Prävalenz und Erkennen von depressiven Störungen in deutschen

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Prävalenz und Erkennen von depressiven Störungen
in deutschen Allgemeinarztpraxen –
eine systematische Literaturübersicht
Versorgung
474
N. Becker
H.-H. Abholz
Prevalence and Detection of Depressive Disorders in German General Practice –
A Systematic Review
Zusammenfassung
Abstract
Hintergrund: Allgemeinärzte sind oft erste Anlaufstelle für Patienten mit Depression. Gleichzeitig weisen die internationale
Studien niedrige Erkennensraten auf. Uns interessierte: wie ist
die Situation in Deutschland? Methode: Bezüglich Prävalenz
und Erkennensraten für depressive Störungen führten wir für
den Zeitraum 1993–2005 eine MEDLINE- und PSYNDEX-Recherche nach englischen und deutschsprachigen Artikeln, mit
„MeSH-Terms“ zu unseren Schlüsselwörtern durch. Ergebnis:
Von 44 gefunden Artikeln betrafen 13 Studien thematisch unseren Schwerpunkt und machten gleichzeitig klare Angabe über
ihren Referenzstandard zur Diagnosefindung. Die Punktprävalenz von depressiven Störungen in der Allgemeinarztpraxis lag
bei etwa 10 %. Die Angaben schwankten je nachdem, ob die Diagnosen nach DSM-IV oder ICD-10 Kriterien gestellt wurden. Die
Punktprävalenz für eine major depression (DSM-IV) lag bei
4–6 %, die 12-Monats-Prävalenz bei ca. 8 %. Depressive Episoden
hatten eine Punktprävalenz von ca. 8–17 %. Nur 5 % der Patienten
nannten Depression als Konsultationsgrund bei ihrem Arzt. Hingegen gaben 57 % körperliche Beschwerden als Beratungsanlass
dort an. Die Erkennensraten durch Hausärzte schwanken zwischen 17 und 85 %. Fast 12 % der Patienten wurden von Hausärzten falsch positiv eingeschätzt. Schlussfolgerung: Die Zahlen in
Deutschland weichen kaum von denen internationaler Studien
ab. Angaben zur Prävalenz sind abhängig vom Referenzstandard.
Hauptsächlich verwendete Fragebogen in Deutschland sind der
PHQ-D bzw. der DSQ mit hoher Sensitivität und Spezifität. Klassifikationssysteme wie der DSM-IV oder der ICD-10, die Krankheit ohne ätiologische bzw. pathogenetische Modelle ohne Kontext definieren, sind für allgemeinmedizinisches Vorgehen nicht
sinnvoll.
Background: Depression is one of the most common diseases of
mental disorders in general practice. General practioners are
mostly in a gatekeeper function for people who suffer from depression, but international studies show low detection rates.
We were interested in the german situation. Methods: We did a
literature research for prevalence and detection rates for depressive disorders and looked for German and English articles in
MEDLINE and PSYNDEX with the limit from 1993 until 2005 in
Germany. Our search strategy included only MESH-terms. We
found 44 articels, of which only 13 met our question and inclusion criteria. Results: The prevalence of point for overall depressive disorders was 10 %. The prevalence for major depression
(DSM-IV) was 4–6 %. Depressive Episodes (ICD-10) had a prevalence of 8–17 %. Only 5 % of the patients sufferung from depression mentioned it in their consultation. But 57 % of these patients
mentioned problems concerning their body as a reason for encounter. Detection rates were between 17 and 85 %. 12 % of those
detected by the general practitioners were false positive.
Conclusion: Studies in germany found similar prevalences and
detection rates as internationally found. But these rates also differ due to the reference standard and the screening test being
used. In Germany the screening tests mostly used are PHQ-D
and the DSQ. Both have high sensitivity and specifity. But we
doubt that classification systems like the DSM-IV or ICD-10,
which explicitly exclude etiological interpretation of those
symptoms asked for and the context of these symptoms, are a
good base for work in General practice.
Institutsangaben
Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
Korrespondenzadresse
Nicole Becker · Abteilung für Allgemeinmedizin · Universitätsklinikum Düsseldorf · Moorenstraße 5 ·
40225 Düsseldorf · E-mail: [email protected]
Bibliografie
Z Allg Med 2005; 81: 474–481 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
DOI 10.1055/s-2005-872584
ISSN 0014-336251
Schlüsselwörter
Prävalenz · depressive Störungen · Allgemeinarzt · Deutschland ·
Screening · Diagnostik · Erkennensraten
Key words
Prevalence · depressive disorder · general practice · Germany ·
screening · diagnosis · detection
Depressionen sind häufig Erkrankungen in der Allgemeinarztpraxis. Darüber hinaus gehen sie oft mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen für Patienten und Ihre Angehörigen einher. Allgemeinärzte sind erste Anlaufstelle für depressiv Erkrankte [25].
pression OR dysthymia) AND (prevalence OR epidemiology OR
diagnosis OR screening OR detection OR recognition) AND (primary care OR familiy medicine OR general practice OR familiy
physician) AND Germany. Limits: zeitlich begrenzt auf die Jahre
1993–2005.
Demgegenüber fallen die Prävalenz-Raten einer Depression, die
auf der Basis klinischer Diagnosen von Allgemeinärzten erhoben
wurden, deutlich niedriger aus [25]. Internationale Studien, die
sich mit Erkennensraten beschäftigen, nennen Werte zwischen
35 und 60 % Erkennungsanteil durch Hausärzte [9, 12, 13]. Dies bedeutet, dass unabhängig von den Verschiedenheiten der nationalen Gesundheitssysteme ein ähnlich hoher Anteil von Personen
mit einer – nach Test-Instrument – Depression übersehen wird.
