressiva.
•
•
Stellenwert der Atypika?
Goldberg AJP 2007
27
Quetiapin: ein Antidepressivum?
BOLDER-Studien (BipOLar DEpRession)
Leitlinien für klinisches Handeln?
„New treatment guidelines for acute bipolar depression:
A systematic review.“
Nivoli J Affect Disord 2011
•
•
•
Trend zu Quetiapin-Monotherapie als empfohlenes Mittel
der 1. Wahl bei bipolarer Depression.
Ggf. Quetiapin zu bereits bestehender Phasenprophylaxe
hinzufügen.
Lamotrigin wird kontrovers diskutiert.
Veränderungen der depressiven Symptomatik (MADRS)
Abb. aus Thase 2008
Therapie der bipolaren Depression
Depressive Episoden bei Bipolarer
Störung
1. Schritt:
bestehende Phasenprophylaxe optimieren;
ggf. Plasmaspiegel überprüfen.
2. Schritt:
Kombinationsbehandlung mit Quetiapin
Quetiapin-Dosierung bei Depression:
Tag 1:
50 mg
Tag 2:
100 mg
Tag 3:
200 mg
Tag 4:
300 mg (bis 600 mg)
S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen
Langversion 1.0 (2012)
Depressive Episoden bei Bipolarer Störung
Depressive Episoden bei Bipolarer
Störung
Hoher Stellenwert von
intensiver Psychotherapie
und Psychoedukation!
An Erwachsenen gewonnene Erkenntnisse können nicht
ohne weiteres auf das Jugendalter übertragen werden.
STEP-BD:
Zusätzliche Unsicherheiten angesichts des oft
undifferenzierten klinischen Bildes bei juvenilen bipolaren
Störungen.
bis zu 30 Sitzungen in 9
Monaten
vs. 3 in 6 Wochen
Miklowitz et al. AGP 2007 (STEP-BD)
Auf hypomane Symptome achten!
28
Suizidales Verhalten Entwicklungspsychopathologie
Suizidalität & Selbstverletzungen
•
Suizidversuche erst bei endgültiger Todesvorstellung möglich (~7 Jahre)
•
Suizide < 14 Jahre
1,3 auf 1.000.000
•
Suizidgedanken in der Pubertät
ca. 25%
•
Suizidpläne bei Jugendlichen
ca. 14%
•
Suizidversuche < 18 Jahre
500 pro 100.000
•
Suizide < 18 Jahre:
120 pro 100.000
Jungen/Mädchen 1:3
Jungen/Mädchen 2:1
Mäßige oberflächliche Selbstverletzung
Selbstverletzungen
Indirekte Formen
• Nahrungsverweigerung
• Alkohol-, Drogenkonsum
• Verweigerung wichtiger
medizinischer Behandlung
• Riskantes Verhalten im
Straßenverkehr
• Ungeschützter
Geschlechtsverkehr
Direkte Formen
• Ritzen
• Schneiden
• Schlagen
• Verbrennen
• Vereisen
• Einnahme schädigender
Substanzen
Mäßige oberflächliche Selbstverletzung
Phasen der Selbstverletzung
Auslöser
• Angst-, Hassgefühle; Überforderung; oft kein
Situationszusammenhang
Gefühle unmittelbar vor der Selbstverletzung
• Spannungszustand mit Rauschcharakter;
Depersonalisationserleben.
