Psychopharmakologische Behandlung von Essstörungen

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01.10.2012
Psychopharmakologische Behandlung von
Essstörungen
Ulrike M.E. Schulze
Curriculum
„Entwicklungspsychopharmakologie
im Kindes- und Jugendalter“
Essstörungen - Untergruppen
29. September 2012
Essstörungen - Epidemiologie (Currin et al. 2005)
1. Anorexia nervosa (typisch oder atypisch)
Lebenszeit-Prävalenz
2. Bulimia nervosa (typisch oder atypisch)
– Anorexia nervosa: 0.5-3.7%
– Bulimia nervosa: 1.1-4.4%,
- Sonderform: Esssucht (Binge eating Störung)
beginnt häufig vermutlich auch früher als bisher angenommen (Lewinsohn et al. 2001)
3. Nicht näher bezeichnete Essstörungen (EDNOS; ca. 60%):
die wohl größte Gruppe (Fairburn & Bohn, 2005)
- BES: 1-3% (♀>♂) (Nicholls et al, 2000; Marcus & Kalarchian, 2003).
AN: geringer globaler Anstieg während des 20. Jahrhunderts
? „Night Eating Syndrome“ (NES; 4.6 % bei Männern, 3.4 % bei
Frauen (Tholin et al., 2009): ein über mindestens drei Monate bestehender
ungewöhnlich hoher Nahrungsmittelkonsum abends und nachts, mindestens
25% der Gesamtessensmenge nach dem Abendessen und/oder nächtliches
Erwachen und Essen mindestens zweimal wöchentlich, bewusst – als Stress
bzw. Beeinträchtigung – wahrgenommen (Allison et al. 2010) + initiale
Schlaflosigkeit + morgendliche Appetitstörung (Stunkard et al. 1955) +
Ausschluss einer BN oder einer BED (Birketvedt et al.1999)
…still an evolving concept that requires close collaboration between eating and
sleep researchers (de Zwaan et al. 2006)
? Orthorexia nervosa: ZWANGHAFT GESUNDES ESSEN, teils Diäten bis
hin zur Lebensbedrohlichkeit (Bratman 2007; Park et al. 2011), manchmal ein
Minimum an essentiellen Nahrungsmitteln, Sorge um QUALITÄT des Essens
Essstörungen - Gefühle
(Keel &
hingegen deutlicher Anstieg der BN
(Peak 1996, seither stabile Zahlen; ev. mehr Outing bzw. mehr
Inanspruchnahme von Therapieangeboten)
Klump 2003, Hoek & van Hoengen 2003),
– AN: 10-19jährige Mädchen: höchste Inzidenz mit 34.6 pro 100.000
(weibliches Geschlecht: 8.6 pro 100.000) - w:m = 12:1
– BN: 10-19 Jährige: ebenfalls höchste Inzidenz mit 35.8 pro 100.000
(weibliches Geschlecht: 12.4 pro 100.000) – w:m = 18:1; evt. zwei
Untergruppen: 1. Depressiver und 2. impulsiver Subtyp
(Substanzabhängigkeit, antisoziale Persönlichkeitsstörung,
Angststörungen) (Duncan et al. 2005)
– männliche Patienten: Zusammenhang mit vorhandener homound bisexueller Orientierung
(Bramon-Bosch et al. 2000; Carlat et al. 1997)
Anorexia nervosa – Diagnosekriterien - ICD-10
Einsamkeit
A. Gewichtsverlust oder bei Kindern fehlende Gewichtszunahme.
Dies führt zu einem Körpergewicht von mindestens 15% unter
dem normalen oder dem für das Alter und die Körpergröße zu
erwartenden Gewicht.
Leere
Angst
Wut
Traurigkeit
Hunger
C. Selbstwahrnehmung als „zu fett“ verbunden mit einer sich
aufdrängenden Furcht, zu dick zu werden. Die Betroffenen legen
für sich selbst eine sehr niedrige Gewichtsschwelle fest.
Gewissensbisse
Unsicherheit
Gier
Ausgeliefertsein
Verzweiflung
Panik
Anspannung
Getriebensein
B. Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung
von „fettmachenden“ Speisen.
Aggression
D. Umfassende endokrine Störung der Achse HypothalamusHypophyse-Gonaden; sie manifestiert sich bei Frauen als
Amenorrhoe [Ausbleiben der Menstruation], bei Männern als
Interssensverlust an Sexualität und Potenzverlust. Eine
Ausnahme stellt das Persistieren vaginaler Blutungen bei
anorektischen Frauen dar, die eine Hormonsubstitution erhalten
(meist als kontrazeptive Medikation).
E. Die Kriterien A. und B. für eine Bulimia nervosa werden nicht
erfüllt.