Seit den Veröffentlichungen von Satorius und Üstün [26, 33] für
die WHO sind nunmehr ca. 10 Jahre vergangen. Uns interessierte: Wie hat sich die Studienlage seither in Deutschland entwickelt? Wie sind Prävalenzen und Erkennensraten von depressiven Erkrankungen in Deutschland? Werden in den Studien
Gründe für die Eingangs beschrieben Diskrepanzen zwischen
klinischer Diagnose und Diagnosen auf der Basis von ICD-10
bzw. DSM-IV-Kriterien1 benannt? Uns interessiert fernerhin, ob
es methodische Schwachstellen bei diesen Studien gibt, die möglicherweise die Diskrepanzen erklären.
Suchstrategie
Zur Klärung der Studienlage in Deutschland führten wir in MEDLINE und PSYNDEX eine Literatursuche mit folgenden Stichwörtern durch: (depression OR depressive disorder OR major de-
1
Bereits in den 80er-Jahren wurde wegen bis dahin fehlender objektiver
Kriterien für psychische Erkrankungen und häufig länderspezifischen
Schulenstreits bzw. der fehlenden international Vergleichbarkeit einheitliche Klassifikationssystemen wie der ICD-10 bzw. DSM-III/DSM-IV
eingeführt. Deren Unterschiede wirken sich auf die Häufigkeiten der Diagnosefindung aus. Für die Diagnose einer Depression fordert der DSMIV das auftreten von 5 von insgesamt 10 Symptomen (in den letzten
14 Tagen) für „major depresson“, während der ICD-10 nur 4 Symptome
für eine „depressive Episode“ fordert (in den letzten 14 Tagen), wenn
mindestens 2 Kernsyptome darunter sind. Damit hat die WHO mit
dem ICD-10 niedrigere Schellenwerte festgelegt. Umgekehrt ausgedrückt: die „depressive Episode“ wird früher und damit häufiger diagnostiziert als eine „major depression.“
Zum Für-und-Wieder von spezifischen Klassifikationssysteme gerade
vor dem Hintergrund der Subjektivität von psychischen Erkrankungen
gibt es nach wie vor eine Kontroverse (vgl. auch [1]).
Zusätzlich führten wir eine Handsuche in „Das Gesundheitswesen“ und der ZFA durch.
Selektionskriterien
Wir wählten nur Studien aus, in denen der Referenzstandard für
depressive Störungen bzw. die Diagnosefindung mittels Diagnose- oder Screeninginstrumenten klar definiert war. Das Setting sollte die Allgemeinmedizinischen Praxis sein, bzw. die Allgemeinbevölkerung betreffen. Inhaltlich interessierten uns erwachsene Patienten (ohne Demenz) mit depressiven Störungen.
Versorgung
Die WHO rechnet bis zum Jahr 2020 damit, dass die Depression
die zweithäufigste Erkrankung, direkt nach Herz-Kreislauferkrankungen, sein wird [24]. In der DEPRES-Studie, als einer
der wenigen Europäischen Studien, bestätigt Lepine et al. [20]
eine 6-Monats-Prävalenz von 17 % für depressive Erkrankungen.
Alle Studien, die ähnlich hohe Zahlen zur Prävalenz angeben,
wurden auf der Basis systematischer Untersuchungs- bzw.
Screeninginstrumente erstellt.
Die Studien
Wir fanden in MEDLINE 44 Artikel. Davon waren 3 Übersichtsarbeiten und 3 randomisiert kontrollierte Therapie-Studien, die
wir ausschlossen, da sie thematisch zu speziell waren, z. B. Alterstufen oder nur Pharamakotherapie untersuchten. Die PSYNDEX-Suche ergab 32 Artikel, die sich mit den MEDLINE-Artikeln
alle doppelten. Die Handsuche ergab 2 Artikel, die in der ZFA erschienen waren, aber ebenfalls mit der gleichen Erhebung bereits anderweitig veröffentlicht worden waren. 25 Studien aus
MEDLINE wurden thematisch ausgeschlossen, da sie zu spezielle
Fragestellungen hatten (Depression im Alter, Komorbidität etc.)
Insgesamt blieben so 13 Studien übrig.
Diese Studien beschreiben wir vor dem Hintergrund ihrer Referenzstandards für psychische Erkrankungen und der jeweiligen
Untersuchungsinstrumente bzw. Fragebögen.
Klinische Einschätzung der Allgemeinärzte
Frühe Hausarztstudien zur Prävalenz und zur Versorgungslage
von depressiven Patienten benutzten die hausärztliche klinische
Diagnosestellung, d. h. sie arbeiteten ohne einheitlichen Referenzstandard bzw. Klassifikationssystem.
In diesem Zusammenhang möchten wir die Fragebogenstudie von
Fritzsche et al. [8] vorstellen. Um die absoluten Häufigkeiten in
Hamburger Allgemeinarztpraxen zu erheben, wurde mit standardisierten Fragebogen bei 757 Allgemeinärzten eine retrospektive
Umfrage zur Diagnose Depression im letzten Quartal durchgeführt. Zusätzlich sollte untersucht werden, welche Konzepte
Allgemeinärzte zur Depression haben und nach welchen Kriterien
sie behandeln. Für die Diagnose „Depression“ wurde die subjektive Einschätzung der behandeln Ärzte als ausreichend erachtet,
was neben der Rücklaufquote von 40 % und fraglicher Repräsentativität der Arztauswahl methodisch problematisch erscheint. Pro
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Praxis ergab sich ein Anteil von 20 % von Patienten mit psychischen Erkrankungen, dabei wurden 8,6 % der Patienten als depressiv krank eingeschätzt. Die Häufigkeit der Diagnosestellung
einer depressiven Erkrankung scheint nach Fritzsche von der Einschätzung der eigenen Kompetenz in der Betreuung psychisch
Kranker abhängig zu sein: Je kompetenter sich die befragten Ärzte
fühlten, desto häufiger wurden depressive Erkrankungen diagnostiziert, desto weniger wurde überwiesen (Tab. 1 und 2).
