Potentielle Interessenkonflikte Depressive Störungen Engadiner Sommerakademie 2013 Martin Holtmann • Mitglied in Advisory Boards von Lilly, Bristol-Myers Squibb, Novartis • Honorare / Kongressreisen von AstraZeneca, Lilly, Merz, neuroConn, BMS, Shire, Janssen-Cilag, Novartis • Forschungsförderung von Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG & BMBF Martin Holtmann LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochumund Psychotherapie Klinik für Psychiatrie Kinder- und Jugendpsychiatrie, des Kindes- und Jugendalters Psychotherapie & Psychosomatik ZI Mannheim Klinische Stadien in der Entwicklung affektiver Störungen Affektive Störungen nach ICD-10 nach Duffy et al. JAD (2009). 1 Affektive Störungen nach DSM Depressive Episode Depressive Episoden - Subgruppen • Leichte depressive Episode: Alltagsbewältigung möglich • Mittelgradige depressive Episode: breites Symptomspektrum, erhebliche Alltagsschwierigkeiten • Schwere depressive Episode: somatisches Syndrom immer vorhanden Alltagsaktivitäten allenfalls partiell Depression: Epidemiologie • • • • Deutschland: Punktprävalenz 3 - 7%: 4 Millionen Menschen betroffen Lebenszeitrisiko 15 - 18% zwei Häufigkeitsgipfel – zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr – zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr • Depressive Episoden - Epidemiologie und Verlauf • Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer Alles Depression, oder was? Punktprävalenz depressiver Störungen – Kinder 2-3 % – Jugendliche 5-6 % – Stimmungslabilität, Traurigkeit, Sinnsuche als Normvarianten • ab dem Jugendalter: Mädchen häufiger betroffen • erhöhtes Suizidrisiko • häufig Suizidgedanken • viele Rezidive, Chronifizierung bei 33 % • bipolarer switch bei ~ 10 % • kein Anhalt für steigende Prävalenz in den letzten 30 Jahren 2 Alterskohorteneffekte Cross-National Collaborative Group (1992) Relatives Risiko einer 10 Jahres Geburtskohorte beträgt 1.7 im Vergleich mit der jeweils vorangegangenen (bei sinkendem Ersterkrankungsalter) Lewinsohn et al. J Abnorm Psychol 1993 Veränderung stationärer Aufnahmen 2000 - 2007 250 Ätiologie • % 200 F00-99 Bipolar Psychosen Depression 150 100 • • • 50 0 -50 • 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 • genetische Disposition: Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien Angehörige 1. Grades: Lebenszeitrisiko auf 20% erhöht bei eineiigen Zwillingen Konkordanz 50-65% Monoamin-Mangelhypothese: verminderte Konzentration von Serotonin und Noradrenalin unterstützt durch Wirkmechanismus der Antidepressiva Psychosoziale Faktoren: Verlust- und Trauererlebnisse, chronische Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, Stress; bisher: “bereavement exclusion” Holtmann et al. Arch Gen Psychiatry (2008), Bipolar Disorders (in press) Affektive Störungen Die Familienperspektive • ~ 60 % der Kinder von Eltern mit einer Depression entwickeln im Verlaufe der Kindheit & Jugend eine psychische Störung • ~ 10 % der Kinder von bipolaren Eltern entwickeln im Verlaufe selbst eine bipolare Störung • Jedes 2. Kind mit ADHS hat einen betroffenen Elternteil Beardslee, 2002; Beardslee et al., 2003 3 Depression: Familienanamnese – Familienbehandlung • • • • • • Wie sag ich´s dem Kind? Elterliche Depression: Risikofaktor für Probleme bei den Kindern Gehemmte, weniger verspielte Interaktion weniger empfänglich und bestätigend Elternrolle: Selbstzweifel, Scham, Ängste, Überforderung Kind: Beobachten depressiven Verhaltens und Affektes Miteinander in der Familie: Expressed Emotions, Feinfühligkeit Depressive Episoden - Kernsymptomatik depressive Stimmung Grundsymptome reduzierte Aktivität erhöhte Ermüdbarkeit Depression bei jüngeren Kindern verminderte Konzentration reduziertes Selbstvertrauen Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit pessimistische Zukunftsperspektiven Selbstverletzung oder Suizidhandlungen Schlafstörungen Zusatzsymptome kommentierende Stimmen Altersabhängigkeit depressiver Symptome Wichtig: Beobachtung von Schweregrad depressiver Episoden 16,6 schwer 17,2 mittel ??? Alter 10 12 14 Schweregrad nimmt mit Alter zu bei Jüngeren deutlich weniger Symptome Kinder: beeinträchtigt, aber Kriterien wegen leichter Ausprägung nicht erfüllt? 14,1 leicht 16 18 Depressive Symptome im Vorschulalter Spielverhalten (Spielunlust, schnelle Entmutigung, mangelnde Phantasie) Essverhalten (Mäkeligkeit, verminderter / gesteigerter Appetit) • Schlafverhalten (Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen, Alpträume) • • ausdrucksarmes Gesicht auch aggressives Verhalten & Reizbarkeit • Bauch- und Kopfschmerzen • selbststimulierendes Verhalten • • • • Symptome nicht kontinuierlich !! oft reaktiv 4 Konstruktvalidität depressiver Symptome bei Präpubertären kein differenzierter Depressionsfaktor eher Mischbild aus Depression, Angst, Gereiztheit • Kategorie Depressive Störung kaum zu rechtfertigen • • Nurcombe (1992) Depression bei ausagierenden Störungen (ADHS, Aggression, ...) Jugendliche: Symptomcluster, das Erwachsenendepression ähnelt • Diagnose einer Depressiven Störung gerechtfertigt • Affektive Störungen und Störungen des Sozialverhaltens Affektive Störungen und ADHS • ADHS • Aufmerksamkeitsprobleme Hyperaktivität • Impulsivität • • Aggression • Regelverstösse • Delinquenz • 30-50% begleitende affektive Störungen • 7x häufiger als Gesunde 40-50% zeigen klinisch (Angold et al. 1999) relevante affektive Probleme • Komorbidität bei ADHS OddsRatios komorbider Störungen bei ADHS Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD-10 F92) Komorbidität bei ADHS - korrigiert Metaanalyse von 21 bevölkerungsbasierten Studien nach: Angold et al. (1999) J Child Psychol Psychiatry 40: 57-87 Angst Störungen des Sozialverhaltens 3.0 Korrigierte OddsRatios für komorbide Störungen oppositionelle Störung 26.1 Angst 0.8 ADHS Depression 5.5 ADHS Depression 1.3 10.7 26.8 SSV SSV nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11 5 Komorbidität als Epiphänomen Korrigierte OddsRatios für komorbide Störungen 5.4 Komorbidität als Epiphänomen oppositionelle Störung 26.1 Angst ADHS 0.8 17.0 ADHS 1.3 Depression 26.8 SSV 15.4 SSV Komorbide Depression als Epiphänomen Depression Vermittelt über hohe Rate von Depression bei SSV nach: Ford et