1
01.10.2012
Anorexia nervosa – Diagnosekriterien – DSM
Anorexia und Bulimia nervosa – Symptome - Altersabhängigkeit
A: Gewichtsabnahme
Hoffman et al. 2012
• Entwicklungsaspekt zu beachten: die Kapazität für komplexes
B: Angst vor Gewichtszunahme
n =1373 ♀, lifetime AN
C: Körperschemastörung
• binge eating: 332 (24.2%)
abstraktes Denken (z.B. das Erkennen der Ernsthaftigkeit des
Gewichtsverlustes) ist notwendig, um die aktuell vorliegenden
Klassifikations-Kriterien zu erfüllen (Bravender 2010)
D: Amenorrhoe
• purging: 764 (55.6%)
• evtl. entwicklungsneurologische Besonderheiten (visuelles
• BIS-11, TCI, Y-BOCS
Langzeitgedächtnis, kognitive Inhibition) bei der early-onset AN
(4-Jahres-Follow-up, Frampton et al. 2011)
Subtypen:
restriktiver Typus (AN-R)
„Binge Eating/Purging Typus“ (AN-BP)
• Regressionsanalysen:
Essverhalten –
Persönlichkeitsvariablen
• binge eating: keine
signifikanten Zusammenhänge
• purging: assoziiert mit
sämtlichen Maßen für
DSM-V: keine Amenorrhoe,
kein „denial“,
Impulsivität,
Zwangsgedanken und
Zwangshandlungen
FECNEC (= Feeding and Eating Conditions Not
Elsewhere Classified) statt EDNOS
Anorexia nervosa - Symptome
übertriebene körperliche Aktivität, die von einigen Patientinnen
wie ein Zwang erlebt wird ( Hypoleptinämie)
ggf. Erbrechen und/oder Missbrauch von Abführmitteln oder
anderer Substanzen zur Gewichtsreduktion
Überbewertung von Figur und Gewicht
exzessive Gewichtskontrollen (z.B. mehrmals tägliches Wiegen)
„Angst vor Nähe“
körperliche Folgen des Hungerns (z.B. Blutbildveränderungen,
Veränderungen der Leberenzyme und Schilddrüsenfunktionsparameter, Frieren, kalte/bläulich verfärbte Hände, Haarausfall,
Verstopfung, Ödembildung, Veränderungen der Knochendichte, HerzKreislauf-Probleme, Elektrolytverschiebungen…)
Echokardiographie (Kastner et al. 2012, n=173, 12-17 Jahre):
Perikarderguss in 31.7%/ klinisch nicht relevant, sign. korreliert mit
niedrigem BMI ausgeprägterem Low-T3-Syndrom, längerem Klinikaufenthalt,
links-ventrikuläre end-diastolische und end-systolische Ausmasse niedriger als
bei Kontrollpersonen, keine Septum-Verdickung oder weiteren Funktionsdefizite
mangelnde Krankheits- und Behandlungseinsicht
Bulimia nervosa - Symptome
befriedigend: Essen ohne Gewichtszunahme
zunehmender Kontrollverlust
Essverhalten unregelmäßig, oftmals Diäten, Auslassen von Mahlzeiten,
häufig Geheimhaltung (Scham)
Abhängigkeit des Selbstwerts von Gewicht und Figur sowie die Wichtigkeit
der Kontrolle über die Nahrungsaufnahme als zentrale Aspekte
(„pathologischer Perfektionismus“; Fairburn 2003)
teilweise Unfähigkeit, mit emotionalen Zuständen bzw. Affekten
umzugehen
Teufelskreis: Fressanfälle, gegensteuernde Maßnahmen, ansteigende
Frequenz, Dauer und Menge (Alkohol)
vorher: Depression, Angst, Frustration - nachher: zunächst Erleichterung,
Reduktion der Angstgefühle, dann häufig innere „Leere“
• mögliche Altersunterschiede hinsichtlich genetischer und
umweltbedingter Einflüsse auf die Sorge um Figur und
Gewicht (Klump et al. 2010):
o n=2618 (♀, 10-41J), Zwillinge, EDE-Q
genetische Einflüsse in der Vor-Adoleszenz gering,
jedoch signifikant zwischen der frühen Adoleszenz und
dem jungen Erwachsenenalter,
umgekehrt bei den gemeinsamen Umwelt-Faktoren
Veränderungen vermutlich biologisch bedingt (hormoneller
Einfluss auf Gen-Effekte)
Bulimia nervosa – Diagnosekriterien* - ICD-10
A. Häufige Episoden von Fressattacken (in einem Zeitraum von drei
Monaten mindestens zweimal pro Woche) bei denen eine große
Menge an Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden.
B. Andauernde Beschäftigung mit dem Essen, eine
unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen.
C. Die Patienten versuchten, der Gewichtszunahme durch die
Nahrung mit einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen
entgegenzusteuern:
–
selbstinduziertes Erbrechen,
–
Missbrauch von Abführmitteln,
–
zeitweilige Hungerperioden,
–
Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder
Diuretika. Wenn die Bulimie bei Diabetikern auftritt, kann es
zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen.
D. Selbstwahrnehmung als „zu fett“, mit einer sich aufdrängenden
Furcht, zu dick zu werden (was meist zu Untergewicht führt).
* wenn Untergewicht vorliegt, muss auf jeden Fall die Diagnose einer AN gegeben
werden, auch wenn zusätzlich bulimische Symptome vorliegen; klinische
Unterscheidung zwischen typischen und atypischen Formen der BN: bezieht
sich offensichtlich lediglich auf die Objektivierbarkeit der Fressanfälle sowie die
Frequenz des sogenannten Purging-Verhaltens (le Grange et al. 2004).
Bulimia nervosa – Symptome II
• Episoden restriktiver Nahrungszufuhr und/oder körperliche
Hyperaktivität
• ggf. Menstruationsstörungen
• Überbewertung von Figur und Gewicht
möglicherweise zwei Untergruppen (Duncan et al. 2005)
1. comorbide Depression
2. comorbide Substanzabhängigkeit (Alkohol, Kokain,
Marijuana), antisoziale Persönlichkeitsstörung und/oder
Angststörungen impulsive Subgruppe? BN als Ergebnis
zugrunde liegender impulsiver Tendenzen?