Tab. 2 Die beiden wichtigsten deutschsprachigen Screeninginstrumente zum Erkennen von depressiven Störungen nach ICD-10
und DSM-IV
Bezeichnung/Abkürzung
System
Sensitivität
Spezifität
Validierung an Allgemeinbevölkerung
ja/nein
DSQ
DSM-IV
ICD-10
80–95 %1
54–92 %1
bisher nicht abgeschlossen;
n = 62 stat. psychiatrische
Patienten;
n = 45 Allgemeinarztpatienten
PHQ-D
DSM-IV
95 %1
86 %1
deutsche Version des
Patient Health Questionnaire [31] validiert an
n = 357 Allgemeinarztpatienten und
n = 171 psychosomatischen Patienten
Studien mit strukturierten Interviews (Tab. 3, Anhang)
Versorgung
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Linden et al. [21] führte 1996 eine Längsschnittstudie als Teil einer WHO-Studie zu „Psychischen Erkrankungen und ihre Behandlung in Allgemeinarztpraxen in Deutschland“ durch. Methodisch wird auf von Korff und Üstün [33] verwiesen, die das Design
für die WHO international (Ausgangsdiagnose = Indexdiagnose)
festlegten. Es wurden insgesamt 5 284 Patienten (18–65 Jahre)
aus 35 Praxen in Berlin und Mainz systematisch und konsekutiv
gescreent. Nicht erfasst wurde die Gesamtzahl der Patienten, die
an diesem Tag in die Praxen kamen. Die Screeninginstrumente
waren der GHQ, der BDQ und die SDS. Von diesen Patienten wurde eine geschichte Stichprobe von 400 gezogen und deren Verläufe nach 3 und 12 Monaten mit den oben erwähnten Instrumenten gemessen. Referenzstandard war der ICD-10 (bzw. DSMIII-R). Alle 400 Patienten wurden zusätzlich mit einem standardisierten Interview2 (CIDI) untersucht. Die Punktprävalenz für depressive Episoden lag bei 8,6 %. Im Längsschnitt traten 33 % chronische Verläufe auf. 29,5 % Patienten mit der Indexdiagnose depressive Episode zeigten nach 1 Jahr weiterhin eine solche. Bei
Patienten mit depressiven Erkrankungen lag die Einmonatsprävalenz nach einem Jahr bei 43,6 %, während sie bei Pat. mit rein
somatischen Erkrankungen bei 3,5 % nach einem Jahr lag. Erkennensraten der Hausärzte wurden mit 45 % angegeben. Diese ärztliche Einschätzung wurde über einen Arztkontaktbogen erhoben.
Hier konnte mit ja/nein zur jeweilig gefragten psychischen Erkrankung angekreuzt werden. Gründe für etwaige Diskrepanzen
in der Diagnosefindung wurden nicht untersucht (Tab. 1 und 2).
Tab. 1 Untersuchungsinstrumente zur Diagnostik von ICD-10- und
DSM-III-R/DSM-IV-Störungen (Tab. nach Stieglitz RD, Freyberger JH;
2002)
Bezeichnung/Abkürzung
Gruppe
System
Autor(en)
strukturiertes klinisches
Interview für DSM-IV
SKID
Strl1
DSM-IV
Wittchen et
al., 1997
diagnostisches Interview bei
psychischen Störungen
DIPS
Strl1
DSM-III-R/ICD-10
Margraf et al.,
1994
composite international
diagnostic interview
CIDI
Stal2
DSM-III-R/ICD-10
Wittchen und
Semler, 1991
1
2
Strl = strukturiertes Interview; 2 Stal = standardisiertes Interview
Auf der Basis dieser internationalen Klassifikationssysteme wurden
dann spezifische Untersuchungsinstrumente zur praktischen Nutzung
– einschließlich eines Screenings – entwickelt und zum „Goldstandard“
ernannt. Tab. 1 zeigt die in den hier vorgestellten Studien benutzten Untersuchungsinstrumente. Insgesamt fanden wir nur 3 Studien, die depressive Störung mit einem strukturierten Interviews (CIDI) validierten.
Becker N, Abholz H.-H. Prävalenz und Erkennen … Z Allg Med 2005; 81: 474 – 481
1
Die Tests weisen je nach Diagnose eine unterschiedliche Sensitivität und
Spezifität auf. Angaben für den PHQ-D gelten für major depression.
In der Studie von Hach et al. [12] wurde die „Validität von Krankenscheindiagnosen psychischer Störungen“ untersucht. Dabei
wurden per Zufallsstichprobe über das AOK Register überregional die Krankenscheindiagnosen niedergelassener Ärzte (Größtenteils Hausärzte und Gynäkologen) mit Diagnosen, die aus
vollstandardisierten Interviews (F-DIPS) einer Stichprobe obiger
Patienten (1538 Frauen, 18–25 J.) verglichen. Diese Altersgruppe
wurde deswegen untersucht, da laut Literatur hier besonders
häufig Diagnosen übersehen werden. Bei den Krankenscheinen
wurde eine Prävalenz von 28 % somatoformer Störungen gefunden. Während die Diagnosen über DIPS 5,8 % depressive Störungen aufwiesen und 4,3 % Anpassungsstörungen und 30 % phobische Erkrankungen aufzeigten. Somatoforme Störungen wurden
mit dem DIPS nur zu 3,8 % gefunden. Die Autoren schließen daraus mangelnde und unzutreffende Diagnosestellung (geringe
Spezifität) und Behandlung bei ambulant tätigen Ärzten.