al. (2003) J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 42:1203-11 ADHS und Selbstwert Sitz l! stil • b rei ich! Sch entl ord t an n s um k War nicht Du ...?? al einm sst mu Du lasse ! K die rholen de e i Du w Depression bei ADHS Pas s do c h auf ! Zap pelp nervs t! Mi tD kei i ner r will spi ele n! hilip ADHS und Depression Therapeutisches Vorgehen Depression bei ADHS: Folge von Selbstwertproblemen oder „echte“ Störung? einerseits • weitgehend unabhängiger Verlauf von ADHS und ausgeprägter Depression Biederman et al. 1998 andererseits: • positive Wirkung von Stimulanzien auf Selbstwert von Kindern mit ADHS Frankel et al. 1999 • Depression bei Müttern von ADHS-Kindern: nicht vorschnell dem erhöhten familiären Stress zugeschreiben Faraone & Biederman (1997) J Nerv Ment Dis 185:533-41 Atomoxetin in der Behandlung von ADHS mit komorbider Depression Verlaufsbeurteilung von ADHS und Depression dann ggf. störungsspezifische Therapie der Depression Texas Children´s Medication Algorithm Project (Pliszka et al. 2000) 40 Least Squares Means Ausnahme: akute Suizidalität, schwere depressive Episode Atomoxetin CDRS-R Total Score erst Behandlung der ADHS, da Therapie-Effekte schnell sichtbar Children Depression Rating Scale 45 Diagnostikphase: ADHS / Depression 35 30 25 Placebo + Atomoxetin 20 Fluoxetin + Atomoxetin 15 BL 2 3 4 5 6 7 8 Wochen Kratochvil et al ( 2005) JAACAP 6 Schwierigkeiten Depressive Störungen bei Intelligenzminderung „diagnostic overshadowing“ • psychopathologische Auffälligkeiten werden als Ausdruck der geistigen Behinderung angesehen • eingeschränkte Anwendbarkeit üblicher diagnostischer Kriterien Depressive Störungen bei Intelligenzminderung „underreporting“ • verminderte Introspektionsfähigkeit, Sprachverständnis und Ausdrucksvermögen bedingen eine verminderte Mitteilung psychopathologischer Erlebnisweisen • Reiss et al. 1982; Reiss & Szysko 1983 Depressive Störungen bei Autismus • • • • • Auffälligkeiten der sozialen Interaktion Auffälligkeit der Kommunikation und Sprache Repetitive und stereotype Verhaltensmuster Depression bei Kindern mit Epilepsie 10 %: Depression nach DSM-IV 25 %: „subsyndromale“ Depression, aber beeinträchtigt Leyfer et al. 2006 Einfluß auf klinisches Bild • geht einher mit mehr Rückzug, Aggression, Selbstverletzungen • aber auch: weniger Stereotypien Epilepsien im Kindes- / Jugendalter: Risikofaktor für emotionale Störungen • • • • • Emotionale Störungen weitaus häufiger als in der Allgemeinbevölkerung häufiger, als durch den Umstand einer chronischen Erkrankung zu erwarten wäre Lebenszeitprävalenz für Depression bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie 12-30% teils mit körperfixierten / therapiebezogenen Ängsten besonders hohe Rate bei Epilepsiepatienten mit zusätzlicher geistiger Behinderung Ätiologie • • • Ursachen nicht abschließend verstanden. neurometabolische Dysfunktion als Mechanismus? mesiale Temporallappenepilepsie: Veränderungen im Serotoninstoffwechsel auch in Hirnregionen, die weit vom Anfallsursprung entfernt liegen (PET; Savic et al. 2004) Glauninger et al. 2001; Rothenhäusler 2006 7 Suizidrisiko von Epilepsiepatienten • • • • • • Verstörend hoch (4- bis 5fach erhöht) Epilepsieassoziierte Suizide: mehr als 10% aller Suizide im Kindes- und Jugendalter sogar über 20% Suizide verantwortlich für etwa ein Drittel der Todesfälle bei Menschen mit Epilepsie. besonders erhöhtes Suizidrisiko: Jugendliche mit neudiagnostizierter Epilepsie, die bereits in der Vorgeschichte psychiatrisch auffällig waren. Suizidriskio nach epilepsiechirurgischen Eingriffen erhöht? Beziehung depressiver Störungen zur Anfallsaktivität • Prä-/postiktale und iktale depressive Verstimmungen: – Optimierung der antiepileptischen Therapie • Interiktal: ohne erkennbare Beziehung zur Anfallsdynamik – Antidepressive Behandlung „wie sonst auch“ – Pharmakotherapie: SSRI wegen geringer epileptogener Potenz Mittel der ersten Wahl – positive Erfahrungen für Sertralin und Fluoxetin – Hinweise, dass einige Antiepileptika auch bei EpilepsiePatienten antidepressive Eigenschaften haben, etwa Lamotrigin Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002 Pompili et al. 2006; Rothenhäusler 2006 SSRI Antidepressive Pharmakotherapie Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – geringeres Vergiftungsrisko – kaum Nebenwirkungen auf Herz-Kreislauf-System Epilepsie: positive Erfahrungen für Sertralin und Fluoxetin Bipolare Depression Thome-Souza et al. 2007; Strain et al. 2002 Die Ausgangslage • • • • • Konversionsraten von depressiver zu bipolarer Störung (Angst et al. 2005) Depressive Phasen sind die häufigste Erstmanifestation bipolarer Störungen im Jugendalter. Hauptursache für Beeinträchtigung und Mortalität bipolarer Störungen. Pharmakotherapie der bipolaren Depression bislang wenig untersucht. Gilt umso mehr für das Kindes- und Jugendalter. Bis vor kurzem: Patienten mit bipolarer Störung von Studien zur Depressionsbehandlung ausgeschlossen. Konversionsrate steigt mit der Dauer einer rezidivierenden Depression: “switching” 1.25 % / Jahr 8 Das klinische Problem • Haben Sie „Hochs“? Ca. 10% der Adoleszenten mit Depression entwickeln innerhalb von 10 Jahren (hypo)mane Episoden (Beesdo et al., 2009). • • • • • Diagnose einer Depression immer vorläufig: „Switch“? • „Hidden bipolar“? • • Risikofaktoren für Konversion: • – Früher & plötzlicher Beginn der Depression – Anzahl depressiver Episoden • • • • – Psychotische Symptome mehr Selbstvertrauen geselliger fahre schneller gebe mehr Geld aus risikofreudiger weniger schüchtern treffe mehr Leute stärkeres sex. Verlangen flirte mehr/sex. aktiver gesprächiger • • • • • • • • • • • denke schneller ablenkbarer beginne ständig neues Gedanken springen alles fällt leichter bin ungeduldig / gereizt Auseinandersetzungen mehr Kaffee rauche mehr mehr Alkohol mehr Drogen – Vorangegangene hypomane Auslenkungen – Positive Familienanamnese (?) Hypomanie-Checkliste HCL-32 (nach Jules Angst, 2005) Frühe Stadien in der Entwicklung bipolarer Störungen Hypomanie-Checkliste (HCL-32) Subskala Items Psychopathologie (SDQ) active-elated gehobene Stimmung weniger Probleme mit peers disinhibited / stimulation-seeking Substanzmißbrauch, sexuelle Enthemmtheit Störungen des Sozialverhaltens irritable-erratic Ablenkbarkeit, Reizbarkeit, Sprunghaftigkeit SSV, ADHS, peer problems “sunny” and “dark” expression of bipolarity (Akiskal) nach Duffy et al. JAD (2009). Prodromal-Symptomatik • Zunehmende Evidenz: bipolares Prodrom mit großer Ähnlichkeit zum schizophrenen Prodrom • Initial häufig depressive Verstimmung • Störungen von Stimmung und Antrieb • Kontakt- & Konzentrationsstörungen „Mitunter ist die Entscheidung im Querschnitt so schwierig, dass erst die Beobachtung des Verlaufs mehr Gewissheit gibt.