Kohlehydrat-Hunger bzw. Gier („craving“, erlaubte und verbotene
Nahrungsmittel)
Hunger- u. Sättigungsgefühl: beeinträchtigt
– verlangsamte Magenentleerung, vergrößerte Magenkapazität
2
01.10.2012
Anorexia nervosa – Ätiologie – prädiktive Faktoren – Nicholls et al. 2009 –
Anorexia nervosa – Ätiologie – Rigidität (Halmi et al. 2012)
Kohortenstudie 30. Lebensjahr
•
weibliches Geschlecht
•
kindliche Fütterstörungen
•
mütterliche Depression
•
Phase der Nahrungsrestriktion („undereating“)
•
Perfektionismus = mutidimensionales Kontstrukt = trait
•
erhebliches Ausmaß vermutlich dem Diäthalten und Gewichtsverlust
vorausgehend
•
auch Eltern von AN-Pat. vergleichsweise perfektionistischer
•
positive Korrelationen mit OCD oder zwanghafter PS
•
höherer Perfektionismus gepaart mit höherem Schweregrad der AN
(niedrigerer BMI), größerem Widerstand gegenüber Veränderung und
weniger guter Prognose (Nilsson et al. 2008)
•
n = 728 (♀♂, ≥16J, RAN, n=359, PAN, n=240, BAN, n=129),
protektiv: hohes Selbstbewusstsein, hoher mütterlicher BMI
krank oder geheilt, + jeweils mindestens ein Verwandter 1., 2. oder 3. Grades
mit AN; EDI-2 + EATATE = semistrukturiertes Interview zur retrospektiven
Erhebung von Essstörungssymptomen und Perfektionismus sowie
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen während der Kindheit – hoher Anteil
an Perfektionismus bei allen Subtypen (allgemein, Schule, Ordnung und
Symmetrie), teils signifikante Korrelationen mit „Schlankheitsstreben“ und
„Unzufriedenheit mit dem Körper“, Rigidität am deutlichsten ausgeprägt
– RAN: 42.6%, PAN: 48.3%, BAN 48.1%
Rigidität = Risikofaktor ?
Anorexia nervosa - Ätiologie – gestörte Integration (Nunn et al. 2011)
Anorexia nervosa - Ätiologie – Corticotropin Releasing Factor (CRF)
Hasan & Hasan 2011
•
Bildgebungsstudien: unilaterale Hypoperfusion der medialen
temporalen Region (Lask et al. 2005)
•
Neuropsychologie: Defizite hinsichtlich der kognitiven Flexibilität,
zentralen Kohärenz, räumlich-visuellen Informationsverarbeitung
(Frampton et al. 2007, Brewerton et al. 2009; Eshkevari et al. 2011)
•
kortikal: Frontalhirn (exekutive Funktionen, zentrale Kohärenz), somatosensorischer Kortex (Körperschemastörung), Parietal-Region
(räumlich visuelle Defizite), mediale Temporalregion (Hypoperfusion)
•
subkortikal: Amygdala (Angst), Striatum (Zwangssymptome)
•
gestörte Konnektivität zwischen diesen Strukturen?
•
Damasio: somatische Marker – zentrale Rolle der Insula bei der
Integration des emotionalen körperlichen Befindens in ein kognitiv
repräsentatives Schema des resultierenden Gefühlszustandes
•
Dysfunktion oder Diskonnektion der Insula (Brücke zwischen
rechtem und linkem Gehirn, zwischen Verstand und Gefühl, „Internetserver“)
?
kein sorgfältiges Orchestrieren der Gehirnareale, die für die
Adaptation an äußere Einflüsse und die interne Homöostase
verantwortlich sind
Essstörungen - Comorbidität
Anorexia nervosa – Comorbidität – selbstverletzendes
Depression: 46-80% (bp AN), 50-65% (BN)
Verhalten
Claes et al. 2012
– Dysthymia: 19-93% (AN), 6-95% (BN)
Angst: 20-55% resp. 83% (AN), 13-75% (BN)
– Soziale Phobie: 55% (AN), 59% (BN)
– prämorbide Angststörung: 75-94%
Zwang: serotonerge Anomalien
– Persönlichkeitszüge: 11-69% (AN)/ Symmetrie, Exaktheit
– 3-43% (BN)/ aggressive Zwangsgedanken, Impulsivität
•
n=95 (♀): 44 AN-R, 12 AN-BP, 28 BN, 11 EDNOS, 14-42 Jahre
•
Perfektionismus (intrapersonal, wahrgenommene elterliche Kritik) –
Essstörungsymptome (EDI-2) – NSSI
•
37 Pat. (38.9%): mindestens eine Form nicht suizidalen
selbstverletzenden Verhaltens (schneiden, Haare ausreißen,
kratzen, quetschen, verbrennen)
ADHS (v.a. BN) (Biederman et al., 2007)
scorten höher auf den Perfektionismus-Skalen (ECP, PPC)
Substanzmissbrauch: Serotonin, Dopamin, endogene Opioide - 12-18%
(AN), 30-70% (BN) bzw. über alle Untergruppen (Root et al. 2010)
Selbstverletzendes Verhalten: Essstörungen auch als indirekte Form (St.