Im Rahmen des Bundesgesundheitssurveys 1998/1999 führte
Wittchen et al. [9, 39] eine Studie an einer repräsentativen Stichprobe zur Erfassung körperlicher und psychischer Störungen
durch. Es wurden insgesamt 7124 Personen im Alter von
18–65 Jahren untersucht, um körperliche und psychische Erkrankungen in der deutschen Allgemeinbevölkerung zu beschreiben. Insgesamt konnte eine hohe Komorbidität von psychischen Erkrankungen aufgezeigt werden. Eingesetzter Screeningbogen war der CID-S Bogen. Alle positiv gescreenten und
50 % der negativ gescreenten wurden dann mit einem vollstandardisierten Interview (CIDI) befragt. Es wurde zwischen aktuellen Diagnosen, „life-time“ Diagnosen und „remitierten life-time“
Diagnosen unterschieden, um Chronizität von akuten Leiden unterscheiden zu können. Die Untersuchung ergab bei 1/3 der Bevölkerungen psychische Erkrankungen. Die Monatsprävalenz
der major depression lag bei 8,3 %; dysthyme Störungen 4,5 %, bipolare Erkrankungen 0,8 % und Angststörungen 11 %. Von den so
als „krank“ identifizierten Personen wurden 42 % von Hausärzten
mitbehandelt. 15 % wurden ausschließlich vom Hausarzt behandelt; 32 % wurden vom Nervenarzt, 23 % von Psychotherapeuten
mitbehandelt. Die Diagnosen der niedergelassen Ärzte wurden
nicht untersucht.
Henkel et al. [14, 15] bestimmte die Punktprävalenz von 431 Patienten aus 18 Hausarztpraxen mit unterschiedlichen Screeninginstrumenten (WHO-5, PRIME-MD, BHPQ, 2-Fragentests). Alle
positiv gescreenten Patienten wurden mit einem vollstandardisierten Interview (CIDI) 6 Tage später telefonisch nachbefragt.
16,7 % der Patienten zeigten eine depressive Störung. Insgesamt
litten 43 Patienten an einer major depression, 22 Patienten hatten eine Dysthymie und 7 Patienten „irgend eine depressive Störung“. Nach Prüfung der Sensitivität und Spezifität der Tests und
der Items kommt Henkel zu dem Schluss, dass der 2-Fragentest
von Whooley – anstelle des ausführlichen Instrumentariums –
ausreichend für ein Screening ist. Die klinisch hausärztlich Diagnose wird nicht erhoben.
Für Deutschland im Ländervergleich fällt auf, dass hier die niedrigste Rate von Depressiven zu finden ist. Nur 3,8 % leiden nach
dem MINI unter einer major depression. Zudem hat Deutschland
die niedrigste Konsultationsrate. Nur 40 % aller Depressiven nehmen ihre psychischen Beschwerden als Behandlungsanlass.
Gleichzeitig hat Deutschland die niedrigste Verschreibungsrate
(22 vs. 40 % Frankreich) von Antidepressiva. Die klinische ärztliche Diagnose wird nicht erhoben.
Studien ohne Standardisierte Interviews (Tab. 4 u. 5, Anhang)
Die Arbeitsgruppe um Wittchen et al. [40, 41] verwendet in den
anderen als oben schon erwähnten Untersuchungen den selbstentwickelten DSQ (ICD-10; DSM-IV) als Screeninginstrument4.
Zu erwähnen ist hier die so genannte „SISI-Studie“ in der Wittchen et al. [16, 17, 40, 41, 43] 20 421 Patienten im Alter von
15–99 Jahren wurden überregional mit dem DSQ befragten.
Gleichzeitig wurde in den 633 beteiligten Praxen die Arztdiagnose und die klinische Schweregradeinschätzung der Ärzte er-
3
4
Omnibusbefragung: feststehender Bergriff für eine Mehrthemenbefragung mit hohem methodischen Standard und Repräsentativität.
In der Praxis ist die Diagnosefindung durch Untersuchungsinstrumente
zeitlich und personell höchst aufwendig, so dass bei den meisten Studien Fragebogen (ebenso auf der Basis der internationalen Klassifikationssysteme) für die Patienten – Selbsterhebungsinstrumente – eingesetzt wurden. In Tab. 2 werden die in den vorgestellten Studien beiden
häufigsten Fragebogen mit ihrer Sensitivität und Spezifität aufgelistet.
Diese Fragebogen wurden auch in der Allgemeinbevölkerung validiert.
Versorgung
Die einzige interkulturelle europäische Studie, die DEPRES-Studie [20], verzichtet auf die Diagnosestellung durch vollstandardisierte Interviews. Jedoch wurde der Fragebogen (MINI; DSMIII) zuvor in allen teilnehmenden Ländern gegen das CIDI getest
und validiert, so dass die Studie in diesem Abschnitt mitbesprochen wird. Es geht um rein epidemilogische Fragen im Ländervergleich zwischen 6 europäischen Ländern. In einer Omnibusbefragung3 wurden insgesamt 78 463 Menschen befragt. Davon
wurden 13 359 als depressiv erkrankt gescreent. Das Mindestalter lag bei 14 Jahren. (Deutschland bildete eine Ausnahme mit
15 Jahren). Insgesamt lag die 6-Monats-Prävalenz für depressive
Störungen bei 17 %. 6,9 % hatten eine major depression und 1,8 %
eine minor depression. 43 % der depressiv Erkrankten in Europa
wurden nicht behandelt. 69 % erhielten keine medikamentöse
Therapie. Wenn für depressive Erkrankungen Antidepressiva
verordnet wurden, dann nur in 25 % der Fälle. Eine Großzahl der
depressiven Patienten wird in Europa vom Hausarzt behandelt.
mittelt und den Ergebnissen des DSQ gegenübergestellt. Als klinische Diagnose galt die subjektive Einschätzung der Ärzte. Zudem wurde Behandlung und Überweisungsverhalten erfasst.
Wittchen ermittelte mit dem DSQ eine Punktprävalenz von
11,3 % für depressive Episoden; die 12-Monats-Prävalenz lag bei
10,4 %. Die Ärzte erkannten davon 59 % richtig. 4,2 % der Patienten
hatten eine Punktprävalenz für die major depression. Von diesen
wurden hingegen schon 85 % von den Ärzten als depressiv erkannt, d. h. je schwerer die Erkrankung, desto eher erkannten –
und behandelten – die Ärzte. 72 % der Ärzte verordneten eine
medikamentöse Behandlung. 10,1 % überwiesen zum Facharzt.