“ (F. Poustka 1998) aus: Klosterkötter Dtsch. Ärzteblatt 2008 Correll et al. Schizophren Bull 2007 9 Frühe Stadien in der Entwicklung bipolarer Störungen DD Schizophrenie nach Duffy et al. JAD (2009). Von unspezifischen Frühsymptomen zum Vollbild schizophrener Psychosen Psychopathologie vor der Manifestation einer schizophrenen Erkrankung 47 Kinder und Jugendliche (32% weiblich) • 16,7 Jahre (12,8 bis 18,8) • 38,5% im Kindergarten auffällig: Kontaktstörung, Aggression, Hypermotorik, Trennungsangst • 76% in der Schulzeit auffällig: Leistungsstörung, Konzentrationsstörung, Aggression, Kontaktstörung • schizophrene Störung schizophreniforme Störung psychosenahe Hochrisikosymptome psychoseferne Hochrisikosymptome uncharakteristische, affektive Symptome Normabweichungen in Motorik, Kognition, Verhalten Normabweichungen der Hirnentwicklung Geburt Adoleszenz Modifiziert nach Klosterkötter J. Dtsch. Ärzteblatt 2008. Jugendliche mit Psychose Prävalenz vorangehender Diagnosen E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006. Studien an Jugendlichen mit Psychosen Zeitliches Muster vorangehender Störungen Erstmanifestation schizophrener Störungen um das 16. Lebensjahr • 9 Monate bis zum Beginn einer Behandlung • Vorausgehende Störungen manifestieren sich um das 12. Lebensjahr (12,3 ± 3,2 Jahre) in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Schizophrenie: • r tö ts gs An g un E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006. - Angststörungen PTSD Störung des Sozialverhaltens Substanzmissbrauch Affektive Störungen 8,8 ± 0,0 Jahre 6,5 ± 3,3 Jahre 2,9 ± 2,5 Jahre 2,6 ± 1,4 Jahre 2,1 ± 0,6 Jahre E. Marchió, Inauguraldissertation, Goethe-Universität Frankfurt / Main, 2006. 10 Herausforderungen Was tun bei unspezifischen Prodromalsymptomen? Welches Medikament als 1. Wahl? Diagnostische Annäherungen Wie lange zuwarten? Wie lange behandeln? Fragebogen & Checklisten Kategoriale Diagnostik „Breitband“ • psychische Auffälligkeiten werden in klar gegeneinander abgrenzbare Störungsbilder unterteilt • erfassen breites Spektrum an Psychopathologie • Deutsche Child Behavior Checklist (CBCL) • „Entscheidungsklassifikation“: hat das Kind Depression oder nicht? • Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ) • Vorhandensein oder Nichtvorhandensein • Fragebogen zu Stärken und Schwächen • – ICD-10 – DSM-5 • 50% depressiver Jugendlicher weisen eine, 30% mindestens Birmaher et al, 1996 zwei weitere Störungen auf altersunabhängig festgesetzt Diagnostische Intrumente Stimmungs- und Aktivitätenprotokoll Depressive Kernsymptomatik Datum: __________ Strukturierte klinische Interviews: KIDDIE-SADS Tageszeit Stimmungslage Aktivität depressiv manisch -10 -------------- 0 -------------- +10 Fragebögen • Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche DIKJ (8-17 J.) • Depressionstest für Kinder DTK (9-14 J.) • Beck Depressions-Inventar, 2. Rev., BDI-II (ab 16 J.) • Hamilton Depressionsskala HAM-D (Fremdbeurteilung) (ab 18 J.) 4.00 5.00 6.00 7.00 8.00 9.00 10.00 11.00 12.00 13.00 14.00 15.00 16.00 17.00 18.00 19.00 20.00 21.00 22.00 23.00 11 Behandlung Depressive Episoden - Behandlung • Tagesstruktur / sozialer Rhythmus / Schlaf • Stimmungsmonitoring, Verhaltensanalyse, Auslöser • Selbstregulation Aufbau angenehmer Tätigkeiten • Körperliche Aktivierung • Kontaktpflege • Genusstraining • Stressmanagement und Entspannung • „Frühwarnzeichen“ und Krisenplan • Umgang mit nicht hilfreichen Gedanken Depressiver Teufelskreis Zusammenhang von Stimmung, Denken & Verhalten „Runterzieher“ Erkennen und Hinterfragen ungünstiger Kognitionen Interpersonelle Psychotherapie der Depression aus: Pössel et al. 2004 12 Geschichte der interpersonellen Psychotherapie • • • • • • Weissman und Klerman betonen .. dass die IPT im Grunde die etablierte Praxis erfahrener Psychiater bei der Behandlung depressiver Störungen widerspiegelt und • dass diese Psychotherapieform ein eklektisches Verfahren ist, die eine Reihe von bekannten psychotherapeutischen Strategien und Techniken in ihr Behandlungskonzept aufgenommen hat Klerman and Weissman Yale Universität 1970 Analytischer Hintergrund Überprüfung eines medikamentösen Regimes (Imipramin für 4 Monate) Kombinationsbehandlung oder Monotherapie IPT Manual 1984 • Eckpunkte der IPT " (IPT) ...is a focused, short-term, time-limited therapy that emphazises the current interpersonel relations of the depressed patient while recognizing the role of genetic, biochemical, developmental, and personality factors in causation of and the vulnaribility to depression. Clinical depression occurs in an interpersonal context and the psychotherapeutic interventions directed at this interpersonel context will facilitate the patients recovery from the acute episode” Weissman 1984 • • • • • Kurzzeitpsychotherapie, d.h. ca. 16-20 Sitzungen zu 50' Fokus auf ein oder max. zwei Problembereiche Fokus auf interpersonelle Beziehungen Arbeit im Hier und Jetzt Festgelegte duale Behandlungsziele – Symptomremission, Besserung im Problembereich/der interpersonellen Fertigkeiten • • • Drei überschaubare Phasen der Therapie Therapiemanual Biopsychosoziale Ursache der Depression Ätiologische Verbindung LebensereignisForschung “expressed emotion” Forschung Auslöser Interpersonelle Belastungen Folge Aufrechterhaltende Bedingung Depression Soziale UnterstützungsForschung Emirische Basis tierexperimentelle Arbeiten epidemiologische Studien Studien zur Entwicklung von Kindern 13 Adolf Meyer (1866-1950) Schriften zur Psychobiologie durch Darwins Evolutionstheorie beeinflusst • psychische Störung: – Ausdruck einer misslungenen Anpassung an veränderte Umweltbedingungen (psychosoziale Stressoren) – fehlende Gestaltungskraft in diesem Umwälzungsprozess (Verdrängung aus einer individuellen psychosozialen Nische) • • John Bowlby: Bindungstheorie • Bindung als „primärer biologischer Trieb“ • Sichere Basis • Exploration, Neugier • Feinfühligkeit • Inneres Arbeitsmodell Harry Stack Sullivan (1892-1949) „Der Mensch, der im zwischenmenschlichen Kontext oft konflikthaft nach Sicherheit und Bedürfnisbefriedigung strebt, wird erst in der Beziehung zu anderen Menschen er selbst, weshalb Motivation, Auffassung und Störungen nur im interpersonellen Kontext verstanden und behandelt werden können.