Germain & Hooley 2012; Claes et al. 2012)
Posttraumatische Belastungsstörung: auch bei AN – sexueller
signifikante Zusammenhänge zwischen Selbstbestrafung und
Perfektionismus
•
58 (61.1%) kein NSSI
•
keine Korrelationen zu Essstörungs-Subtypen
Missbrauch in Kindheit und Erwachsenenalter (Reves-Rodriguez et al. 2011)
Persönlichkeitsstörungen: C (AN/BN); A, B (BN)
C: submissives
Verhalten, Zwanghaftigkeit, Schwierigkeiten beim Ausdruck von
Ärger, Ängstlichkeit und Vermeidungsverhalten in sozialen Situationen
3
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Bulimia nervosa – Ätiologie - „multi-impulsivist“
Essstörungen – Ätiologie – familiärer Kontext
Familieninteraktion
insbesondere: Harmoniebedürfnis und Konfliktvermeidung
AN in der Vorgeschichte (20-30%)
Adipositas: Kindheit, Eltern
Empathie
kritische Kommentare: Gewicht, Figur, Essen
Angst und Depression
hohe Erwartungen
Persönlichkeit, Temperament: Neugierverhalten, Impulsivität,
Schadensvermeidung
Substanzmissbrauch, selbstverletzendes Verhalten, Stehlen,
Suizidversuche
sexueller Missbrauch: im Zusammenhang mit schlechterem
Verlauf, größerer Comorbidität
häufiges Diäthalten in der Familie
Überbehütung (insbesondere bei AN)
Eheprobleme der Eltern (besonders bei BN)
Kritik an Essverhalten, Figur oder Gewicht (Angehörige)
Interaktion bei den Mahlzeiten
welche Veränderungen der familiären Struktur sind während der
Erkrankung der Tochter entstanden?
Familienanamnese: Essstörungssymptome, Adipositas (BN),
affektive Störungen, Zwangserkrankungen (AN), Angststörungen,
Missbrauch psychoaktiver Substanzen, Persönlichkeitsstörungen
Anorexia und Bulimia nervosa - Sterblichkeit
Die Anorexia nervosa ist die (kinder- und jugend)psychiatrische
Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeit. Diese ist höher als
bei schizophrenen oder depressiven Erkrankungen.
Anorexia nervosa - Sterblichkeit – Geschlechtervergleich – männliche
Pat. später erkrankt, anamnestisch häufig übergewichtig, seltener Suizidversuche, früher verstorben nach Klinikaufenthalt als die weiblichen Pat.
– negativ prädiktiv: niedrigerer BMI bei Aufnahme, restriktive AN
Beim männlichen Geschlecht wurde ihr Ausmaß offensichtlich
bisher deutlich unterschätzt (Fichter 2012, DGESS; Guergen et al. 2012).
•
„Standardized Mortality Rate (SMR)“ - Berücksichtigung der Sterblichkeitsrate
der Altersgruppe und für den jeweiligen Zeitraum - 3.3 (95 % CI: 2.2–4.9; Millar et
al. 2005) bzw. 10.5 (95 % CI: 5.5–15.5; Birmingham et al. 2005) für AN bzw. 1.6
(95 % CI: 0.8–2.7) für BN (Nielsen 2003, Metaanalyse).
Todesursachen sind am häufigsten direkte Folgen des
körperlichen Mangelzustandes und Suizid.
AN: ernsthafte Suizidversuche häufiger als bei BN und mit
stärkerem Wunsch zu sterben (Guillaume et al. 2011) – spezifische
Zusammenhänge: Methoden (z.B. vor den Zug werfen), Einsamkeits- und NichtZugehörigkeitsgefühle, sich als Belastung empfinden, erhöhte Fähigkeit Schmerz
zu ertragen, impulsive und ängstliche Persönlichkeitszüge, Kindheitstraumata wie
sexueller Missbrauch, verstärkte depressive Symptome und kognitive Einbußen,
vorausgegangener stationärer Aufenthalt, komorbide psychiatrische Störungen
wie z.B. MDE (AN) oder Depression (BN)
Essstörungen – Therapie – Information von Angehörigen - Leitlinien
Welche Zielsymptome versuchen wir zu behandeln?