Selbstverletzende Handlung
• Ritual mit bereit gestelltem Instrument; oft feste Abläufe;
häufig partielle oder totale Schmerzunempfindlichkeit
Gefühle im Anschluss an die Selbstverletzung
• Entlastung und Spannungsminderung;
Hebung der Stimmungslage und des Selbstwertgefühls
Neppert, 1998
29
Selbstverletzungen:
Umgang in der akuten Situation
Therapieziele bei Selbstverletzungen
• Entfernung aus der Gruppensituation
• Verringern parasuizidaler Verhaltensmuster
• Betroffene auffordern, Verletzungsgegenstand abzugeben
• ggf. Inspektion der Verletzung
• Verringern von Verhaltensmustern, die die Lebensqualität
einschränken, wie depressive Symptome
• Informieren der Sorgeberechtigten
• Förderung eigenverantwortlichen Handelns
• ggf. ärztliche Behandlung (Hausarzt, Allgemeinarzt,
• Aufbau von Verhaltensfertigkeiten
Chirurg, nach Rücksprache mit Sorgeberechtigten)
Achtsamkeit
Stresstoleranz
• Emotionsregulation
• Interpersonelle Effektivität
•
• ggf. Vorstellung in kinderpsychiatrischer Klinik
•
• mögliche Suizidalität auszuschließen
Reduktion von Selbstbeschädigungen
Suizide bei Kindern unter 10 Jahren sind sehr selten
Schneiden an
weniger
gefährlichen
Stellen
Gefährlichkeit
Schneiden
Entwicklungspsychopathologie des Suizids
• Keine Vorstellung von Endlichkeit des Lebens
• Keine Fähigkeit sichere und unsichere suizidale Methoden zu
unterscheiden
Ritzen mit
Schlüssel
• Keine kognitiven Kompetenzen von Selbstreflexion und
Selbstentwertung
Entspannungsball
Drastischer Anstieg der Suizidrate im Jugendalter
• Weniger „Bilanz“-Suizide
• Hohe Suggestibilität (Lerntheorie): „Werther-Effekt“
Entwicklung über die Zeit
Definition einer suizidalen Handlung
Suizidalität bei Jugendlichen
Wunsch nach Ruhe und Pause
(mit bewusstem Risiko und Inkaufnahme
von Versterben)
Todeswunsch
(jetzt oder in einer unveränderten Zukunft
lieber tot sein zu wollen)
Suizidideen
(Erwägungsmöglichkeit; spontan
einschießender Gedanke)
Suizidabsicht
(mit/ohne konkrete Planung &
Ankündigung)
Passive Suizidalität
Zunehmender
Handlungsdruck
Zunehmendes
Handlungsrisiko
• Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt beim Patienten
• Der Betroffene selbst schätzt sein Verhalten und seine Gedanken als
suizidal oder nicht-suizidal ein
• Suizidalität wird nicht durch Letalität der Methode oder die Umstände
der Handlung bestimmt
• Gefahr von Bagatellisierungstendenzen
• Deshalb: Atmosphäre von Offenheit und Akzeptanz als Grundlage für
gemeinsame Einschätzung momentaner Suizidalität
Akute Suizidalität
Suizidhandlung
Wolfersdorf, 2000
Wolfersdorf, 2000
30
Suizidales Verhalten
– Hinweise auf Todesabsicht
•
Gewähltes Mittel nicht ausschlaggebend!
•
Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt beim Patienten
•
Handlung u. Isolation
•
Zeitpunkt mit geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit
•
Vorbereitungen in Todeserwartung
•
Keine Alarmierung Dritter nach der Handlung
Suizidalität: Risikogruppen
•
Schwere Depression, insbesondere mit Schuldwahn
•
Teilremittierte Schizophrenie; insbesondere männl.
Jugendliche
•
ADHS + Aggression + Depression
•
Impulsivität als Risikofaktor
•
Akute Suizidalität ist absolute Indikation zur stationären
Krisenintervention!
Krisenintervention bei suizidgefährdeten
Jugendlichen
Suizidgefährdete direkt auf Suizidgedanken ansprechen
Suizidprophylaxe
•
suizidprophylaktische Wirkung langfristiger
antidepressiver Therapie nicht belegt
•
bei depressiven und manisch-depressiven Erwachsenen:
langfristige Behandlung mit Lithium reduziert dramatisch
das Suizidrisiko (Goodwin et al, 2003)
•
entsprechende Untersuchungen im Jugendalter dringend
notwendig
Erziehungsberechtigte informieren
Im Verlauf evtl. Anti-Suizid-Verträge
Im Gespräch mit dem Suizidgefährdeten dringend vermeiden:
•
•
•
•
•
•
Sich geschockt zeigen
Schuldgefühle einflößen
Mit Gewalt „Waffen“ wegnehmen
Absolute Vertraulichkeit zusichern, wenn man diese nicht
einhalten kann
Rationale Argumente gegen den Suizid vorbringen
Den Gefährdeten alleine lassen
Lithium gegen Suizidalität?