“ Soziale Unterstützungsforschung Costello (1982): fehlende soziale Unterstützung nicht depressions-verursachend aber vulnerabilitätserhöhend • Paykel (1992) Soziale Unterstützung als Depressionspuffer • Brown/Harris (1978): vertrauensvolle Beziehung und soziale Unterstützung Schutzfaktor • Bowlby (1969): Signifikanter Zusammenhang zwischen Verlust enger Beziehungen und dem Auftreten depressiven Verhaltens • Spitz (1946): anaklitische Depression nach abrupter Trennung von der Mutter • Life-event Forschung Die Hauptproblembereiche Post (1992) life-events spielen bei der Entwicklung hin zur ersten depressiven Episode eine maßgebliche Rolle • Paykel (1969): 6 Monate nach einem belastenden Ereignis steigt das Depressionsrisiko um das 6x an Trauer & Verlust Interpersonelle Rollenkonflikte • Rollenwechsel • Interpersonelle Defizite • • IPT-A: Familie mit einem alleinerziehenden Elternteil 14 Trauer und Verlust Der Focus = der Hauptproblembereich Identifizierung und Festlegung des Hauptproblembereichs Phasenmodell nach Elisabeth Kübler- Ross • Nicht Wahrhaben wollen, Isolierung • Zorn Behandlungsplan und Therapieziele formulieren (präsens, positiv, erreichbar, ich-form) • Verhandeln • Depression Behandlungsvertrag • Zustimmung Was die Trauer komplizieren kann ... • • • • Scham über die Hilflosigkeit, das Ereignis nicht verzögert oder verhindert haben zu können. Schuld oder Scham über aggressive Impulse oder zerstörerische Impulse oder Phantasien. Schuldgefühle des Überlebenden: die geliebte Person ist verstorben, aber man selbst lebt noch. Die Angst davor, das Ereignis könnte sich wiederholen, auch die Angst, dieses könnte sich nur in den Gedanken wiederholen. Abschied • • • • • • Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen Beziehung zwischen Beginn der Depression und dem initialen Trauma herausarbeiten Die Beziehung des Patienten mit dem Verstorbenen rekonstruieren Beschreibung des Sterbeprozesses, der Ereignisse um das Sterben, den Tod und die Zeit danach Konsequenzen daraus Exploration assoziierter pos. und neg. Gefühle Ziele im Fokus ´Trauer und Verlust` Den verzögerten Trauerprozess fördern • Destruktive oder hemmende Aspekte bearbeiten • Dem Patienten helfen, den Verlust durch Belebung alter und neuer Interessen und Beziehungen auszugleichen • Neuorientierung • • Hilfen, alte/neue Interessen zu entwickeln, andere Menschen kennenzulernen Art der Beziehung, Ausmaß des Verlusts mit Persönlichkeit und prophylaktischen Überlegungen in Verbindung bringen 15 Ziele im Fokus: Rollenwechsel Trauer und Akzeptanz des Verlusts der alten Rolle • die neue Rolle positiver zu sehen, das Positive an der neuen Rolle zu sehen • Selbstvertrauen wiederzugewinnen, Ansprüchen der neuen Rolle auch genügen zu können • Fokus Rollenwechsel: Strategien • • • • Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen Ziehen der Verbindung zwischen der vorliegenden Depression und den Schwierigkeiten mit kürzlich durchgemachten Veränderungen im Leben Überblick verschaffen über positive und negative Aspekte der alten und neuen Rolle Exploration der Verlustgefühle, was fehlt? Herausforderungen beim Rollenwechsel • • • • • Exploration der Gefühle über die Veränderung Exploration der Möglichkeiten in der neuen Rolle Realistische Evaluation, was verloren ist Ermutigung, der wahren Gefühle gegenüber der Veränderung freien Lauf zu lassen Hilfen im Finden sozialer Unterstützung und im Entwickeln neuer Fähigkeiten für die neue Rolle Ziel im Fokus: Rollenkonflikt • • • • Der Konflikt kann in folgende Stadien eingeordnet werden • Den Konflikt benennen • Vorgehensweise zur Konfliktlösung festlegen • Veränderung falscher Erwartungen, Wahrnehmungen, destruktiver Kommunikation zur besseren Lösung Die familiäre Unterstützungen und Bindungen werden bedroht, sofern das Umfeld die Schwierigkeiten beim Rollenwechsel nicht (so) sieht Begleitende Emotionen wie Ärger, Trauer oder Angst müssen bewältigt werden. Neue soziale Fertigkeiten werden plötzlich benötigt. Das Selbstwertgefühl ist herabgesetzt. • • • • Verhandlungsstadium: Hier wird in der Beziehung aktiv der Versuch unternommen, den Konflikt zu lösen. Sackgasse: Gespräche werden eingestellt, der kalte Krieg beginnt Auflösungsstadium: Die Beziehung ist zerrüttet, man trennt sich . 16 Strategien im Fokus: Rollendisput / Konflikt • • • • • Depressive Symptomgeschichte nochmals darstellen Verbindung zwischen offenem oder verdeckten Konflikt und dem Beginn der Depression ziehen Das Stadium des Disputs festlegen Verständnis dafür entwickeln, in wieweit non-reziproke Rollenerwartungen in Beziehung zum Disput stehen • • • • • • • • • Eingangssitzungen ( ~ 1. - 3. Sitzung): Initiale Phase • • • • • • Exploration der Symptome und Vorgeschichte Bedarf einer parallel laufenden Medikation klären Depressive Syndrome und deren Behandlung erklären ( Der depressiven Erkrankung einen Namen geben) Dem Patienten die "Krankenrolle(n)" zuordnen Vorgehensweise und Ziele des IPT- Konzepts darstellen Beziehungsanalyse: – Inventar wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen – Qualität, Erwartungen, (un)befriedigende Aspekte Mittlere Sitzungen (~ 4. - 14. Sitzung): Hauptphase Worum geht es im Streit? Was sind die Unterschiede in den Erwartungen und Werten? Worin liegen die Optionen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Alternativen zu finden? Worin liegen die möglichen Quellen der Veränderung der Beziehung? Worin liegen die Parallelitäten zu anderen Beziehungen? Was gewinnt der Patient? Welche unausgesprochene Annahme steht hinter dem Verhalten des Patienten? Wie wird der Konflikt fortgesetzt/unterhalten? Krankenrolle nach Parsons 1954 • • • • Die kranke Person wird von gewissen