Ein Problem bei dieser Studie war, dass die Praxen durch Pharmavertreter angeworben waren, also eine besondere Selektion
darstellen könnten. Diskutiert werden von den Autoren selbst
mögliche Schwierigkeiten bei der Erfassung der Arztdiagnose.
Ein besonderer Depressionstypus wurde mittels dieser Studie
definiert, der häufig übersehen wird: die SISI-Typen sind weiblich, sportlich sehr aktiv und verfügen über ein ausgesprochen
hohes Maß an Selbstkontrolle.
11,7 % waren von den Ärzten falsch positiv eingeschätzt worden.
Komorbidität wurde nicht erfasst. Die Ursachen für die falsch
positiven Raten werden diskutiert. Leider fehlt auch hier wieder
die Gesamtzahl der Patienten in den Praxen, es wurde aber konsekutiv erhoben.
In einer weiteren Studie von Wittchen et al. [45, 46] wurde die
Kommorbidität beim Vorliegen einer major depression (MDE)
und der generalisierten Angsstörung (GAD) erfasst. Screeninginstrument für die Depression war wieder der DSQ, bzw. der
ASQ, bzw. GAS-Q für die Angststörung. Die Hausärzte hatten
ihre klinischen Diagnosen und die Schweregradeinteilung zu
den Patienten anzugeben. Es werden 21999 Patienten (Alter
18–65 Jahre) aus 558 Praxen erhoben. 5,3 % aller Patienten hatten eine GAD, 6 % eine MDE. 64,3 % der Hausärzte erkannten die
MDE jedoch nur 34,4 % die GAD. Jedoch wurden „schwerwiegenden emotionelle Probleme“ bei mehr als zweidrittel der mit den
Instrumenten als MDE oder GAD identifizierten Patienten wahrgenommen. Behandlung erhielten 60 % der GAD Patienten und
49 % der MDE Patienten. Als Gründe für das Nichterkennen werden unter anderem die somatische Attribuierung durch die Patienten selbst diskutiert. Auch diese Erhebung erfolgte konsekutiv ohne Angabe der Gesamtzahl der Patienten in den Praxen an
den Untersuchungstagen.
Die nun folgenden Studien verwendeten den PHQ-D als Screeningbogen. Es sind Projekte des „Kompetnenznetzes Depressionen“, d. h. alle Daten wurden im Rahmen des Projekts „Umfassendes ambulantes Qualitätsmanagement“ in den Regionen Südbaden, Rheinland und München erhoben. Kratz et al. [18] erfassten die Punktprävalenz von psychischen Störungen mit dem
PHQ-D in 20 Praxen an 862 Patienten. Neben Behandlungsanlass
und Erkennensraten wurden im Arztfragebogen die klinische
Diagnose mit der Antwortmöglichkeit „Depression ja/nein“ erfasst. Die Punktprävalenz von psychischen Störungen lag nach
dem PHQ-D bei 10 %. Nur 5 % der Patienten nannten Depressionen als Beratungsanlass. 57 % der Depressiven kam mit körperlichen Beschwerden zum Arzt. Die Ärzte hatten eine Erkennensrate von 39 %. Leider wurde in der Untersuchung die Gesamtzahl
der Patienten und die Gründe für die Drop-Outs nicht erfasst,
Becker N, Abholz H.-H. Prävalenz und Erkennen … Z Allg Med 2005; 81: 474 – 481
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ebenso finden sich keine Angaben zu Einschlusskriterien bzw.
keine Altersangaben. Es wurde konsekutiv erhoben.
Versorgung
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Schneider et al. [28] untersuchten 488 Patienten mit dem PHQ-D
und dem PRIM-MD, nachdem – hier ganz anders als bei allen anderen Studien – diese vorher schon klinisch von ihren niedergelassen Ärzten (43 Hausärzte und 23 Fachärzte) als depressiv
eingeschätzt waren. Neben der klinischen Diagnose wurde wieder der Schweregrad der Erkrankungen, die Behandlungsdauer
und die Konsultationsdauer erfasst. 33 % der Hausarzt-Diagnosen und 17 % der Facharztdiagnosen wichen von der ICD-10-Diagnose ab. 5,2 % waren nach ICD-10 chronisch depressiv. 78 %
der Hausärzte verordneten bei Depressionen Medikamente und
jedoch 95 % bei den Fachärzte.
Bermejo et al. [4, 5] untersuchte die „Konkordanz von Arzt- und
Patienteneinschätzung bei depressiven Störungen“. Dazu wurden die Daten aus 32 Praxen, in denen 1233 Patienten konsekutiv mit dem PHQ-D systematisch gescreent wurden, ausgewertet. Hierzu wurde die hausärztliche Diagnosen (Depression: ja)
mit der Selbsteinschätzung der Patienten über den PHQ-D in Beziehung gesetzt. 10 % der 1233 Patienten zeigten eine major depression, 13 % eine andere depressive Störung auf dem PHQ-D.
Die hausärztliche Erkennensrate lag bei 45 %. 15 % wurden hingegen falsch positiv eingeschätzt. Die Autoren diskutieren
hauptsächlich Gründe für die niedrigen Erkennensraten: Hausärzte stellten ihre Diagnosen nach den von den Patienten vorgebrachten Symptomen und fragten nur selten ICD-10-Kriterien
gezielt ab.
Härter et al. [13] schauen im Rahmen einer Interventionsstudie
nach Erkennensraten von 32 niedergelassenen Ärzten vor und
nach Schulung bezogen auf ICD-10-Kriterien. Vor der Intervention erkannten nur 28 % der Ärzte im Vergleich zum PHQ-D eine
depressive Erkrankung. Nach der Fortbildung, die auch Leitlinientraining umfasste, erkannten 78 % der Ärzte eine Depression.
–
–
–
–
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Punktprävalenz von depressiven Störungen in der Allgemeinarztpraxis lag bei etwa 10 %. Die Angaben schwankten je
nachdem, ob die Diagnosen nach DSM-IV- oder ICD-10-Kriterien
gestellt wurden. Die Punktprävalenz für eine major depression
(DSM-IV) lag bei 4–6 %, die 12-Monats-Prävalenz bei 8 %.