• Benzodiazepine vorübergehend hilfreich
• ALLE anderen Psychopharmaka werden nicht empfohlen!
aus: Cipriani et al (2005) Am J Psychiatry 162:1805-17
S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen
Langversion 1.0 (2012)
31
Der sprunghafte Stil:
„Achterbahn, Feuer und Eis, Leben auf dem Vulkan“
•
•
•
•
•
Für sprunghafte Menschen ist das Leben eine
Achterbahnfahrt.
Sie brauchen immer eine tiefe romantische Beziehung zu
anderen und treten voller Leidenschaft mit anderen in
Kontakt.
Sie finden in allem, was andere sagen, eine emotionale
Bedeutung.
Sie sind leicht geschmeichelt und erfreut, genauso
schnell aber am Boden zerstört oder enttäuscht.
Sie zeigen, was sie fühlen, sind hemmungslos, spontan
und haben keine Angst vor Risiken.
Symptome
•
•
•
•
•
•
•
•
Selbstverletzung
Suizidales Verhalten
Essanfälle, Substanzmissbrauch
Promiskuität
dissoziales Verhalten
Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren
•
frühe Erfahrung von Vernachlässigung durch primäre
Bezugspersonen
(sexuelle) Gewalterfahrungen
•
Therapeutische Grundannahmen
Wertschätzung
•
•
•
•
•
•
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Das Verhalten der Patientin macht in ihrem Kontext Sinn.
Selbstverletzung als derzeit „beste verfügbare Lösung“.
Sie muss in fast allen Bereichen neues Verhalten lernen.
Der Therapeut balanciert zwischen Akzeptanz und
Drängen auf Veränderung.
Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT; nach Marsha
Linehan)
Station mit DBT-Schwerpunkt für Mädchen in LWLUniklinik (Station A3)
•
•
•
•
•
•
•
Instabilität in Beziehungen, Selbstbild und Gefühlen;
ausgeprägte Impulsivität
verzweifeltes Bemühen, Alleinsein zu verhindern
Wechsel zwischen Überidealisierung und Entwertung
chronisches Gefühl der Leere
wiederholte Suiziddrohungen oder -versuche,
Selbstverletzungen
Stimmungsschwankungen
Unfähigkeit, Wut zu kontrollieren
dissoziative Symptome
1. Therapiephase:
Schwere Probleme auf der Verhaltensebene
•
•
Trennung von Verhalten und Person, d.h. Korrigieren von
Verhalten ohne Bezug auf Person (zur Vermeidung von
Abwertungen)
Umgang mit
– suizidalen Krisen
– Verhalten, das die Therapie beeinträchtigt
– Verhalten, das die emotionale Balance schwer stört
(Drogen, Essstörung, ...)
•
Verbesserung von Fertigkeiten („Skills“)
32
Stressreduktion / Umgang mit
Gefühlsstürmen
•
•
•
•
•
Versuche Deine Gefühle nicht zu unterdrücken
aber: lass die Gefühle nicht unkontrolliert heraus!
Versuche, der Stressreaktion ein Ventil zu geben
Skills:
Eiswürfel, heiße/kalte Dusche, Rennen, Igelball,
Massage, Bad, laute / aufmunternde Musik, scharfe
Gewürze (Meerrettich, Chili), Muskulatur an- u.
entspannen, ...
Therapie der Borderline-Störung
2. Therapiephase:
Umgang mit Folgen von traumatischen Erfahrungen
3. Therapiephase:
Befähigung zur ambulanten Therapie
Was können Sie tun?
•
Weder in Mitleid ertrinken noch verurteilen.
– Nicht zu viel Aufmerksamkeit
– Nicht vorsätzlich aversiv („soll ihr ruhig wehtun“)
•
Eher „technisch“ / nüchtern behandeln
DSM-5
Ausblick
Disruptive Mood Dysregulation Disorder
(DMDD)
33
„Tief im Westen …
… ist es besser als man denkt…“
Martin Holtmann
LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kinder- und Jugendpsychiatrie,
des Kindes- und Jugendalters
Psychotherapie & Psychosomatik
ZI Mannheim
34
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