üblichen Verpflichtungen befreit. Diese Freistellung muss sozial definiert und akzeptiert sein. Der Betroffene ist ebenfalls von bestimmten Verantwortlichkeiten freigestellt. Der Betroffene wird als jemand betrachte, der sich in einem sozial unerwünschten Zustand befindet, der so schnell wie möglich beendet werden sollte. Der Betroffene wird als hilfsbedürftig betrachtet. Er übernimmt die Rolle des Patienten, die ihre eigene Verpflichtung (Wunsch, Willen) beinhaltet, insbesondere hier die Krankheit zu akzeptieren und bei der Genesung mitzuhelfen. Schlußphase (~ 15. - 16. Sitzung) • Exploration der (interpersonellen) Probleme • • Fortwährende Verbindung zwischen Fokus und Depression • • Erwartungen, Gefühle, Wahrnehmungen ... des Patienten • • Analyse möglicher Alternativen • • Aufbau befriedigenderen Verhaltens / Erlebens • • • Besprechung der Beendigung Abschiedsgefühle vom Therapeuten / vom Setting Autonome Kompetenz des Patienten betonen Zusammenfassung des Therapieerfolgs Prophylaktisches (interpersonelles) Verhalten besprechen Warnzeichen eines Relaps/Recurrence und daraus resultierende Handlungen besprechen Ggfs. Aufrechterhaltunsphase besprechen 17 Spezifisch angewandte Behandlungstechniken • • • • • • • Explorative Techniken Ermutigung zum Gefühlsausdruck Klärung Kommunikationsanalyse Die therapeutische Beziehung als Beispiel benutzen Techniken zur Verhaltensänderung Andere angewandte Techniken Aufgaben des Therapeuten • • • • • • • Advokat des Patienten, nicht neutral Aktiv Therapeutische Beziehung nicht als Übertragungsbeziehung gewertet Unterstützung des Patienten bei der Erörterung des Problembereichs Selbsteröffnung bahnen Dauernde Rückführung auf den interpersonellen Fokus Hilfen bei neuen Verhaltens- und Problembewältigungsstrategien Interpersonelle Interventionen • • • • • • Zielen auf die Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen Fokus auf aktuelle Beziehungen oder Ereignisse von früheren Beziehungen, die die Gegenwart unmittelbar beeinflussen Verbindung von Symptomatik und interpersonellem Kontext Exploration sozialer Unterstützung Versuchen durch eine Kommunikationsanalyse eine bessere Gesprächsführung im sozialen Umfeld zu ermöglichen Untersuchung der Art und Weise, wie der Patient befriedigende Beziehungen aufbaut oder abwehrt Formen der Interpersonellen Psychotherapie • IPT-D für Dysthymie (Markowitz) • IPT-A für depressive Adoleszente (Mufson) • IPSRT für bipolare Störungen (Frank) • IPT-G für Gruppen (Wifley, Levkowitz) • IPT-LL für Altersdepressionen • IPT für depressive HIV+Pateinten (Grüttert) Pharmakotherapie 18 Indikation zur Pharmakotherapie Medikamentöse Unterstützung bei • nicht ausreichendem Effekt vier- bis sechswöchiger Psychotherapie • schweren depressiven Störungen, deren Ausprägung psychotherapeutische Maßnahmen erschweren • Suizidalität und Wahnsymptomen • Stationäre Aufnahme bei Suizidalität und Nichtbewältigung der Alltagsfunktionen! Wirkstoffgruppen • • • • Trizyklische Antidepressiva Johanniskraut-Präparate • Kein Wirksamkeitsnachweis in zahlreichen kontrollierten Studien bei depressiven Kindern und präpubertären Jugendlichen aufgrund UAWs 3.Wahl Clomipramin (Anafranil®) bei Antriebshemmung Doxepin bei ausgeprägten Schlafstörungen • • • • Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer: – Trizyklische AD – Selektive Serotoninin-Wiederaufnahme-Hemmer – (Selektive) Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer – Serotonin- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer Nicht bzw. Selektive MAO-A-Hemmer (Moclobemid) α2-Adrenozeptor-Antagonisten (Mirtazapin, Mianserin) Sonstige Antidepressiva (Johanniskraut u.a.) • • • • 50% der Verschreibungen antidepressiver Medikamente für Kinder und Jugendliche Für Kinder und Jugendliche keine kontrollierten Studien Ab dem Alter von 12 Jahren zugelassen, Dosis: 1-3x300mg/Tag Unerwünschte Wirkungen – CYP-Induktion mit Beeinflussung anderer Serumspiegel (Wirkung orale Kontrazeptiva) – Photosensibilisierend: keine Höhensonne, Solarien, längere Sonnenbäder! Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) • • • • • Geringeres Intoxikationsrisiko als TZA Kaum kardiale Nebenwirkungen Leichte Handhabbarkeit und relativ gute Verträglichkeit Geringe Beeinträchtigung der psychomotorischen und kognitiven Funktionen Wirksamkeit bei Jugendlichen belegt für Fluoxetin und Sertralin, mit Einschränkungen für Citalopram Erhöhen SSRI das Risiko von Selbstverletzungen und Suizidalität? 19 SSRI und Suizidalität ? • FDA Warnhinweis in Packungsbeilagen SSRI und Suizidalität Einzelne Symptome der Depression können unterschiedlich schnell auf die Therapie ansprechen Antrieb gesteigert, ohne dass die Stimmung aufgehellt wäre Vorübergehend Risiko erhöhter Suizidalität In seltenen Einzelfällen als ich-fremd erlebte dranghafte Impulse • Antidepressants increase the risk of suicidal thinking and behavior (suicidality) in children and adolescents with depression. • erhebliche Verunsicherung bei Eltern, Jugendlichen und Ärzten • Sorge, dass Depressionen und ihr Folgen, wie Suizidalität, nicht adäquat behandelt werden • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft verzichtet darauf, Kontraindikationen für SSRI auszuweiten • • • Holtmann, Bölte & Poustka (2006), Nervenarzt Dosierungsempfehlungen SSRI Langsame Aufdosierung (alle 4-7 Tage) Fluoxetin (z.B. Fluctin®) Anwendungsgebiete: Depressive Erkrankungen: – ab 8.LJ Zulassung bei mittelgradiger bis schwerer depressiver Episode, wenn die Depression nach 4-6 Sitzungen nicht auf Psychotherapie anspricht • Zwangsstörung • Bulimie • Einmalige Gabe morgens ausreichend (außer Fluvoxamin) Antidepressive Wirkung nach 1-4 Wochen Weiterbehandlung nach Remission für weitere 6-9 Monate Langsame Absetzung und Umstellung (≤25% der Dosis wöchentlich) Dosierung: Initialdosis 10-20mg/Tag, Standarddosis bei Kindern 20mg, bei Jugendlichen 20-60mg/Tag, Maximaldosis 80mg/Tag (für Jugendliche) • Einmalgabe am Morgen • Dosis: Depression<Angst<Bulimie<Zwang Sertralin (z.B. Zoloft®) Escitalopram (Cipralex®) Anwendungsgebiete: • • Depressive Erkrankungen Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen Dosierung: Initialdosis 25-50mg/Tag, Standarddosis 50-150mg, Maximaldosis 200mg/Tag (für Jugendliche) • als Einmalgabe am Morgen und nicht auf nüchternen Magen • • Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen Dosierung: • • Initialdosis 5mg/Tag, Standarddosis 5-20mg/Tag, Maximaldosis 20mg/Tag (für Erwachsene) als Einmalgabe am Morgen 20 Mirtazapin (z.B. Remergil®) Anwendungsgebiete: Depressive Erkrankungen, ängstlich-agitierte Depression mit Schlafstörung • Keine Zulassung bei Kindern und Jugendlichen • Dosierung: Initialdosis 15mg/Tag, Standarddosis 15-45mg/Tag, Maximaldosis 45 mg/Tag • Als Einmalgabe bevorzugt am Abend Duloxetin (Cymbalta®) Anwendungsgebiete: Episoden einer major depression Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie • Hinweis auf Wirkung bei Fibromyalgie • Keine Zulassung für Kinder und Jugendliche • • • Dosierung: • • Startdosis 30mg/Tag, Erhaltungsdosis 60(-120mg)/Tag Als Einmalgabe am Morgen Patientenaufklärung? Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs Was ist häufig? Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Appetitminderung Was ist selten, aber schwerwiegend? ZNS: Müdigkeit, innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen Kardiovaskulär: Hypotension, Tachykardie Weitere: Sexuelle Funktionsstörungen, Mundtrockenheit, Schwitzen, Gewichtszunahme, Tremor Unerwünschte Arzneimittelwirkungen SSRIs Notwendige Kontrolluntersuchungen bei SSRIs Serotonin-Syndrom: Selten, aber lebensbedrohlich durch zentrale serotonerge Überaktivität Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Koma, hohes Fieber Therapie: Sofortiges Beenden der Medikation Kühlung des Patienten (Fieber!) • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ggf. Infusion • Ggf. intensivmedizinische Maßnahmen • • Nach Benkert und Hippius, 2012; Gerlach et al. 2009 21 Fallbeispiel 1 16-jährige Patientin mit elektiver Cholezystektomie 3/2009 bei Gallensteinen Nachfolgend Entzündung und Fistelbildung Insgesamt 27 OPs in Folge Rezidivierende Schmerzsymptomatik mit Oberbauchschmerzen, Engegefühl im Thorax, Schwindel und rezidivierenden psychogenen Anfällen Zunächst sedierend wirkendes Antidepressivum Mirtazapin (Remergil®) Umstellung auf Duloxetin (Cymbalta®) Darunter kaum noch Schmerzäußerungen Was ist zu tun? Fallbeispiel 2 17-jährige Patientin mit depressiver Episode Stationäre Aufnahme seit 3 Tagen Therapie mit SSRI Fluoxetin Absetzen der Medikation Nach anfänglich guter Verträglichkeit innerhalb von 24 h Entwicklung gastroenteritischer Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe), Fieber bis 38,5°C, Tremor, leichter Rigor, Erregungszustand, zeitliche Desorientiertheit Symptomatische Gabe von Benzodiazepinen Im Verlauf komplette Rückbildung des akuten Krankheitsbildes Weiterbehandlung mit SNRI Reboxetin (Edronax®) Was ist zu tun? Medikation Zeitlich begrenzt, aber ausreichend lange • • • Fortsetzung der Behandlung nach Abklingen der depressiven Symptomatik über ca. 6 Monate oder auch länger Danach schrittweises, langsames Ausschleichen über Wochen Bei drei deutlich depressiven Episoden langfristige Rückfallprophylaxe Medikamentöse Behandlung der therapieresistenten Depression 22 Strategien zur Behandlung der therapieresistenten Depression • • • • „Augmentation“: Verstärkung der antidepressiven Wirkung eines gegebenen Antidepressivums durch die zusätzliche Gabe einer weiteren Substanz, die selbst kein Antidepressivum ist „Switching“: Umsetzen von einem Antidepressivum auf ein anderes Antidepressivum „Kombination“: zusätzliche Gabe eines weiteren Antidepressivums zu einer nicht ausreichenden Medikation Kombination mit Psychotherapie Augmentation NVL Unipolare Depression 2012 Strategien bei Nichtansprechen: Augmentation Switching NVL Unipolare Depression 2012 23 Kombination Exkurs: Affektive Störungen & Gewichtsregulation NVL Unipolare Depression 2012 Erhöhte Rate von metabolischem Syndrom und Typ II Diabetes bei Erwachsenen mit bipolarer Störung Metabolisches Syndrom Syndrom X oder tödliches Quartett Veränderungen im Kohlehydratstoffwechsel Übergewicht • Bluthochdruck • erhöhte Blutfettwerte • • • Entzündliche Prozesse spielen eine Rolle. Wichtigste Vorstufe für Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen. • • Psychisch Kranke deutlich erhöhtes Risiko Gemeinsame Veranlagung oder sekundär aus Bewegungsmangel, Rauchen und Übergewicht? Kinder und metabolisches Syndrom • • • • • • In Deutschland: Zunahme der Adipositas im Kindes- und Jugendalter in den letzten 10 Jahren ca. 6% der Kinder adipös und 13% übergewichtig, mehr als doppelt so viel wie vor 10 Jahren. Diabetes Typ 2 im Kindes- und Jugendalter weltweit parallel zur Zunahme der Adipositas dramatisch angestiegen USA: in einigen Regionen häufiger als der Diabetes Typ 1 Definition des IDF-Verbandes für Kinder und Jugendliche (International Diabetes Federation) Für Kinder über 16 Jahren können die IDF-Kriterien für Erwachsene eingesetzt werden. Reinehr 2007 Alberti et al. Lancet 2007 www.diabetesverhindern.de/pages/abc/img/metabolisches.jpg 24 Prävalenz metabolischer Veränderungen unter atypischen Neuroleptika Metabolische Veränderungen unter atypischen Neuroleptika Zunahme unter • Olanzapin: • Quetiapin: • Risperidon: • Aripiprazol: • Unbehandelt: Olanzapin und Quetiapine: Gesamt-Cholesterin, LDLCholesterin & Triglyzeride sign. erhöht • Risperidon: Triglyzeride sign. erhöht • Aripiprazol: keine Veränderungen. • 8.5 kg 6.1 kg 5.3 kg 4.4 kg 0.2 kg Correll et al. JAMA 2009 N=505; nach im Mittel 11 Wochen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer • • • • • Risiko bei affektiver Dysregulation: Ansatzpunkte für die Prävention und Therapie Gewichtszunahme auch unter Langzeittherapie mit SSRI Kriterium: mehr als 7 % des Ausgangsgewichtes Paroxetin: 25,5 % der Patienten Fluoxetin: 6,8 % der Patienten Sertralin: 4,2 % der Patienten • Maina et al. J Clin Psychiatry. 