Depressive Episoden hatten eine Punktprävalenz von ca. 11 %
(ICD-10). Demnach sind depressive Störungen häufige Erkrankungen in der Allgemeinarztpraxis. Doch nur um die 5 % der Patienten nannten Depression als Konsultationsgrund. Hingegen
gaben fast 60 % der depressiven Patienten körperliche Beschwerden als Beratungsanlass beim Arztkontakt an. Die Erkennensraten der Hausärzte schwanken zwischen 17 und 85 % und sind
abhängig vom Ausbildungsstand des Arztes und der schwere
der Erkrankung. 12 % der Patienten wurden – nur eine Studie –
falsch positiv eingeschätzt.
Diskussion
–
Häufigkeitsangaben hängen stark vom jeweiligen Referenzstandard bzw. Klassifikationssystem ab. Vergleicht man z. B.
Becker N, Abholz H.-H. Prävalenz und Erkennen … Z Allg Med 2005; 81: 474 – 481
Angaben zur Prävalenz von depressiven Störungen bei Einordnung in die beiden Klassifikationssystemen, ICD-10 und
DMS-IV, so unterscheiden sich die Prävalenzen der gleichen
Befragtengruppe bereits um gut 50-Relativ-Prozente. Dies
ist ein Größenunterschied, der größer ist als der zwischen
Hausarztdiagnose einerseits und DMS-IV-gestützter Diagnose andererseits! Hier scheinen sich also nur unterschiedlich „Konzepte“ von Diagnosen im „Raum von Depression“
abzubilden. Die Aufregung über Diskrepanzen zwischen den
Prävalenzen der Hausarztdiagnosen und der Fragebogendiagnosen sind jedoch Anlass zur Polemik, hingegen die zwischen ICD-10 und DMS-IV nicht!
Dabei ist fernerhin festzuhalten, dass der Erkennungsgrad hausärztlicher Diagnosestellung bei den schwereren Erkrankungen
bis zu 85 % zunimmt. Zudem wird selbst dann, wenn die Zuordnung eines Patienten mit Fragebogen-Depression nicht zur Diaagnose Depression erfolgt, bei einem nennenswertem Teil dieser Patienten dennoch eine „psychische Beeinträchtigung“ oder
eine andere Diagnose aus diesem Bereich angegeben.
Damit ist das Auseinanderklaffen zwischen „Fragebogendiagnose“ und Hausarztdiagnose weitaus geringer als es immer
angegeben wird. Für verbleibende Diskrepanzen verbleiben
weitere methodische und konzeptionelle Unterschiede zwischen hausärztlichem, auf Komplexität orientiertem Arbeitsansatz und relativer Eindimensionalität eines Fragebogens,
bei dem jeglicher Kontext ausgeblendet bleibt (1 und Sielk
in diesem Heft).
Bermejo et al. [4, 5] konnte unter anderem zeigen, dass Hausärzte ihre Diagnosen nach den von Patienten vorgebrachten
Beschwerden stellen und dass Sie nur selten ICD-10-Kriterien
abfragen – was auch der Behandlungswirklichkeit gegenüber
nicht adäquat wäre.
Dennoch bleibt anzunehmen, dass in Hausarztpraxen ein Teil
der Patienten mit behandlungsbedürftiger Depression, die
zudem zu einer solchen Behandlung bereit wären, übersehen
wird. Hier ist zu fragen, ob Screeninginstrumente/Selbsterhebungsbögen für Patienten nicht ein hilfreiches Instrument
darstellen, um auf die Patienten zu kommen, bei denen über
das explorative Gespräch die Fragen nach Diagnose, Therapie-Möglichkeit und Therapie-Willigkeit dann geprüft werden könnten. Allerdings haben Gilbody et al. [10] in einer Metaanalyse für depressive Patienten gezeigt, dass systematisches Screenings in der Primärversorgung nicht hilfreich zur
Verbesserung von outcomes zu sein scheinen.
Interessenkonflikte: keine angegeben.
Literatur
1
Abholz H-H. Warum lassen sich Hausärzte so leicht Vernachlässigung
der Patientenversorgung überführen? – berechtigte Kritik oder Missverständnis des Faches. Z Allg Med 2005; 81: 397 – 404
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Mental Disorders. 3rd ed. (DSM-III) APA, Washington, D.C. 1980
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Mental Disorders. 4th ed. (DSM-IV) APA, Washington, D.C. 1994
4
Bermejo I, Lohmann A, Härter M. Versorgung depressiver Patienten in
der Allgemeinarztpraxis. Z Allg Med 2001; 77: 554 – 561
5
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Zur Person
Nicole Becker: Fachärztin für Allgemeinmedizin; seit April 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf; Schwerpunkt: Projekt psychische Störungen
in der Hausarztpraxis; in Weiterbildung zur Psychotherapie und Mitarbeit
in psychotherapeutischer Praxis.
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480
Versorgung
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Tab. 3 Studienüberblick: Studien mit Referenzstandard eines Untersuchungsinstruments (strukturierte Interviews)
Studie
Einschlusskriterien
für Patienten
klinische
HA-Einschätzung
Referenzstandard für
psychische Diagnosen
Screeninginstrument
Studiendesign und Methode
Prävalenz und zusätzliche Ergebnisse
Linden et al.