•
hat eine wichtige, insbesondere entängstigende Funktion
Angst - allgemein, sozial, vor dem Essen und Zunehmen
•
ist die Voraussetzung für ein effektives Kooperieren-Können
Autoaggressive Tendenzen
•
sollte in der Regel im Beisein der Betroffenen erfolgen
Angespanntheit
Agitiertheit
Ursachen von Essstörungen
Denkstörungen
aufrechterhaltende Bedingungen
Depression
Prognose und der zu erwartende Verlauf
Fressattacken
körperliche Risiken und mögliche Folgeschäden
Gewichtsverlust
adäquate Behandlungsmöglichkeiten
Heißhunger
individuelle Behandlungsplanung
Hyperaktivität
Methoden von Psychotherapie
Rigidität
Risiken und mögliche Nebenwirkungen der Behandlung
Schlafstörungen
Empfehlungen für den Umgang mit der Patientin
Verzweiflung
Familientherapie: hilfreich für Adoleszente
Wahnhaftigkeit
(Bulik 2007, le Grange et al. 2005)
Zwanghaftigkeit
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Anorexia nervosa – Therapie – multimodaler Ansatz - Effektivität
Anorexia nervosa – Therapie - Zwangsmaßnahmen
bisher nur eingeschränkt beurteilbar
„… In seltenen Fällen, die fast ausschließlich anorektische
Patientinnen betreffen, kann aufgrund kognitiver
Einschränkungen und Krankheitsfolgen nicht mehr von
einer folgenorientierten Entscheidungsfähigkeit
ausgegangen werden… Kindern und Jugendlichen sollten
ebenfalls alle notwendigen Behandlungsschritte erläutert …
und ihr Einverständnis angestrebt werden. Verweigern
minderjährige Patientinnen die Behandlung, so kann eine
Behandlung auch ohne explizites Einverständnis
eingeleitet werden. Ein solches Vorgehen muss allerdings
durch eine zu beantragende familienrichterliche
Genehmigung nach § 1631b BGB legitimiert werden…“
Veränderung der Symptomatik (Gewichtssteigerung, geregeltes
Essverhalten, Beendigung gewichtsreduzierender Maßnahmen)
Steigerung des Selbstwertgefühls und der Selbstakzeptanz
Umgang mit der Angst vor dem Essen (Steinglass et al. 2012)
Bearbeitung innerpsychischer und zwischenmenschlicher Konflikte (z.
B. Perfektionismus, Minderwertigkeitsgefühle, Abhängigkeitskonflikte, familiäre
Konflikte)
Erlernen von realistischer Körperwahrnehmung und Akzeptanz des
Körpers
erstes und wichtigstes Ziel ist die körperliche Restitution, d.h.
adäquate Gewichtszunahme (ambulant: 200-500g, stationär 500-1500g)
Genesungspläne / kognitive Verhaltenstherapie (bis zu ca. 3000 kcal/die)
Vorsicht: mögliches Delirium oder Refeeding-Syndrom!
- S3-Leitlinien
Anorexia nervosa – Therapie – Definieren des Zielgewichts
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung welche Medikamentengruppen stehen „zur Verfügung“?
Antidepressiva
Anxiolytika
(keine RCTs)
Neuroleptika
Antiepileptika
Kritische Stimmen - unklare Dosisvorgaben,
Anorexia nervosa – medikamentöse Therapie – S3-Leitlinien
unklares
Nebenwirkungsprofil und Langzeiteffekte bei Kindern und Jugendlichen
*
*
Direkter Vergleich eines 12jährigen monozygoten Zwillingspaares über 36 Wochen: Olanzapin (2.5mg) bezüglich
Gewichtszuwachs dem Fluoxetin (60mg) offensichtlich überlegen (Duvvuri et al. 2012)
5
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Medikamentöse Behandlung - Entscheidungsfähigkeit –
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung - Antidepresiva
Patienten mit AN zeigen Defizite im abstrakten Denken und evtl.
hinsichtlich hieraus ableitbarer Entscheidungen
•
Antidepressiva (SSRIs) bei Kindern und Jugendlichen
weder zuverlässig stimmungsaufhellend noch effizient
im Hinblick auf eine angestrebte Rückfallprophylaxe
(Holtkamp et al. 2005)
•
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung - Neuroleptika
Zielsymptome:
schwere affektive Beeinträchtigung
massive Anspannung / inneres Getriebensein *
erhöhte Ängstlichkeit
ausgeprägte Rigidität
psychosenahe Wahnhaftigkeit der anorexietypischen Gedankeninhalte
Hyperaktivität
Anorexia nervosa – Neuroleptika – Olanzapin - Studien
Olanzapin vs. Placebo (Attia et al. 2010, n=23, 8 Wochen): überlegen
hinsichtlich BMI, jedoch nicht signifikant bezüglich
psychologischer Parameter, gute metabolische Verträglichkeit
Olanzapin / kontrollierte Pilotstudie (Kafantaris et al. 2010, n=20, 10
Wochen, 17.1 Jahre, 10 Wochen): nicht signifikant überlegen
Olanzapin bei Hyperaktivität (Leggero et al. 2010, n=13, 13.7 Jahre, 1-6
Monate, 4.13mg/die): erfolgreich / 7 Responder, minimale NW
Olanzapin retrospektiv (Norris et al. 2011; n=43 + 43, 10-17 Jahre,
ANR, ANBP, EDNOS-R, Vergleich): behandelte Pat. kränker
Einsatz atypischer Neuroleptika (Olanzapin, Quetiapin, Risperidon,
Aripiprazol) in unterschiedlich hoher Dosierung (Bosanac et al. 2007,
Mehler et al. 2001, Mehler-Wex et al. 2008, Powers et al. 2007)
(mehr Psychopathologie, weniger BMI, häufigere Wiederaufnahmen),
mehr Gewichtszuwachs, hoher Monitoring-Bedarf wegen NW
Olanzapin / Nebenwirkungen (Swenne & Rosling 2011, n=74, vor,
während und 3 Monate nach med. Therapie; 3 Abbrüche wegen
Krämpfen, Galaktorrhoe, Leberenzymerhöhung): Normalisierung von
Zitat einer Patientin, welche täglich 100mg Quetiapin einnimmt: „Es macht halt ein
bisschen müde… ich kann abends besser einschlafen …unruhig bin ich immer
noch… na ja, und ich bin jetzt zu dick, vor allem am Bauch…“
Gluscose, Insulin und Lipiden / korreliert mit Gewichtszuwachs
und Zyklusnormalisierung, TSH- und Prolaktin-Erhöhung
verbunden mit Medikation und SSRI-Comedikation, nach drei
Monaten keine biochemischen Effekte mehr nachweisbar
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung - Atypika
•
Aripiprazol (Trunko et al. 2010, n=8, AN-R/BN, Fallberichte, 7.5-
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung - Nebenwirkungen
•
•
Quetiapin (Powers et al. 2012, placebo-kontrolliert, n=21 bzw. 10,
keine sign. Korrelation zwischen QTcIntervall und LV Masse(-Index), BMI oder
Grundumsatz (Krantz et al. 2012)
•
Zisaprid (Propulsin): Ruhen der
Zulassung wegen lebensbedrohlicher
Herzrhythmusstörungen (seit 2000)
•
jedoch insgesamt erhöhte
Variabilität in dieser
Patientengruppe mit negativer
Korrelation zur Serum-KaliumKonzentration (-> Substitution!)