2004 Oct;65(10):1365-71. www.neuro24.de/metabolischessyn.jpg Nichtmedikamentöse biologische Behandlungsverfahren • • • Lichttherapie EKT tDCS Chronotherapie 25 Sind Sie eine Eule oder eine Lerche? Störungen des zirkadianen Rhythmus als Ansatzpunkt? Wann schickt Ihre innere Uhr Sie ins Bett? Antidepressiva: Effektivität und Sicherheit • • • • Meta-Analyse (Michael & Crowley, 2002): Wirksamkeit der meisten pharmakologischen Interventionen nicht zufriedenstellend. Neueste verfügbare Cochrane-Analyse (Hetrick et al. 2007): zurückhaltende Bewertungen der verfügbaren Antidepressiva. Offene Fragen bzgl. der Sicherheit. Großer Bedarf an der Evaluation weiterer therapeutischer Interventionen. Lichttherapie bei Depression Chronotherapie Antidepressive Behandlung mit dem schnellsten Wirkeintritt Wachtherapie – Partieller (teilweiser) Schlafentzug – Vollständiger Schlafentzug. – In der Hälfte der Fälle Verbesserung der Stimmung am Folgetag. • Schlafphasenvorverlagerung – stabilisiert Schlafentzugseffekt • Lichttherapie – 500 bis 1.000 x heller als Raumlicht (~10.000 Lux) • Etabliert zunächst bei der saisonal bedingten Depression • • „Sonne für das Nervensystem“ Doppelblinde Studie: • Wirksamkeit von Lichttherapie vergleichbar derjenigen von Fluoxetin • schnellerer Wirkeintritt und weniger unerwünschter Wirkungen Affektive Dysregulation • Verschiebung zirkadianer Rhythmik • mehr Schlafprobleme • • Wirksamkeit von Lichttherapie? 2 Wochen 10.000 Lux vs. 100 Lux Lam et al. AJP 2006 26 Lichttherapie: Erste Ergebnisse • Depressivität und Funktionsniveau in beiden Gruppen besser Nichtmedikamentöse biologische Behandlungsverfahren: tDCS • • Spezifische Effekte der Lichttherapie: Verringerung von Einschlafschwierigkeiten • Verringerung von Durchschlafschwierigkeiten • Verbesserung des Erholtseins nach dem Schlaf • • • • nicht-invasiv schwacher Gleichstrom über zwei Elektroden Anodale Stimulation: Anode als Aktivelektrode (Erregbarkeitserhöhung) vier Stimulationsparameter von Bedeutung: Ort, Polarität, Dauer und Intensität der Stimulation Möglichkeit zur effektiven Plazebokontrolle Holtmann et al. Unveröffentlichte Daten Nichtmedikamentöse biologische Behandlungsverfahren: tDCS • Nebenwirkungen (nach Poreisz et al.) – leichtes Kribbeln unter den Elektroden (71%) – leichte Müdigkeit (35%) – leichtes Jucken (30%) – Brennen (22%) und Schmerz (16%) unter den Elektroden – Lichtblitze beim An- und Ausschalten des Stimulators (11%) Helfen Antidepressiva bei bipolarer Depression? • • Helfen Antidepressiva bei bipolarer Depression? Systematic Treatment Enhancement Program for Bipolar Disorder (STEP-BD) des NIMH Aktuelle Meta-Analyse: Behandlung mit einem Mood-Stabilizer plus Antidepressivum (Bupropion / Paroxetin) hat keinen Vorteil hat gegenüber einem Mood-Stabilizer allein. • Sachs NEJM 2007 • Behandlung der bipolaren Depression Schlechterer Verlauf, wenn in depressiver Episode auch (subsyndromale) manische Symptome vorkommen Sidor & Macqueen J Clin Psychiatry 2010 15 Studien mit 2.373 Patienten Antidepressiva waren in der Behandlung der bipolaren Depression dem Plazebo nicht überlegen. • Kein erhöhtes Switch-Risiko durch Antidepressiva. • Bei sensitiveren Kriterien für Switch: erhöhte Switch-Raten durch Antidepressiva. • • Stellenwert der Atypika? Goldberg AJP 2007 27 Quetiapin: ein Antidepressivum? BOLDER-Studien (BipOLar DEpRession) Leitlinien für klinisches Handeln? „New treatment guidelines for acute bipolar depression: A systematic review.“ Nivoli J Affect Disord 2011 • • • Trend zu Quetiapin-Monotherapie als empfohlenes Mittel der 1. Wahl bei bipolarer Depression. Ggf. Quetiapin zu bereits bestehender Phasenprophylaxe hinzufügen. Lamotrigin wird kontrovers diskutiert. Veränderungen der depressiven Symptomatik (MADRS) Abb. aus Thase 2008 Therapie der bipolaren Depression Depressive Episoden bei Bipolarer Störung 1. Schritt: bestehende Phasenprophylaxe optimieren; ggf. Plasmaspiegel überprüfen. 2. Schritt: Kombinationsbehandlung mit Quetiapin Quetiapin-Dosierung bei Depression: Tag 1: 50 mg Tag 2: 100 mg Tag 3: 200 mg Tag 4: 300 mg (bis 600 mg) S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen Langversion 1.0 (2012) Depressive Episoden bei Bipolarer Störung Depressive Episoden bei Bipolarer Störung Hoher Stellenwert von intensiver Psychotherapie und Psychoedukation! An Erwachsenen gewonnene Erkenntnisse können nicht ohne weiteres auf das Jugendalter übertragen werden. STEP-BD: Zusätzliche Unsicherheiten angesichts des oft undifferenzierten klinischen Bildes bei juvenilen bipolaren Störungen. bis zu 30 Sitzungen in 9 Monaten vs. 3 in 6 Wochen Miklowitz et al. AGP 2007 (STEP-BD) Auf hypomane Symptome achten! 28 Suizidales Verhalten Entwicklungspsychopathologie Suizidalität & Selbstverletzungen • Suizidversuche erst bei endgültiger Todesvorstellung möglich (~7 Jahre) • Suizide < 14 Jahre 1,3 auf 1.000.000 • Suizidgedanken in der Pubertät ca. 25% • Suizidpläne bei Jugendlichen ca. 14% • Suizidversuche < 18 Jahre 500 pro 100.000 • Suizide < 18 Jahre: 120 pro 100.000 Jungen/Mädchen 1:3 Jungen/Mädchen 2:1 Mäßige oberflächliche Selbstverletzung Selbstverletzungen Indirekte Formen • Nahrungsverweigerung • Alkohol-, Drogenkonsum • Verweigerung wichtiger medizinischer Behandlung • Riskantes Verhalten im Straßenverkehr • Ungeschützter Geschlechtsverkehr Direkte Formen • Ritzen • Schneiden • Schlagen • Verbrennen • Vereisen • Einnahme schädigender Substanzen Mäßige oberflächliche Selbstverletzung Phasen der Selbstverletzung Auslöser • Angst-, Hassgefühle; Überforderung; oft kein Situationszusammenhang Gefühle unmittelbar vor der Selbstverletzung • Spannungszustand mit Rauschcharakter; Depersonalisationserleben. Selbstverletzende Handlung • Ritual mit bereit gestelltem Instrument; oft feste Abläufe; häufig partielle oder totale Schmerzunempfindlichkeit Gefühle im Anschluss an die Selbstverletzung • Entlastung und Spannungsminderung; Hebung der Stimmungslage und des Selbstwertgefühls Neppert, 1998 29 Selbstverletzungen: Umgang in der akuten Situation Therapieziele bei Selbstverletzungen • Entfernung aus der Gruppensituation • Verringern parasuizidaler Verhaltensmuster • Betroffene auffordern, Verletzungsgegenstand abzugeben • ggf. Inspektion der Verletzung • Verringern von Verhaltensmustern, die die Lebensqualität einschränken, wie depressive Symptome • Informieren der Sorgeberechtigten • Förderung eigenverantwortlichen Handelns • ggf. ärztliche Behandlung (Hausarzt, Allgemeinarzt, • Aufbau von Verhaltensfertigkeiten Chirurg, nach Rücksprache mit Sorgeberechtigten) Achtsamkeit Stresstoleranz • Emotionsregulation • Interpersonelle Effektivität • • ggf. Vorstellung in kinderpsychiatrischer Klinik • • mögliche