[21]
Stichtag konsekutiv;
Berlin: n = 2 581
Mainz: n = 2 703;
daraus geschichtete
Stichprobe gezogen;
Alter: 18–65 J.;
unklar: Gesamtzahl
der Pat. am Stichtag
Arztkontaktbogen;
psych. Erkrankung ja/nein;
Beratung, Überweisung
erhalten, Medikation
ICD-101
CIDI2
GHQ3
BDQ4
SDS5
Studiendesign von WHO-Gesamtstudie
vorgegeben
Längsschnittstudie, regional
35 Praxen Berlin, 20 Praxen Mainz
systematisches Screening im Anschluss
geschichtete Stichprobe (n = 1 619;
60 %), Indexdiagnosen und Verläufe
nach 3 und 12 Monaten; ausgegangen
wird von einer Inanspruchnahmepopulation
Punktprävalenz: für depressive Episode 8,6 %; alters- und
geschlechtsbezogenen Ergebnisse; nach 1 Jahr Ein-MonatsPrävalenzen bezogen auf die Indexdiagnose
depressive Episode: 29,5 % auch depressive Episode;
depressive Erkrankungen: 43,6 % depressive Episode;
somat. Erkrankungen: 3,5 % depressive Episode;
insgesamt 33,3 % chronische Verläufe
AU-Tage bei Depressiven (3,27) doppelt so hoch, wie bei
somatisch Kranken
Erkennensraten: 45 %
kaum Unterschiede zum europ. Vergl.
Hach et al.
[12]
Zufallstichprobe
n = 1 583
Frauen Alter: 18–25 J.
KrankenscheinDiagnosen des
AOK-Registers;
ICD-10-Schlüssel
DSM-IV
Überführung der Diagnosen 1 : 1 in ICD-10
F-DIPS6
Längsschnittuntersuchung, regional;
867 HA; 1 300 Gyn; sonst. niedergel.
Ärzte;
vergl. Diagnosen Krankenschein vs.
DIPS6
2-Jahres-Prävalenzen
2-Jahres-Prävalenz f. Krankenscheindiag.:
somatoformen Störungen: 28 %
phobische Störungen: 9,1 %
depressive Störungen: 5,5 %
Anpassungsstörungen 10,8 %
2-Jahres-Prävalenz: nach DIPS6:
somatoforme Störungen: 3,8 %
phobische Störungen: 30 %
depressive Störungen: 5,8 %;
Anpassungsstörungen: 4,3 %
Wittchen et
al. [9, 39]
n = 7 124
Alter 18–65 J.
nein
DSM-IV 7
CIDI2
CID-S8
repräsentative U. im Rahmen des
Bundesgesundheitssurveys
systematisches Screening CID-S8,
dann bei allen pos. und 50 % der
neg. CIDI2 Diagnosen; Komorbidität
erfasst
alters- und geschlechtsbezogene Ergebnisse nach CIDI21
12-Monats-Prävalenz:
major-depression: 8,3 %; dysthyme Störung: 4,5 %;
bipol. Erkrankung: 0,8 %; Angststörung: 11 %
15 % der Erkrankten ausschließlich bei HA behandelt;
42 % HA mitbehandelt; 32 % NA mitbehandelt;
23 % NA mitbehandelt; aktuell Erkrankte häufiger bei HA
Henkel et al.
[14, 15]
konsekutiv
n = 431,
unklar: Altersverteilung;
unklar: Gesamtzahl
der Pat. am Stichtag
klinische Diagnose
DSM-III9
CIDI2
WHO-510
PRIME-MD11
BPHQ12
2-Fragentest13
systematisches Screening mit Diagnosefestlegung durch telefonisches CIDI2
(6 Tage nach Screening) bei allen positiv gescreenten; 18 HA-Praxen
Punktprävalenz: depressive Störung: 16,7 %;
43 Pat. major depression; 22 Pat. Dysthymia
Sensitivität und Spezifität der einzelnen Tests/Items
bezogen auf CIDI
Erkennensrate: 65 % (Sensitivität)
Lepine et al.
[20]
DEPRES
Omnibusbefragung
represäntativ
n = 78 463 in 6 europ. Ländern
befragt, davon 13 359 positiv
gescreent, Alter mind.: 14 J. in
Deutschland; sonst 15–18 J.
nein
DSM-III9
(CIDI2)
MINI14
systematisches Screening ohne anschließende Validierung durch CIDI2;
jedoch MINI zuvor gegen CIDI2 in
jeweiligen Ländern validiert
Länderbezogene Daten
6-Monats-Prävalenz:
Deutschland: major depression: 3,8 %
Konsultationsrate Deutschland: 40 % (niedrigste)
Verschreibungsrate: Antidepressiva 22 % (niedrigste)
Vgl. Insgesamt: major depression: 6,9 %
1
ICD-10: International Classification of Diseases [7], 2 CIDI: Composite International Diagnostic Interview. WHO [48], 3 GHQ: General Health Questionnaire [11], 4 BDQ: Brief Disability Questionaire [21], 5 SDS: Social Disability
Schedule [21], 6 F-DIPS: Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen [23], 7 DSM-IV: Diagnostic and Statistical manual of mental disorders, 4th ed. [3], 8 CID-S: Composite International Statistic Interview, Fragebogen [48],
9
DSM-III: Diagnostic and Statistical manual of mental disorders, 3th ed. [2], 10 WHO-5: World Health Organization info package, 11 RRIME-MD: Health related questionnaire in primary care patients with depr. [22], 12 BPHQ:
Primary Care Evaluation of mental disorders [22], 13 2-Fragentest: 2 Items zur Evaluation von Depressionen [4], 14 MINI: Minimal-International Neuropsychiatric Interview [29]
Tab. 4 Studienüberblick Studien mit DSQ als Screeningverfahren
Einschlusskriterien
für Patienten
klinische HAEinschätzung
Referenzstandard
für psychische
Diagnosen
Screeninginstrument
Studiendesign und
Methode
Prävalenz und zusätzliche
Ergebnisse
Wittchen
et al.