•
Tendenz zur vagalen
Prädominanz, erhöhtes
Arrhythmie-Risiko (Koschke et al. 2010)
•
Tendenz zur QT-Normalisierung
nach körperlicher Restitution
18-65 Jahre, AN-R/AN-P/AN-B, 8 Wochen, 177.7mg/die, YBC-EDS,
EDI-2, STAI, HAM D, Y-BOCS): keine Unterschiede zu Placebo
•
Quetiapin (Mehler-Wex et al. 2008, n=3, Fallberichte, 200 bzw.
500mg/die): deutliche Besserung der psychopathologischen
Veränderungen, Dosierung von 150-300mg/die vermutlich
überwiegend ausreichend, BMI-Zuwachs als indirekter
Medikationseffekt interpretierbar, keine Nebenwirkungen
FAZIT: „… there is some evidence of positive effects on depression,
QT-Zeit- Verlängerung
(n=19, 69% erhielten QT-verlängernde
Medikamente, 21% zeigten diese NW,
10mg/die, ca. 40 Monate, teilweise Kombinationsbehandlungen,
gewichtsneutraler als z.B. Olanzapin, beide moderate Inhibitoren
dopaminerger (D2, D3, D4) und serotonerger (5-HT2A und 5-HAT2C)
Rezeptoren): weniger Stress durch Essen, weniger zwanghafte
Gedanken um Essen, Gewicht und Körperschema, signifikant
nachlassendes essgestörte Verhaltensweisen, angemessene
Gewichtsrestitution, Besserung von Depression, Angst und
kognitiver Flexibilität
möglicher Einsatz im Falle einer hohen comorbiden
Ängstlichkeit im Rahmen eines individuellen
Heilversuches (off-label-use)
anxiety and core eating disorder symptoms…“ (McKnight & Park 2010)
(Nussinovitch et al. 2012)
•
6
01.10.2012
Anorexia nervosa – medikamentöse Behandlung – Alternativen?
Bulimia nervosa – Therapie
•
Lichttherapie (Krysta et al. 2012)
• Psychotherapie auch hier Methode der ersten Wahl (KVT)
•
DHEA (Bloch et al. 2012, n=26, placebo-kontrolliert, 6 Monate,
100m/die): signifikante Korrelation zwíschen DHEA-Gaben
und BMI, verbesserte Stimmung nur in Verbindung mit dem
Gewichtszuwachs in der DHEA-Gruppe
• Therapie möglichst ambulant (oder tagesklinisch)
•
Aufwärmen (Carrera et al. 2012, n=37, Aktimeter-Messung in
Bezug auf Angst, Depression und Essstörungspsychopathologie):
negative Korrelation zwischen Umgebungstemperatur und
körperlicher Aktivität, Angst und Depression nicht prädiktiv
•
•
• kognitiv-verhaltenstherapeutische Programme (manualisiert): Einsatz von
Essensplänen und Gewichtskurven, Beobachtung und Analyse des Essverhaltens,
„Verschreibung“ einer normalen Kost und regelmäßiger Mahlzeiten, Identifizierung
von Auslösern für Essanfälle und Erbrechen, Entwicklung alternativer Kognitionen
und Verhaltensweisen, Bearbeitung dysfunktionaler Gedanken bezüglich Figur und
Gewicht , Umgang mit depressiven Einbrüchen
• Interpersonale Psychotherapie: Verbesserung der Beziehungsfähigkeit
Zink (Suzuki et al. 2011, Tierversuch): orale Zink-Gaben
stimulieren Appetit und Nahrungsaufnahme über die
Anregung hormoneller Systeme (Orexin mRNA, NPY) sowie
des vegetativen Nervensystems (N. Vagus); Grad B Evidenz
für Patienten mit AN (Aigner et al. 2012)
• ggf. Einsatz von SSRIs (z.B. Fluoxetin, bis zu 60mg, 4 Wo.), jedoch ist die Wirksamkeit von
Antidepressiva der SSRI-Klasse auf die Kernsymptomatik der BN als relativ schwach, die
Wirksamkeit von Kombinationsbehandlungen als eher mäßig einzustufen (S3-Leitlinien)
Fischöl (Avraham et al. 2011, Tierversuch): omega-3-FS
verminderten Morbidität und Mortalität, Normalisierung von
Genen und Neurotransmittern in Hypothalamus und
Hippocampus sowie Verbesserung kognitiver Funktionen
• Ziele: Normalisierung des Essverhaltens, Bewältigung der zugrunde
liegenden oder parallel existierenden psychischen Probleme (incl.