Suizidalität auszuschließen Reduktion von Selbstbeschädigungen Suizide bei Kindern unter 10 Jahren sind sehr selten Schneiden an weniger gefährlichen Stellen Gefährlichkeit Schneiden Entwicklungspsychopathologie des Suizids • Keine Vorstellung von Endlichkeit des Lebens • Keine Fähigkeit sichere und unsichere suizidale Methoden zu unterscheiden Ritzen mit Schlüssel • Keine kognitiven Kompetenzen von Selbstreflexion und Selbstentwertung Entspannungsball Drastischer Anstieg der Suizidrate im Jugendalter • Weniger „Bilanz“-Suizide • Hohe Suggestibilität (Lerntheorie): „Werther-Effekt“ Entwicklung über die Zeit Definition einer suizidalen Handlung Suizidalität bei Jugendlichen Wunsch nach Ruhe und Pause (mit bewusstem Risiko und Inkaufnahme von Versterben) Todeswunsch (jetzt oder in einer unveränderten Zukunft lieber tot sein zu wollen) Suizidideen (Erwägungsmöglichkeit; spontan einschießender Gedanke) Suizidabsicht (mit/ohne konkrete Planung & Ankündigung) Passive Suizidalität Zunehmender Handlungsdruck Zunehmendes Handlungsrisiko • Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt beim Patienten • Der Betroffene selbst schätzt sein Verhalten und seine Gedanken als suizidal oder nicht-suizidal ein • Suizidalität wird nicht durch Letalität der Methode oder die Umstände der Handlung bestimmt • Gefahr von Bagatellisierungstendenzen • Deshalb: Atmosphäre von Offenheit und Akzeptanz als Grundlage für gemeinsame Einschätzung momentaner Suizidalität Akute Suizidalität Suizidhandlung Wolfersdorf, 2000 Wolfersdorf, 2000 30 Suizidales Verhalten – Hinweise auf Todesabsicht • Gewähltes Mittel nicht ausschlaggebend! • Definition einer Handlung als „suizidal“ liegt beim Patienten • Handlung u. Isolation • Zeitpunkt mit geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit • Vorbereitungen in Todeserwartung • Keine Alarmierung Dritter nach der Handlung Suizidalität: Risikogruppen • Schwere Depression, insbesondere mit Schuldwahn • Teilremittierte Schizophrenie; insbesondere männl. Jugendliche • ADHS + Aggression + Depression • Impulsivität als Risikofaktor • Akute Suizidalität ist absolute Indikation zur stationären Krisenintervention! Krisenintervention bei suizidgefährdeten Jugendlichen Suizidgefährdete direkt auf Suizidgedanken ansprechen Suizidprophylaxe • suizidprophylaktische Wirkung langfristiger antidepressiver Therapie nicht belegt • bei depressiven und manisch-depressiven Erwachsenen: langfristige Behandlung mit Lithium reduziert dramatisch das Suizidrisiko (Goodwin et al, 2003) • entsprechende Untersuchungen im Jugendalter dringend notwendig Erziehungsberechtigte informieren Im Verlauf evtl. Anti-Suizid-Verträge Im Gespräch mit dem Suizidgefährdeten dringend vermeiden: • • • • • • Sich geschockt zeigen Schuldgefühle einflößen Mit Gewalt „Waffen“ wegnehmen Absolute Vertraulichkeit zusichern, wenn man diese nicht einhalten kann Rationale Argumente gegen den Suizid vorbringen Den Gefährdeten alleine lassen Lithium gegen Suizidalität? • Benzodiazepine vorübergehend hilfreich • ALLE anderen Psychopharmaka werden nicht empfohlen! aus: Cipriani et al (2005) Am J Psychiatry 162:1805-17 S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen Langversion 1.0 (2012) 31 Der sprunghafte Stil: „Achterbahn, Feuer und Eis, Leben auf dem Vulkan“ • • • • • Für sprunghafte Menschen ist das Leben eine Achterbahnfahrt. Sie brauchen immer eine tiefe romantische Beziehung zu anderen und treten voller Leidenschaft mit anderen in Kontakt. Sie finden in allem, was andere sagen, eine emotionale Bedeutung. Sie sind leicht geschmeichelt und erfreut, genauso schnell aber am Boden zerstört oder enttäuscht. Sie zeigen, was sie fühlen, sind hemmungslos, spontan und haben keine Angst vor Risiken. Symptome • • • • • • • • Selbstverletzung Suizidales Verhalten Essanfälle, Substanzmissbrauch Promiskuität dissoziales Verhalten Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren • frühe Erfahrung von Vernachlässigung durch primäre Bezugspersonen (sexuelle) Gewalterfahrungen • Therapeutische Grundannahmen Wertschätzung • • • • • • Borderline-Persönlichkeitsstörung Das Verhalten der Patientin macht in ihrem Kontext Sinn. Selbstverletzung als derzeit „beste verfügbare Lösung“. Sie muss in fast allen Bereichen neues Verhalten lernen. Der Therapeut balanciert zwischen Akzeptanz und Drängen auf Veränderung. Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT; nach Marsha Linehan) Station mit DBT-Schwerpunkt für Mädchen in LWLUniklinik (Station A3) • • • • • • • Instabilität in Beziehungen, Selbstbild und Gefühlen; ausgeprägte Impulsivität verzweifeltes Bemühen, Alleinsein zu verhindern Wechsel zwischen Überidealisierung und Entwertung chronisches Gefühl der Leere wiederholte Suiziddrohungen oder -versuche, Selbstverletzungen Stimmungsschwankungen Unfähigkeit, Wut zu kontrollieren dissoziative Symptome 1. Therapiephase: Schwere Probleme auf der Verhaltensebene • • Trennung von Verhalten und Person, d.h. Korrigieren von Verhalten ohne Bezug auf Person (zur Vermeidung von Abwertungen) Umgang mit – suizidalen Krisen – Verhalten, das die Therapie beeinträchtigt – Verhalten, das die emotionale Balance schwer stört (Drogen, Essstörung, ...) • Verbesserung von Fertigkeiten („Skills“) 32 Stressreduktion / Umgang mit Gefühlsstürmen • • • • • Versuche Deine Gefühle nicht zu unterdrücken aber: lass die Gefühle nicht unkontrolliert heraus! Versuche, der Stressreaktion ein Ventil zu geben Skills: Eiswürfel, heiße/kalte Dusche, Rennen, Igelball, Massage, Bad, laute / aufmunternde Musik, scharfe Gewürze (Meerrettich, Chili), Muskulatur an- u. entspannen, ... Therapie der Borderline-Störung 2. Therapiephase: Umgang mit Folgen von traumatischen Erfahrungen 3. Therapiephase: Befähigung zur ambulanten Therapie Was können Sie tun? • Weder in Mitleid ertrinken noch verurteilen. – Nicht zu viel Aufmerksamkeit – Nicht vorsätzlich aversiv („soll ihr ruhig wehtun“) • Eher „technisch“ / nüchtern behandeln DSM-5 Ausblick Disruptive Mood Dysregulation Disorder (DMDD) 33 „Tief im Westen … … ist es besser als man denkt…“ Martin Holtmann LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kinder- und Jugendpsychiatrie, des Kindes- und Jugendalters Psychotherapie & Psychosomatik ZI Mannheim 34