[23, 24]
konsekutiv
n = 20 421
Alter: 15–99 J.;
unklar:
Gesamtzahl der
Pat. am Stichtag
Arztfragebogen:
CGI2
Behandlung,
Vorgeschichte
ICD-101
DSM-IV7
kein vollstandardisiertes Interview
DSQ3
Längsschnittuntersuchung, überregional,
633 Praxen über Pharmavertreter angeworben,
systematisches Screening
DSQ3 vs. Arzteinschätzung
nach DSQ3 (ICD-10/DSM-IV):
depressive Episode:
Punktprävalenz: 11,3 % (ICD-10)
12-Monats-Prävalenz: 10,4 %
major depression: 4,2 % (DSM-IV)
Erkennensraten: unterschiedich je nach
ICD-10: 59 %; DSM-IV: 75 %; bei major
depression bis 85 % falsch positiv: 11,7 %
med. verschrieben: 72 %
FA-Überweisungen 10,1 %
SISI-Typus: weiblich, sportlich überaktiv,
hohes Maß an Selbstkontrolle
Wittchen
et al. [20]
konsekutiv
n = 21 999
Alter 18–65 J.;
Ausschlusskriterien
im Nachhinein
festgelegt; unklar
Gesamtzahl der
Pat. am Stichtag
Arztfragebogen
klinische Diagnose
CGI2
DSM-IV6 kein vollstandardisiertes
Interview
DSQ3
GAS-Q4
ASQ5
Querschnittsstudie, überregional; 558 Praxen über
Pharmavertreter angeworben; systematisches
Screening Komorbidität
von GAD und MDE;
Testdiagnosen vs. Arztdiagnose
diagnosesspezifisch und alters- und
geschlechtspezifisch dargestellt nach
DSQ3 Punktprävalenz (DSM-IV):
9,8 % der Patienten hatten eine
GAD (5,3 %) oder MDE (6 %)
Erkennensraten:
GAD: 34,4 %, MDE: 64,3 %
schwerwiegende emot. Probleme
erkannt d. HA:
GAD: 72,5 %, MDE: 76,5 %
Behandlung:
GAD: 60 %, MDE: 49,1 %
Versorgung
Studie
1
ICD-10: International Classification of Diseases [7], 2 CGI: Clinical Global Impression Scale [23], 3 DIA-X-DSQ: Screening für Depressionen [37], 4 DIA-X-GAS-Q: Screening für generalisierte Angststörung [39], 5 DIA-X-ASQ: Screening für Angststörung [38], 6 DSM-IV: Diagnostic and Statistical manual of mental disorders, 4th ed. [3]
Tab. 5 Studienüberblick: Studien mit PHQ-D als Screeningverfahren
Studie
Einschlusskriterien
für Patienten
klinische HAEinschätzung
Referenzstandard
für psychische
Diagnosen
Screeninginstrument
Studiendesign und
Methode
Prävalenz und zusätzliche
Ergebnisse
Kratz
et al. [10]
konsekutiv;
n = 862
unklar: Alter; Ausschlusskriterien
Arztbogen
Depression ja/nein
zum Teil auch
Beratungsanlass
Haupt- und
Nebendiagnose
nachträglich
kategorisiert
ICD-101
kein vollstandardisiertes Interview
PHQ-D2
Querschnittsstudie,
regional 20 HA-Praxen
systematisches Screening
PHQ vs. HA-Diagnose
Nach PHQ:
Punktprävalenz: für depressive Episode
10 %
Beratungsanlass, Haupt- und Nebendiagnose erfasst; nur 5 % der depressiven
Pat. gaben Depressionen als Beratungsanlass; 57 % der Pat. mit psychischen
Beschwerden nennen zuerst körperliche
Beschwerden als Beratungsanlass
Erkennensraten: 39 %
Schneider
et al. [16]
Pat., die von den
Ärzten subjektiv
als depressiv eingeschätzt wurden
n = 488 (10/Praxis)
Alter: ab 18 J.
Einschlusskriterien:
aktuell depressive
Episode
klinische Diagnose
CGI3
ICD-101
kein vollstandardisiertes Interview
PHQ-D2
PRIME-MD5
Querschnittsuntersuchung; regional
43 HA-Praxen; 23 FA-Praxen; opportunistisches
Screening
vgl. Testdiagnose vs.
klinische Diagnose
Bestimmung von Abweichungsraten, Behandlungsdauer, Konsultationsdauer
Abweichungsraten:
HA-Diagnose: 33 %
FA-Diagnose: 17 %
Verordungsraten:
HA med. Verordnung: 78 %
FA med. Verordnung: 95 %
Bermejo
et al. [1]
konsekutiv
n = 1 233 (32 Praxen); ab 18 J.
klinische Diagnose
CGI3
ICD-101 (DSM-IV)4
kein vollstandardisiertes Interview
PHQ-D2
SF126
Querschnittsuntersuchung; regional
32 HA-Praxen; systematisches Screening
vgl. Testdiagnose vs.
klinische Diagnose
Major depression nach PHQ-D2
Punktprävalenz: 10 %
andere depressive Störung
Punktprävalenz: 13 %
Identifikationsrate: 45 %
Härter
et al. [5]
Pat. die zum ersten
Mal wegen Depressionen in die Praxis
kamen
n = 484 (2001–02)
n = 258 (2002–03)
Ausschlusskriterien
nicht angegeben
klinische Diagnose;
CGI3
(BADO: Pat. Konsultationsgrund,
soziodem. Daten)
ICD-101
kein vollstandardisiertes Interview
PHQ-D2
Interventionstudie;
regional
ADM = ambulantes Depressionsmanagement
20 HA, 20 FA
Erkennensraten vor und
nach Intervention
Bezogen auf ICD-10-Kriterien
Erkennensraten vor Intervention: 28 %
Erkennensraten nach Intervention: 75 %
vergleiche Klientel HA/FA; Alter;
Schweregrade; diagnostisches Vorgehen; Behandlung
1
ICD-10: International Classification of Diseases [7], 2 PHQ-D: Gesundheitsfragebogen für Patienten, deutsche Fassung [22], 3 CGI: Clinical Global Impression Scale [16],
DSM-IV: Diagnostic and Statistical manual of mental disorders, 4th ed. [3], 5 PRIME-MD: Health related questionnaire in primary care patients with depr. [22], 6 SF12:
Fragebogen zum Gesundheitszustand Kurzform des FS-36 [6]
4
Becker N, Abholz H.-H. Prävalenz und Erkennen … Z Allg Med 2005; 81: 474 – 481
481
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