Behandlung körperlicher und psychischer Begleiterkrankungen)
Bulimia nervosa – medikamentöse Therapie – S3-Leitlinien
• Selbsthilfemanuale („angeleitete Selbsthilfe“)
Bulimia nervosa - medikamentöse Behandlung – Erwachsene
(Hay & Claudino 2010; Medline, Embase, The Cochrane
Library, and other important databases up to January 2010)
“Citalopram may be useful in depressed patients with bulimia, whereas fluoxetine is
more specific for those with introjected anger and bulimia.” (Leombruni et al. 2006)
Anorexia nervosa - Langzeitverlauf und Prognose
•
prädiktiv bedeutsam: Anzahl der stationären Aufenthalte, Ausmaß
des Gewichtsverlustes mit Erkrankungsbeginn,
Alkoholabhängigkeit, psychosoziale Adaptation (Berkman et al. 2007)
•
prognostisch günstig: hohes Aufnahmegewicht bei stationärer
Behandlung, wenig anormales Essverhalten, großer
Veränderungswille zu Behandlungsbeginn, geringes Ausmaß
depressiver Symptome zum Entlasszeitpunkt (Castro-Fornieles et al. 2007)
•
Langzeituntersuchungen: ca. 50% der Patienten leidet nach 10-15
Jahren nicht mehr an einer AN im engeren Sinne, ca. 20% zeigen
sehr langfristige Krankheitsverläufe bzw. erkranken chronisch, ca.
ein Drittel der Patienten leidet weiterhin zumindest an einer
subklinischen Form der Essstörung oder erkrankt evtl. im Rahmen
der nächsten Lebenskrise
•
hoher Anteil persistierender comorbider psychiatrischer Störungen
(Berkman et al. 2007)
Bulimia nervosa - Langzeitverlauf und Prognose
• somatische Folgen: Zähne, Hände, Ösophagus, Magen-DarmTrakt, Zyklustätigkeit…
• häufig langfristige, fluktuierende Verläufe: deutliche
Verbesserungen bis zur Remission, bei ca. 1/3 auch unbehandelt;
auch Rückfälle (30-85%), Chronifizierungstendenz (30%)
• besserer Heilungserfolg bei jugendlichen Patienten (69-75.8%) als
bei erwachsenen (gut: 50% – mittel: 30% – schlecht:20%; Miller & Golden 2011)
• prognostisch ungünstig: geringe Behandlungsmotivation,
Substanzmissbrauch, Übergewischt in der Vorgeschichte,
comorbide Zwangsstörung;
umstritten: comorbide Borderline-Persönlichkeitsstörung
• prognostisch günstig: BN mit Beginn in der Adoleszenz
• Langzeitverlauf: mehr als die Hälfte der Patienten zeigt ein
gutes, ca. 30% ein mittleres, 10% ein schlechtes Verlaufsergebnis
(Fichter und Quadflieg, 1997)
7
01.10.2012
Anorexia und Bulimia nervosa - Langzeitprognose im Vergleich
Heilungserfolg auch bei atypischen Essstörungen –
Brewerton & Costin 2011
30-Monats-Follow-up - Helverskov et al. 2010
•
n = 629 (1997-2005), Follow-up: n = 312, >13 Jahre, AN/BN,
EDNOS-AN/EDNOS-BN; 6 Pat. verstorben (Sterblichkeitsrate: 9%)
EDI-2, BDI, strukturierte Erfassung von Essstörungssymptomen
•
Follow-up-Zeitraum: 4.6 Jahre (AN) bzw. 3.8 Jahre (BN) nach
Entlassung aus mindestens 30tägiger stationärer Therapie
über einen Zeitraum von 10 Jahren
Baseline: 19% AN, 22% EDNOS-AN, 35% BN, 24% EDNOS-BN, 28%
<19 Jahre (hiervon alle überlebt)
•
Follow-up: 131 von 224 Pat. (42%) erreichten volle Remission (jedoch
nicht stabil), 8/36 Pat. (22%) erlitten einen Rückfall zum gleichen
Störungsbild, 88 Pat. (28%) blieben über den gesamten Zeitraum krank;
keine Unterschiede hinsichtlich der Untergruppen bei adoleszenten
Patienten, schlechtester Heilungserfolg bei Patienten mit EDNOS-AN,
EDNOS-BN mit höchster Rückfallwahrscheinlichkeit
•
Prädiktoren: niedriger erwünschter BMI – schlechtes outcome bei AN,
niedriger BMI bei Aufnahme – schlechtes outcome für EDNOS-AN,
Häufigkeit objektiver bulimischer Episoden, selbst induziertes Erbrechen,
hoher Score bezüglich der Sorge ums Gewicht (EDE-Skala) –
schlechteres outcome bei BN; kein Prädiktor für EDNOS-BN
•
komorbide Persönlichkeitsstörung negativ prädiktiv über alle Gruppen
n = 66 (AN) + 52 (BN)
AN: signifikante Verbesserungen bezüglich BMI, BDI, 10 von 11
EDI-2-Subskalen, Frequenz des binge/purging Verhaltens
89% mit gutem oder mittlerem Heilungserfolg,
prädiktiv bedeutsam (23% der Varianz, p<.02): BMI bei Entlassung
BN: signifikante Verbesserungen bezüglich BDI, allen EDI-2Subskalen, Frequenz des binge/purging Verhaltens
75% mit gutem oder mittleren Heilungserfolg
prädiktiv bedeutsam (37%, p<.02) waren die Frequenz des
Erbrechens und die EDI-2-Subskala „Bulimie“
Binge Eating Disorder - medikamentöse Behandlung - Erwachsene
Night eating syndrome - medikamentöse Behandlung
als hilfreich angenommen: (1) Dopaminagonisten (Pramipexol),
(2) Antikonvulsiva (Topiramat), (3) SSRIs (Milano et al. 2011)
•
SSRIs: erfolgreich (Leombruni et al. 2008)
o n =22 + 22, Sertralin (100-200mg/die) oder Fluoxetin (40-80mg/die)
über 8 - 12 - 24 Wochen
•
vereinzelt kontrollierte Studien zu erfolgreichem Einsatz von
Zonisamid (Antikonvulsivum, Zulassung 2005, NW: u.a. Depression) und
Atomoxetin
•
Baclofen: bedingt erfolgreich (Corwin et al. 2012)
o
n =12, Baclofen (Muskelrelaxans, eingesetzt bei MS), bis zu 60mg /die (48
Tage) vs. Placebo (48 Tage), erste Phase kein Medikament oder Placebo
(alle Pat. durchliefen sämtliche Bedingungen)
o
Reduktion der Häufigkeit des Binge-Eatings (p<0.05), leichte
Verschlechterung depressiver Symptome
o
Baclofen und Placebo: weniger Binge eating, niedrigere craving-Scores
o
häufigste NW: Müdigkeit, Erschöpfung, Magenverstimmung
•
Topiramat: bisher als effektiv beurteilt (Winkelmann et al. 2005),
noch keine placebo-kontrollierten Studien
•
Sertralin: erfolgreich und gut vertragen
(O‘Reardon et al. 2006)
o n=34, 8 Wochen, flexible Dosis (50-200mg/die)
•
Escitalopram: Placebo nicht überlegen
(Vander Wal et al. 2012)
o
n=40, 12 Wochen, doppelt-blind-kontrolliert, 20mg/die
•
Clomazepam (1mg) + Pramipexol (0,125mg): erfolgreich
(Kobavashi et al. 2012) – Benzodiazepin + Dopaminagonist (D3-R)
•
Pramipexol: erfolgreich
o
n=1 (NES + RLS)
(Morse et al. 2006; Provini et al. 2005)
o Doppelblind-Studien (0,125mg vor dem Einschlafen; 0.18-0.36mg)
Essstörungen – medikamentöse Behandlung – Leitlinien / Übersichten
Anorexia nervosa - Therapie – klinische Realitäten
Leitlinien (WFSBP; Aigner et al. 2012): Literatur 1977 – 2010
– AN: 20 RCTs: Grad B-Evidenz für Zinksubstitution sowie für Olanzapin-Therapie
in Bezug auf Gewichtszuwachs, Grad C für andere atypische Neuroleptika
– BN: 36 RCTs: Grad A-Evidenz für Trizyklinka
(moderate Risiko-Benefit-Ratio)
sowie für Fluoxetin (gute Ratio), Grad 2 – Empfehlung für Topiramat
– BED: 26 RCTs: Grad A-Evidenz für SSRIs und Topiramat mit unterschiedlichen
Empfehlungen
Antipsychotika bei AN (Kishi et al. 2012): systematischer
Review und MetaAnalyse von RCTs im Hinblick auf BMI-Zuwachs: 8 Studien, 9.6 Wochen, n=221,
22.5 Jahre, Randomisierung Olanzapin (n=54), Quetiapin (n=15), Risperidon
(n=18), Pimozid (n=8), Sulpirid (n=9), Placebo (n=99), TAU (n=18), keine
signifikanten Unterschiede (Gewicht, BMI), Quetiapin in einer Studie (N=33) der
üblichen Behandlung überlegen hinsichtlich Essstörungssymptomen (p=.01) und
Angst (p=.02); Sedierung = NW
Antiepileptika (Elroy et al. 2009): Topiramat bei BN und BED (2+3 placebokontrollierte Studien) mit breitestem Spektrum: „anti-binge eating, anti purging and
weight loss agent“…
Die Behandlung schwer kranker Patienten erfordert
bisweilen sehr hohen Einsatz:
• Sitzwachen
• engmaschige Überwachung der somatischen
Parameter
• in seltensten Fällen: Sondierung
• Kombination verschiedener Medikamentengruppen
(z.B. Neuroleptika, Benzodiazepine, SSRIs)
• viel Zeit
• Transparenz allen Beteiligten gegenüber
• teilweise heftige Auseinandersetzungen
• Supervision
• Optimismus im Team …
8
01.10.2012
Was bleibt?
• Körperschemastörung?
Danke
• Depression?
• 15-60% (AN)
• Angst?
für
• 20-60% (AN)
• Persönlichkeitsstörung (?)
• 20-80% (AN)
• Substanzmissbrauch?
• 12-21% (AN)
(Miller et al. 2011)
• Perfektionismus
•…
• leider haben wir noch lange
nicht alles verstanden (Halmi 2008)
Schön wär‘s, wenn wir durchweg
nachhaltige Erfolge erzielen
könnten…
Ihre
Aufmerksamkeit!
Aber wir bleiben dran!
PD Dr. Ulrike M.E. Schulze
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /
Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 5
89075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert
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